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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Dienstag. 10. Februar 1903.

EEes Blatt.

45. Jahrgang. — .W 34.





'S-



Erscheinr t ü g l i ch, Soniirngs ausgeiiommerr. Preis mit Familiciiblütterii moiiatlich 50 Pfg. m's Haus gebracht, ber der Expeditron mid den Zweiganstalten abgehvlt 40 Pfg. Dnrch

die Pvst bezogen dierteljührlich 1.35 Mk. ausschlietzlich Zristcllgebühr.

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-an besrimmteir. Tagen loird keine Verantwortlichkeit übernomme-ii. A-rv-s chl a g der .Jnserate anf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung nnd dcn stüdt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.«-

Zum dcutschen Kolonialetrl.

Ilnter der Ueberschrift: „E i n Vorschlag s ü r
" e n ü e u t s ch e n U o l o n i a l e t a t" lesen wir in der
tMen Zruininer der Londoner „Finanz-Chronit'" aus der
rieder Äes bel'annten Uchlonialpolitit'ers Tr. Carl P e -
ters:

^ „Tas lvtientliche Bedenken gegen den Etar bleibt die
4-atsache, datz die nnprodut'tiven Ausgaben fiir Verwal-
0>ng und Lchutz ganz unverhältnismätzig hohe gegenüber
oen produttiven Auswendnngen fiir Wegebau, Eisenbah-
j^n, Forsren, äliinen- und Landwirtschastsweseu siud.
-^azu t'omiut ein lnifslicher, t'Ieinlicher und geradezu al-
?erner Geist der Bevorinundung der Privaten und Ge-
lellschaften in der Verwaltnng der Uolonien. Jn allen
^tatuteu von deutschen Kolonialgesellschaften erscheint die
"Aufsichrsbehörde" als inatzgebender Faltor. Als ob
^eute, welche ihr Geld und ihre Zeit an t'oloniale Unter-
twhmungen wenden, die „Beaufsichtigung" durch einen
^eheiinrat oder in seiner „Vertretung" einen Regie-
rungsassessor nötig hätten. Vielmehr das Umgekehrte
^are am Platze im deutschen Volk: näinlich, datz die
Herreu Geheiniräte, Assessoren usw. von Männern der
-praris gehörig beaufsichtigt würden. Tem „Herrn Re-
llierungsbeamten" sollte man auch bei nns endlich klar
Ulachen, datz er Nummer 2 in dem Wirtschastssyftem ift;
aatz Nuimner 1 aber die werteschaffenden Ulassen der
Beoölkerung sind. .. Fiir die kniffliche slrt der Kolo-
uialverwaltnng bei uns spricht auch die Schacherei mit
Zapitalislen, welche jedesmal einsetzt, wenn jemand eine
Unternehmung in einer deutschen Kolonie beginnen will.
--Tie wollen wohl gar verdienen," sagte ein von mir
aaufiger mit Namen genanntec Kolonialgeheimrat zu
bniem Herrn, dec — soweit ich nnch erinnere —- um eine
Holzkonzessivn bei ihm einkani. Solcher tindische Geist
^igt sich in den Fassungeu fast jeder deutschen Kolonial-
uauzession. „Wenn die Kompagnie mehr als 10 Proz.
Tividonde zahlen lann, verlangt die Regierung vom
Ueberschuß ein Trittel; wenn die Dividenden auf 15
Estozeut steigen, verlangen. wir die Hälfte." Etwa in
aiesem Geiste sind die Doknmente abgefaßt. Oder es
Ueht darin, wie z. B. im ersten Entwurf der Statuten
"er Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft: „die Erllärung
^Mer Dividi'iide von über 3 Prozent ist an die Zustim-
"Uung der Aufsichtsbehörde gebunden." Ein schallendes
delächter iiber alle fünf Erdteile svllte die Antwort auf
solcheu Geist der Beaufsichtiguug tzüu. Von zehn Ko-
^oiiialunternehmungen gliickl besten Falles eins. Wer
"leses Rifiko iibernimmt, der soll derartigen schuljungen-
fuäßigen Kontrollen und Beschränkungen imterworfen
seiii! Das kommt davon, wenn das Reichsschatzamt sei-
Uen Senf zu solchen Entscheidungen an erster Stelle geben
Ufutz. Denn diese Leute sehen kurzsichtigerweise nur auf
^haler und Pfeunige, habeu aber in der Regel nichts
oon dem weiteren Geist in sich, welcher die Schaffnng
Ueiier großer Werte für das Volk als solches ins Auge
sutzt, in dem Wissen, datz solche indirekt ebenfalls und
twar in reellerer Weise auch dem Staatssäckel zu Gnte
'oniinen..."

,Tr. Peters erwähnt dann noch tadelnd die Angst-
Uwierei vor fremdem Kapital oder gar der Erteilung iion
Uolünialkonzessionen an freindländifche Gesellschaften bei
Uus. Land wie Teutschland, sagt er, welches überall
uuf die „offene Tür" bei Fremden angewietzn ist, will

> seine eigenen doch recht arinseligen Koloiüen gegeu frem-
den llnternehnuingsgeist sperren; und die Kolonialab-
teilung in der Wilhelmslratze giebt einer solchen liudlichen
Aussassimg aller Weiber und Feftestzn-Politiker nach.
Der Verfasser biüngt danii seinerseits einen 5kolonialetat
fiir Ost-Afrika in Vorschlag, welcher sich im Wesentlichen
auf die Ei'iikünfte der Kolonie stützt, der unter vielen an-
deren Vorzügen anch den hätte, daß er nicht von der Zu-
stimmung des ReichStags abhängt, und schließt seine be-
inerkenswerten Ausführimgen mit den Worten:

' „Es liegt auf der Hand, daß die Kommunal-Selbft-
verwaltung als Ergänzung eines solchen Syftems durch-
geführt werden müsse. Auch wäre von voriiherein eine
. Äuge zu fassen, welche letzten Endes über die Verwendung
der kolonialen Einnahmen entschiede. Dadurch aber
wiirde Deutsch-Ostafrika lebeiidig werden. Ein Gemein-
wesen auf altgermaliischen Grnndlagen würde entstehen,
welches dem angelsächsischen ebenbürtig wäre. Nichts
würde dem wirtschastlichen Aufblühen Deutsch-Ostafrikas
und aller nnserer übrigen Kvlonien iu gleichem Maße die-
nen, alS ein solcher Eiitwicklimgsgang. Es wird wesent-
lich beim Kaifer selbft liegen, ob er einsetzen soll oder
nicht."

i , . ...... . ..

I Deutfches Reich.

-— Dei' Ausschutz des deutschen A e r z t e - B n n d e s
hat anf den 7. März einen Aerztetag in Berlin einberu-
fen, iim gegen die gänzliche Nichtbeachung der Wiinsche
der Atzrzte im neuen Kraiikenkastzn-Gllsötzentwnrf Zu
protestieren.

— Der Reichstagswahltermiii ist fortc-esetzt Gegenstand
eifrigen Hin- imd Herratens. So läßt sich die iiltraiiiontane
„Köln Volksztg." aus Berlin schreiben. die Neiiwahlen
kömiteii möglicherweise bereits für die erste Hälste Mai
! -msgeschriebeii werden. Viel wird davon abhängen. meint
das Blatt, wie weit die Regiernngeii mit ibren Wohlvor
bereitungen gediehen sind. Dabon hört iiian noch nichts.

— Jndem Buche „Fürft Bismarck und seine Hamburger
Freunde" von Heinrich v. Poschinger konimt eine Stelle
vor, die sich wie ein Epilog zu den neulichen
R ei ch s ta g s v er h a nd lu li g en liest. „Es ist
nicht gut" — fagte der Altreichskanzler einmal —
„wenn die regierenden Herren selbst in die Arena
der Politischen Kämpfe hinabsteigen und sich am Kampfe
beteiligen."

Denlscher Weichstag.

Berlin, 9. Febrnar.

Nach debatteloser Erledigung von Rechiinngssachen
wird die Beratung des Etats des Reichsamts des
Jnnern fortgesetzt.

Aüg. Dr. Oertel (koris.) hält den Befählgungsnachweis
für das gesamte Handwerk für eine gesetzgeberische Matziiahmie,
die nicht nur durchführbar, sondern anch notwendig sei. Er
vcrlangt ein Gesetz gegen das Ansverkaufswesen, die Aufhebung
der Bäckereiverordnmig, sowie dcn Schntz des Mittelstandes
nberhanpt.

'Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Cr könne
sich nicht auf die Entwicklung eines sozialpolitischen Programms
einlassen. Hinfichtlich des Arbeiterschutzes erwäge die Regie-
rnng, ob nicht die jugen'dlichen Arbeiter und Frauen von ge-
wissen gesnndheitssthädlichen Betrieben ganz auszuschlietzen

seien. Ferner sei die Regierung damit befchäftigt, den Ar-
beiterschntz auch anf die in Maßwerkstätten beschäftigten Arbeiter
auszudehuen. Die Krankenversicherung der Heimarbeiter sei
ausgearüeitet; es ergaben sich aber große Schwierigkeiten gus
der Materie. Das Verbot, jugendlichen Arbeitern Arbeit mit
nach Hanfe zu gebc», scheine inidurchfiihrbar. Was die Fnva-
liditütsversicherung der Privatbeamten chigehe, so fallen die-
jenigen mit geringen Einnahmen unter das Jiwali'denbersiche-
rmigsgesetz. Die Privatbeamteii mit einem Einkommcn von
über 2000 Mk. können sich freiwillig vevsichern. Redner spricht
dann über die Gewerbeinspektoren, von denen er will, datz sie
nur Datsachen berichten, aber keine Sozialpolitik treiben. Die
Zunah'me der lkifälle iu der Landwirtschast sei nur eine schein-
bare. Redner legt klar, datz der Mittelstand mcht im Verschwin-
de», sondern nnr in einer Umbildung begriffen ist. Den kln-
terschied zwischen Besitzenden und Besitzlosen Ivird keine Ge-
'sellschaftsordmmg anfheben können. Solange er an dieser Stelle
stche, werde er alles tun znr Förderung einer gesun'den So-
zialpolitik. (Beifall.)

! Abg. Frhr. H e h l zu Herrnsheim (natl.) befür-
wortet seine Resolution betreffend eine zehnftündige Arbeits-
zeit für Arbeiter zwischen 14 und 18 Jahren, sowie für Ar-
beiterinnen. Das Verbot der Heimarbeit lasse sich ohne genaue
Abgrcnznng der Heimarbeit durch das Gesetz nicht durch-
, führeii.

Abg. C r ü g e r (freis. Volksp.) wendet sich gegen den Abg.
Trimborn imd die Erwartungen des Zentrums bezüglich d.er
Schaffnng einer Witwen- imd Waisenverficherung. Redncr er-
klärt sich mit den sozialpolitischen Forderungen des Abg. Röficke
i einverstanden imd kritifiert dann die Bundesratsberordnung
betr. daS Gastwirtsgewerbe. Weiter polemisiert Redner gegen
die sozialdcmokratischen Anträge.

Abg. Frhr. v. Richt h ofen (kons.): Seine Partei werde
an dem Ausbau dcr sozialpolitischen Gcsetzgebung nnentwegt
iveiterarbeiten. ' r'

Abg. v. Salis ch (kons.) weist anf die große Berschwen-
dung hin, die mit dcin Banten der Jnvaliditnts- und Altersver-
sicherungsanstalten getrieben werde.

Hicranf vertagt sich daS Hans anf morgen. Fortsehung
>md Jnterpellation Nißler, betreffend die Kriegsveteranen.

Bade».

L.O. Schopfheim, 6. Febr. Gestern stellle sich der
soz. Reichstagskandidat Kleemami aus Turlach den
Wählern vor. Die Versammliuig war lt. „Markg. Tagb."
schlecht besucht.

L.O. Lörrach, 9. Febr. Jn einer außerordentlich
stark besuchten Versammlung sprach gestern Reichstagsabg.
Blankenhorn über die Reichstagsverhandlimgen, speziell
über den Zollta if. In der D skussion ergriffen 2 Sozial-
deniokraten das Wort. Jhre Reden zeichneten sich, wie
der „Oberl. Bote" schreibt, mehr dnrch Quantität nnd
Stiminaufwaiid, als dnrch Geist ans Die Ausführuiigen
wnrden schlietzlich so vöbelhaft, daß sich ein fortwährender
Lärm dagegen erhob, und die Geduld der Versammlmig auf
die üiißerste Probe gestellt wurde. Persönliche Räpeleien
gegen den Nefcrenten setzten den verworrenen Ausführimgen
die Krone auf. Herr Blankenhorn leuchtete scinen Gegneni
kräftig heim. Nachdem die Sozialdemokraten in grotzartiger
Form ein Mitztranensvotiim gegen Blankenhorn ausgesprochen,
dem sich kollegialiter anch das geringe Fähnlein der Frei-
siimigeii anschloßffchloß die Versammlimg mit einer imposanten
Vertrauenskundgebung imd einem brausend aufgeiiommenen
Hock auf den Neseieiiten.

L. 0. Karlsruhe, 9. Febr. Der „Bai>. Beob."

S!ad;lyeater.

ame r

H e i d e lb e r g, 10. Febr.
Drama in 4 Akten von Ger-

, „Michael Kra
Hauptmann
Die Geschichte von dcm verlorenen Sohn ist eine von denen,
.lf leider häufig erzählt werden. Meist ist sie sehr kurz: „Es
nichts aus ihm geworden", oder „Verdorben und gestor-
oder „Verüummelt", so lautet sie und man versteht den
A'Merzlichen Jnhalt der wenigen Worte, man versteht, daß
^ einfache Sah einc Welt von fruchtlosen Bemühungen, von
^eam, Schmerz und Trauer in sich faßt.

,. Hauptmann crzählt uns die Geschichte in 4 Akten ausführ-
,ch: er llrnn es wageu, denn er ist ein echter Dichter, der mit
swem Herzblut schreibt. Er ist ein echler Dichter, deün er ver-
uag die Wirklichkeit zu einem Kunftwerk zusammeiizufassen
zu erhöhen, das wir ergriffen betrachken, in das wir uns
,/Wnken, wie im Stück der Maker Lachmann sich in dem ster-
^E^Ä'^CHristus seines Meisters, des Malers Michael Krcmicr,

!u ff^Eiinoch wäre es sehr gewagt, ja falsch, voraussagen zu
daß das Drama Gerhart Hauptmanns populär werden
'l ^cizn ist cs seiner inneren Natur nach nicht beschaffen.
er„ -- eine tiefempfuwdene Grabrede. Man wird davon
grrsfen; mmi empfindet etwas wie einen schmerzlichen Genuß,
ii Pan sucht sie nicht auf; man nimmt sie hin, wenn die
ykande es unver-meidlich machen.
n- Drama handelt von dem verlorenen Sohn, aber es
„OM.stch nach dem Vater, und das mit Recht. Was der un-
- E Vater empfindet, was er denkt und was er tut, das
szusprechen, hat sich der Dichter zu seiner vornehmsten Auf-
üuve gestellt.

erbT^ni-?"^^ des Dramas ist, kurz skizzrert, folMnder: Jm
bers'1 1 werden wir auf das Kreuz der Familie Kramer vor-
^ll^^de^cMimmelte Sohn, ein sehr bcfähigter, äutzerlich

gutgemeintcn Mahnnngen der Schwester und der Mutter zu-
rück. Man berstehc ihn nicht; man möge ihn nicht quälen.
Ini zwciten Akt sucht der Vater an sein Herz zu dringen;
vergebens. Er bleiüt vcrschlossen, lügt den Vater sogar an,
sodaf; der rechtliche Mann schließlich sagt: Mir ekelt vor dir.
Der dritte Akt spiclt in clner Wirtschaft, wo Kramer jr. Mend
für Abend die Wirtstochler anschmachtet, während -die Stamm-
gäste sich über ihn lustig machen. Es kommt zu einer Szene.
Kramer jr. zieht einen Revolver, wird aber entwaffnet und
hinausbefördert. Er läuft zum Fluß und ertränkt sich. Den
i letzten Akt füllt 'die Totenklage des alten Kramer aus. Er ist
etwas lang auSgesponnen, aber der Dichter frndet herrliche
Worte, deiien man mit Andacht lauscht.

Hauptmann wiiröe nicht in der ersten Reihe der Modernen
' vornean stehen, wenn er nicht verstände, uns in ein virtuos ge-
zeichnetes Mi'lieu zu führen. Er braucht dazu nur iveinge
Striche. Eine kurze llnterhaltuiig Mischen Muttcr un'd Tochter
Kramer am Frühstückstisch über Vater und Bruder, über die
Tagcsarbeit der Tochter, die mit Malniiterricht znm Hiiushalt
bcisteucrt, über die Sorgen der Mutter mit dem ungeratenen
Soh», den das Mutterherz nicht verlorcn geben will, nnd wir
sind orientiert, als wenn wir bei Kramers zu Hause wären.

! Dann komnit noch der ehemalige Schüler des Meisters, der
! Maler Lachinann, mit seincm schwatzhaften Gänschen von Frau.
'Seine innere nnd äußere Misere klijn'gt mit dem, was wir
eben hörten, zusammen und so leitet ein vollständiger Mord
zu dem weiteren Spiel Lber.

Eine zweite Forderung, die man an Dichter moderner
Richtung stellt, ist die, daß sie Personen vorführen, die indivi-
duelles Leben haben nnd doch zugleich einen Thpus repräsen-
§ tieren. Auch hieriu zeigt sich Hauptmann als ein Meister. Wie
! eigenartig ist doch dieser junge Kramer: ein grimassenschnei-
'dendes Kind, das sich zum Manne aufbläht, das sich in
Selbstüberschätzung eigenwillig verbohrt, seme Situation im
Hanse und die Pflichten dersclben völlig mißbersteht, läppisch

Nnd dabei docli ähnlich dicsem

oder senem Nndern oder Dritten, dem man im Leben begegnet
ist. Ein eigenartiger Typus ist auch die Schwester, die vom
Vater die Pflichttreue uud den arbeüsamen Sinn geerbt hat,
mit warmem Herzen und kühleni Verstan'd sich in ihrem Beruf
»ützlich machend, troh dcm Gefiihl, das Höchste doch niemals
zn erreichen. Auf den Vater hat Hauptmaim augenscheinlich
die meiste Liebe berwendet. Jhn läßt der Dichter aussprechen,
was er über Knnst und Leben zu sagen hat. Der alte Kramer
ist cin lvcnig das, was man dcn Naisonneur in den Stiicken
feüherer Zcit nannte, aber er spricht nicht nur, er lebt auch
das, was er sagt. Seine Gattin reicht nicht an ihn heran,
versteht ihn auch nicht. Cs geht ihm in dieser Hinsicht wie sei-
»cm Schüler Lachmann.

Die Aufführnng war getragen von einem liebebollen Ver-
ständnis der Darsteller für die Absichten des Dichters. Man
bemühte sich das tiefgründige, aber der eigentlichcn dramatischen
Kraft entbehreNde Stück, dem Pnblikum möglichst nahe zu
bringen. Es ist das ohne Zweifel auch soweit gelungen, datz
man sagen darf, das Drama hat intercssiert, es hat die Zuhörer
gefesselt, wcim es auch jenes Zuges ermangelt, der dic Herzen
mit jich fortreißt.

Eine besondcrs hübsche imd anerkeime»swertc Leistung wnr
die des Herrn B ran 'dt, der in der Rolle des jilngeii Kramers
schon durch seine Maske die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf
sich zog und sich in der Durchführung seines Parts, der iu den
belden ersten Akten eine schwierige Variation des Themas vom
passivein Widerstayd nnd im dritten ein« läppische Kurmacherei
ist, sekr geschickt nnd tüchlig zcigte. Ten Vater Kramec spielte
Herr S ig ! mit cindringendem Berständnis sür den Jdeengang
nnd di«> Seelenrcgi'ngcn des Me'sterI. Ausgezcichn.t trnr
Fit B c g el in der Rokc ver Mickaline. Die begmnenke alte
Iunzker. die ein ganz kli'i-. wenia ::nai.,-ivicrte Künüler.a init
öem sast inännllchen Wirklickkeirü'inn, dern leicht üucschikosen
Ton b ,-<er dem doch das Mäd beichrcz herauszufüh','> ivn„
Wuls- vsn ihr trefslich znr Toiikellu»,-. g,-lracht. Man sah » id
h?.:e ihr gerne zn. Den M-i>i L-ickwann gab Herr H o . >' - n
 
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