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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Frkiiag. 6. Fkbrimr 1903.


45.?

.W 31

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Kin noch nicht ükerfiMer Aeruf.

Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Bei den oielfachen
Klagen über Ucbcrfüllnng der juristischen Laufbahncn ist es
auffällig, daß kein großcr Zndranq zu dem Berufe der
richtcrlichen Mar iu cj u st iz b e a m t e n stattsindet.
Allerdings fordert die Marinejustizverivaltung, daß die Be-
werber die juristischen Prüfungen ohue Wiederholnng be-
ftanden habcn uud Offiziere dcs Beurlaubtenstaudes siud.
Es mag feruer nicht jedem genchm und wird doch anderer-
seits vielen gerade erwünscht sein, daß die richterlichen
Marinejustizbeamten dem Befehlshaber eiucr Flotte oder
eines Geschwaders zugcordnet wcrden köuneu uud so große
Reisen ins Auslaud uiacheu müsseu. Andercrseits siud aber
die Marinekriegsgerichtsräte iu jungcn Jahreu schuell vor-
wärts gekommen. Bewerber, die zunächst uuentgcltlich eiu-
treten, um darauf im Bedarssfall kommissarisch gegen die
üblicheu Diäten beschäftigt zu wcrdeu, sind im Gegensatz
zur Hecresverwaltung bei der kaiserlichen Mariue gar nicht
vorhauden.

Deutsches Reich.

— Ueber das Befinden dcs Präsidenteu Paul
Krüger lassen stch die „Bcrl. N. N." uielden: Mit
allgemeinem, lebhaftem Bedauern wird man die Nachricht
crsahren, daß Paul Krüger, der grcise Einsiedlcr vou
Mentone, iu trüber Stumpfheit seiner Auflösuug
entgegendämmert. Die Kräfte dcs 77-Jährigeu nehmeu von
Tag zu Tag ab. Er hat seiue Villa nur erst einmal ver-
lassen und verbringt deu Tag, in sciuem Garten licgend,
auf einem Ruhestuhl. Der altc Mann befindet sich iu eiuem
Zustand allgcmeiner Depression. Sogar seine Bibellesung
hat cr aufgeben müssen, eiu sicherer Beweis, daß es schlimm
um ihn steht, dcnu sein heiliges Buch hat den nnbiegsameu
Bekenner bisher noch nie verlasseu. Außer seiner Eukelin,
Frau Eloff, scinem Arzte HymanS nnd zwci Schreibcrn
darf niemand sich ihm nähern. Die Umgebung hat fast
keine Hosfnung mehr auf eiue Genesuug des
Präsidentcn. Was deu Starkcn, der körpcrlich uud scclisch
uoch eine Hüne schien, als cr vor zmei Jahreu in Marscille
landete, gebrochen? Es sind nicht uur die schweren Er-
eignisse der letztcn Jahre, es ist auch die uubezwingliche
Sehusucht nach der Heimat gewesen, die Sehnsucht des
Naturmenscheu nach seinen Kopjes und Fcldern. Krüger hat
ln unserem Bodeu nicht wurzeln können. Fern vou den
Seinen, fern von den Kopjes und Spruitjes und Valleien,
siecht der Freiheitshcld dahin .... Und cr hatte so ge-
hofft, dahcim stcrben zu dürfeu.

— Jn dem Revolver, den der Abg. Agster benützte,
steckten noch mehrcre scharfe Patrvnen. Der Unglückliche
kstt in letzter Zeit an religiösen Wahnvorstellungen; in
diesem Zustand hat er wirre Bricfe an den Kaiser, die
Kaiserin, den König von Württemberg geschrieben. Man
hatte schon vor längercr Zeit scine Entmündigung er-
wogen, davon aber in der Hoffnung Abstand genommen,
daß stin Zustand bis zum Ende der Tagung keinen be-
denklichen Charakter annehmen werde.

Peuischer Weichstag

Berliu, 5. Febr.

Zweite Etatsberatung : Etat des Reichskanzl ers.

Wg. Ledebour (Soz.): Seine Partei vcrlange die
Aufhebung des Jesuitengesetzes als eines Ausnahmegesetzes.
Der Reichskanzler brauche ein starkes Zentrum und mache- gauz
solgerichtig Zentrumspolitik. Die Reichstagswahle» sollten
am Sonntag stattfinden. Dic bürgcrlichen Parteien könnten in-
folge der Diätenlosigkeit die Fasanenjäger nicht abstoßen. Zwi-
schen den Agrariern und der Regierung bestehe nur eine vorü-
bergehende Verftimmung. Redner spricht seine Mitzbilligung
aus über die Weltpolitik des Reichskauzlers und kommt dann
auf die Marienburger Rede des Kaisers zu sprechen; es sei
Geschmackssache, solche Redeu zu halten, wenn sich unter den
Anwesenden auch englische Offiziere befinden.

Ncichskanzler Graf Bülow: Seit bcinahe scchs Jahrcn
habe ich genügend bewiesen, wie ferne mir Abenteurerpläne
! liegen. Die Samoafrage ist zur allgemeinen Befricdigung bei-
gelegt und aus der chinesischen Aktion sind wir herborgegangen
mit ungeschwächten Kräften in allen Ehren und mit einer be-
festigten Position in Ostasicn. Jn Venezuela bewcgen wir uns
ganz genau auf derselben Linie mit England und Jtalien, auf
der Bahn ruhiger Besonnenheit; wir wollen nur die Sicherung
für das Leben, das Eigentum und den Handel unserer dortigen
Landsleutc errcichen. Jn der Wcltpolitik bemühc ich mich, die
Mitte zu halten zwischen den Anschauungen der Linken und
etwa der des Abg. Hasse. Die grotze Mehrheit des deutschen
Volkes wird daran festhalten, daß wir nicht zu aggressiven
Zwecken, wohl aber zur Verteidigung unserer Küsten und zum
Schutze der überseeischen Angehörigen und Jnteressen das Recht
haben, uns eine Flotte zu schafsen. Fch halte mich ferne von
einer Kirchturmspolitik, bei der uns die Wege abgetragen wer-
den ivürdcn, ciner Schncckenpolitik, bei der unscr Schneckenhaus
zertretcn würde, ebenso fern aber von einer Politik, die unsere
Aktionssphäre zu sehr überspanneu würde, die abhängig wäre
von Gcmütswallungen, statt von den dauernden, nüchtern er-
wogcnen Jnteresscn des dcutschcn Volkes. Die Polcnsrage gc-
hört nicht vor das Forum dieses hohen Hauses. Dcr Abg. Lede-
bour hat sich auch hier wieder mit der Person des Kaisers
beschäftigt. Jch habe während der ersten Lesung des Etats ge-
nügend bewiesen, datz ich zu einer freien Aussprache auch über
die Rcden u»d die Person des Kaisers bereit bin, und ich häbe
kein Blatt vor den Mund genommen, äber ich glaube mich mit
der großen Mehrheit des Hauses in Uebereinstimmung zu be-
finden, wenn ich sage, das; es dem Wesen dcs konstitutioncllen
Staates entspricht, die Person des Reichsoberhaup-
tes so selten wie möglich und nur bei zwingenden Grün-
den in die Diskussion zu ziehen. Sokche Gründe liegen nach
sencr ausführlichen Debatte hente nicht vor; deshalb lehne i-h
cs ab, dcm Vorredner in diescm Punkte zn folgcn. (Bcifall
rechts und im Zcntrum, Zurnfe bei den Sozialdemakraten.)

Abg. Gamp (Reichsp.i ist dem Reichskänzler für seine
Erklärung dankbar und spricht namens seiner Partei das volle
Vertrancn für seine auswärtigc Politik aus. Ein Teil seiner
Freunde sei für Diäten, der grotze Teil dagegen. Wenn dar
setzige Wahlrccht als ein Korrelat znr allgemcinen Militär-
pflicht betrachtet würde, so müsst man auch bedenken, datz das
platte Land jetzt viel schwerere Militärlasten zu tragen habe,
als die Stadt. Der Redner wünscht schlietzlich die Kündigung
der Handclsverträge.

Abg. Icsse (Däne) briugt Beschwerden über die llcber-
weisuntzspolitik in Schleswig vor.

Wg. Richthofen (kons.) hofft, datz die Regierung in
der Diätenfrage auf ihrem Standpunkt beharrcn wird.

Abg. Dasbach (Zentr.) verteidigt die Wändernng des
Wahlreglements und HM den vorgeschlagenen Wahlmodus für
praktisch.

Wg. Glebocki (Pole) kommt auf die Poleninterpella-
tion zu sprecheu. Die Marienburger Kaiserrcdc sei cin offener

Aufruf zum Kampf gegcn die Polen. (Redner wird zur Ord-
nung gerufen.) Jm weiteren Verlaufe seiner Rede wirst er dem
Reichskanzler Pflichtverletzuug vor und erhält eineu zweiten
Ordnungsruf.

Nach kurzen Bemerkungen des Abg. Fürst Bismarcker-
klärt Staatssekretär Graf P o s a d o w s k h, uach den Dar-
legungen des Reichskanzlers habe er keiue Vermilassung, auf
die Marienburger Rede einzugehen.

Morgen 1 Uhr: Rechnungssachen. Fortsehung der Etats-
beratung._

Badcn.

L. 6. Pforzheim, 5. Febr. Der Selbstmordversuch
dcs Reichstagsabg. Agster erregt hicr großes Aufsehen.
Man erinnert sich noch dcr vielen krankhasten Streiche, die
Agster in Pforzheim verübt hat. Nach seinem Wegzuge
von Pforzheim zog Agster wieder nach Tuttlingen refp.
Stnttgart und korrespondierte fleißig mit einer englifchen
Miß, die er zu heiraten vor hatte. Während der Reichs-
tagstagimg war er stets in Berlin, weil er auf die Pärtei-
diäten nicht verzichten wollte. Vor ungefähr einem halben
Jahre hielt Agstcr im hiesigen sozialdemokratischen Verem
noch einen ganz klaren Bortrag, nach deffen Schluß ftel er
aber wieder in seine alten Wahnideen. Auch frug er feiner
Zcit bei den hiesigen Parteiführern an, ob er wieder kandi-
dicren dürfe, natürlich wurde ihm abgewinkt. Daraufhm
hat er sich an einige Herren, auch an die Redaktion des-
„Städt. Tgbl." mit dem Ersuchen gewendet, ein Komitee
znr Vorbereitung für seine Wiederwahl zu schaffen, da er
unter allen Umständen wicder für Pforzheim kandidieren
werde. Eine Antwort erhielt er selbstredend von keiner
Seite. Uebrigens hat der Genosse Pfarrer Blumhard sciner
Zeit großen Einfluß auf Agster ausgeübt und ihn in eine
Morphium-Entziehungs-Anstalt untergebracht, aus der er
zwar geheilt entlassen wurde; aber bald verfiel er wieder
in das alte Leiden. Vor einiger Zeit gerict Agster m
Konkurs, wodurch die nervöse Gereiztheit des morphium-
süchtigen Mannes nicht wenig gesteigert wurde.

Sachsen.

Dresden, 5. Febr. Nach dem heutigen Bulletin
schlief Prinz Friedrich Christian in der ver-
aangenen Nacht wenig und träumte lebhaft. Die
Temperatur, die im Laufe des gestrigen Tages sich in
engen Grenzen bewegte, steigerte sich in den späteren
Abendstunden und während der Nacht, sodaß mehrere
kühle Bäder notwendig wurden. Gegenwärtig ist die
Temperatur 39.5, der Puls 108. Komplikationen sind
nicht vorhanden.

Aus der Karlsruher Zeitung

Seine Kömgliche Hoheit der Grotzherzog haben dem
vovsitzenden Rat beim Verwaltungshof, Geheimen Oberregie-
rungsrat Leopold Schmidt, das Kommandeurkreuz zweiter
Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen und dem-
selben unter Anerkennuiig seiner langjährigcn, treugeleisteten
Dienste aus sein untertäniqstes Ansuchen wegen borgerückten
Alters in den Ruhestand versetzt.

Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben die
aus deu Geheimen Rat Professor Dr. Vinzenz Czerny ge-
fallene Wahl zum Prorektor der Universität Heidelberg für das
Studieujahr von Ostern 1903 bis dahin 1904 bestätigt.

Karlsruhe, 6. Febr. Ein von einem Kopenhagener
Tagcblatt in deutsche Zeit mgen übergegangener Bericht über

SllidtlHeater.

H e i d e. l b e r g, S. Febr.

^ „M i g u o n", Oper in 3 Akten. Bcnefizvorstellung für M.
^oppenhöfer.

. Jm neuen Gewandc ist Mignon, die Oper des französi-
Mn Komponisten Thomas, auf unserer Bühne erschienen, als
^nesjz für ein bald scheidendes Mitglied, Fr. Koppenhö -
se r. Ein gänzlich ausverkauftes Haus erwartete mit Span-
Nng dgZ Auftreten der Benefiziantin und bclohnte fie am Ende
ersten Aktes mit überreichlichen Blnmenfpenden und fieben-
Mligem Hervorruf. Daß fie mit Rccht der erklärte Liebliug
, ^ Heidelberger Publikums ist, bewies sie uns auch gestern
- 'eder. Jhre sichere Tongebung und schlichte deutliche Aus-
wrache ergänzt sich vortellhaft mit ihrer anmutigen Erscheinuug
W einer vollendetcn Gestalt der Mignon. Jmmer wieder müs-
wir dre Frische und Lebendigkeit anerkennen, mit der sic
ihre Rollen darstcllt und mit der sie auch dieses Mnl
..sgreich jhrer Nebenbuhlerin Philine entgegentrat. Jhre an-
„"Wiche Befangenheit schwand bald; ihre volle, in der Höhe
üern etwas verschleierte Stimme kam ganz besonders im
^üoir Teil des zweitcn Aktes und in der Schlutzszene des letz-
llktes zur Gcltung. Bcsonders gut gelang ihr im zwciten
sek steyrische Lied und die Szene vor dcm Spiegel. Wir
tnese Minstlerin nur ungern von hier scheiden.

S ersten Mt ist unsere Bühne entschieden zu klein.

h/ dst wenn man die Ansprüche niedrig schraubt, bleibt man
Nieii und Balletszene sehr unbesriedigt. Für das Ballet
Unm ^sithmus und Harmonic der Bcwegnngen, sür den Chor
Mn Vrrstärkung und gründlichcre Einstudicrung könnte

mü." dielleicht verlangen. Ein zartes pp. ist gcwiß sehr schön,
wic E Anfangschor dcs dritten Aktes, daß man
^ st?5ffe gar nichts hört. Dic Solisten qnältcn sich auheror-
^rs^llch tapfer durch die schwierigen Ensemblepartieen des ersten
Frl. Braun als Philine bewies auch dieses Mal

i wieder, das; sie dcn schwersten Rollcn gerecht wird. Fhre Wic-
. dergabe dieser koketten Männerbesiegerin war ausgezeichnet.
, Herr Mechler (Lotchario) zeigte uns auch heute wteder, datz
- wir in ihm einen vielversprechcnden Künstler besitzen. Dagegen
klintzt das Organ des Herrn Mark (Wilhelm Meister)"noch
immer sehr spröde und erquickte nur hin und wieder durch
Wohllaut und Klangfülle. Doch war er redlich bemüht, die
Rolle des z-wischen Philine und Mignon schwankenden Liebha-
bers möglichst charakteristisch wiederzugeben. Herr Kallen -
berger fand sich gut in die Rolle des Lasrtes, während wir
bei Hrn. Stauffert (Friedrich) geru etwas von der derb-
realistischen Komik vermitzt hätten. Auch die Herren Huny -
ady (Jarno), Waguer (Antonio) und Brenner
(Souffleur) trugen ihr bestes zum Geling^n des Abends bei.
Herr Radig hatte den Hervorruf am Schlusse reichlich ver-
dient. Wer nach der Vorstellung noch dic Friedrichsstratze
passieren wollte, kountc hier das in Heidelberg gowitz scltene
Schauspiel des P f e r d « a u s s p a nsti e n s erleben. Kunst-
begeisterte Männer zogen mit dem Wagen der Künstlerin, Frl.
Koppenhöfer, durch die hie und da bengalisch beleuchte-
tcn Stratzen dcr Stadt. IV. L.

Klerne Zeitrrnq.

— Frnukfnrt, 5. Febr. Zwei Kran k e nschwe -
sternindenTodgegangen. Als heute Morgen
die Schwester vom Roten Kreuz, die im städtischen
Krankenhaus inBockenheim tätig ist, fich nicht sehen
ließ und der Verwalter trotz wiederholten Klopfens an
der Türe ihres Zimmers keine Antwort bekam, öffnete er
gewaltsam die Türe. Jn dem Bette lagen regungslos
in Umarmnng die Schwcster und eine Bernfskollegin.

, Die Bockenheimer Pflegerin, Hilma Scheibenhu-
. ber, röchelte noch, verschied aber nach kurzer Zeit. Die

andere, Lilli L ö t h e r, gäb noch Lebenszeichen. So-
sort wnrden alle Mittel bei ihr angewandt; ihr Zustand
ist sehr 'bedentlich, doch befand sie sich nm 2 Uhr nach-
mittags noch am Leben. Zu dem traurigen Fall erfährt
die „Frkf. Ztg.", datz die Scheibenhuber die Löther, die
i»i hiesigen städtischen Krankenhans bes-chästigt ist, gestern
Abend abgeholt und auf die Aufsorderung der Ober-
schwester, die Löther bald in den Dienst zurückzuschicken,
geantwortet hatte, sie sühle stch unwohl und bedürse wahr-
scheinlich selbst der nächtlichen Pflege. Die Beiden haben
sich mit Morphium vergiftet, das man anf
einem Tisch des Zimmers vorfand. Das Morphium ent-
stammt der Apotheke des städfischen KrankeNhaüses.
Ferner fand man zwei Briefe; 'der eine ivar an dis Ober-
schwester gerichtet, der andere an die Familie der einen
der beiden Schwestern. Dis Scheibenhuber war 35—36
Jahre alt. Sie war in Bremen als To-chter eines Kapi-
täns geboren und hatte eine sehr gute Schulbildung ge-
nosscn. Sie war ungemein gewissenhaft, fleißig und ar-s
beitsam. Jhr 'Gesundheitszustand hattc in der letztest
Zeit etwas nachgelassen, sie hatte aber trotzdem das Aner-
bieten, in den Ruhestand zu treten, abgelehnt ulld nur
'd-en Wunsch geäußert, man möge sie anf den ruhigeren
Pösten nach Bockenheim versetzen. Diesem Wunsch hatte
man stattgegeben. Die Lilli Löther ist etwa 39 Jahre alt
nnd in Hanau geboren: eine ihrer Schwestern ist an
-einen landgräflichen Gärtner verheiratet. Die Löther
hat lange Zeit in England als Erzieherin gewirkt und ist
recht stzrachenkundig. Sie ist seit drei Jahren Pflegerin,
die andere ist vor nenn Jahren Rote Kreuz-Sch-wester
geworden. Es' ist noch unbekannt, was die Beiden ver-
imlaßt hat, gemeinsam in den Tod zu gehen. Sie waren
 
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