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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Schlotke, Otto: Im Hamburger Ratsweinkeller
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0510

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238

MODERNE KUNST.

Der Hamburger Ratsweinkeller: Im Remter.

zu Lübeck und Bremen, ehrfurchtsvoll steht man in jenem vor den alten
Fässern mit den köstlichen Tropfen, und die poetischen Schilderungen
Hauffs erfüllen noch heute die mächtigen Gewölbe des Bremer Ratskellers
mit eigenartigem Zauber.

Der Hamburger Ratskeller und ebenso das imposante Rathaus sind
in unserer Zeit entstanden, und anderer Art sind infolgedessen die Ein-
drücke, die der Besucher in ihnen empfängt. Während wir bei den Rats-
kellern der beiden andern Hansestädte das anheimelnde Walten ver-
gangene! Jahrhunderte spüren, weht im hamburgischen Ratskeller moderne
Luft, und man möchte sagen, er ist mehr eine Apotheose des jungen
Weins, der Jugend und des Lenzes.

Wenn man den Ratsweinkeller, der die ausgedehnten Kellergewölbe
im Mittelbau des Rathauses und an der Grossen Johannisstrasse umfasst,
von der letzteren Strasse betritt, so empfängt uns auf der Steintreppe
gleich der in seliger Weinlaune herablächelnde alte Bacchus, welcher
früher im sog. Eimbeckschen Hause stand, dessen Kellerräume ehemals
den hamburgischen Ratsweinkeller bildeten. Der Bacchus ist ein Werk
des schwedischen Bildhauers Manstadt und stammt aus der Zeit um 1750.
Die den alten Hamburgern wohlbekannte Statue hat sich trotz aller über
die Hansestadt hinweggerauschten Stürme erhalten und so hat man dem
rebenbekränzten Gott nunmehr eine bleibende Stätte am Eingang des neu-
erstandenen Ratskellers gegeben.

Von besonderem Reiz ist es, dass die verschiedenen Hallen des
Ratsweinkellers, in den wir jetzt eintreten, in verschiedenen Höhen liegen.
Am höchsten liegen „Remter“ und „Rosenkranz“, in mittlerer Höhe die
„Halle zur bunten Kuh“ und am tiefsten der „Grundsteinkeller“.

Die „Halle zur bunten Kuh“, die man vom Eingang aus zuerst er-
blickt, hat ihren Namen nach dem berühmten Schiff Simon von Utrechts, das
gemeinsam mit den Hamburger Schiffen Erzbischof von Hammeburg“
und „Der ehrbare Kaufmann“ vom Hamburger Rat im Jahre 1402 zur
Besiegung des Seeräubers Störtebecker ausgesandt wurde. Ein erbitterter

Kampf dieser drei Schiffe mit der Seeräubcrflotte entbrannte dann be-
kanntlich in der Nähe von Helgoland, und das Ende war, dass Störte-
becker mit 80 Genossen gefangen und später auf dem Grasbrook zu
Hamburg hingerichtet wurde. Nach der Sage soll dann der Scharfrichter
Rosenfeld, der diese Massenhinrichtung besorgte, als der Rat ihn teil-
nehmend fragte, ob er sehr ermüdet sei, geantwortet haben, dass er
Kraft genug habe, um auch den ganzen Rat noch zu köpfen. Infolge dieser
Antwort ist dann sofort der Scharfrichter selbst hingerichtet worden ....

In der Halle zur „Bunten Kuh“ hängt ein Modell des gleichnamigen
Schiffes, und die grossen farbenreichen Glasfenster zeigen die Bildnisse
Simon von Utrechts, Ditmar Koels, des Besiegers der Seeräuber Ivnip-
hof und Rode, und des Kapitän Karpfanger, der mit dem letzten Kriegs-
schiffe Hamburgs im Meerbusen von Cadix zu Grunde ging.

Die Gewölbe sind hier in lustiger Weise mit pflanzlichen und tierischen
Ornamenten geschmückt, die die Wappen der hauptsächlichsten Wein-
länder umranken. Von besonderem Reiz sind die lebensvollen Allersschcn
Zeichnungen, mit denen die Fensternischen geschmückt sind und in denen
der Künstler in seiner bekannten feinbeobachteten Weise Scenen aus
Hamburgs Hafen und Strassen schildert.

Auf der Nord- und Südseite der Halle sind prächtige Galerien an-
gebracht, die in den „Remter“ und den „Rosenkranz“ führen. Der letztere
namentlich, welcher in den poesievollen Malereien des Hamburgers Paul
Düyffcke dem weiblichen Geschlecht huldigt, ist von bestrickender Schön-
heit. Von Rosen erfüllt ist die ganze kreisrunde Halle, und das Rosen-
motiv findet man in farbenprächtigster Weise und mannigfachsten Va-
riationen überall wieder — am schönsten aber in dem Kranz lieblicher
Mädchengestalten, die sich im Tanze wiegen. Die vornehme Holztäfelung,
die herrlichen, mit dem hamburgischen Wappen geschmückten lederge-
punzten Stühle und die in Glasmosaik hergestellten Fenster vervoll-
ständigen die entzückende Wirkung dieses traulichen Raumes. Eine be-
sondere Anziehungskraft erhält übrigens der Rosenkranz noch durch eine
 
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