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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Montag, 2. Fkdrnar 1903. WMes Bßsrtt. 45. Jahrgang — .W 27.

Srscheint täglich, Sonritag» «u-genom'ncn. Prei» mit Kamilierrblättern monatlich 60 Pfg. in'» Hau» grbracht, bei der Expedition und den Zweiganftaltcn abgeholi 40 Pfg. Durch

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Die Morgärrge in Menezueta.

Die Vorgänge in Venezuela nehmen insofern ein
frnsteres Ausfehen an, als der amerikanische Gesandte
in Venezuela, Bowen, der bekanntlich die Vertretung
der venezolanischen Jnteressen übernommen hat und zur
Zeit in Washington weilt, sich bemüht, zwischen Deutsch-
land, Cngland und Jtalien einerseits und den anderen
in Venezuela interessierten Mächten ein Zerwürfnis
herbeizuführen. Der britische Botschafter in Washington
hat am 30. v. M. dern 'Minister Lord Lansdowne in einem
längeren Telegramm mitgeteilt, daß, falls Bowens
Vorschlag abgelehnt werden sollte, letzterer sich an
die Vertreter der übrigen Mächte, die An-
sprüche an Venezuela 'haben, wenden und ihnen sagen
würde, daß Venezuela durch die drei verbündeten Mächte
gezwungen werden solle, sich einem Plüne zu fügen, der
die Jnteressen Frank'reichs, Belgiens, Schwedens, Nor-
ivegens, Spaniens, Dänemarks, Hollands und der Ver-
einigten Staaten ernstlich gefährde. Wenn das
geschehen, werde erwartet, daß Frankreich sofort in
London, Berlin und Rom Vorstellungen machen
und gegen diesen Eingrisf in seine frühere Abmachung
rnit Venezuela durch Sicherstellung seiner Forderungen
Einspruch erheben wird. Die übrigen Gläubiger würden
ßch dann wohl Jrankreich anschließen. Es bestehe aller
Grund anzunehmen, daß Frankreich bereits in
Anierika sondiert häbe, wie weit wohl seine Jnteressen
in Venezuela mit denen Amerikas übereinstimmen.

heißt, daß zwischen den Forderungen beider Staaten '
große Aehnlichkeit bestehe und diese vielleicht hinreichend
groß ist, u m d i e b e i d e n z u m W i d e r st a nd ge - ^
genjedePolitikder Verbüudeten zu
phreinigen, di-e dahin geht, diefe Jnteressen zu ver-
nichten oder abzuschwächen. Beispielsweise hatte Amerika
dstrch die „Venezuela Claims Commission" sich eine be-
lrächtliche Summe zusprechen lassen, von der Venezuela
Naten zu zahlen ist. j

Die amerikanischen Blätter haben sofort den von
Bowen angeschlagenen Ton aufgenommen und bezeichnen j
die Haltung der Verbündeten, welche bevorzugte Gläu- j
diger Venezuelas sein wollen, äls unerklärlich, zumal j
^ngland und nicht Deutschland der llrheber dieser For-
derung ist.

Hoffentlich führen die Jntriguen Bowens nicht zum !
Aiel. Es steht ja den anderen Mächten durchaus frei, j
Nch an dem deutsch-englischen Vorgehen gegen Venezuela '
KU beteiligen, wie das Jtalien nachträglich'"getan hat. j
Wenn sie aber, ohne die Kosten und Mühen auf sich zu j
Uehmen, die mit der Durchführung der Blockade verbun-
den stnd, an den Früchten des deutsch-englischcn Ein- .
Ichreitens ohne Weiteres mitgenießen wollen, so ist das j
kin ungerechtfertigter Anspruch.

In London wivd erwartet, daß von den 30 Proz. !
der vsnezolanischen Zolleinnähmen, die als Bürgschaft
gegeben werden sollen, ein Ueberschuß zur Bezah-
"wg der Forderungen der übrigen Mächte
derbleiben werde. Man nimmt an, daß der Gesamt-.
detrag der Ansprüche Deutschlands, Englands und Jta-
"ens in ungefähr 6 Jahren bezahlt werde. Was die
anderen Mächte betreffe, so belaufen die belgischen For-
derungen sich auf 12 Millionen Franken. Diese Forde- !
^ung sei aus dem Bau der Wasserwerke zwischen La §
^uayra und Caracas erwachsen. I

Fnzwischen ist der stellvertvetende deutsche Gesandte in
Amerika, Speck von Sternburg, am Ort seiner Bestim-
mung eingetroffen. Der Dampfer „Auguste Viktoria",
auf dem sich der deutsche Geschäftsträger Spcck von
Sternburg besand, hatte eine stürmische Uebersahrt;
zwei Matrosen wurden verletzt. Frhr. v, Sternburg, er-
klärte in Newyork einem Berichterstatter: Jch habe viele
Tage keine Verbindung mit der Welt gehäbt und wünsche
mehr, Neuigkeiten zu erfahren, als selber mitzuteilen.
Jch erwarte, daß alle auf Venezuela bezüglichen Sachen
für mich bereit liegen: nach meiner Ankunft in Washing-
toir werde ich die Arbeit da ausnehmen, wo mein Vor-
gänger stehen geblieben ist. Speck v. Sternburg reiste so-
fort nach Ankünft des Dampfers in Newyork nach
Washington weiter, wurde dort vom Präsidenten Roose-
velt empfangen und trat dann sofort mit Bowen in Un-
lerhandlungen ein.

Jn England murrt das Publiküm immer noch über
das Züsammengehen Englands mit Deutschland, wäh-
rend die englische Regierung im wohlverstandenen bri-
tischen Jnteresse daran festhält. Der Parlamentsunter-
sekretär Viscount Cranborne hat sich am Freitag in
einer Rede in Sheffield darüber folgendermaßen geäu-
ßert: Die Politik der Regierung in Sachen Venezuelas
wuvde durch den Entschluß eingegeben, die Jnteressen
englischer Untertanen zu verteidigen. Das Vorgehen
Englands sei keine Verletzung der amerikanischen Mon-
roelehre. Ju dieser Angelegenheit bestehe kein B ü n d-
n i s mit Dentschland, sondern es handle sich nur um ein
gemeinsames Vorgehen, wie England es zu-
sammen mit Jtalixn im Somaliland, mit drei europäi-
schen Mächten auf Kreta und mit allen Mäcksten in China
eingeschlagen habe. Wenn wir mit Deutschland mitwir-
ken, so können wir Deutschland nicht im Stich lassen.
Wir haben keinen Verbündeten in Europa, sind aber be-
reit, mit den Mächten nicht nur in Südamerika, sondern
auch in Usien, Afrika und- Europa zusammen zu wirken.
Der Fall mit Japan ist ganz anders: Mit Japan häben
wir ein Bündnis, das wichtige Folgen häben kann. Wenn
wir auf die absprechende deutsche Kritik unserer bewaff-
neten Streitkräfte zu sprechen kommen — eine Kritik,
die aus Unkenntnis und Vorurtsil hervorgegangen ist,
und die wir sehr übel aufgenommen haben — so wollen
wir uns vorsehen, nicht in denfelben Fehler zu verfallen
gegenüber Deutschland. (Beifall.) Zum Schluß meinte
Cranborne, er sei ziemlich betroffen gewesen über
die Rückstchtslostgkeit, mit der gewisseunverant-
w o r t l i ch e Personen in England die Handlungen
Deutschlands kritisiert hätten, ohne irgendwie die
Sachlage zu kennen.

Caracas, 31. Jan. Der „Matin" meldet von
hier: Die L e b e n s m i t t e l v o r v ä te vermin-
dern sich sehr schnell. Wieder mußten 12 Bäcker ihre
Läden schließen.

einige Zeit als Gäste des Kaiserpaares in Berlin weilten,
haben sich am Freitag nach Tessau begeben.

Peutscher Weichstag.

Berlin, 31 Jan.

Das Abkommen mit Italien und der Schweiz, betr.
den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz wird
in dritter Lesung angenommen.

Es folgt die Beratung des Gesetzentwurfs betr. die Ki n -
derarbeitin gewerblichen Betrieben.

Mg. Dr. Paasche (natl.) hofft, datz der Entwurf in Ler
vorliegenden Form Gesetz wird, und spricht sich gegen die sozial-
demokratischen Anträge aus.

Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky zollt dem
Lehrer Aghad Anerkennung, der die Oeffentlichkeit auf diese
Hrage gelenkt habe. Aber auch Aghad halte es für undurch-
'führbar, datz die Frage der Beschäftigung der Kinder in der
Landwirtschaft mit diesem Gesetze verbunden würde.

Abg. E r n st (freis. Vg.) kann für die sozialdemokratischen
Anträge nicht stimmen, so sympathisch fie ihm auch seien.

Abg. Bräsicke (freis. Bp.) glaubt, die Abschaffung der
Kinderarbeit iu der Landwirtschaft würde viele bäuerliche
Existcnzcn vernichten.

Abg. Reißhaus (Soz.) erkennt in dem'Gesetz einen
Fortschritt an, der aber unzureichend sei; die Ausbeutung der
Kinder in der Landwirtschaft erfordere gesetzgeberische Matz-
uahmcn.

^ Abg. Henntug (kons.) erwartet, daß die Anträge der
Sozialdemokraten betr. die Ausdehnung des Gesetzes auf die
Landwirtschaft, abgelehut werden.

Abg. Gamp (Reichsp.) hält seine früheren Behauptuugen
über das Buch des Lehrers Aghad aufrecht.

Abg. Sieg (uatl.): Die Großgrundbesitzer halten im all-
gemeinen keine Hütekinder; für das Rübenziehen werden hohe
Löhne geFahlt; die Kinder kommen infolgedessen gern dazu,
Durch die Darstellungen der Linken soll der Tatbestand ver-
dimkelt werden.

Abg. Trimborn (Ztr.): Wenn die Sozialdemokvaten
nicht für dieses Gesetz stimmten, so wäre ihr Gerede leere De-
monstration.

Hierauf wird Paragraph 1 des Gefetzes unter Ablehnung
der soziäldemokratischen Anträge angenommen.

Es folgt die Beratung des Paragrap'h 2.

Nach kurzer Debatte werden nach Ablehnung der sozial-
demokratischen Anträge die Paragraphen 2, 3, 4 und 5 und der
Rest des Gesetzes in der Kommissionsfassimg angenommen.

Nächste Sitzung Dienstag : Etat.

Ans der Karlsruher Zeitung

Kavlsruhe, 31. Jan. Der Großherzog nahm
heute Vorm. den Vortrag des Geh. Rats Dr. Frhrn. von
Babo entgegen. Die Prinzessin Wilhelm erschien zur
Frühstückstafel der Großherzoglichen Herrfchaften. Jm
Laufe des Nachmittags u. Abends empfing der Großher-
zog den Landeskommisiär Geh. Oberregierungsrat Frei-
herrn v. Bodman von Konstanz und hörte dann den Vor-
trag des Legationsrats Dr. Seyb.

Deutfches Reich.

— Ter erste Kongreß der Deutschen Gesellschaft zur
Bekämpfung der G e s ch lechtskrankheiten
wird am 9. und 10. März in Frank' furt a. M. statt-
finden.

— Prinz und Prinzessin Max von Ba d en, die

Aue- TtkdL uud ÄLNd«

Heidelberg, 2, Februar.

— Kaiserkommers der Studentenschaft. Jm festlich, reich
mii studcntischen Emblemen geschmückten groheu Saale des
städtischen Saalbaus sand am Samstag Abend der diesjährige
Kaiserkommers statt. Die Spitzen der Behörden, Vertreter des
Heeres, sowie zahlreiche akademische Lehrer waren als Gäste
erschienen. Waren auch die studeut. Korporationen mit ihren

Kleine Zeitung.

Hochschnlnachrichtcn. Wie die „Germania" mitteilt,
hvt der Direktor des preußischen historischen Jnstituts
Rom, Professor Dr. Alois Schulte, von der Preußi-
lchen Unterrichtsverw'altung einen Ruf als Ordinarius
'ür mittelalterliche und neuere Geschichte an die llniver-
mät Bonn erhalten und gedenkt dieser Berufung zu fol-
die Direktion des historischen Jnstituts werde Prof.
^chükte wie bisher weiterführen.

. -— Heilbronn, 31. Jan. Eine Feuersbrunst

Ntörte die mitten in der Stadt gelegene Metall- und
^iockengießerei von 'Kiesel, sowie einige Wohnhäuser und
-^agazingebäude.

— Straßburg, 31. Jau. Jn der Nähe von Liocourt
Aat einWilderer namens Malhache den Gutsbesitzer
^aseph G e r a r d a u f d e r I a g d e r s ch o s s e n. Wie
?br „Elsässer" meldet, ist es zwischen dem Wilderer und
ühm Gutsbefitzer zu einem Wortwechsel über deu Besitz
Ächs Hasen gekommen. Der Gutsbesitzer drohte Lem
mnlderer, daß er ihn zur Anzeige bringen werde. Hie-
^auf stsirzte sich diefer auf den Jäger, warf ihn zu Boden,
^tzriff dessen Flinte und feuerte zwei Schüsse auf ihn ab.
^odann schleifte Malhache die Leiche etwa 30 Meter weit
aud versteckte sie in einer Hecke. Nach Verlauf einer
silunde kehrte er zum Tatort zurück, tötete 'den Hund mit
furem Schnß nnd nahm Gewehr und Jagdsack an sich.
^calhachx floh nach der Tat über die französische Grenze,
ahrte jedoch wieder nach Hause zurück und wurde dann
° e r h a f te t.

^ . — Frnnkfurt, 1. Febr. Heute fand hier im „Frankf.
^"s" eine von Angehörigen dcr hiesigen ersten Gesellschafts-

kreise und der französischeu Kolonne arrangierte Soiroe zum
Besten der bretonischen Fischer statt, in der 6Iso
äs Llsroclo mitwirkte. Etwa 200 Personen warcn an-
wesend. Das finanzielle Ergebnis war sehr günstig.

— Halle a. S., 31. Jan. Die Strafkammer verur-
teilte den Theaterarbeiter Höfling, der wiederholt
junge Mädchen zu unsittli-chen Zwecken nach
Philadelphia ver'schleppte und bei einem neuen Versuche
in Berlin verhaftet wurde, zu 4 Jahren Zucht-
h a u s.

— Paris, 30. Jan. Die seit vielen Jahren im tod -
ähnlichen Schlaf liegende Bäuerin Marguerite
Boyenval in Thenelles wuvde eines Wzesses wegen am
Arme operiert. Während der Operation wurden
Zuckungen am ganzen 'Körper der Schlafenden wahrge-
nommen.

— Petersburg, 31. Jan. Dem Jekaterinoslaver La-
boratorium stnd vom süd-Iichen llral 2 0 Pud Gold
übermittelt worden, unter denen sich 100 größere Stücke
befinden. Der größte Klumpen wiegt 22 Pfund. Sein
Wert beträgt 200 000 Rubel.

—- Tcr Engländer, besonders der englische Landbe-
wohner, zeichnet sich bekanntlich, dadürch vorteikhast aus,
daß er stch prinzipiell niemals in d-ie Angelegenheit sei-
ner Nachbarn mischt, solange er nicht von dieser sekbst da-
rum ersucht wird. Ein klassisches Beifpiel hiervon liefert
fokgende amüsante Geschichte, für die ein englisches Pro-
vinzialblatt verantwortlich ist. Ein Bauer, der in die
nächste Stadt zu Markte fuhr, bemerkte durch die offene
Tür des Nachbarhauses blickend, zufällig, daß sich 'der
Besitzer dessekben erhängte. Ohne 'stch weiter aufhalten zu

lassen, erzählte er die Geschichte seinen Freunden. Selbst-
verständlich entsetzten diese sich gehörig, und einer fragter
„Hast.Du ihn denn nicht abgeschnitten?" „Nein", gab
der Bauer langsam zur Antwort, — „ er war noch
nicht ganz tot!"

— Lord Kitchenec als Tänzer. Die in Kalkutta er-
scheinende „Jndian Taily News^ weiß über den ver-
dientcn englischen Militär nnd ein ihm bei dem großen
Durbar-Balle im Dewan-i-am zugestoßenes Mißgeschick
folgendes zu berichten: Lord Kitchener tanzte mit einer
Madame Bonrdillon Qnadrille. Er benahm sich recht un-
geschickt und bei der Wechselung der Paare wendete er sich
fast regelmäßig an die falsche Partnerin, wodurch stets eine
heillose Verwirrung e.itstand. Die Zuschauer und auch der
Held von Karthonm waren höchst belustigt, aber ein
schallendes Gelächter brnch los, als Lord Kitchener am
Schlusse des Reigcns sich im Walzertakte zn drehen begann
und bei dem Anfhören der Mnsik sich in dcr Mitte des
Saales — ohnc Tänzerin wiederfand.

— Blüten amerikanischen Humors. Richter: „Sie sind
beschuldigt, zwei Gallonen Weines gestohlen zu haben. Warum
taten Sie das?" — „Weil ich nicht stark genug war, das ganze

Fatz davonzuschaffen."-Klara: „Beglückwünsche mich,

Maud, Mr. Jentins hat heute um meine Hand angehalten und
ich habe Fa gesagt." — Maud: „Beglückwünsche mich, Klara,
Mr. Jenkins hat' gestern nm meine Hand angehalten mld ich
habe Nein gesagt." — — „Herbert besuchl mich jeden Abend;
glaubst du nicht, datz er Absichten habe?" — „Wer weiß, viel-
leicht siud sie bei ihnen daheim knäpp an Kohlen."
 
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