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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0505

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Öriginakeichnung von M. Ränikc.


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|k[och treibt der Schnee. Doch sehnsuchtsvolles Klingen
Stimmt schon ins Schluchzen aller Quellen ein,

Die, halberstarrt, in dumpfen Tönen singen
Von Veilchenglut und jungem Sonnenschein.

Die dunkeln Tannen stehen stumm und lauschen
Und dampfen noch, vom letzten Frost bereift.

Die Wipfel aber wiegen sich und rauschen,

Weil sanft der Südwind durch die Krone streift.


[Nachdruck verboten.]

Jxoch scheint es nur ein kaum merkliches Wehen,
Bald holt er Atem, und mit einem Mal
Ein Brausen hört man durch die Wälder gehen
Wie Orgelklang und tönenden Chorall
Da bricht das Eis und alle Quellen lachen.

Die eine ruft's der anderen ins Ohr

Und Alles rauscht: „Der Frühling will erwachen!" —

Und singt und klingt in brüderlichem Chor.

<0n Lüften hoch ein leises gold’nes Klingen!

Ein Muschelwagen, sommerlich bespannt
Mit dunkelblauen weh'nden Schmetterlingen
Schwebt segelnd weiter in das dunkle Land
Die Wälder rauschen und die Wolken treiben.

Der Schnee zerschmilzt. Der Quell hat keine Ruh’,

Lind auch das Herz mag nicht mehr stille bleiben
Und sehnt sich seinem ew’gen Frühling zu.

. _ Maurice von Stern.


Farben

eue Blüten und Hoffnungen, neue Freuden und Farben bringt der Frühling
in das Natur- und Menschenleben. Die Lenzsonne lässt helle freudige
erglühen, die während der trüben Zeit des Winters das menschliche

Auge vergessen hatte.

Schon der Vorfrühling mit seinen zwar noch kahlen Bäumen, seinem noch
an den Aesten hängenden vorjährigen TIerbstlaube, bietet dem schärfer Zu-
sehenden Entzückendes. Die ganze Farbenstimmung der Natur ist noch trübe,
aber nicht mehr so düster wie im Winter, schon leuchtet die Sonne heller
durchs Geäst und ihr Wiederschein im Wasser, von dem eben erst das Eis
schmolz, ist heller; sie weckt überall Leben und Licht. K. Heffner hat diese
Stimmung in seinem herrlichen Bilde „Vorfrühling“ mit höchster Meisterschaft
zur Darstellung gebracht.

Da regen sich die Schwingen der Phantasie und der Mensch sieht nicht
nur im neuen Frühling eine neue Jahreszeit, nein, er bevölkert die Natur mit
dichterischen Gestalten. Er sieht den Frühling erwachen, ein holdes jung-
fräuliches Weib schlägt die Augen auf und neue Lebenslust blickt ihm entgegen.
Frühlingsblumen blühen, Schwäne ziehen durchs Gewässer und die Sonne taucht
den Himmel in Glut, wenn auch das knorrige Eichengeäst noch ohne Laub
ist. L. Zickendrahts „Frühlingserwachen“ giebt dieser poetischen Auf-
fassung eine prächtige künstlerische Veranschaulichung.

Der Kampf des jungen Frühlings mit dem Winterriesen ist ein Motiv, das
unzählige Mal schon in Dichtung und Kunst verherrlicht worden ist. Für unsere
'Frühlingsnummer hat Karl Storch das schöne Motiv neu bearbeitet; sein
„ Fr üh li n gs-Ein z ug “ zeigt eine junge Frau Holda, die mit dem frischen Hauche
ihres Mundes die letzten hartnäckigen Verteidiger des Winters davonjagt.

Nun blüht und treibt es überall; in Wald und Feld draussen winkt der Lenz;
im Herzen der Menschen knospet die Liebe. Max Levis „Frühlingsboten“
stellt ein junges Weib dar, frisch wie der Frühling, froh wie der Lenz, das
sinnend ihre Augen von den zarten Blumen der Liebe weg schweifen lässt hinaus
ins Reich der Phantasie, dem Liebsten entgegen.

Frühling und Liebe waren zu aller Zeit ein Geschwisterpaar, das Hand in
Hand ging. C. A. Lenoirs’ prächtiges Gemälde „Knospende Liebe“ zeigt
uns ein Mädchen des Altertums. Mit dunklen Augen schaut sie vor sich hin. Wie
Walther von der Vogelweide sitzt auch sie auf einem Steine und hat das „Kinn
in die Hand geschmogen“; aber keine politischen Erwägungen ziehen durch ihren
-Sinn; der Frühling hat das junge Herz wachgeküsst und nun drängt es dem Blühen
entgegen — der Lenz bewährt seine Macht, wo auch immer er sie erprobt hat.

Kaum ist neues Leben erblüht in der Natur, so naht auch schon der Mensch
mit dem Feuerrohr um es auszulöschen; in die im friedlichen Wetteifer sich
verjüngende Welt dringt das erste totbringende Geschoss.

Während der Frühlingsmonate balzt der Auerhahn, das heisst, er lockt
in den frühesten Tagesstunden mit in bestimmter Folge abwechselnden Lauten
die Hennen heran. Den Augenblick der höchsten Verzückung des Tieres, wie

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ihn die Meisterhand W. Kuhnerts vorführt, benutzt der Jäger, um schnell
einige Schritte vorzuspringen. In diesem Augenblick würde selbst ein Schuss
den Hahn nicht stören. Sobald aber der „Schleifer“ vorüber ist, muss der
Jäger sich still verhalten, um den nächsten abzuwarten.

Frisches, fröhliches Leben, freudige Beweglichkeit atmet P. Pöppelmanns
schöne plastische Gruppe: „Reigen“. Schneller rinnt das Blut durch die Adern,
rascher fliegen die Pulse; feurig wie junger Wein kreist neue Lebenslust in allen
Gliedern. Wer kann still sitzen, wenn alles im Frühlings - Wirbeltanz sich dreht!
Schnell die Hände gefasst; alles Beengende und Ueberflüssige abgestreift! Zum
Tanz! Zu fröhlichem Tummel im Ringelreigen! — Eine reizvolle kleine Gruppe
bilden M. Ränikes prächtige Buben, die mit staunenden Blicken das „neue
Leben“ zwischen den Halmen und Blumen betrachten, das schwarzgetupfte
Marienwürmchen und den schillernden Schmetterling.

„Scheint die Sonne noch so schön, einmal muss sie untergehen“ — treibt die
Kraft des frischen Frühlings noch so mächtig — am Abend sinkt Ruhe auch über
die Frühlingslandschaft und nur im Traume noch gedenkt sie der Sonne des Tages.

Vereinzelte Birken recken ihre gebeugten, weissschaligen Stämme den
Frühlingsstürmen entgegen. Die Segel der Fischerboote, die von der Ausfahrt
heimkehren, sind vom Winde geschwellt. Vor dem einfachen Bauernhause sind
noch zwei Mägde mit später Feldarbeit beschäftigt, während drinnen die Bäuerin
das Abendbrot rüstet. Einfachheit und Ruhe liegt über der Abendland Schaft und
doch atmet dies Frühlingsbild von der Ostsee, das L. Douzette so stimmungs-
voll durchgeführt hat, das erwachende Leben der Natur, über die der Abend zur
kurzen Ruhe seine Fittige breitet. Eine gewisse Schwermut liegt auf dem stroh-
gedeckten Hause und der überschwemmten Wiese. Es werden Klänge in
unserem Innern rege — Erinnerung, Hoffnung, Wunsch, Entsagung — je nach-
dem unser Herz empfänglich ist.

Die „Meisterholzschnitte“ der Frühlingsnummer nehmen ihre Stoffe aus
den verschiedensten Gebieten. Gabriel Max ist mit einem idealschönen jugend-
lichen Weibe vertreten, das „Maitrank“ kredenzt. S. E. Wallers schönes Bild
vereint alle die Gestalten, die charakteristisch für „Jägers Hochzeit“ sind.
Percy Morans: „Allein“ giebt einer ernsteren Stimmung Ausdruck. Drüben
über dem Meere sinkt der Sonnenball hinab; die Natur wird schweigsam und
still, da senkt sich eine leichte Aengstlichkeit in die Seele des Mädchens, das
unbeweglich am Ufer steht. Carlo Wostrys figurenreiche: „Steeple Chase
in der Grossmutterzeit“ erklärt sich selbst; die Betrachtung der einzelnen
Figuren und Gruppen, alle im grossväterlichen Gewände, gewährt eine besondere
Freude. Während Rene Reineckes Bild: „Auf dem Ammer-See“ eine
kleine Familie in traulichstem Zusammensein zeigt, bietet J. Nogales mit seiner
„Heiligen Casilda“ eine Scene aus der Heiligen-Legende. Vor den Augen ihres
Gebieters, gegen dessen Willen die Heilige den darbenden Gefangenen Nahrungs-
mittel spenden will, verwandeln sich die Speisen inBlumen; so dass ob des Wunders
der strenge Sinn des Herrschers in Anbetung sich verkehrt. Arthur Stichler.
 
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