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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 15.1902

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Heigel, Karl von: Brummells Glück und Ende, [5]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0575

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MODERNE KUNST.

269

dieses Weibes ausgemalt, dachte er; nun
siehst du es zum letzten Mal und musst
dennoch weiterleben, wirst wahrscheinlich
noch lange leben. Eine Art Witwer, aber
viel trauriger als ein Witwer.

Louisa Perceval trat ein. „Ich habe
mit Bedauern gehört“, begann er, brach
aber vor Bestürzung ab und liess die Hand,
die sie ihm reichte, nicht mehr frei. „Mein
Gott, wie leidend Sie aussehen! Sie müssen
den Arzt zu Rate ziehen.“

„Lord Townshend, Sie sind ein wahrer
Freund unseres Hauses, ich bin Ihnen Offen-
heit schuldig: Mir hilft kein Arzt, mein
Gemüt leidet. Und es kann nur gesunden,
wenn ich London verlasse.“

„In der Fremde — unter Fremden
hoffen Sie —“

„Ich habe alles bedacht, weiss, welches
Opfer mir die Mutter bringt, weiss, dass
ich ihre innigsten Wünsche —“ Sie hatte
ihm ihre Hand entzogen und fuhr nach
den Augen . . . die Thränen waren unauf-
haltsam.

„Ich kann Sie nicht weinen sehen!“,
rief er leidenschaftlich. „Was — wer be-
reitet Ihnen Kummer? Wer könnte Ihnen
Kummer bereiten!“

Er hielt wieder ihre Hand. Louisa
wandte sich von ihm ab und sagte: „Den
grössten Kummer, den es giebt!“

Jetzt verstand er sie. Also doch! ein
anderer! Eine grenzenlose Wut erfüllte
ihn gegen den Unbekannten. „Es giebt
Schurken in jedem Stande. Solcher Ver-
lust ist ein Gewinn.“

„Ihr Wort ist zu hart", erwiderte sie
lebhaft. „Ja, ich habe einen Mann von

Ferdinand Keller: Krieg und Friede.

Aus »Allegorien und Embleme“ (Gerlach und Schenk, Wien.)

ganzem Herzen geliebt und mich in ihm
getäuscht. Und doch hat er nicht schlecht,
sondern rechtschaffen gehandelt. Er ist
anders als ich dachte, doch er selbst öffnete
mir die Augen. Für mich ist es ein Sturz
aus dem Himmel, doch er beging keinen
Verrat, keine Schurkerei — er sagte ein-
fach: Ich habe nicht den Mut, ein armes

Mädchen zu heiraten.“

„Sie werden ihn vergessen!"

„Ihn wohl, aber nicht meinen Traum.“
Das beste Mädchen, doch wie alle über-
schwenglich, dachte Townshend. Immerhin
— mit einem Traum nehm’ ich’s auf.
„Warum aber nach Italien? Er muss sich
schämen, nicht Sie!“

„WennSiewüssten, wie mir zuMute ist!“
„Freilich, freilich! . . .“ Er sah sie
treuherzig an. „Wenigstens gehen Sie nicht
meinethalben fort!"

„Nein; doch nach den Andeutungen,
die mir Mama gemacht hat, hielt ich es für
meine Pflicht, Ihnen zu sagen, warum ich
fortgehe.“

„Ach ja, ich verstehe“, sprach er ge-
drückt. „Doch Freund Townshend ist
Ihnen willkommen?“

„Immer!“

„Wo werden Sie hinreisen?“

„Mama wünscht den Sommer in Florenz
zu verbringen.“

„In Florenz. Ich werde Sie im Juni
dort besuchen. Sie bedürfen in diesen un-
sicheren Zeiten männlichen Schutzes. Ich
werde über Sie wachen, und Sie werden
mich unterrichten. Ich habe viel nachzu-
holen — bin auf dem Lande und für das
Landleben erzogen worden. Da fehlt’s an

XV. 68.
 
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