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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Des Fronleichnamstagcs wcgen crscheint die nächste
^nnuner aiu Fri-itag.

M äie ckelttrche Bgentt.

Freudiger Stolz auf das geeinte Vaterland und seins
^chöpfer ist das erste Gefühl, das die zum Politischen
^enken erwachende deutsche Jugend beseelt; bald aber
Zeigm sich auch die Unvollkommenheiten, die noch dem
23erke anhaften. Die Großen gingen und voll fchmerz-
üchen Unwillens sehen wir heute, wie das herrliche Ge-
chaude unterwühlt wird:

Die Ultramontanen zerklüften unser Volk d-urch kon-
Eessionellen Hader, sie knechten die Freiheit des Denkens
Und Gewissens, sie flürmen an gegen die Segnungen des
^ulturfortschritts, und fie unterstützen nationale Forder-
Ungen nicht um ihrer selbst willen, sondern wenn sie Vor-
chile in Aussicht sehen für ihre, im letzten Ziele staatsge-
iährlichen Wünsche.

Die Sozialdemokraten schüren den Klassenhaß, er-
ichweren in blindem Parteifanatismus den sozialen Fort-
ichritt und arbeiten so der Reaktion in die Hände.

Hochmütige Standespolitik und eigensüchtige Jnteressen-
^ertretung auf der anderen Seite tragen bei zum Werke
^r Zerstörung.

Da wird uns der entschlossene Wille, dem entgegenzu-
Ereten. Dem Vaterlande wollen wir das Erworbene er-
^ulten und erringen, was wir so heiß ersehnen:

„Deutschen Geist, dentsche Tatkraft, deutschen Fleiß
im Siegeszuge üoer die weite Welt unter dem Schutze
einer verstärkten Kriegsflotte; den äußeren Frieden sür
die Heimat durch ein bewährtes, mächtiges Heer ge-
lchirmt: den inneren Frieden gewährleistet durch uner-
Müdliche Arbeit und versöhnende Gesetze, die den
Schwachen stützen, jeden ehrlichen Erwerb fördern und
die Lebenshaltung der Volksgenossen heben;"

„die Bewegungs- und Vereinigungsfreiheit aller
Bürger, die Freiheit unseres Denkens, Glaubens und
Schaffens, gesichert gegen den vernichtenden Einfluß
des Ultralnontanismns nnd gegen alle rückschrittlichen
Gelüste: die unabhängige Weiterentwicklung der deut-
schen Kultur dnrch eine ausgebreitete und vertiefte Bil-
dung aller Volksklassen."

T-as sind wahrlich Ziele, die es verdienen, daß ein
öeutscher Mann sein Alles für sie einsetzt!

Vornehmlich jetzt tul es not zur Zeit der Wahl!

So rufen wir denn aus Süd und Nord alle Alters-
Lenossen zum Kampfe für diese hohen Güter auf!

„Jünge Biirger DcLtschlallds, haltet dic kleinliche
Telbstsiicht dcs Älltngs dem politischcn Leben fcrn,
bringt dic nnverrücküaren Jdealc wiedcr zum Durch-
brnch! Eö mnß der LiberalismnS Nliedcr zur Herrschaft
lommcn.

Wirkt also mit allen Kräften für die Wahl der Männer,

Stadttheater.

/X Heidelberg, 10. Juni.

, ,,Jn der S o m m e r f r i s ch ' n". Posse rnit Gesang in
^Akten öon Benno Rauchenegger u. Konrad Dreher.
Ausik von Emil Kaiser. Erstes Gastspiel des Herrn Direktor
Konrad Dreher, Kgl. Hofschauspieler aus München, mit
Winein Possen-Ensemble.

^ Konrad Dreher hat diesmal nicht nur seine Kunst, seine
stostüniL und seinen Humor mitgebracht, sondern auch eine
^sgene hausgeniachte Posse in 4 Akten, die er in Gemeinschaft
Mll Benno Rauchenegger zusammcngestellt hat.

. . Es läge nähe, die Sommerfrische im Weißen Rössel mit der
«Zm Wirt von Latschenthalhausen zu vergleichen und man
Mnte ausspmncn, wie der Münchner im Gegensatz zum Ber-
-rner sich dw Sommerfrische zum Bühnenstück auffrisierl unv
ggfstilistert. Jndessen solche bei der Sommerhitze zu anstren-
^tzden Untersuchungen wollen wir hier nicht anstellen; es ge-
stuge, zu sagen, datz Dreher und Kompagnon, hauptsächlich für
Darsteller gearbeitet haben, während Blumenthal mehr an
Publikum gedacht hat. Lachen mutz man bei beiden.

. Jn die Sommerfrische nach Latschenthalhausen zieht ein le-
enslustiger Rcntier mit seiner für die Frauenrechte agitieren-
^NGEi^ dcm Töchterchen, das nach dem Willen der Mutter
?gdieren soll, und dem Hauslehrer, der sie schlietzlich zur Dok-
A.sln macht, auch ohne datz sie ein Examen abzulegen hat. Den
^ohepunkt der Posse bildete die Szene, in der Frau Emeren-
die Bauernweiber bci Tee und Kuchen übcr die Frauen-
.nianzipationen belehrt und das BolksfLst mit Tanz, bei deni
ü. don dem dicken Wirt bis zur Atemlosigkeit herumgeschwenkt
das ^lutzerdem werden das Fensterln, das Fingerhakeln,
as Schuhplattlern, ein Preisringen u. ähnliche ländliche Ver-
liWgungen zur Schau geboten, rnit einem Wort: ein overbay-
^üwer Theaterabend, wobei der Ton auf dem Wort Theater
- ^.(nn dic Posse verleugnet es keinen Augenblick, daß da
" was für's Theaterspielen zurecht gemacht worden ist.

die für unsere nationalen und liberalen Jdeale zu streiten
bereit sind!

Auf in den Wahlkampf mit dem Rufe:

„Für ein mächtiges, einiges Vaterland,
fnr Freiheit nnd Fortschritt!"

Der Weichsveröand
der nationaMöeraten Iugend.

Deutsches Reich.

— Auf dem F a m 11ientag derer v. Bülow ,
der am 6. und 6. Juni in Heiligendamm stattfand, er-
ösfnete nach einem Bericht der „Kreuzztg." bei dem Mahle
die Reihe der Tischreden der R e'i ch s k a n z l e r als
Vorsitzender des Familienrats und Fanülientags init einem
Hoch auf den Kaiser. Der Reichskanzler wies daraus hin,
daß im nächsten Jähre 750 Jahre verflossen sein würden,
seit der ersten Erwähnung der Familie v. Bülow, die sich
in einer Ratzebnrger Nrkunde des Jähres 1164 sindet.
Jn dieser langen Zeit habe das Geschlecht mancheri hervor-
ragenden General, eine Reihe ausgezeichneter Beaiiiten,
tüchtige Landwirte und gottbegnadete Künstler heroorge-
bracht. Die Familie sei stolz darauf, daß kein anderes
deutsches Adelsgeschlecht dem Vaterlande so viele Offiziere
lieferte; sie sei anch stolz aus die Ritter vom Geist, die aus
ihr hervorgegangen wären, ste werde aber nur dann den
guten Namen be'haupten, den sie sich in der deutschen Ge-
schichte gemachk habe, wenn jeder Sohn des Hauses sich
stets das Motto vor Augen halte, das auf dem alten Fa-
milienbnche vom Iähre 1780 stehe: „Der ist nicht slugs
ein Edelmnnn, Der geboren ist ans großem Stamm;
Oder der Geld nnd Reichtum hat, Ilnd tut doch keine red-
liche Tat. Die Tugend und die Höflichkeit Adelt den
Menschen allezeit." Unter den Tugenden, schloß dev
Rei-chskänzler, die den Deutschen allezeit adelten, stehe in
erster Linie die Liebe znm Vaterlande, znm dentschen
Volke.

— Auf besondere Eiiiladnng des Kaiser s ist
gestern eine Abordnung der 1. Royal-Dragoons, deren
Chef der Kaiser ist, in Berlin eingetroffen. Dazu ge-
hören: Der Kommand'eur Oberstleutnant Lord Basing,
Major Makins nnd vier weitere Offiziere. Jhr hiesiger
Aufenthalt ist aiis zehn Tage bemesssn. Während dieser
Zeit werden sie den Uebungen der Garde-Kävallerie bei-
wohnen, die für die nächsten Tage in Döberitz angesetzt
sind; aus gleichem Anlaß ist ebenfalls auf des Kaisers^
Einladüng der Qberst Prevost, Kommandeur des öster-
reichisch-ungarischen Husaren-Regiments Kronprinz Wil-
helm zu Kecskemet, in Berlin eingetrossen. Hente statteten
die Herren ihren Gesandten und verschiedenen Fürstlich-
keiten Besuche ab.

Bus' der Karlsruher Aeituug.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben der !
Gouvernannte am ehemaligen Königlichen Katharinenstift in i

Das Ensemble, das Dreher mitbringt, ist natürlich seiner
Aufgabe vollstündig gewachsen. Es hat das Stück so oft ge-
spielt, datz keine Nüance berloren geht und mindestens so viel
aus dem Stück herausgeholt wird, als in ihm liegt.

Dreher spielt mit voller Frische; sein spezifischer Hu-
mor findet in der Posse, die er sich selbst auf den Leib ge-
schrieben hat, freies Feld, um alle seine Eigenheiten zu entfal-
ten. Wenn der Vorhang fällt, hat man die Empfindung der
Freude, Dreher als den Alten wiedergesehen zu haben. F. M.

Dre Familie Mozart.

X Heidelberg, 10. Juni.

Die eingehenden und zuverlässigen Nachforschungen, welche
der städtische Archivar Dr. Buff in Augsburg und nach seinem
Tod der dortige Stadtmagistrat über die Familie Mozart ver-
anstalteten, haben das folgende auch für weitere.Kreise interes-
sante Ergcbnis geliefert:

Als der erste festzustellende Träger dieses Namens, der
übrigens auch Mozhard, Motzardt, Mozer, Motzet und ähnlich
geschrieben wird, ließ sich der im ersten Viertel des 17. Jcchr-
hunderts zu Augsburg in geachteter Stellung lebende Maler
Anton Mozart ermitteln, eine selbst entfernte Verwandtschaft
mit dem grotzen Wolfgang Amadeus ist jcdoch sehr unwahr-
scheinlich. Sein mit Sicherheit festzustellender ältester Vor-
fahre ist dagegen der von Pfersee, einem burganischen Dorse
bei Augsburg, stammende Maurer David Mozart, der im Jahre
1643 als Bürger in Augsburg lebte; dieser wurde der Vater
vomLeopold Mozart, des Vaters von Wolfgang Amadeus. Als
Ururenkelin eines Brnders des ersteren, des Buchbinders Josef
Jgnaz Mozart, lebt noch jetzt zu Augsburg die ledige Köchin
Katharina Viktoria Barbara Franzista M., während deren
Bruder, Eisenbahnpackmeister Karl M., im Jahre 1896 daselbst
mit Hinterlassung der im, Jahre 1887 geborenen Karoline Ja-
kobina M. gestorben ist. Da dcn grotzen Mozart von seinen
sieben Kindern nur zwei Söhne überlebten, welche unvermählt

Stuttgart, Marie Bender, die Erlaubnis zur Annahme u.
zmn Tragen der itzr von dem König von Württemberg verlie-
henen Karl-Olga-Medaille in Silber erteilt.

Zur Wahlbewegung.

Berlin, 9. Juni. Zum Hirtsnbrief des Kardinal-
Bischofs Kopp schreibt die „Volksztg.": „Die Lage des
Zentrums gegenüber der g r o ß p o I n i s ch en
Agitation in OberschIesien muß w a h r h a f 1
verzweifelt sein, wenn sich der Breslauer Fürst-
bischos, der sonst als ein ruhiger und besonnener Mann
bekannt ist, zu einer derartig scharfen Maßnahme ver-
anlaßt sieht und das Lesen und Halten von großpolnischen
Zeitungen, die sich vom Einfluß des katholischen Klerus
emanzipiert haben, mit dem Kirchenbann bedroht. Jeden-
falls ist sich der Kardinal bewußt, daß er mit seiner Künd-
gebung ein gewagtes Spiel in Szene gesetzt hat. Die groß-
polnischen Blätter Oberschlesiens, die ihn schon längst
mit ihrem glühendsten Hasss verfolgen, werden nur noch
schärfere Angriffe gegen ihn richten und sie werden stcher-
tich dabei den größten Teil der polnischen Bevölkerung
auf ihrer Seite haben. Der Wahl-Hirtenbrief wird also
nnr Oel ins Feuer gießen. Eines wird er aber erreichen,
er wird einen großen Teil des wasserpolnischen Klerus,
der im Herzen ganz anf Seiten der großpolnischen Agita-
teure steht, zur Entfaltung der größten Vorstcht und Zu-
rückhaltung veranlassen. Die großpolnisch gesinnte Gsist-
üchkeit in Oberschlesien wird durch den Hirtenbries kalt gei-
stellt, und das war wohl anch der Hauptzweck des Vor-
gehens."

Saarlouis, 9. Juni. Gestern ist hier der national-
liberale Parteiführer Basserma n n, der bekanntüch
auch eins Kandidatur im Wahlkreise Karlsruhe-Bruchsak
angenommen hat, als R e i ch t s t a g s k a n d i d a t für
den Wahlkreis Saarburg (Trier)-Merzig-Saarlouis auf-
gestellt worden. (Der Wahlkreis war bisher duvch den
Zentrumsabgeordneten Roeren vertreten. Die Rest.)

Eberbach, 8. Juni. Die Nationalliberale
Partei hat am Sonntag und gestern stark besuchte
W a h I v e r s a ni mlu ngen in Oberdislba ch,
N e u n k i r ch e n und Neckargerach gehaltcn, in
denen ihr Kandidat Herr Qberamtmann Beck sein Pro-
gramm entwickelte und die Angriffe seiner Gegner in
überzeugender Weise zurückwies. Es handelte sich dabei
hauptsächüch um die Angriffe, die wegen seiner Haltung
bezügüch des Zolltarifs und des Fleischbeschaugesetzes anf
ihn gemacht wurd'en, und wer etwa durch seine neuüchen
Darlegungen in Strümpfelbrunn noch nicht völlig über-
zeugt war, daß seine Tätigkeit im Reichstage gerade im
wohlverstandeneii Jnteresse der badischen Landwirtschaft
die allein richtige war, der konnte aus seinen noch ein-
gehenderen Mitteilungen in den letzten Versammlungen
sich vollchids Klarheit Vevfchaffen. Eine mcrkwürdigs
Jlliistration zu der Behauptung, Herr Abg. Veck habe nicht
genügend sür die Landwirtschast gesorgt, bietet übrigens
üer llmstand, daß er in letzter Zeit von sozialdeniokrati-

starben, sind Franziska und Jatobina Mozart die letzten le-
benden Personen, deren verwandtschaftliche Beziehungen mit
ihm sich nächweisen lassen, und mit denen somit seinerzeit zwar
nicht der Name Mozart, aber doch die Familie des größten
Trägers dieses Namcns erlischt.

Vom Fürsten MlN'imiliarr zu Jfenburg.

Vor fünfzig Jahren war, wie man der „Frankf. Ztg."
schreibt, der Name des Freitag in seinem Schlotz zu Wächtersbach
verstorbenen Fiirsten Ferdinand Maximitian zu Jsenburg-Bii-
dingeu-Wächtersbach, der damals noch den Arafentitel führte,
eine Zeit lang in allen grotzen und kleinen Zeitungen des Jn-
und Auslandes ein vielgenaunter, da Gras Jsenburg es zu
Wege gebracht hatte, den kurhessischen Prcmierminister Hassen-
pflug auf offener Stratze vor den Augen des Publikums durch-
zupriigeln. Man mutz sich vergegeilwärtige», was für eme
gefürchtete Person Hassenpflug damals in Kurhcssen war und
mit Welchen feindseligen Gefühlen er von dcm gesamten liberalen
Deutschland betrachtet wurdc, um das Jnteresse begreiflich zu
finden, das diesc Prügelszcne allenthalben errcgte.

Graf Wächiersüach, wie er in Kassel zmn Untcrschied von
den anderen Jsenburger Linien genannt wurde, hatte sich 1849
mit der ältesten Tochter dcs Kurfürsten uud der damaligen
Gräfin Auguste von Schaumburg vermnhlt. Dicse, sowie die
sämtlichen Söhne und Töchtcr des Kursürsten, hatteu mittler-
weile den Fiirstentitel des Kurstaates erhalten, sodatz Graf
Wächtersbach ebenfalls den Wunsch hegen mochte,. einen höheru
Titel als feither zu führen. Hassenpflug soll sich nun nicht
allein gegen diesen Wunsch des Grafen ausgesprochen, sondern
sich auch mit der nötigen Vorsicht bemüht' haben, den Kurfürsten
für die Jdee zu gewinnen, sich von seiner nicht ebenbürtigen
Gemahlin scheiden zu lassen und eine standesgemühe Ehe cin-
zugehen. Hiervon mutzte der Graf Kenntnis erhalten haben
und er besckilotz nun iu cincr Weise gcgen den Minister vorzu-
gehen, die diesen uumöglich machen sollte. Er wählte sich hier-
 
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