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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Ueber den Berliner Tiergarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0458

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2oS

MODERNE KUNST.

Europas zeichnet sich der Tiergarten durch die Menge seiner Reitwege
aus, welche sich durch ihre lockere sandige Beschaffenheit kennzeichnen
und sich durch ihre dichte Beschattung sehr vorteilhaft für Reiter und
Pferd erweisen. Die wichtigste Errungenschaft für die Reitwege bildet
die Niederlegung sämtlicher innerhalb derselben stehenden Bäume, die
namentlich für weniger gewandte Reiter oft gefährlich geworden sind.

Mit der Besserung und Vervollständigung der für den Verkehr
bestimmten Fahr- und Fusswege musste deren Beleuchtung Hand in Hand
gehen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Gasbeleuchtung
durch das Undichtwerden der Gasleitungen auf die
Pflanzungen einen nachteiligen Einfluss ausübt. Die
als Notbchelt eingeführten Petroleum-Laternen
und auch die Spiritusglühlampen gewähren
nur unzureichende Beleuchtung, mithin blieb
als zweckmässigste und ausgiebigste Be-
leuchtung nur das elektrische Licht
übrig. Es wurde deshalb die Stadt
Verwaltung Berlins bewogen, elek-
trisches Licht in den Tiergarten
einzuführen. Der Anfang ist
mit Erleuchtung der Sieges
Allee, der Bellevue-, Zelten-
und Grossen Qucr-Allee
sowie des Ahornsteigs ge-

macht worden. Andere
Verkehrswege werden
später nachfolgen, da es
fernerhin nicht mehr ge-
stattet ist, Gasleitungen
in den Tiergarten zu
legen.

Eine besondere
Aufmerksamkeit ist in
den letzten Jahren den
Wasserläufen des Tier-
gartens zugewendet
worden. Vor mehr als
fünf Jahrzehnten wurde
bei Herstellung des
Schiffahrtskanals derVer-
such gemacht, die stehen-
den Gewässer mit diesem
Kanal zu verbinden und da-
durch in fliessende umzu-
gcstaltcn. Es zeigte sich in-
dessen nur allzuschnell, dass
dem Schiffahrtskanal mit der Aus-
dehnung Berlins immer grössere
Massen von übelriechenden Stoffen
zugeführt wurden, welche durch den
Anschluss der Tiergartengewässer an
den Kanal in diese gelangten. Unter sol
eben Umständen musste der vorgedachte
Anschluss an den Kanal schleunigst wieder be
scitigt und die Tiergarten-Gewässer leider wieder
in stehende verwandelt werden. Der Grundwasserstand
war hinfort wieder der allein massgebende. Mit Errichtung
der Hochdruck-Wasserleitung am Hippodrom konnten den

Gewässer umgestaltct worden. Diese Verbesserungen waren um so
leichter auszuführen, als der Wasserspiegel des Schiffahrtskanals circa
0,50 m höher als derjenige der Tiergartengewässer, der der letzteren
aber etwa 0,50 m höher, als der Wasserspiegel der Unterspree ist.

Während der letzten zwölf Jahre sind im Tiergarten viele Spielplätze
neu angelegt und alte vergrössert und verbessert und ist Sorge getragen
worden, den Kindern zur freieren Bewegung Raum zu schaffen. Wer
an schönen Tagen diese Spielplätze betrachtet, vermag sich erst ein klares
Bild von dem Nutzen derselben zu machen. Aber auch eine
Vervollständigung der Spielplätze durch Errichtung von
Schutzdächern gegen plötzlich eintretendes Unwetter
ist in's Auge gefasst worden. Mit der Zunahme
des Verkehrs im Tiergarten mussten auch
die erforderlichen Schutzmannschaften ver-
tärkt werden. Es mangelte ferner an
einem Unterkunftsort für die im Tier-
garten verletzten Personen. Es wur-
den deshalb zwei Polizei-Wachen
in Verbindung mit Unfallstationen
unmittelbar im Tiergarten er-
richtet und zwar die erste in
der Baumschule an der
Charlottenburger Chaussee
und der Bellevue-Allee, die
zweite auf der Schleusen-
insel am Hippodrom.
Diese Einrichtungen ha-
ben sich im Interesse
des Verkehrs ungemein
bewährt.

Die Aufstellung der
Denkmäler König
Friedrich Wilhelm III.
und der Königin
Luise im Tiergarten,
sowie die Errichtung
der Siegessäule auf
dem Königsplatz haben
zur Ausschmückung und
Hebung des Parkes unge-
mein beigetragen. Nach-
dem die Statuen der Gei-
stesheroen Goethe und
Lessing ihren Platz im Tier-
garten gefunden haben, steht
in nicht zu langer Zeit die
Aufstellung des Rieh. Wagener-
Denkmals in der Tiergarten-
strasse in Aussicht. Auch das
grossartige • Bismarck-Denkmal auf
dem Königsplatz sieht seiner Voll-
endung entgegen. Dass bevorzugte innere
Partien des Königlichen Tiergartens nur für
die Denkmäler der Herrscherfamilie bestimmt
sein können, ist selbstverständlich So ist durch
den Kunstsinn und die hochherzige Zuwendung Seiner
Der Berliner Tiergarten- Majestät des regierenden Kaisers Wilhelm II. die Pracht-

strasse in der Sieges-Allee entstanden, welche mit ihren

Wasserläufen zwar gewisse Mengen reinen Wassers zugeführt werden,
so dass sich der Wasserstand um etwa 0,20 m hob, die Gewässer blieben
indessen stillstehende.

Mit der Kanalisierung Berlins hat die Zuführung von Abwässern in
die Spree und in den Schiffahrtskanal eine wesentliche Beschränkung
erfahren.

Nach Beendigung der Kanalisation namentlich Rixdorfs ist der An-
schluss der Tiergartengewässer an den Schiffahrtskanal und die Spree
wieder erneuert und sind die ersteren nunmehr wieder in flicssende

Kaiser Friedrich-Gedächtniskirchu

Kunstwerken, von gärtnerischen reich mit Blumen geschmückten Anlagen

eingefasst, einzig in der Welt dastcht.

Die von unserem Fürstenhause den altehrwürdigen Bäumen des Tier-
gartens entgegen gebrachte Fürsorge ist eine nicht hoch genug zu
schätzende, denn diese Zeugen längst vergangener Tage bilden den herr-
lichsten Schmuck und geben dem schönen Park seinen eigenartigen
Charakter.

Um aber diesen Bäumen die Möglichkeit langen Bestandes und
dauernder Weiterentwickelung zu gewähren, wrurde es notwendig, die
 
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