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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Dienstag, 6 Januar 1903.

Grftes Blatt.

45. Jahrgaug.


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L

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(2

Lrscheint täglich, Svnntags ausgenorn-nen. Preis mit FamilienLlättern monatlich 80 Psg. M's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

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an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Krklärung.

Karlsruhe, 4. Jan.

Die heute versauWnelten Mitglieder des engeren Aus-
schusses der Natioualliberalcn Partei und Landtagsabge-
ordneten Badens beglückwünschen die national-
liberale Fraktion dcs Deutschen Reichstags und
ihre hochverdientcn Führer zu dem großen Erfolge, dcr
darin liegt, dah unter ihrer entscheidenden Mitwirkung
der Zvlltarif im Wcscntlichen aus der von ihr im Herbst
v. I. in Eiscnach gebilligtcn, den Jntercssen der Land-
wirtschaft wie der Jndustrie gerecht wcrdendcn und eine
vernünftige Mittellmie einhaltenden Grundlage zustande
gebracht worden ist. Die Versammelten erkennen dabei
an, daß durch die fortwährende Obstruktion der Sozial-
-emokratie, die ausgeshrochenermaßen eine sachliche Be-
schlußfassung überhaupt vereiteln wolltc, die Mehrheit in
die politische Notwendigkeit versetzt war, die Geschäfts-
ordnung in der Wcise zu handhaben, bezw. abzuändcrn,
wie dies tatsächlich gcschehen ift, und vennögen in der
Bcteiligung der nationalliberalen Fraktion an diescm
Voraehen etwas Tadelnswertes um so weniger zu er-
blicken, als die Geschäftsordnung zweifellos durch einen
Mehrheitsbeschluß des Reichstags jederzeit geändert
werden kann, die materielle Seite der Sache durch eine
gründliche Kommissionsberatung in genügender Weise
'largestellt worden war und im Uebrigen Alles auf-
eboten werden mußte, um eine Vergewaltigung der
kiajorität durch die Minorität und damit einen für die
ganze ZukunftdesParlamentarismus geradezu verderblichen
Vorgang zu verhindcrn.

gel

Der Engere Ausschuß

der Nationallibcralen Partei Badens war mit den
badischen Landtags- und Reichstags-Abgeordneten am
4. d. zu einer Beshrechung in Karlsruhe versammelt.
Die oben wiedergegcbene Erklärung wurde einstinmrig
angenommen, nachdem sämtliche Redner mit besondcrcr
Wärme ihrc Zustimmung zu derselben arrsgesprochen
hatten. Es gelangtc ferner folgendes Schreibcn des
Staalsministers a. D. Dr. Nokk an Hcrrn Oberbiirger-
meister Dr. Wilckens zur Verlesung:

Hochvcrehrter Herr Oberbürgermeister und Vorstand der
nationalliberalen Pärtei Badens!

Cuer Hochwohlgeboren haben mir im Namen der national-
liberalen Partei Wadens unter freundlicher Horvorhebung
meiner früheren dienstlichen Arbeit die aufrichtigsten und wärm-
sten Glückwünsche für mcin 70tes 'Geburtsfest dargebracht.
Das gütige Gedenken hat mir die grötzte Freude bereitet, em-
pfangen Sie für die mich ehrende Aufmerksamkeit meinen in-
nigsten Dankl

Jch werde stets in daukbarer Erinnerung bewahrcn, wie
viele Anregung und welche tatkräftige, werktätige Unterstützung
ich von Jhren Gesinnungsgenossen erfahren durftel Das Zu-
sammenwirken hat, wie ich hoffe, manche gute Frucht gezeitigt.
Nochmals lebhaften, herzlichen Dank und die ergebene Bitte,
im Hinblick auf meiue immer noch schwankende Gesundheit
die fpäte Deantwortung Fhrer gütigen Zuschrift entschuldigen
zu wollen.

Verehrungsvollst

Jhr

, ergebenster Dr. Nokk.

Karlsruhc, den 10. 12. 02.

Schließlich wurden die bevorstehenden Reichstags-
wahlen eingehcnd besprochen, während die landcs-
politischen Angelegcnheiten nur in Kürze berührt wurden. ^

Deutsches Keich.

— Der Bund der Land-wirte nnd die Konser-
vativeu stnd wieder näher Äneinander gerückt. Jn eincr
Pritzwalker Versammlung deS Bnndes, in der Herr v.
Kröcher, auf konseroativer Seite der Hanptniacher des
Kompromisses, als Hauptredncr auftrat, wurde zwar der
Zolltarif als ungenügend bezeichnct, aber doch die Erwartung
ausgesprochen, daß in Zukunft wie frühcr die konservativen
Parteien mit dem Bunde der Landwirte Hand in Hand
gehen. Auf der Versammlung zu Pritzwalk und einer
solchcn in Perleberg fand m dcn drastischen Schilderungen
des Herrn v. Kröcher das Eine die klarste Bestätigung, daß
es lediglich der festen, unerschütterlichen Haltung der National-
liberalen zu danken war, wenn schließlich ein Kompromiß
erreicht wurde, das betreffs der Zölle auf Brotgetreide nicht
über die Regierungsvorlage hinausging, und daß die übrigen
Parteien der Mehrheit schließlich diesem unerschütterlichen
Entschluß per Natio nallibe ralen nachgebcn mußten.

— Der bekannte Graf Paul Hoensbroech hatte
dem Kaiser sein Buch „das Papsttum in seiner
sozial-kulturellen Wirksamkeit" eingesendet, erhielt es aber
durch üas Kultusministerium zurück. Mündlich erklärte
der Kultusminister dem Grafen, er könne das Buch, als
zu polemisch, dem Kaiser nicht zur Annahme cmpfehlen.

Baden.

— Zu der gestern erwähnten Erklärnng der „Karlsruher
Ztg." bemerkt dcr „Psälz er Bote": Wenn man mit dieser
amtlichen Kundmachung zusammenhält, was ein Minister
einem ihn fragenden Ordensgegner geantwortet hat, er könne
sich beruhigen, die Ordensfrage sei aä aota gelegt,
so muß man zu dem für die badischen Katholikeu (der „Pf.
B." vermechselt wieder cinmal Zentrnm und Katholiken. Red.)
höchst bctrübenden Schlnß konimen, daß Landesherr und
Ministe'' stch dahin geeinigt haben, Niederlassungen männlicher
Orden dermalen nicht zu genehmigen.

Karlsruhe, 4. Jan. Wie nun als ziemlich bestimmt
erscheint, wird der Abg. Bassermann, der bekanntlich
den Wahlkreis Jena im Reichstag vertritt, bei den Reichs-
tagswahlen für Karlsrnhe kandidiercn.

Altenburg.

— Auf ärztlichen Rat wird Herzog Ernst zur
Kräftignng seiner Gesundheit nun doch noch nach dem Süden
reisen. Als ärztlicher Begleiter ist der Oberstabsarzt Dr.
Thiele aus Karlsruhe ausersehen, der oom 3. Januar
ab im Altenburger Schlosse Wohnung nimmt. Der Zeit-
punkt der Reise ist noch nicht festgelegt.

Vrenße».

Berlin, 5. Jan. Wie die „Nordd. Allgeni. Ztg."
hört, fand heute zwischen dem Minister des Jnnern und
sämtlichen Oberpräsidenten eine Konferenz betreffend das
neue Dotationsgesetz, statt, welche zu allseitig bc-
friedigenden Beschlussen geführt hat. Hieran anschließend
wurde auch die Veschäftigung der Regierungs-
referendare in der znkünfttgen Gestaltung besprochen
und der Ansicht des Ministers zugestimmt, wonach vor-
zugsweise die Ucbcrweisung an Landräte stattfinden
soll und danebcn Tätigkeit in dcr Jndustrie, der
Landwirtschaft odcr in eincm Vankhausc in Ans-
sicht genommen wird.

Aus der Karlsruher Zeitung.

Forstpraktikanten. Auf Grund der im Dezember 1902
vorgenommenen Staatsprüfung im Forstfckche sind folgenbe
Kandidaten unter die Zahl der Forstpraltnanten aufgenommen
worden: Dorner Hermann aus Stockach, Fath Julius
aus Ettlingen, Gayer Erwin aus Wolfach, Freiherr G ö--
lcr von Ravensburg Albrecht aus Schatthausen.

Karlsrnhe, 5. Jan. Gestern Vormittag nahmen die
Großherzogin, der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin
an dem Gottesdienst in der Schloßkirche tcil, wobei Hof-
prediger F-ischer die Predigt hielt. Um 1 Uhr fand Familien-
tafel bei der Prinzessin Wilhelm statt. Abends besuchten die
Großherzoglichen Herrschaften die Vorstellnngen im Groß-
herzoglichen Hoftheater. Hente vormittag nahm der Groß-
herzog den Vortrag des Flügeladjutanten Obersten Grasen
von Sponeck als Leiter des Großherzoglichen Marstalles
entgegen. Danach empfing Seine Königliche Loheit um I I
Uhr den Präsidenten des Ministertums der Justiz, des KultnS
und Unterrichts Geheimerat Frciherrn pon Dnsch zur
Vortragserstattung. Nachmittags und abends solgten die
Vorträge des Geheimerats Dr. Freiherrn oon Babo nnd-
des Legationsrats Dr. Seyb.

AusLand.

Frankreich.

Paris, 4. Jan. Eva Humbert, dic nnsckmldige
Tochter der Schwindlerin, hat in den letzten Tagcn zahl-
reiche Heirats-Anträge erhaltcn. Dic Briefe ivurden ihr durch
Vermittlnng des Untersuchungsrichters zugestellt. — Romam
Daurignac nannte 20 Personen, teils Staats-
männer, teils Beamte als geistige Urheber der „Rente
Viagere" und als Ratgeber bei allen an diescm Jnstitut
vorgekommenen Unregelmäßigkeiten.

Afrika.

Pretoria, 4. Jan. Die unversöhnlichcn Elemente der
holländischen Bevölkerung haben fich verständigt, von
der Anwesenheit des Kolonialsekretärs Chamberlain
ihrcrseits keine Notiz zu nehmen.

— Als der Snltan M n l e i Hassan von
Marokko am 6. Juni 1895 im Lager vvn Dar-uld-
Siddu plötzlich starb, wußte sein Busensreund Bo Achmed
den Tod dcs Herrschers zwei Tage lang geheim zu halten.
Jnzwischen ließ er den damals kaum fünfzehnjährigen
Lieblingssohn des verstorbenen Sultans, Abd-ul-Asis, dessen
Mutter die Georgierin Lalla Rekia war, in Rabat zum
Kaiser ausrufen und vollendete seinen Staatsstreich, indem
er in Mekines die bisherigen Minister und einige Mit-
glieder der kaiserlichen Familie, darunter auch Mulei Mo-
hammed, ins Gefängnis werfen ließ. . Eine regelrechte
Thronfolgeordnung glbt es in Marokko nicht, nnd es war
der Wunsch Mulei Hassans, daß Abd-ul-Asis ihm folgerr
sollte. Wenn Bo Achmed diesen Wunsch befolgte, so ge-
schah das weniger aus Pietät gegcn den Verstorbencn. als
aus Eigennutz, denn er, wußte, daß er unter deni Kinde
auf deni Throne allmächtig sein würde. Darin hatte er
sich nicht getänscht, denn bis zu seinem Tode im April 1900
war tatsächlich Bo Achmed unumschränktcr Herr in Ma-
rokko. Als er gestorben war, begann sich bald dic Jndi-

Ketmyoth aks Arofessor der ^yyssotogie
in Keidetöerg.

Von Leo K o e n i g s b e r g e r.

(Michaelis 1858 bis Ostern 1871.)

(Fortsetzung.)

JnMischen näherte stch aber auch sein großes akusti-
sches Werk der Vollendnng; er schreibt am 29. April an
Donders, nachdem er ihm nntgeteilt, daß ihm am 3.
März ein Sohn geboren, der den Namen Rober Julius
erhalten hat, nnd dessen Leben die Mutter fast mit dem
eigenen erkauft hätte:

„Von meiner aknstischen Arbeit „Physiologische
Grundlagen für die Theorie der Müsik" sind die Holz-
schnitte jetzt gemacht, der Druck des Textes soll beginnen»
zwei Drittel des Manuskriptes sind abgeschickt; an dem
letzten Drittel ist noch mancherlei zu flicken und zu ändern,
es ist aber der Hauptsache nach auch schon aufgeschrieben.
Jch werde se'hr vergnügt sein, wenn ich die letzten Worte
Äeser sehr langatnng'cn Arbeit werde niedergeschrieben
haben; denn ich arbeite jetzt steben Jahre daran, was
nian dem Uinfange des Buches nicht ansehen wird. Und
dann werden Philosophen und Müsiker das Brich viel-
leichl als einen Einbruch in ihr eigenes Gebiet betrachten,
während unter den Wysikern nnd Physiologen wieder
mcht viele musikalische Leute siüd, wie Sie zum Bei-
spiel. Sie werden zunächst mein hochverstäüdigster Kri-
tiker sein, und ich Lin deshakb schr gespannt, ob mein
kecker nnd verwegener' Versuch, naturwissenschastliche
Wdethode in das Gebiet der Aesthetik hineinzutreiben.

Thomsen meldet er am 27l Mai:

„Der Druck meines Buches über Mustik hat endlich
begonnen und wird, wie ich denke, im Anfang August
beendet werden. Jch habe noch an den letzten Kapiteln
einges zu verbessern, dann ist die Arbeit sertig, an deren
ersten Teilen ich noch in Arran gearbeitet habe."

Mit dem Jahre 1862 begann für HeliLholtz in Hei-
delberg die arbeit'svollste und schaffensreichste Periode
seines Lebens; die Lehre von den Tonempfindungen, 'die
physiologische Optik gingen ihrer Vollendung entgegen,
seink erkenntnis-theoretischen Anschannngen gestalteten
sich zu einem konseguenten philosophischen Systeme aus,
hydrodynamische und elektrodynamische Untersuchungen
beschäftigten ihn unausgesetzt, und schon jetzt wandten
sich seine Gedanken den Forschungen über die Axiome
der Geometrie zu, d-ie aber erst einige 'Jcchre später der
naturwissenschaftlichen Welt die Tiefe seiner mathemati-
schen und philosophischen Konzeptionen erkennbar ma-
chen sollten. Es zeigt sich in Helmholtz während der
nächsten zehn Jahre eine Abklärung in der Auffassung
naturwissenschaftlicher Probleme, eine Höhe der philo-
sophischen Anschüuungen, ein zielbewußtes sich Gegen-
überstellen zu den Fragen und Nätseln der Natur, ein
Zusammenfassen aller Hilfsmittel, die das Denken und
Fühlen der 'Menschen gewährt, um zu ersorschen, was
Ler Erkenntnis der Menschen überhaupt sich erschließen
laßt —- wie es uns in der Geschichte dev Wissenschaften
nur selten begegnet und wie in seiner ganzen Äusdeh-
nung nur derjenige es zu sehen und zu würdigen ver-

aovsänlickion Rpi-Hbi-inie> iriit

diesem herrlichen Menschen und großen Forscher zu teil
wnrde.

Hatten früher seine. Jugendfreund-e dn Bois, Brücke,
Ludwig den unaufhörlichen großen Entdeckungen von
Helmholtz zugejubelt, so staunten jetzt Bunsen und Kirch-
hoff seine wissenschaftliche Größe an, und wie oft konnte
man von Kirchhoff noch lange, nachdem er durch seine
SpSktralanalyse sich unsterblichen Ruhm erworben, dis
bescheidenen, aber wahren Worte hören: „Jch bin schon
zufrieden, wenn ich nur eine Arbeit von Helmholtz ver-
stehen kann, aber ich kann manche Punkte in seiner gro-
ßen akustischen Arbeit noch immer nicht enträtseln."
lFortsetzung folgt.)

3. Kammermustk-Konzert.

O Heidelberg, 6. Jaiiuar.

Nachdem die Ueberfülle der vor Weihrmchten gebotenen
Konzerte eine kleine Uebersättigung hervorrufen mußte, wirkte
das gestrige dritte und letzte Kammermusik-Konzert, welches
Hcrr Musikdirektor Seelig unter Mitwirkung des Müncheuer
Streichquartetts, der Herren Hösl, Fahrenberger, Meister und
Weber, sowie des Herrn Brumm von hier (zweites Cello) ver-
anstaltete, mit einer gewissen Frische. Am Schlusse des zweiten
Winters zierte cndlich einmal Mozart das Programm, freilich
nur mit dem 1786 komponierten G-dur-Trio. Mit Aus-
uahme des Trio in E-dur und etwa dem vor zwei Jahren
von Weingartnex zum Vortrag gebrachten in B-dur stehen die
Werke dieser Gatümg der übrigen Kammermusik des grotzen
Meisters erheblich nach, was seinen Grund jedenfalls darin
hatte, datz sie für geringwertige Cellisten geschricben sind, wie
ja ber freien Entfaltung dieses Genius auH sonst so häufig
oürch äuhere Umstände Fesseln angelegt wurden. Wir sprechen
kreilicki nur bom Standvunkte Mo-iartschex Vollkommenheit
 
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