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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Samstag, 14. Fcbruar 1903. Wvstes Blatt. 45. Jahrgang. - .N 38

Srscheint täglich, Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern monatlich 50 Psg. in's Haus gebracht. bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

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Aeullcher Weichstag

Berlin, 13. Februar.

Die Beratuiig des Etats des Reichsanites
des Jnneru wird fortgesetzt beim Titel „Staats-
sekretär".

Adg. Stötzel (Ztr.) befürwortet seine Resolution betr.
^inführung eines z e h n st ü n d i g e n Maximalar -
beitsrages und verteidigt das Verhalten des Zentrums
nuf sozialpolitischem Geüieie gegen die Angriffe der Sozial-
oemokraten. Redner erklärt, es sei eine Heuchclei der Sozial-
deinokraten, datz sic ihre <Äowerkfch«rften als ncutral bezeich-
Ueten; dieselben trügen 'durchaus politischcn Charakier.

Abg. Albre ch,t (Soz.) : Lei keiner Partei herrfche der
meligion gegenüber so grotze Toleranz, wie bei der sozialdemo-
kraiischen. Redner poleniisiert gegen die Ausführungen Dr.
Pachches bctresfend die Äruppschcn Wohlfahrtscinrichtiingen.
^eine Partei wolle keine Wohltaten, sonderii nur das freie
Koalitionsrecht für die Arüeitcr. Als Redner voni Zentrum
iugt, dieses habe bei der Zolldebatte politische Hochstapel e i
Setrieben, wird' er vom Präfidenten zur Ordnung ge-
tufen. Sodann. wendct sich Albrecht gegcn die gestrige Rede
des Abgeordneten Stöcker, von dem er behauptet, er besätze
ivenig Wahrheitsliebe.

Abg. Frhr. v. Heyl zu Herrnsheim (natl.) sagt,

freue fich, dah die Sozialdemokratie fich endlich auch den
Heimarbeitern zuivende. Die Mehvzahl der Sozialdemokratie
Uiird in deni Augcnblick ihre Grenze finden, wo sie in der Ge-
Uieindeverivaltung ausfchlaggebend wird. Bei den be-vorstehen-
«en Wahlen sei es gut, deutlich zu macheu, welcheri Unterricht
u>id welche Lehren die Sozialdemokraten in der Schnle ivün-
Aen. Redner verlieft Stellen aus dem fozialdcmokratischen
Programm und meint, das seien alles „ollo Kamcllen". Die
Uerbrauchtesten Phraseii feieu die der Abgeordneten Wurm und
Hoch. Redner vcrwährt sich dagegen, dah er die Koalitions-
lreiheit antaste.

Staatssekcetär Dr. Graf v. Posadowsky kommr auf
de,i vom Abg. Albrecht crwähnten Stuttgarter Kongreh Zurück
Und stellt feft, dah sowohl die imicre als auch die äutzere Deko-
lariou iu verschiedenen Farben gchalten war; dah auch rot
dabei war, ist glcichgiltig. Redner bespricht fodann die gegen-
wärtige Zeitlage und ftihrt aus: Zwei Punkte bewegen das
Segenwärtige öfsentliche Leben, die s o z i a l d e m o k r a t i s ch e
Und die agrarische Bewegung; lehtere entstammt der Be-
loitigung der agrarischen Verfassimg, ohne dah etwas anderes
Mür gefetzt wnrde; man überlieh die Landwirrschaft sich selbst.

sozialdemokratische Bowegung entstand ebenfalls dadurch,
ratz man anfangs des vorigen Jährhunderts die alte Ver-
lustung der Länder allmählich beseitigte, nnd daß man ver-
iurimte, rechtzeitig gegenüber der modernen Jndustrieentwick-
iung neue Eiiirichtuiigen zu schaffe», die wieder ein k v r p o r a-
^ > bes Leben grotzer Arbeiterniasfen ermöglich-
I^u. Wenn dic Sozialdemokratie, obwohl fie Berufsgenossen-
Ichaften nnd Arbeiter vertreten will, andere politische Be-
llvebungen damit verbindet und die bestehcnde Staatsform än-
?.ern will, so erschwert'sie sich selbst ihre Bestrebungen. Wenn
Ue die Jntercssen der Arbeiter fördern will, möge sie es ver-
sueiden, die Arbciterpolitik mit allgcmeinen sehr gefährlichen
uulitischen Fragen zu verbinden.

. Abg. Eckart (südd. Volksp.) nimmt die Beriifsgeiwssen-
^chaften gegen die sozialdemokratischen Anträge in Schutz.

Abg. Ahlwardt (Antis.) bedauert, datz von der Linken
^klärt worden ist, cine Versöhnuiig zwischen Arbeitern nnd
zivüeirgebern sei unmöglich. Die Reichsbank müsse den Hand-
-Usrkern ausreichenden Kredit gcwähren. Die Hypoiekeiischulden
"'utzten in Rentensckmldeii umgewandelt werden.

Morgen 1 Uhr Weiterberatung.

! Deutsches Reich.

— Die Fr ü h j ahrs ü b u n g sr e i s e der hciuüschen
Schlachtflotte unter dem Befehl des Prinzen
Heinrich geht nach Atlantir. Das Mittelmeer wird nicht
berührt.

Badk«.

14 0. Acheru - B n l, l, 13. Febr. Eiiier Abordiiuug des
Wahlkomüees für den 8. Reichstagsmahlkreis erklärte heute
der biehcrige Abgeordnete Pralat Dr. Lendcr, eiue
Kaudidatur für die uüchsteu Reichtagswahleu wieder an z
uehnieu zu wollcu. Er halte die nachsten ReichtagSwahleu
für hochbedeutsam, bcsonders fü s Zeutrum. Es mützt-: des- j
halb in alleu Wcihlbezirken die Zentrumsstimme bis auf den
letzteu Manu herbeigebracht iverden

Karlsruhe, l3. Febr. Tie Aiifstclluiig eiuer
Zent umskaudidatur im 10. Reichstagswahlkreis hat, dem
„Ldsm." zufolge, auch d e Billiguug des Zeutralkomitees
gefnudeu; sie kaiin jetzt also als d.fiintio betrachtet werden. ,
Die Persou des Kandidaten ist jedoch uoch uicht überall
bestimmt. >

Karlsruhe, 13. Febr. Nach der „Allg. Ztg." i
eutbehrt die Blelduug des „Pfälz. Bc-te", daß iusolge !
Reibungeu zwischcn dem Karlsruher iind Berliuer Hofe der
bndische Gesandte iu Bcrliu, Herr v. Iagemaim, seiueu
Posten verlassen wird, jeder Begründung. l

Karlsruhe, 13. Febr. Staa ts miuister .
Nokk hat, wic schon kurz erwähnt, seine politische Korre- '
spondeuz in letzter Zeit uoch georduet und auch selbst ,
Memo ircu über die badische Politik uiedergeschriebeu, die
von größter Bedmtiiiig si d. Der Veröffentlichung dieser '
deukwürdigeu Aufzeichmnigen, die uach deni Ableben Nokks ,
zu irmnrten steht, wird mit b er e ch t i gt c m Juteresse
cutgegeiigeseheu werdeu. Au der Bahre traueru außer der
Frau des Entschlafeueu 3 Kiuder, zwei Töchtcr und eiu i
Sohu. - Ju der heiüigeu Sitzmig des Stadtrats widmete !
vor Eiutritt in die Tagesorduiing der Vocsitzciide, Ober- (
bürgermeister Schnetzlcr, dem verstorbeiieu C'hreubürger i
hiesiger Stadt, Staatsmiiüster a. D. Dr. Nokk, eiuen warm !
empfundeuen Nachruf. Die Stadt stellt einen Begräbuis- -
platz zur Verfügung.

Aus der Kar sruher ^eitung j

— Das Ministerium der Justiz, des Kullus und Unterrichts
hat den Registrator Gustav Krumm beim Amtsgericht Hei-
delb.erg Zum Amtsgericht Lahr un-d den- Registrator Frauz
Kaüfmann bei letztgenamüem Gericht zum Amtsgericht ,
Heidelberg versetzt.

Karlsruhe, 13. Febr. Heule frnh erhielten der
Großherzog und die Großherzogin die schinerzliche Bot-
schaft oon deni sanften Hinscheiden des von denselben so
hoch verehrten Staatsnünisters Dr. Nokk. Jhre König-
lichen Hoheiteu haben die Wiederholnng des Menuetts
ans der Wohltätigkeits-Auffnhrung in der Festhalle am
4. d. M., welche heute im großherzoglichen Schlvsse statt-
finden sollte, anf künftigen Mittwoch verschoben. Nin
11 Uhr empfing der Großherzog den Finanznfinister
Dr. Buchenberger zur Vortragserstattnng. Mittags 12 Uhr
fuhren der Großherzog und die Großherzogin zu Frau
Staatsnünister Nokk und brachten ihr den wärmsten
Ausdruck treuer Teilnahine an ihrer tiefen Herzenstrauer

dar. Dieselben konnten anch den übrigen Familien-
gliedern herzliches Mitgefühl knndqeben und dann die
anf dem Krankenlager ruhende sterbliche Hülte des Ent-
schlafenen besnchen nnd von den edlen Zügen des Heirn-
gegangenen Abschied nehmen. Anst Nachnüttag
empfing der Großherzog den Geheimerat Dr. Freiherrn
von Babo zur Entgegenuahme verschiedener Berichte über
erteilto Aufträge. Später hörte Seine Königliche Hoheit
die Borträge des Präsidenten Dr. Nicolai und des
Legationsrats Dr. Sepb.

Äus Ltavr uud LüNÄ.

Heidelberq, 17. Februar.

-s Beilewstelegranun. Anlählich des Hinscheidens Seiner
Exzellcnz des Herrn Staatsministers a. D. Dr. Nokk wurds
gestern an die Witwe dcsselben feitens des Herrn Ober-
b ü r g e r m eisters folgendes Telegramm gerichtet:

„Namens der Stadt Heidelberg spreche ich Euer Exzellenz
nus Aulatz des Heimganges unseres hochverdienten Ehren-
bürgers, Jhres hochgeschätzten Herrn Gemahls, das wärmste
-Beileid aus. Uusere Stadt, dereu Blühen und Gedeihen
von dcm Heimgegangenen stets krästig gefördert worden ist,
wird dem ausgezeichneteu.Staatsmann ei» treues Gedächt-
uis bewahreu."

Z- Aus dem Stndirat. Jn den StadtratAsitzungen vom
11. und 12. d. M. wurden u. a. folgende Gegenstäude zur
Kemüiiis bozw. Erlediguug gebracht:

1. Die Ortskraukenkasse zählte au-f den 1. d. M. 5604
mämiliche und 1684 weibliche Mitglieder.

2. Jm städrischen chemischen Laboratorium wurden im -oori-
gen Nkonat 3 Proben von Brot, 9 von Butter, 3 von Cho-kolade,
4 vou Cacao, 3 vou Duustobst, 6 von irdenem Geschirr, 2 von
Llanalwasser, 10 von Käse, 2 von Trinkwasser, 2 von Marga-
rine, 78 vou Kuhmilch, 6 vou Petroleum, 7 von Schweine-
schmalz und 3 von Tee untersuchr uud dabei 1 Bntter- und
7 Milchproben bcanstandet. Von den 188 Untersuchung-en- er-
folgten 134 im Ausirage von Behörden und 4 auf Antrag
von Privaten.

3. Das Geschcnk des Herrn Kunstmalers Guido Schmitt
an die städtische Kuust- und Alrertümersammlung bestehend in
dem von Gg. Ph. Schmitt im Jahre 1852 gemalten Porträt
des 1865 dahier verstorbenen deutsch-katholischen Psarrecs
Dr. Brugger, wurde dankbar entgegengeiwmmen.

4. Das Ergebnis der Holzversteigerung vom 28. v. M.
mit eincm Erlös von 6369.40 Mk. wurüe geuehmigt.

5. Der Vertrag mit der Firma H. Boit u-ttd Söhne in
Durlach über die Lieferung eines Orfieliiverkes für die neue
Stadthalle wurde gutgeheitzen.

^ Stadtverordnetenwahl. Das geuMie Erge'bnis der gestci-
gen Stadtvcrordnetcnwahl durch die Klasse der Mittelbesteuer-
ten ift solgendes: Wahlberechtigte 956, abgegebene -Stimm-
zettel 569. Davon- entsielen auf dle Liste der drei .Kompro-
mitzparteicu (Nationalliberale, Zentrum, Konservatdve) 279
unabgeänderte Zettel, auf die Liste der Gcgner 132 unabgeän-
dcrte Zettek. 158 Zeitel waren abgeändert, also über
ein Viertel sämtlicher Zettel. Dieses Abänderu
der Zetiel ist in parteitäktischer Beziehung ein grober Un- '
fug, dec Mangel an Disztplin beweist. Fn deu allermeisten
Fällen — wie auch hier — wird dadurch gar nichts erreicht,
als datz der Wahlkommission Arbeit gemacht wird; wohl aber
üroht die Gefahr, datz man durch Streichen von Namcn auf
der eigenen Liste einem uud dem anderen Namen der Getzen-
liste zum Sieg hilst. Was uun die gestrige Wahl im Ein-
zcliien anbetrifft, so hat uatürlich derjeuige Name, der auf
beiden Listen stand, eiuen Vorsprung vor allen andern. Di«
geriiigste Ziffer, die auf einen N'ameu der siegrcichen Liste
fiel, ist 361, das sind also die 279 unvcränderten und 72 von
den' veränderten Zetteln. Die weitaus grötzte Zahl der ver-
änderten Zettel sind solche der Konrpromitzliste. Die Gegner

SLadttHeater.

Heidelberg, 14. Febr.

-'D e r G'w i s s ensw u r m". Baucrnkomödie von Lud-
°'S Anzengrube r.

Der Beuefizabend des Herrn Sigl brachte uns cine glän-
nde Darstellung eines der gehaltvollen Bolksstücke Ludwig
^."Kngrubers. Die sicher und rühig gestaltende Kraft des
>ichters, seiu liebevoller Sinu für die kleinen Züge im Leben,
kreundlicher Humor, sein gütiges Hcrz, sein Gcrechtigkeits-
uud zum audern sein kräftiger, ehrlicher Hatz aller
^veideutigkert, jedes Duckmäusertums, entfalten ihr Weseu im
t„.^Üs«uswurm so prächtig, datz sie uus mitreiheu. Ein
^Rerer Maun: er empflndct das Betbrudertum uud die
H.^chelei, die immer an die ewigen Strasen und den hölli'schen
M denken vorgibt, als etlvas, das einen unreinen Klang
Än ^ Welt der Mcnschen hineiubringt, und hebt seine warnende
und züchtigt die Brüder -von -der. Butzscrtigkeit. Ilud
8r- >( Mauii von wuudervollem Weltgefühl mit der helleu
Nii > E» der Krast, au srischcr Luft uud So-ime. —- Da
Dusterer auf den Hos seines vcrwitweten Schlva-
Mcrtthias Grillhoser spekuliert, hat er sich an ihn ge-
sctneir Sinn der Frommheit gcwonncn und so lange
armen Menschensecle herumtzewühlt, bis der G'wis-
Avrirni sich darin eiues schöuen Tages gereat kat. Die

<zr7wl"rm sich darin eines schönen Tages geregt hat.

Avferin nämlich war eine kranke, schwache Frau gewesen,
Ma ^ der Matt'hias als srischer, lebiger Mcmn die Riesler
eZ z^Arne liebtzewonnen, die bei ihnen Ma-gd war. Und da
d^-^EIchah, daß ein Kindlein da war, sorgte die Bäuerin dafür,
Dkutt . ^ Pfüge zu einer braven Frau kam. Die ledige
d^r f wandte sich weiter, bis sie zum Poltnerbaucr an

Kvöli Lehuteu kam, desseu Weib sie -wurde uud dem sie
Ix?st^er gebar. Nun hat der Dusterer beim Grillhoser
a>is zi^Rsteicher gcspielt uud ihu so bearbeitet, -datz dicscr ihn
lvcs,.,, > Zeit auf den Hos nehmen und ihm das ganze An-
oann vcrmacheu will. Denn der Dusterer versteht sich

auf die Wirtschaft, wie auf das Himmelreich. Wie dann die
Horlacherlies zum Matthias kommt, als Tochter erkannt und
dem Tartüffe auf -dem Dorfe die Maske abgerissen wird, ist in
prückstig au-fgebauten, lustigen uud erifftcu Szeneu mit Be-
hagen dargestellt. Um die Hauptpersonen ist ein Kreis köstlicher
Nebenfiguren. Die Mrgdalene hat sich M einer bösen Sieben
entwickelt, die den Bauer und die Buben streng regiert, datz sie
gar in den Freistuuden -den Strickstrumpf zur Hand nehmen
müssen.

Herr -S ig l wurde gefeiert, das Behagen, wie die durch
rein künstlerische Mrttcst erzcugte Freude und Erwärmung des
Publikums machte sich in bransendem Beisall Lust, es dank-te
einem Darsteller, der immer aus seinem Platz das Banner
ehrlicher, ernst empfimdener Kunst er'hebt. Er ist ein echt
deutscher Darsteller. Jnnerlichkeit und Schlichtheit bedeuteu
ihm mehr als- det schöne Laut und die Geste in edlem
Schwuuge. Wie es das Repertoire unserer Bühne mit sich
bringt, mutz er auch im Schwank und Lufifpiel als Vater au-f
die Bretter: immer die gleiche redliche Bemühung. Cs bleibt
zu wünschen, datz der Leiter einer un-serer grötzeren B-ühnen
sich der Kraft Herrn Sigls für ein wivklich künstlerdsches
Enscmble vevsichcrte. Nur ein Siim, der das Vevschrobene
und AusgLklügelte vor d-em Grohzügigen und Schlichtkünstleri-
schen 'bsvorzngt, kann Herrn Sigl ernste Teilnahme aus die
Dauer versagen. Gestern sein Grillhofer war wieder ein
ganzer deutscher Bauer, vuhig, eiNfAtig-fromm, ohue Redeus-
arten, doch im Jnnern krästig und nicht ohne Frchsinn.

Urpad Schmidhammer zeichnet in der Münchener „Jugend"
dann nnd wann eincn Jesuiten. Dieser thpijchen Figur näherte
sich Herr Grotzmanu bedeutend an, und doch war nichtS
Starres in diesem Bauernkopf, immer Leben, unruhig fla-
ckernde Leidenschaft, znwartender Kaltsinn: ein Erbschleicher in
, grotze-n Zügen gezeichnet. Als Horlacherlies hatte Frl. Kop -
l p enh öf er Gelegcnheit, alle rhre'bekannten Vovzüge ins
Licht zu setzen. Sie gab dem -Mädchen viel schlichte rührende
! Anmut und grotze Frrsche. Jn den Nebenrollen fehlte nichts.

Blätter, zusammen

Es ivar eine Hiugabe ans Spiel, wie mau sie selten findet.
Da war ein derber Fiihrknecht (Herr Mark), der Poltner
Bauer imd sein Weib (Herr Brandt und Frl. Fischer),
Wastl, der Biedre (Herr Krones), und die Ros'l (Frl.
Hohenau). Ju Sprache und Ausdruck alles ganz vor-
züglich! S-olch eine Darbietung eiuer Arbeit eines Dichters
ist ein Verdienst um künftlerfiche Kultur. Aber Auzengrnber
toird nicht eine Wiederholung erleben, wo Meher-Förster, der
Findige, acht-, neumnal oder vielleicht noch öftcr erscheinen
darfi _ X. IV.

Keööekverein.

Dr. Eberhard Freiherr von Bodenhausen, Heidelberg: „Aus
! Gerhart Hauptmanns Michael Kramer nnd Armem Heinrich."

(Dritter literarischer Abend.)

Der 'dritte literarische Abend des -Winterprogramms der
Gesellschast war einem noch lebenden und strebenden Moder-
ueu ge-ividmet, Gerhart Hauptmaun, der gewitz der ehr-
lichste Ringer und vielleicht auch die größte dichterische Kraft ist
unter den Vielen, die in Deutschland zur Zeit nm die Palme
liierarischcr lliistevblichkeit kämpsen. Dr. Freiherr v. Boden-
h ause n griff sür seinen Vortrag aus dem gesamten Schaf-
fen des Dichters zwei seiner jüngsten Dramen, den „Michael
Kramer" und den „'Armen Heinrich" heraus, um sie jedes für
sich und in ihrem gegeNseitigen gedanklichen Zusammenhän-
gen zu beleuchten und 'seine Uuffassungen durch misführliche
Zitate mls den Werken sclbst zu belegen.

Während Hebbel es liebte, diem Kampf zwrschen Mann und
Wei'ü stets ucue dichterische Seiteu abzugewiuneu, fiu'den wir
bei Hauptmaim des öftcren dcn Konflikt des Menschen mit sich
i sclbst. Am deutlichsten und poetisch am reinsten ift er im
! „Michael Kramer" zu treffen und 'hier in der Gestalt sein-es
j Titelhelden, der denn auch wirklich im Mittelpunkt d^es Wer-
' kej^ steht, nicht ein Aruold, sein Sohn, wie man oftmals an-

14 Seiten.
 
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