DOI Artikel:
Tanera, Karl: Ein Zugvogel: Reise-Plauderei
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.22227#0598
MODERNE KUNST.
275
grossartig die Martinswand erscheint, wenn man früh morgens
vom Isel-Berg oder von der Kreuzspitze auf sie blickt! Zehn
Jahre lang habe ich meinen Urlaub in den Alpen zugebracht.
Schliesslich war ich ja eine Grösse in den Kreisen der Spitzen-
erkletterer geworden. Jener prächtige Hohen-Tauern-Feldzug!
Anders kann man das nicht nennen. Durch das Kaprun hin-
auf auf das Wiesbachhorn. Von dort über die Schwarzenberg-
Hütte nach der Hoffmannshütte. Donnerwetter ich habe noch
nachträglich Respekt vor mir, wie ich da klettern und was
ich in jener Zeit noch aushalten konnte. Damals lebte ich
noch nicht so gut wie jetzt und das heillose einbonpoint war
auch noch nicht da. Uebrigens darben musste man ebenso-
wenig. Das sind schon vorzügliche Schöpfungen des deutschen
und österreichischen Alpenvereins, dass man so trefflich aus-
gestattete Gasthäuser und Vereinshütten überall findet, wie
die Stüdl-Hütte, Erzherzog Johann-Hütte, das Grossglockner-
Haus und diese ausgezeichnete Schwarzenberg-Hütte. Gemüt-
liche, warme Zimmer, gute Betten, kräftige Kost und pracht-
vollen Wein mitten in der Schnee- und Eisregion — was
könnte man noch mehr verlangen! Und doch! Gutes Wetter.
Teufel nochmal war später die Tour auf die Ortler-Gruppe
ein Reinfall! Regen und Regen, kein Sonnenstrahl, kein Aus-
blick, kein trockner Faden am Leib. Und so acht Tage in die
Berliner Hütte gebannt! Ich habe ja die Hirten und Senner
beneidet, die in ihren schmutzigen, ledernen Kniehosen, welche
sie vielleicht schon von ihren Vätern geerbt hatten, doch
trocken waren Jener Regensommer hat mir eigentlich die
Berge etwas verleidet.
Seit dieser Zeit treibt es mich in die Seebäder. Das ist
ja auch schön, jedenfalls bequemer. Venedig und der Lido!
War doch wirklich reizend. Jeden Nachmittag fuhr ich von
der Riva degli Schiavoni um 2 Uhr mit dem Dampfer ab.
Jeden Nachmittag sassen die drei kleinen Venezianerinnen aut
demselben Platz des
| Bootes. Ich rade-
Lr' brechte mit ihnen
auf eine schauerige
Weise. Aber es
ging docfi. Teresina
verstand mich bald
ganz gut Auch Ro-
sita bemühte sich,
mit mir eine ver-
ständige Unterhal-
tung zu führen Nur
der kleine Racker,
die Ninetta, die
kicherte in einem
fort und lachte mich aus. Wie
sie das so niedlich heraus-
brachte, wenn ich ein Wort
falsch gebrauchte, das: Barbaro
tedesco! Wie sie sich freute,
wenn sie mir dann im Seebad
von Fisola die Cigarette aus-
spritzen oder sie gar mit einer
von ihr erregten Welle aus
dem Munde schwemmen
konnte! Es war doch
hübsch, dass man dort
wenigstens an die Damen-
abteilung heranschwim-
men und am Strick sich
mit den niedlichen Nixen
unterhalten und necken
konnte. Hat der Moral
auch nicht geschadet, und
Die Schwarzenberghütte am Wiesbachhorn (Tirol).
würde auch unsern deutschen Damen nichts tliun. Ganze Nachmittage
haben wir an der Strickgrenze geplaudert und gescherzt. Wenn dann
die kleine Ninetta herüberkam und in der Herrenabteilung herumschwannn,
bis ich sie zu haschen suchte und sie sich wieder hinter den Strick
rettete! Das blieb immer harmlos und entzückend, obwohl man mich
den Bade-Don Juan nannte. Wir waren doch noch die reinsten Kinder
und ich das grösste von allen. Aber dieses harmlose Scheckcrn und
Tollen that den durch die strenge Winterarbeit etwas mitgenommenen
Nerven so gut. Dann die entzückenden Spaziergänge auf dem Strand
vor und nach den Bädern! Dabei habe ich auch eine tüchtige Portion
Italienisch gelernt. — „
Dann kam die Reise nach Schweden und Norwegen.
Sie hat mir sehr gefallen.'- Die Umgegend von Stockholm kann ja
gar nicht idyllischer sein. Unzählige kleine bewaldete Buchten, die ge-
schaffenen Schlupfwinkel für Liebespaare, die sich verstecken wollen.
Ein leichtes Boot, einige Ruderschläge, man ist um eine Ecke ver-
schwunden, und keine Seele entdeckt die Entflohenen, bis sie nicht von
selbst wiederkommen. Und doch erinnere ich mich, wie ich damals das
hübsche Paar in seinem Sportsboot beobachtete. Lange entdeckten sie
275
grossartig die Martinswand erscheint, wenn man früh morgens
vom Isel-Berg oder von der Kreuzspitze auf sie blickt! Zehn
Jahre lang habe ich meinen Urlaub in den Alpen zugebracht.
Schliesslich war ich ja eine Grösse in den Kreisen der Spitzen-
erkletterer geworden. Jener prächtige Hohen-Tauern-Feldzug!
Anders kann man das nicht nennen. Durch das Kaprun hin-
auf auf das Wiesbachhorn. Von dort über die Schwarzenberg-
Hütte nach der Hoffmannshütte. Donnerwetter ich habe noch
nachträglich Respekt vor mir, wie ich da klettern und was
ich in jener Zeit noch aushalten konnte. Damals lebte ich
noch nicht so gut wie jetzt und das heillose einbonpoint war
auch noch nicht da. Uebrigens darben musste man ebenso-
wenig. Das sind schon vorzügliche Schöpfungen des deutschen
und österreichischen Alpenvereins, dass man so trefflich aus-
gestattete Gasthäuser und Vereinshütten überall findet, wie
die Stüdl-Hütte, Erzherzog Johann-Hütte, das Grossglockner-
Haus und diese ausgezeichnete Schwarzenberg-Hütte. Gemüt-
liche, warme Zimmer, gute Betten, kräftige Kost und pracht-
vollen Wein mitten in der Schnee- und Eisregion — was
könnte man noch mehr verlangen! Und doch! Gutes Wetter.
Teufel nochmal war später die Tour auf die Ortler-Gruppe
ein Reinfall! Regen und Regen, kein Sonnenstrahl, kein Aus-
blick, kein trockner Faden am Leib. Und so acht Tage in die
Berliner Hütte gebannt! Ich habe ja die Hirten und Senner
beneidet, die in ihren schmutzigen, ledernen Kniehosen, welche
sie vielleicht schon von ihren Vätern geerbt hatten, doch
trocken waren Jener Regensommer hat mir eigentlich die
Berge etwas verleidet.
Seit dieser Zeit treibt es mich in die Seebäder. Das ist
ja auch schön, jedenfalls bequemer. Venedig und der Lido!
War doch wirklich reizend. Jeden Nachmittag fuhr ich von
der Riva degli Schiavoni um 2 Uhr mit dem Dampfer ab.
Jeden Nachmittag sassen die drei kleinen Venezianerinnen aut
demselben Platz des
| Bootes. Ich rade-
Lr' brechte mit ihnen
auf eine schauerige
Weise. Aber es
ging docfi. Teresina
verstand mich bald
ganz gut Auch Ro-
sita bemühte sich,
mit mir eine ver-
ständige Unterhal-
tung zu führen Nur
der kleine Racker,
die Ninetta, die
kicherte in einem
fort und lachte mich aus. Wie
sie das so niedlich heraus-
brachte, wenn ich ein Wort
falsch gebrauchte, das: Barbaro
tedesco! Wie sie sich freute,
wenn sie mir dann im Seebad
von Fisola die Cigarette aus-
spritzen oder sie gar mit einer
von ihr erregten Welle aus
dem Munde schwemmen
konnte! Es war doch
hübsch, dass man dort
wenigstens an die Damen-
abteilung heranschwim-
men und am Strick sich
mit den niedlichen Nixen
unterhalten und necken
konnte. Hat der Moral
auch nicht geschadet, und
Die Schwarzenberghütte am Wiesbachhorn (Tirol).
würde auch unsern deutschen Damen nichts tliun. Ganze Nachmittage
haben wir an der Strickgrenze geplaudert und gescherzt. Wenn dann
die kleine Ninetta herüberkam und in der Herrenabteilung herumschwannn,
bis ich sie zu haschen suchte und sie sich wieder hinter den Strick
rettete! Das blieb immer harmlos und entzückend, obwohl man mich
den Bade-Don Juan nannte. Wir waren doch noch die reinsten Kinder
und ich das grösste von allen. Aber dieses harmlose Scheckcrn und
Tollen that den durch die strenge Winterarbeit etwas mitgenommenen
Nerven so gut. Dann die entzückenden Spaziergänge auf dem Strand
vor und nach den Bädern! Dabei habe ich auch eine tüchtige Portion
Italienisch gelernt. — „
Dann kam die Reise nach Schweden und Norwegen.
Sie hat mir sehr gefallen.'- Die Umgegend von Stockholm kann ja
gar nicht idyllischer sein. Unzählige kleine bewaldete Buchten, die ge-
schaffenen Schlupfwinkel für Liebespaare, die sich verstecken wollen.
Ein leichtes Boot, einige Ruderschläge, man ist um eine Ecke ver-
schwunden, und keine Seele entdeckt die Entflohenen, bis sie nicht von
selbst wiederkommen. Und doch erinnere ich mich, wie ich damals das
hübsche Paar in seinem Sportsboot beobachtete. Lange entdeckten sie