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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Dvlinersmg. 8 Jannar 1903. GrAes ME. 45. Jahrgang. - N' 6.

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Mede jdes Meichslagsaög. Krnst Massermann
im Wannheimer W lionaüiöeraten Werei».

Z Mannheim, 7. Jan.

- Reichstagsabgeordneter E.rnst Bassermann hielt
heute, Mittwoch, 7. Januar, in der Versammlung des
Mannhcimer. nationalliberalen Vereins eine ungefähr
anderthalbstündige Rede über die Kämhfe um den
Zolltarif im Reichstag und die Haltung der n a t.-
lib. Reichst agsfraktion. Redner begründete setnen
Vortrag mit dem Bedürfnis einer eingehenden Bericht-
erstattung angestchts der Wichtigkeit des Zolltarifs und
mit der Notwendigkeit der Beseitigung mancher durch den
Bericht der „Basler Nachrichten" über ein Jnterview bei
dem Redner hervorgerufcnen Mißverständnissc.

Das Zicl der nationallibcralen Partei
war, so führte Herr Bassermaim aus, in den lctzten Jahren
auf einen neuen die widerstreitenden Jnteressen der einzelnen
Berufszweige ausgleichenden Zolltarif gerichtet, der die Basis
bildet znm Abschluß ncuer Handelsverträge, untcr besserer Bc-
rücksichtigung der Landwirtschast und vieler Wünsche der Jn-
dustrie. Die Aufrechterhaltrmg des Bauernstandes ist eine
Pslicht sozialer Politik. Die Notwendigkeit eines neuen Tarifs
wurde schon von 'dern früheren Staatssekretär des Auswärtigen,
Freiherrn von Marschall, bei der Verabschiedung der Caprioi-
schen Handelsverträge ausdrücklich betont. Der Nbschlusz
Lrauchbarer Handelsverträge ist angesichts der Vertragstarife
des Auslandes nur möglich, wenn wir vorher unser Rüstzeug
verstärkten. Die deutsche Jndustrie berlangte dringlich den
Mschlutz der Zolltarifverhandlungen, behufs baldigen Ab-
schlusses neuer Handelsvertrüge.

Dic Stellung des nationalliberalen Delcgicrtentnges in Eisenach

zu dem Zolltarif war eine nähezu einmütige. Gegen wenige
Stimmen stellte man sich auf den Boden der von der Reichsre-
gierung vorgeschlagenen Minimalzölle. Die grotze Bedeutung
der Eisenacher Beschlüsse liegt darin, datz die nationalliberale
Partei zum erstenmale seit Jahren nahezu
cinmütig in ciner grotzen wirtschaftlichen
Frageeincn Beschlutz fatztc.

Niemand hat ursprünglich an cine Erledigung des Tarifs
vor Neujahr gedacht. Da häusten sich die Unkündigungen der
Obstruktion; Bebcl stellte 700 namentliche Abstrmmungen in
Aussicht. Wochenlang schleppten sich die Beratungen über den
Zolltarif hin, es erfolgten Dutzende von überflüssigen nament-
lichen Abstimmungen, Dauerreden, Lärmszenen und Geschäfts-
ordnungsdebatten. Hieraus ging klar hcrvor, datz man mit
allen Mitteln das Zustandekommen des Zolltarifs verhindern
wollte. Das Zentrum und die Konservativen lcgten sich be-
züglich der Minimalzölle auf die Kommissionsbeschlüsse fest
und die Aussichten auf eine Verabschiedung des Zolltarifs wa-
ren nähezu geschwunden. Die schwere Krisis des Parlamenta-
rismus, der Versuch, die Mehrheit zu vergewaltigen und zu
verhöhnen, gab dcm Gedanken immer weiteren Raum, daß
es notwendig sei, zunächst eine Einigung herbeizuführen, um
dann den Widerstand der Sozialdemokratie zu brechen. Am
22. und 25. November fanden unter dem Vorsitz des ReichZ-
kanzlers Beratungen statt. Die Reichsregierung blieb fest
und crklärtc sich nur bereit, eine Differenzierung der Brau-
gerste vorzunehmen und den Minimalzoll für Braugerste um
rine Mark zu crhöhen. Die Konservativen und das Zentrum
hielten zunächst an ihrem Standpuukte fest. Von den 8vr-
schiedensten Seiten wurde aber darauf hingewiesen, datz chie
Wichtigkeit des Zolltarifs zurücktrete vor der Frage:

„Wcr ist Herr im deutschen Rciche?"

Mehr und mehr kam man zu der lleberzeugung, datz der
sozialdemokratische Terrorismus eine schwere innere Krise her-
vorrufen müsse. Unter dem Drucke dieser Situation gachen
das Zentrum und die Konservativen nach und es erfolgte äm
26. November die Einigung auf Grund der Regierungsvorlage

unter dcr Bedingung, datz 15 Eisenzollpositionen im Taris
herabgesetzt werden.

! Die Einbringung des Antrags Kardorff

ries starke Tumulte im Reichstage hervor. Die Sozialdemo-
kraten tobten, und Singer verstand es, die Siedehitze durch
eine Rede zu steigern.

Der Präsident vermochte nicht mehr, Ordnung zu schaffen.
Redner besprnbt sodann die Zulässigkeit des Antrages Kar-
dorff. Es hätten verschiedeue Wege osfen gestanden. Man
^ konnte die Gcschäftsordnung ändern und eine Enbloc-Annahme
! auf Antrag von 200 Mitgliedern zulassen, und man konnte öie
j Abstimmungen abteilungsweise nach Abschnltten durch eine
' Aenderung der Geschäftsordnung für zulässig crklären. Der
letztere Weg erschien bedenklich wegen zukünftiger Borlagen.
Der Antrag Kardorff war nach den Vorgängen des Jahres
1879 und 1885 zweifellos zulässig. Die Juristen sind ver-
schiedener Mcinung. Dem Gutachten des Herrn Professors
LabanL stchcn andcre jurisiische Gutachten gegenüber. Von
einem Bruch der Geschästsordnung kann nicht die Rede sein.

Der Antrag Aichbichler

war notwendig, um die Hunderte und mehr namentlichen Ab-
stimmungen abzukürzen.

Die zweite Acndernng dcr Geschäftsordimng,
welchs die Macht des Prästdenten erweiterte und dem Unfug i
der langen Geschästsordnnngreden ein Ende machte, war gleich-
falls notwendig. Die Sozialdemokraten wuhten eine sachliche
Verhcmdlung dadurch, datz sie sich fortgesetzt zur Gesthästs-
ordnung meldeten, vollständig zn verhindern. Der Antrag
Gröber-Bassermcmn war eine energische Matzregel, welche durch
die Gesamtlage notwendig wurde. Jn eincm anderen Pünkte
bssteht noch heute eine Lücke. Der Abgeordnete Singer hat
trotz Ausweises aus der Sitzung den Saal nicht verlassen, und
'öadurch als Präsident der Geschäftsordnnngkommisfion bewie-
> sen, daß die Geschäftsordnung den Reichstagspräsidenten im
^ Stiche lätzt. Die Geschäftsordnung anderer Länder, wie Frank-
i reichs, Englands, giebt dem Präsidenten ganz andere Macht-
, mittel und läßt die gewaltsame Entfernung cines renitenten
! Abgeordneten zu. .

Redner schildert nun die Verhandlungen über den Antrag
v. Kardorff und das Verhalten der beiden freisinnigen Parteien,

^ von denen die Vereinigung gemeinsaine Sache mit den Sozial-
! demokraten machtc, während die Volkspartei sich zurückhielt.

Was die

Hnltuiig der nationalliberalen Fraktion

anbelangt, so kann von einem Umfall nicht gesprochen werden,
da im grotzen Ganzen die Regierungsvorlage angenommcn
worden ist. Was dcn autonomen Tarif anbetrifft, so hat dieser
nicht die Bedeutung, die ihm beigelegt wird, da er lediglich
das Verhandlungsinstrument für die zukünstigen ^
Handelsverträge bildet. Es denkt niemand daran»
die Sätze 'des autonomen Tarifs in Kraft zu setzen. Diese
wcrden in allen Teilen bei den Handelsverträgen geändert
werden und daher wird nach den Erklärungen der Regierung
allen Jnteressen der Jndustrie nnd dcr Landwirtschaft Rechnung
getragcn werden. Daß im grotzen Ganzen die Regierungsvor-
iage angenommen wurde und man von einem Umfall der Na-
tionalliberalen nicht sprechen kann, hat der Abgeordnete von
Kröcher in seinen jüngsten Crklärungen bestätigt.

Cs ist, so fuhr Redner dann fort, gesagt worden, ich hätte
geäntzert, wir HLtten den Zolltarif allein gemacht. Das ist
natürlich ein Unsinn. Der Zolltarif konnte nur zustande kom-
men, wenn die vier Parteien sich einigten. Wenn eine dieser
vier Parteien nicht mitmachte, war der Zolltarif gescheitert.
Wir konntendieBerantwortung des Schei-
terns unsererseits nicht übernehinen.

Es ist eine Fabel, wenn man behauptet, der Zolltarif sei
ntcht gründlich erörtert worden. Jn 112 Kommissionssitzungen
und in zweimonatlichen Beratungen im Reichstage ist Wer
den Zolltarif alles, was notwendig war, gesagt worden.

Den Borwurf,

gegen die Grundsätze des Liberalismus

gehandelt zu haben,. weist Redner entschieden zurück. Die Fvak-
non habe gegen üen Terrorismus gekämpfr, un-
fü r das Grundprinzip dcs Parlamentarismus, für die An-
erkennung Les Mehrheitsprinzips. Freihändlertum und Li-
beralismus sind zweierlei. Die nationalliberale Partei fteht
auf Lem Boden des S ch u tz e s der nationalen Ar-
veir seit Jahrzehnten und hat trotz dieser wirtschaftlichen
Grundanschauungen immer eine liberale Politit getrieben. Man
spricht immer von einem

Kartell.

Wo ist ein solches abgeschlossen worden? Weder das Zcn-
trum, noch die Konscrvativen, noch die Nationalliberalen haben
öie Grundlinien ihrer inneren Politik verändert. Vereinigungen
verschiedener Parteien zur Erreichung eines grotzen Zieles
haben bei den verschiedensten Gelegenheiten stattgefunden. Das
bürgerliche Gesetzbuch, Lie Militärstrafprozetzordnung, die letz-
ten Flotten- und Heeresvermehrungen find durck) das Au-
sammenarbeiten der vier Parteien im Reichstage zustand«
gekommen, wie dies auch bezüglich des Zolltarifs üer Fall
war. Bielleicht rönnen schon die kommenden Handeks-
verträge, von denen der eine und der andere dem Reichs-
tag schon im Juni vorgelcgt werden dürfte, eine ver-
änderte Parteikonstellation bringen.

Bassermann sprach dann noch bedauernd von Ler herben
Krittk im eigenen L a g e r, der Diätenlosigkeit, dis
nicht länger aufrecht erhalten werden könne, bezeichnete die an-
gebliche Gefährdung des Reichstagswahlrechts als Produkt des
schlechten Gewissens Ler Sozialdemokratie. Ein Zusammen-
gehen mit der Sozialdemokratie, so lange diese eine vaterlanös-
lose Haltung in allen auswärtigen Fragen einnehme, sei für
die bürgerlichen Parteien unmöglich.

Eine

Furcht oor den Wahlen sei nicht berechtigt.

Das Bürgertum hat seine Macht kennen gelernt. Zu dem
Sieg über die Sozialdemokratie sei kein Wahlkartell notwen-
dig.

Redner schloß: Die nationalliberale Fraktion
hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Wir haben
Lie Ueberzeugung und sind stolz darauf, in schwerer Zeit, un-
betrrt der hestigsten Angriffe, den

richttgen Weg

gcgangen zu sein zum Heile des Vaterlandes.

Die grotzangelegte Rede wurde von der sehr zahlreichen
Zuhörerschaft wiederholt mit lebhastem, teilweise oft stürmi-
schem Beifall unterbrochen und zum Schlutz eine Zusttm-
rnungskundgeüung für Bassermann und die nationalliberals
Reichstagsfrakion angenommen.

Deutsches Reich.

— Der Gießener Nationalökonom Professoir Dr.>
Biermer beschäftigt sich in einem hessischen Blatte mit
den Wirkungen des § 10n des Zolltarifgesetzes (A u f -
hebnng der städtischen Oktrois von 1910
a b) znnächst sür die davon betrofsenen hessischen Städte
und erörtert hierbei auch die staatsrechtliche Frage. Er
hält eine Verfassungsänderung für gegeben, weist insbe-
sondere auf Z 78 der Reichsverfassung hin, wonach Ver-
fassungsänderungen als abgelehnt gelten, wenn fie im
Bundesrate 14 Stimmen gegen sich haben und findet es
„in hohem Grade überraschend", daß stch, obwohl 17
Bundesstaaten und außerdem Elsaß-Lothringen an dev
Nichtgenehmigung des Z 10n interessiert gewesen wären,
nicht einmal diese 14 Stimmen zu einem Veto gefunden
haben. Demgegenüber wird in einer Münchener Zu-
schrift der „Südd. Reichskorr." wiederholt hervorgehoben,,
daß die Regierungen ihre große Bedenken gegen § 10L
nur deshalb zurückgedrängt haben, um den Zolltarif zu

Ketmßolh als Mrofessor der Mhvssologie
in Keidetßerg.

Von Leo K o e n i g s b e r g e r.

(Mchaelis 1858 bis Ostern 1871.)

(Fortsetzung.)

, Im Laboratorium war er ein eifriger Lehrer, und
leder strebsame Schüler war ihm ein wissens-chaftlicher
Freund; frei von jeder Eifersucht, was er an Magnus
stets so rühmend anerkannte, tieferte er oft genug für
die ausgezeichneten Arbeiten, die aus seinem Heidekberger
Laboratolrium hervorgingten, bie Grund-ged'anken und
gab eine Fülle von Vorschlägen für die Ueberwindung
neuer experimenteller Schwierigkeiten, bei denen mehr
oder weniger Erfindung in Betracht kam.

„Wer das Gtück gehabt hat," sagt Bernstein, sein
langjähriger Assistent am physiotogischen Jnstitut,
„Hetmhottz experimentieren zn sehen, wird den Eindruck
nicht vergessen, den das zietbewußte Handeln eines über-
tegenen Geistes bei d-er Ueberwindung mannigfacher
Schwierigkeiten hervorruft. Mit -den einfachsten Hilfs-
mitteln, aus Kork, Gtasstäbchen, Hotzbrettern, Papp-
schachteln und dergtei-chen entstanden Modelle sinnreicher
Borrichtungen, bevor sie den Händen des Mechanikers
nnvertraut lvurden. Kein Mißgeschick war imstande,
die bewnndernswerte Ruhe und 'Getassenheit, die dem
Temperament von Helmhottz eigen war, zn erschüttern;
auch das Ungeschick eines andern konnte sie nie aus ihrem
Gleichgewicht bringen. Diejenigell, die jahrelang unter
seiner Leitung tätig waren, haben ihn bei solchen An-
Inssen niemnts in Erregung gesehen."

Anszeichnung-en und wissenschaftliche Ehrungen wur-
den ihm in dieser Zeit vielfa-ch znteit; der Ernennnng
zum G-roßherzoglichen Hofrnt im Dezember 1861 sotgte
die znni Geheimrat 3. Klasse am 28. Oktober 1866, die
phitosophische Fakultät der Verliner Universität hatte ihn
schon am 6. Oktober 1860 zum Ehrendoktor ernannt.

Won der Regierung, von seinen Kollegen, zu denen
die bedeutendsten Forscher zählten, von den Stndieren-
den aller Fakultäten wurde ihm bewundernde Verehrung
entgegengetragen, und es war nnr ein kleines Zeichen
der Anerkennung, daß ihm schon im Jahre 1862 d-ie
Würde des Prorektors der Hei-detberger Universität
übertragen wurde.

Die am 22. November 1862 von ihm gehattene Pro-
rektoratsrede „Ueber das Verhältnis der Naturwissen-
schaften zur Gesamthcit der Wissenschaften" liefert in
stili'stisch vollkommener Form eine Fülle von Gedanken
und Gesichtspunkten, die er später bei verschied-enen Ge-
tegenheiten noch ergänzt und bereichert hat. nnd die viel-
fach von andern zur Grundlage organisatorischer Be-
strebungen gemacht wurden. Es ist von höchstem Jn-
teresse, 'dem Gedankengange des großen Forschers zu
folgen und der späteren Entwicktung seiner Jdeen nach-
zugehen.

Fern von der so häufigen Einseitigkeit des Gelehrten
sieht er das Wissen allein nicht ats Zweck des Menschen
auf 'der Erde an: wenn die Wissenschaften anch die fein-
sten Kräfte des Menschen entwickeln und ausbilden, so
giebt do-ch nur d-as Handetn dem Manne ein würdiges
Dasein; entweder die praktische Anwendung des Ge-
wußten oder die Vermehrung ber Wissenschaft selbst, die
auch ein Handetn für den Fortschritt der Menschheit ist,

nmß sein Zweck sein. Um aber an dem Vorwärtsschreiten
der Wissenschast mitzuarbeiten, genügt es nicht, Tatsachjen
zu kennen: Wissenschaft entsteht erst, wenn sich ihr Gesetz
und ihre Ursachen enthüllen. Haben nun die Wissen-
schaften den Zweck, den Geist herrschend zu ma-chen über
die Wett, so ist es anch 'die Pfticht der Gebildeten, ihrs
Gteichwertigkeit anzuerkennen und sie nur ihrem Jnhatte
Nach zu unterscheiden; bösitzen die Naturwissenschaften die
größere Vollendung in der wissenschaftlichen Form, so
behandeln die Geisteswissenschaften, indem sie den mensch-
lichen Geist setbst in seinen verschiedenen Trieben und
Tätigkeiten zergliedern, einen reicheren, dem Jnteresss
des Menschen imd seineni Gefühle näher tiegenden Stoff.
Aber diese Erkenntnis bricht stch l-eider nur äußerst tang-
sain Bahn; noch kurz vor seinem Tode ktagt Helmholtz
in der von ihm verfaßten Gtückwunschadresse der Bertiner
Mademie zum fünfzigsährigen Doktorsubiläum seines
Freundes dn Bois darüber, daß leider noch eine große
Kliift besteht, die den Gesichtskreis der philosophisch-
historisch gebildeten Kreise unserer Nation wie des ganzen
zivilisierten Europa von dem der naturwissenschasttich
und mathematisch Gebildeten trennt; beide Kreise ver-
Mhen sich kgum in Bezug auf die Jnteressen ihres Den-
kens und Strebens — ein großes Hindernis sür ein
gedeihtiches Zusammenwirken imd sür eine harmonische
Fortentwicklung der Menschheit. Deshatb findet er füv
den Ausgteich der verschiedenen wissenschafttichen An-
schauungen — wie er in seiner zu der Uebersetzung von
Tydalls „Fragment of Science" im Jahre 1874 er-
schienenen Vorrede „Ueber d-as Streben nach Popula-
risierung der Wissenschaft" hervorhebt — die im besten
Sinne popnlären Darstellungen natnrwissenschastticher
 
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