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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Paulsen, Friedrich: Paul Wallot
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Schliepmann, Hans: Arthur Johnson
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0045

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ARTHUR JOHNSON

Wallots Reichstagshaus ist immer von neuem
darauf geprüft, welchen Stil es habe. Man kann
nämlich mit recht elementaren Kenntnissen
sehen, daß es in kein Stilschema hineinpaßt.
Es wäre auch unter Wallots Händen anders
geworden, wenn es 20 Jahre früher oder später
gebaut wäre, oder wenn es an Stelle des „Doms“
in den Lustgarten gekommen wäre. Geblieben
wäre jedenfalls das reich Persönliche, das, was
man am Dresdner Ständehaus, einer verwandten
Aufgabe, herausfindet, was man noch in den
ganz anders gestellten Aufgaben, die Wallot in
Frankfurt löste, erkennt, was aber in seinen
Schülern spezifisch wallotisch nicht zu erkenen ist.

Dies persönliche Kunstempfinden Wallots,
die Bedingungen der Aufgabe, der Umgebung,
der Zeit usw. sind bei seinen großen Aufgaben
zu Verbindungen zusammen getreten, in denen
die Elemente schwer zu erkennen sind. Manch
anderer, dessen Eigenes seine Schüler sich
amalgamisieren konnten, hat deshalb ausgeprägtere
Schulen herangebildet. Wallots wenige und
große Aufgaben der letzten Jahrzehnte haben
dies erschwert, wenn nicht verhindert.

Und doch ist eines mehr oder weniger allen
denen eigen, die längere Zeit Wallots Schüler
und seine Mitarbeiter gewesen sind: ein ruhiger,
gehaltener, festlich ernster Rhytmus, jener
Rhytmus, der dem Meister in so besonders
hohem Grade eigen ist.

Arthur Johnson, von hans

SCHL1EPMANN.

Trotz aller wortreichen Anteilnahme der so-
genannten Gebildeten an Kunst und Künstlern
ist es dem wirklich urpersönlichen Talent heute
noch gerade so schwer, sich einen Weg zu
bahnen, wie vor zwanzig, vor vierzig, vor vier-
hundert, vor viertausend Jahren. Denn es ist
beinahe ein Naturgesetz, daß der Geist von
morgen auf die Feindschaft des Geistes von
heute stößt. Und wenn auch keine Zeit so
wandelsüchtig, so ewig hungrig auf neue Sen-
sationen gewesen ist wie die unsere, so ist doch
gerade diese Labilität des Kunstgeschmackes
nur eine Folge des Mangels an wirklichem
Urteil und namentlich an Vertiefung, zu der
wir ja längst keine Zeit mehr haben. Wo
Kunstgenüsse mit der Geschwindigkeit eines
Speisewagen-Diners serviert werden müssen,
können neuartige Gerichte kaum richtig ge-
würdigt werden.

So ist es nicht zu verwundern, wenn das
Publikum auch heute noch an Werken vorüber-
geht, die eine starke Eigenart zeigen, für die
ihm aber die werbende Vokabel noch nicht
geprägt ist. Wir müssen den Hastenden, den
Unsicheren einen Augenblick festzuhalten suchen
zur Sammlung, zu genießender Andacht vor der

PELIKANE CARL KAPPSTEIN

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