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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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(Kr'lcÄ din!l.

z-hrsli»-. - -M1K.

^ie«-t»5 I«. 3«»i IM.

Erscheiut täglich, SonntagS auSgenommen. PreiS mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 4V Pfg. Durch dk P»ß

bezogen vierteljährlich l.35 Mk. ausfchließlich Zustellgebühr.

ßnzeigenpreir: 20 Pfg. für die lspaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Psg. Fllr hiesige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeig«
n« bestimmten Tagen wird keiue Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattaseln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 8L

Der neue Könifl von Serbien.

Gcnf, 16. Juni. Prinz Peter Karageorgiewitsch er-

cin Telegramm aus Semlin, welches mcldet, daß
^ Nationalversanimlung ihn e i n st i m ni i g zum
^ oni g gewählt habe.

^ Gcnf, 16. Iuni. PetcrKarageo r gjewit s ch
^ kIärle einem Vertreter der schweizerischen Depeschen-
^Lentur, daß er die Krone annehme n und den
Namen Peter 1. führen werde. Er sei tief gerührt von
"ein Beweis des Zutrauens, obschon die Nachricht nicht
^ehr unerwartet gekommen sei. Er werde an das serbische
eine Proklamation richten, in der er dem Volk dafür
chNken werde, daß es die Traditionen seiner Vorfahren
^ieder aufnehmen wolle. Er selber werde getreu diesen
^raditionen fich besonders dem Ändenken an seinen ver-
^lllen Vater leiten lassen. Er gebe sein Wort, daß er alles,
sjch letzten 40 Jahren zugetragen habe, ver-

^lseii unö gegen keinen seiner Widersacher einen Groll
^wahren werde. Er werde die Rechte sämtlicher Beamten
^ud Llngestellten respektieren und dieselben bitten, sich ge-
an das Gesetz zu halten und die normale Beschäftigung
4>>eder aufzunehmen. — Der neue König wird wahrschein-
in Kegleitung seines schweizerischen Personals am
^wiiisrotag Abend über Wien nach Belgrad abreiscn.
f-eins Wobnung wird von radfahrenden Polizisten be-
r??cht. Das im Hause ausgelegte Glückwunschregister
^klt sjch mii Namen.

. 0 Belgrad, 15. Juni. Die Wahl Peter Karageorg-

tewitschc. König wurde in vollständig lohaler Wcise
^ÄaOgen. Tie Bevölkerung begrüßte die Wahl des neuen
??uig§ mü großer Begeiiterung. Es hcrrscht vollkommene
Ruhe

^ktchenschau und Bestattuncl des serbischen
Könistspaares.

3e

V

elgrad, 12. Juni. Man berichtet der „Frankf.
stung": Am Mittwoch Abend hatten sich bis Mitternacht

^°nig Alexandcr und seine ehrgeizige Gemahlin
^ u g a im intimen Kreise ihrer Getreuen fröhlich
?^erhulten. Nur wcnige Stunden später wurden sis
Urch Verschworene von Gemach zu Gemach wie wilde
gehetzt, in ihrer Todesangst vergeblich nach Hilfe
^Utend. Tie versuchten die Tür mit Möbelstücken zu ver-
^^Nkadieren, in der Hoffnung, es werde doch Hilfe kom-
' Sje. mcinten, daß die Hunderte und Tausende, die

shNi

i's

gegenüber stets beteuert hatten, Gut und Blut für
"blern zu wollen, sie jetzt nicht feige im Stich lassen
.."Niilen. Tie Hilfe kam aber nicht, und als schlicßlich
, letzte Bollwerk fiel und das hilfslose Königspaar zit-
^^nd sej„o Verfolger heranströmen sah, da fingen beide
, weinend um Gnade zu flehen; die Königin Draga
zch'che förmlich in ihrer Todesangst, bis beide unter den
i^niverschüssen znsammenbrachen. Tonnerstag früh
^'Pii ,ie noch an derselbcn Stelle blutiiberströmt, nur mit
^ Uien notdürftig gedeckt. Tie im Laufe des gestrigen

^vges statgefundene amtliche Sektion ergab fol-
u"Hdex, -

ir,, ^ü"ig Alcxander hatte am Kopf eine tötliche Schuß-
? (Schädclbruch), in der Brust und im Unterleib sehr viele
ge„Äwundcn, aber keinc, Stich- oder Hiebwundcn. Seine gut-
^„"hrter Körper war völlig normal, nur am Schädel wur-

s°i,

h'ar

1'?>L

h'ar iEwiise Deformationen konstaticrt. Der Schädcl
—8 Millimeter dick, auch die Gehirnhaut zeigte eiue
' 1 Vcrdickung, und an den Gehirnarterien fand man eine

iv

^"igin

cklerose (Vcrhärtung). Alexander hatte eine Fettleber.
Traga hatic einen Bruch am Oberarm, die Brust
ctlicbcn zwanzig Kugeln durchlöchcrt, am Gesätz uud
Hie^^wib^wurden cinige leichtere Srich- und Hicbwunden be-
An der Gebärmutter wurde ein Myom (Muskel-

>>! ^>6st) vorgefunden, fcrner wurde citrige Perimetritis,
h Tvaricn cirrigc Salpingitis konstatiert.
ii^-d">ch der Sektion zog man König Alexander Generals-
i„w tzor Königin Traga ihr Nationalprachtkleid
lysinachdem man sie beide in Metallsärge gelegt hatrs,
>>» Bcisein aller Minister das Protokoll über
hst O^'ioben verfaßt nnd untersertigt. Hierauf wurden
ich ^>'6» vertölet. Ngch Mitternacht wurden beide Särge
ktz^sssvnoportwagen des städtischen Krankcnhauses untcr
. nng „iiior kleinen Insaiiterie-Abteilnng sang- und
si i Konak in die iiniveit gekegene kleins

ch l
^>üh^

^ ck e d e s h e i I. NI a r k u s am alten Friedhos über-

»bsn^? »lte Konak, wo sich die blutigen Ereignisse
8esvi-a, ^ietct ein erschreckendes Bild. Die von Dynamit
>?ie ,'^llten Tore und Pforten, der anigcrissene Fußboden,
^>rchi- ochvnen Fensterlädcn, die von Revolvcrkugeln
i'vllk 'O^orren Wände iind die übereinandergeworsenen
ichi-o^!"?""! zertrümmcrten kostbaren Möbel bieten ein
'Bitd der Verheerung. Die großen Blutlachen
u von Feuerwehrleuten weggewaschen, doch steht

man noch immer die Spuren. Die Verschwörer hatten
nicht nur sämtliche Tore und Türen erbrochen und ge-
sprengt und alle Fenster zertrümmert, sondern auch alle
Möbelstücke vernichtet. Mit den Säbeln wurden Löcher
in die Polster und Peluchemöbel geschlagen und gestochen,
Bilder von Wänden gerissen, knrz die Ofsiziere hausten
wie Vandalen, und überall sieht man Blut an den Wän-
den, auf den Treppen, an den Türklinken. Man erfährt
jetzt, daß Alexander und Draga sofort nach den ersten
Schüssen zusammenbrachen. Die Leiche Alexanders blieb
auf dem Fußboden liegen. Die Offiziere scheinen dann
alle Räume des Konaks durchstöbert zu haben, denn über-
all sieht man ihre Spuren. Dcmn kehrten sie zur Leiche
Dragas zurück, stachen mit Säbeln in den noch zuckenden
Körper, schleiften ihn ins Vorzimmer und traten ihn dort
mit Füßen. Dann wurden beide Leichen Zum Fenster in
den Garten hinausgeworfen.

Deutsches Neich.

— Anscheinend osfiziös meldet man Ler „Allg. Ztg."
aus Berlin: Die mehrsach verbreitete Behauptung, daß
die Vo r b e r e i t u n g e n für neue Handelsver-
t r ä ge ruhen oder stocken, ist nicht richtig. Die öorberei-
tenden Schritte zu Verhandlungen msi Rußland haben
nicht geruht u.nd näherii sich ihrem Abschlußi bezüglich
der Schweiz sind sie schon abges-chlossen und man ist
schon mit der eidgenössischen Regierung in nähere Fühlung
getreten. Wenn dies bei O e st e r r e i ch - U n g a r n und
ItaIien noch nicht möglich war, so ist das nicht die
Schuld der deutschen Regierung, da die Zolltarife jener
Staaten noch nicht feststehen. Daß die Verhandlnngen
mit den bisherigen Vertragsstaaten in erster Reihe stehen,
ist selbstverständlich ; aber auch mit anderen Ländern, wie
mit den Vereinigten Staatcn von A m erika sind die
Aussichten nicht so schlecht, wie behauptet wird.

Bndcn.

O'N Karlsruhc, 15. Juni. Der Rücktritt des
badischen Gesandten am preußischen Hofe Geh. Rats Eug.
v. Iageman n erregt Aussehen. Jagemann galt neben
Herrn v. Vrauer als der aussichtsvollste Kandidat für das
Prästdium des Staats.ministeriums un-d es verlautete
seiner Zeit mit großer Bestimmtheit, daß ihm zuerst das
Prästdium angetragen wurde, daß er aber entschieden ab-
gelehnt hat. Um so überraschender kommt jetzt die Nach-
richt von seinem Rücktritt. Ueber dic Gründe, die den
im Lesten Mannesalter stehenden Gesandten veranlaßt ha-
ben, schon jetzt in Heidelberg die Ruhe des Privatlebens
aufzusuchen, gehen verschiedene Gerüchte. Man wird wohl
nicht fehl gehen, wenn man den Rücktrrtt mit den Diffe-
renzen in Zusammenhang bringt, die in den letzten Jahren
zwischen dem preußischen und badischen Hof anläßlich des
Wechsels im Korpskommando entstanden sind. Geheimrat
v. Jagemann gehört zu den tüchtigsten und kenntnisreich-
sten Beamten. Er ist im Jahre 1849 in Karlsruhe geboren,
war Vom Jahre 1879 bis zu seiner Berufung in das Mi-
nistermm des großherzogli-chen Hauses und der Justiz im
Jahre 1881 als Staatsanwalt tätig. Jm letzteren Mini-
sterium verwaltete er das Respiziat über die Strasanstalten
und srwarb sich. auf dem Gebiete des Strafanstaltswesens
einen Ruf in gcmz Deutschlcmd. Jm Jahre 1893 wurde
er als Nachfolger des derzeitigen badischen Staatsmmisters
v. Brauer zum Bundesratsbevollmächtigten und bädischen
Gesandten am prenßischen Hofe ernannt. Sein Nach-
folger in tetzterer Stellung, Graf Sigismund v. Berck -
h e i m in Weinheim, steht im 62. Lebensjahre, war von
1871 bis zum Jahre 1891 Offizier, die letzten fünf Jahre
als Hauptmann im Generalstab und wurde als Major
zur Disposition gestellt. Jm Jahre 1896 wurde er zum
Oberschloßhauptmcmn ernannt, und zu Anfang des vori-
gen Jahres unter Verleihung des Titels als Vizeober-
zeremonienmeister mit der Führung des Oberstkammer-
herrnamtes betrant. Jm Jahre 1900 wurde ihm, der
bis dahin freiherrlichen Standes gewesen war, der Grafen-
titel verliehen, der jeweils von dem ältesten Mitgliede der
Familie geführt werden darf. Der zum Ministerialdirektor
im Ministerium des großherzoglichen Hauses für aus-
wärtige Angelegenheiten eruamitc Geheimrat Adolf Frei-
herr M arschaIl v. Bi b e r st e i n ist im Jahre 1848
in Karlsruhe geboren, wurde im Jahre 1876 zum
Staarsanwalt in -Mosba-ch und zwei Jahre darauf zum
Legarionsrat bei der Abteilimg für Reichs- imd auswär-
tige Angelegenheiten des Staatsministeriums ernannt.
Bei dsr Errichtung des Ministeriums des großherzoglichen
HauseZ und der auswärtigen Angelegenheiten im Jahre
1893 trat er zu -diesem Ministerium über. Der mit dem
Rang eines Ministerialrats zum Kollegialmitglied bei dem
letztgsnannten Ministerium ernannte Legationsrat Dr.

Wilhelm Heintze ist im Jahre 1864 in Weinheim ge-
boren und im Jahre 1900 zum Sekretär bei dem Mini-
sterium des grotzherzoglichen Hauses und der auswärtigen
Angelegenheiten ernannt worden.

Ausland.

Ocstcrreich-Ungarn.

— Jn Tirol kommt a u f 12 0 Personen
einegeistliche. Seit 60 Jahren haben sich die männ-
lichen Genossenschaften um 61 Prozent, die weiblichen um
332,43 Prozent vermehrt. Während es jetzt in Tirol
211 Weltpriester weniger gibt als im Jahre 1853, nämlich
1896, gibt es dagegen 1600 Mönche und 3200
N o n n e n!

Aus der Kartsruher Keitung

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Uhrenfabrikanten Karl Maurer in Barcelona die Er-
laubnis zur Annahme und zum Tragen der ihm von dem Kö-
nig von Spanien verliehenen, zur Erinnerung an die Feier sei-
ner Großjährigkeit gestifteten spanischen Medaille in Silber
erteilt.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haberr
den nachgenannten Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr
Weingarten und zwar: Privatier Karl Beuttenmüller,
Maurer Michael Frank, Kaufmann Berthold Heidt, Tag-
löhner Josef Hummel, Schneider Alois Marquardt,
Küfer Aug. u. Jak. Nikolaus, Küfer Lorenz Nikolaus,
Schmied Ludwig Reuter, Wagner Johann Vo,lk und
Landwirt Ludwig Weitz, sämtlich in Weingarten, das Ehren-
zeichen für 40jährige treue Dienste bei der freiwilligen
Feuerwehr verliehen, desgleichen dem Mitglied der freiwilli-
gen Feuerwehr Achern, Schuhmachermeister Albert Schött-
gen daselbst.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem Kunstverleger Friedrich Burger in München die Cr-
laubnis zur Annahmc und zum Tragen des ihm von dem
Papste verliehenen Ehrenkreuzes pro ecclesia et pontifice er-
teilt.

KarIsruhe, 16. Juni. Gestern Vormittag traf
Prälat Dr. Helbing auf Schloß Baden ein und hielt um
10 Uhr den Gottesdienst in der Schloßkapelle ab, welchem
d'ie Höchsten Herrschaften anwohnten und wozu zahlreiche
Einladnngen ergangen waren. Der Gesangverein Lieder-
kranz von Stuttgart, der gestern in Baden weilte, hatte
sich erboten, den Großherzoglichen Herrschaften einige Ge-
sänge vorzutragen, was dankbar angenommen wurde. Der
aus etwa 120 Sängern bestehende Verein wurde in die
große Halle des Kavalierhauses im Schlosse geleitet und
brachts mehrere Chöre, darunter auch schwäbtsche Volks-
lie-der, zum Vortrag. Die Höchsten Herrschaften sprachen
für die Gesänge, die vorzüglich vorgetragen wurd-en, ihre
dankbare Anerkennung aus. Zur gestrigen Frühstücks-
tafel der höchsten Herrschaften waren zahlreiche Einladun-
gen ergangen. Abends 6 Uhr nahmen Jhre Königlichen
Hoheiten den Tee bei der Prinzessin Amelie zu Fürstenberg
und verweilten dann einige Zeit bei dem Prinzen Karl.
Der Großherzog verläßt heute Abend Schloß Baden, um
mit der Erbgroßherzogin in Oos zusammenzutresfen und
nach Karlsruhe zurückzukehren. Die Erbgroßherzogin ver-
weilte die letzte Zeit bei ihren Eltern in Walserdingen bec
Luxemburg, von wo dieselbe heute heimgekehrt ist.

Zur Wahlbewegung.

— Zu den Wahleii, auf deren Ausgang man besondcrs
gespannt sein darf, gehört die in dem Wahlkreise Hagenau.
Jn ihm kandidiert bekaniittich P r inz AIexander
Ho h enIohc wieder. Nachdem er in einer Wahlrede
andeutete, die R e g i e r u n g würde eventuell lieber
m i t d e n L i b e r a l e n als mit dem Z e n tr u m geh-en,
agitieren die katholischen Geistlichen in seinem Wahlkreise
mit einer 1l n e r rn üdIichkeit niio eiw.'in Fanatismus
gegen ihn, welche ohne Beispiel sind.

— Der Terrorismus der Leitung des Bundes der
Landwirte hat im Wahlkreise -E l b i n g die Mitglieder
des Bundes Rechtsanwalt Stroh und Gutsbesitzer Wun-
derlich aus dem Bunde a u s g e s ch l o s s -e n, weil beide
es gewagt haben. gegen die offizielle Bundeskciiidi-datiir
des Herrn v. Oldeiiburg zu agitieren. Daß die Bundes-
leitung es dem nationalliberalen Kandidaten im 13. bad.
Wahltreis ebenso gema-cht hat, ist Lekannt.

-s- S ch ö n a ii b. Heidelberg, 16. Juni. Auf dic von
dcu gegnerischen Parteien hier abgehaltencn Versammlun-
gen erfolgte heute, am Vorabend der Wahl, die Antwort
der ii a t i o n a l I i b e r a l e n P a r t e i. Sie wurd-e
gegeben vor zählreich erschienenen Wählern durch einen
Vortrag des Herrn Rechtsanwalts Dr. Bauer aus Hei-
delberg. Sachlich und ruhig wurden Politis-che Fragen
und Parteien behandelt. Als Redner die Stellung seiner
Partei zum Zentrum besprach, erwähnte er, daß der
H a u p t r e d ii e r der g e st r i g e n Z e n t r u m s -
versammlung in Heidelberg, ein Herr
 
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