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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#1174

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Urscheint tLglich, SonntagS auSgenommen. PreiS mit Familienblättern wonatlich 50 Pfg. tn'S Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch di« PrU

bezogen vierteljährlich l.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr. r

>»teigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Fiir hiesige GeschäftS. und Privatanzeigen ermäßlgt. — Für die Aufnahme von Anzeig«
«» destimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übcrnommen. — Anichlag der Jnserate anf den Plakattafeln der Hetdelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 83.

^ie Beteiliqunst an den Reichstaflswahlen.

. Eine Nebersicht üöer die Beteiligung an
R e ich s t a g s w a h l e n ergibt, daß bei den Wahlen
bon 1871 die Zahl der abgegebenen Simmen nur 81

drozsnt d«r Wahlberechtigten ausmachte. Sie stieg 1874

61.3 Prozent. sank 1877 wieder anf 60,6 Prozent
^ud hob sich dann 1878 nach Auflösung des Reichstags

63.4 Prozent. Die Wahlen voir 1881 brachten be-
wieder eincn Rückgang auf 66,3 Prozent, während

M die Beteiligung an den Wahlen von 1884 auf 60,6
^kozent belief. Die Wahlen von 1887 wiesen in Bezug
^uf die Wahlbeteiligung einen gewaltigen Fortschritt auf;
üo betrug ilämlich 77,5 Prozcnt. Es ist das die bisher
^reichte höche Verhältniszahl. Für die Wahlen von 1890
drgab sich eine Beteiligung von 71,6 Prozent, sür die von
1893 eine solche von 72,2 Prozent. Jm Jahre 1898
^achten die im ecsten Wahlgang abgegebenen Stimmen
^sr 68,1 Prozent der Zahl L-er Wahlberechtigten aus.
4,iese Durchschnittszahl ergibt sich aus auszerordentlich
üarken Schwankungen bei den für die einzelnen Wahlkreise
öeltenden Zahlen. Sank doch die Wahlbeteiligung im
ichohlkreise Fürstentum Lippe auf 38 Prozent der Wahl-
erechigten, während sie in Lübeck mit 89,6 Prozent ihren
^chslsland erreichle. Zieht man die Stichwahlen in °Be-
/?cht, sa erzielte 1898 Osnabrück mit 91,2 Prozent die
U°chste Wahlbeteilignng. Verschiedene Wahlkreise blicben
^scht weit hinter Lübeck zurück; ein Beweis, daß eine kräs-
Agitation wohl imstande ist, die Trägheit und Jndo-
^'Nz der Wähler zu besiegen. Jnfolge der Zersplitterung
er Parwien wird die Zahl der Stichwahlen diesmal viel-
^cht noch größer sein als 1898, tvo sie 192 betrug. Die
ttozialdemokratie war damals an 98 Stichwahlm betei-
von denen 24 zu ihren Gunsten ausfielen, zum Teil,

. bil sjch jn einzelnen Wahlkreisen noch nicht 40 Prozent
^ Wahlberechtigten an der Stichwahl beteiligten.

Deutsches Reich.

L S o l i n g e n, 15. Juni. Die Entlohnung der hie-
schsri Industriearbeiter geschieht nach einem von dem Fa-
ikantenvercin und Gewerkschaften gemeinschaftlich auf-
.^EDen Preisverzeichnis. Die Firma H. Konejung, die
^ or njcht dem Fabrikantenverein angehört, aber das
. leisnerzeichnis anerkannte, hatte nun in letzter Zeit, wie
n^^esserschleiferverein ermittelte, den vereinbarten Preis
u^E.bezahlt, weshalb der Vorstand dieses Vereins von
lick Strase von 3000 Mk. verlangte. Als die Firma
^^.^oigerte, den Betrag zu zahlen, wurden ihre Arbeiter
^ichidig. Als Anwort hat nun dle Firma, wie man der
^zoin.-Westf. Ztg." mitteilt, die V o r st a n d s m i t -
^ ieder des Aiesserschleifervercins bei Ler Staatsan-
^"schaft wegen N ötigun g und E r p re s sung an-
^Seigt! Wie lächerlich!

^er Erbprinz von sachsen - M einin -
2? wird in seiner Eigenschast als Jnspekteur der zweiten
Mee-Inspektion den diesjährigen Kaisermanövern bei-
^ohnen. Der „Schlesischen Volksztg." ziifolge wird dem
oprinzen voraussichrlich das Schiedsrichteramt an einem
Zweien der Manövertage zufallen. Am letzten Ma-
q ^'lag soll ein großes Manöver aller vier an den Uebun-
Un ^^ilrgten Armeekorps unter Befehl des Kaisers gegen
^ inarkierten Feind stattfinden.

Badcn.

a r l s r u h c , 16. Juni. In einem Artikel des
^F^Ichäb. Merk.", den Lehrer m a ngel betr., der
^ ^ I 'n dieser Zeitung angezogen wnrde, wird den grö -
^ i enStädten der Rat erteilt, stch zusanimen zu tun
dm? ^i" o i g e n e s st ä d t i s ch e s S e m i n a r zu grün-
äem dann der Lehrerbedarf für dic Städte ge-
t werden könnte. Man schreibt in der „Landesztg."
^ kZU: Abgeschen davon, daß dic Städte jetzt schon unge-
Dpfer für die Schule und ihre Lehrer bringen,
i'Wd ^orartige Einrichtung die sehr unangenehme

Pngerechte Folge haben, daß die Zöglinge der jetzt
tzis^onden und noch zu gründenden staatlichen Lehrer-
kz/'^gsanstalten ünrchaus keine Aussicht mehr haben
Zn io einmal in einer größeren Stadt Verwendung
^ Nn^i, Tieser Vorschlag ist deshalb knrzer Hand abzu-
Es gibt nur einen Weg zur Abhilse und der
v der Staat geniigend Seminare schafft

ivexs. ^ Lehrer so bezahlt, wie andere Beamte mit gleich-
ggh 'äer Vorbildung. Es wird zu den dringendsten Auf-
Ij^I^ äes kommenden Landtags gehören, hierin gründ-
i-vin "ibhilfe zu schaffen. Hoffentlich wird aber bei einer
Vsti^onden Besserstellung nicht auch eine Erhöhung der
lorn ^^"lidenzahl vorgenommen. Man rechnet den Leh-
rj^ ">'Mer so gern ihre freien Nachmittage und ihre Fe-
oor, dabei aber nicht beachtend, daß eine Unterrichts-

stunde ungleich anstrengender ist, als eine Bureaustunde.
Der beste Beweis dafür sind die vielen Erkrankungen in
Lehrerkreisen; es wird kaum einen Beamtenstand geben,
in welchem dieselben einen so hohen Prozentsatz erreichen.
Die gegenwärtige Stundenzahl ist demnach eher noch zu
hoch; iäe Lehrer werden dieselbe aber auch fernerhin gerne
übernehmen, wenn sie dafür entsprechend entlohnt werden
und ihre Lebensverhältnisse verbessern können.

Nus der Kur'sruher ^eitung.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben 1.
den Direktor des Lehrerseminars I in Karlsruhe, Geheimen
Hofrat Ferdinand Leutz auf sein Ansuchen wegen vorgerück-
ten Alters und leidender Gesundheit unter Anerkennung sei-
ner langjährigen und treu geleisteten Dienste auf 15. Sepbr.
ds. Js. in den Ruhestand verseht, 2. den Professor Dr. Karl
Armbruster an der Höheren Mädchenschule in Karlsruhe
zum Direktor des Lehrerseminars 1 in Karlsruhe ernannt.

AnsLand. ,

Serbicn.

Belgrad, 15. Juni. Auf die Depesche der Regie-
rung, womit der Ministerpräsident Awakumowitsch dem
Fürsten Peter K a r a g e o r g i e w i t s ch die vollzo-
gene Königswahl anzeigte, traf heute Abend folgende
Antwort des neuen Königs ein:

Die glänzenden Beweise der Ergebenheit meines
teureu Volkes, meines teuren Heeres und der patrioti-
schen Regierung haben mich tief gerührt. Aus der Tiefe
meiner serbischen Seele danke ich der Vorsehung, die es
mir beschieden hat, aus Gottes Gnaden und durch des
Volkes Willen den Thron meiner ruhmreichen Ahnen
zu Sesteigen. Sie, Herr Ministerpräsident, und Jhre
Genossen in der Regierung bitte ich, meine königliche
Anerkennung mit der Versicherung meines besonderen
Wohlwollens entgegenzunehmen. Peter.

Cetinjs, 16. Juni. Die Wahl PeterKara-
georgiewitsch zum König von Serbien, von welcher
der hissige serbische Gesandte amtlich Mitteilung machte,
wurde vom Fürsten, der fürstlichen Familie und dem Volk
mit großer Freude aufgenommen. Der Fürst hielt an das
Volk eine Ansprache, iü der er die Tugenüen und die
Tapferkeit der berühmten Ahnen des neuen Königs hervor-
hob und gleichzeitjg die Art und Weiss verurteilte, in wel-
cher der König Alexander sein Ende fand.

Amerika.

Newhork, 16. Juni. Am zweiten Tag des Sän -
gerfestes des nordöstlichen Sängerbundes in Balti-
more war Prästdent Nooseoslt, der deutsche Gesandte
Speck v. Sternburg , Minister vonRheinbaben
und die hervorragendsten Staats- und Munizipalbeamten
zugegen. Das Marineamt hatte mehrers Kriegsschiffe
zur Verherrlichung des Festes gesandt. Bei dem Abend-
konzert hielt vor 16 000 Anwesenden Roosevelt eine län-
gere Nede, in der er die D e u t s ch - A m e r i k a n e r
pries, die seit Mühlbergs Zeiten alle Kämpfe des ame-
rikanischen Volkes mitgefochten hätten und zu den wert-
vollsten Elementen des amerikanischen Volkes gehören.
Der d >. u t s ch e Gesang ersülle eine Kulturmission.
Seine fernere Ausbreitung sei dringend wünschenswert.
Sternburg sprach mit Rücksicht auf den Prästdenten
englisch. Er sagte, er srene sich, Landsleute begrüßen zu
können, Welche so viel zum Ruhme des herrlichen Landes
beitrugen.

Ueber dieAnarchisten-Konferenz inMannheim

liegt jetzt dem „Leipz. Tagebl." zufolge ein Protokoll vor,
welches interessante Schlaglichter auf die anarchistische Be-
wegung wirft. Es waren am ersten und am zweiten
Pfingstfeiertage in Mannheim 21 Genossen und 3 Ge-
nossinnen versammelt, die zusammen 17 Orte vertraten.
Zunächst wurde bitter darüber geklagt, daß die Genossen
das Bezahlen oft vergessen und daß von 40
Orten nur 16 abgerechnet haben. Dann beschäftigte man
sich mit der O r g a n i s a t i o n; obgleich der Geschäfts-
führer Frauböse mitteilte, daß im letzteu Jahre die Mit-
gliederzahl gewachsen sei, war man der Meinung, daß es
so langsam nicht weitergehen dürfe und daß man sich eine
Orgamsation schaffen müsse. Nach langen Debatten, an
welchen sich Frauböse-Berlin, Stalinski-Berlin, Hartmann-
München, Schmidt-Berlin, Schmidt-Frankfurt, Hermann-
München, Jmhofs-Mainz. usw. beteiligten, nahm man
folgenden Antrag an: Die „Dentsche Föderation revo-
lutionärer Arbeiter" nennt sich von jetzt ab „A narchi -
stische Föderation D e u t s ch l a n d s." Es
wird wegen der Organisation ein Ausschuß ernannt, dev
folgenden Aufgaben hat: 1. einen Organisations-Statuten-
entwurf der Föderation auszuarbeiten, 2. sich mit den auf
thsoretischem Gebiete hervorragenden Anarchisten, wie

Krapotkin, Tscherkessow, Grave, Malatesta, in Verbindung
zu setzen, um von diesen die Ausarbeitung einer Prin-
z i p i e n e r k I ä r u n g zu erbitten, die hinsort die gei-
stige Basis der Föderation bilden soll."

Weiter beschäftigte man sich mit dem General-
streik und der Gewerkschaftsbewegung. Man war der
Meinung, daß alle Kraft anzuwenden sei, um den General-
ftreik ins Werk zu setzen. Einzelne Genossen waren dafür,
daß man die Produktiv-Genossenschaften mehr ausbauen
solle, um sich dann auf sie bei Ausbruch des Generalstreiks
zu stützen. Schmidt-Frankfurt wies darauf hin, daß die
Genossenschaft in seiner Heimatstadt sehr gut gedeihe und
11 Verkaufsstellen unterhalte, die sehr befriedigende Ge-
schäfte machten. Schließlich nahm man folgende Reso-
lution an: „Jn Erwägung, daß die heute bestehcnden
Gewerkschaften, sowie die Konsum-Genossenschaf-
ten nur für rein materielle Vorteile kämpfen unv nicht ars
Mittel zum Zweck der Abschaffung des heutigen Staats-
wesens, und ferner, daß durch die parlamentarische Tätig-
keit nichts zu erreichen ist, erklärt die 3. Konferenz der
Föderation die Propaganga des G e n e r a l st r e i k s
als ihrs Taktik."

Nachdem dann Paul Frauböse als Geschäftsführer
wiedergewählt wordcn war, ging man nach Hause; hier
sollen die Delegierten über alle die Belästignngen berichten,
denen sie in Mannheim ausgesetzt gewesen sind.

Ergebmsse der Neichstagswalst.

Berlin, 16. Juni. Bis 11^ Uhr waren 53 Wahl-
resultate bekannt. Gewählt sind 17 Sozialdcmokraten,
10 Mitglieder des Zentrums, 1 Mitglied der Reichspartei,
2 Nationalliberale, 1 Konservativer, 1 Pole, 1 Elsässer
und 4 Mitglied des Bauernbundes. 20 Stichwahlen sind
bestimmt erforderlich, Die Sozialdemokraten gewannen
Berlin V, Bremen und Solingen.

Der spätere Schluß der Reichstagswahlen hat zur
Folge gehabt, daß diesmal der Ausfall der Wahlen später
bekannt wird als früher. Es werden diesmal noch mehr
Stichwahlen wie vor 6 Jahren notwendig werden. Jede
Partei ist sehr stark an den Stichwahlen beteiligt. Die
Sozialdemokratie hat auch den fünsten Becliner Wahlkreis
erobert, und nur der erste Berliner Wahlkreis wird der
Freisinnigen Volkspartei in der Stichwahl Lleiben. Jn
Bremen haben die Sozialdemokraten obgesiegt, in Sachsen
eine Anzahl von Wahlkreisen erobert; in anderen Wahl-
kreisen haben sie aber weniger gut abgeschnitten, und den
Ausgang in Frankfurt werden sie gewiß nicht als einen
Erfolg ansehen. Sis müssen eben erkennen, daß auch ihrc
Bäume nicht in den Himmel wachsen. Bemerkenswert
ist ihr Anwachsen in Köln und ihre Eroberung eines Zen-
trumswahlkreises in Schlesien. Die Freisinnige Volks-
partei ist in Koburg, Eisenach und Wiesbaden aus der
Stichwahl gedrängt, scheint sich aber in anderen bestrittenen
Kreisen gut behauptet zu haben; namentlich steht Eugen
Richter in guter Stichwahl, und in einigen Kreisen scheinen
neue Gewinne möglich zu sein. Tie Bündler haben be-
merkenswerte Niederlagen erlitten, auch ihr Führer Oertel
hat alle Anwartschaft, durchzufallen. Das Zentrum hat
sich besier gehalten, als man dachte; doch wird es wohl mit
einigen Verlustziffern abschließen, wenn auch der Aus-
fall in Oberschlesien noch nicht zu übersehen ist.

Wir lassen nur einige der interessanteren Einzelnach-
richten folgen:

Magdcbnrg. Jn Magdeburg (bish. S.) findet Stich-
wahl zwischen Arendt (Nl.) und Pfannknch (S.) statt.
Fm Wahlkreis Jcrichow (bish. K.) kommt es zur Stich-
wahl zwischen dem Fürsten Bismarck (K.) und Woigt (S.).

Wicsbadcn. (Bisher Fr. Vp.). Lehmann (S.) 10 695,
Jmwalle (Z.) 7060, Bartling (Nl.) 6867, Crügcr (Fr.
Vp.) 6968. Es fehlen noch 31 Ortc, vorher ist nicht zu
ents-cheiden, ob Jmwalle oder Bartling in die Stichwahl
komnit.

Marburg. (Bisher A.). Nach den vorläufigen Er-
gebnissen crhielt v. Gerlach (Nl.) 8628, v. Pappenheim
(K.) 4825, Zimmermann (A.) 2372, Bader (Soz.) 1401,
Baum (Z.) 1700 Stimmen. Stichwahl zwischen v. Ger-
lach und Pappenheirm

Jn Krcuznach-Simmern (bisher Nl.) erhielt Paasche
(Nl.) eine große Mehrheit gegen das Zentrnm.

Elbcrfeld-Barmen. (Bisher S.) Molkenbuhr (Soz.)
26 966, Linz (K.) 12 072, Friederichs (Nl.) 4138, Marx
(Z.) 4942, Dr. Mantzel (Fr. Vp.) 4551 Stimmen. Mol-
kenbuhr gewählt.

Köln. (Bisher Z.) Jn dem bisher von Justizrat
Trimborn vertretenen Wahlkreise Köln-Stadt kommt es
zur Stichwahl zwischen Trimborn (Z.) und Hofrichter (S.)
Die Sozialdemokraten haben 3000 Stimmen mehr als bei
 
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