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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Erscheint tügltch, Sonntags ausgenommcn. Preis mit Familienblätttrn monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dt« V»ß

bezagen vierleljährlick t.35 Mk. ausschlicßlich Zustellgebuhr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. füc die Ispaltige P-titzeile oder deren Raum. Reklamezcile 40 Pig. Fkr biesige Geschäfis- und Privatauzeigen ermähigt. — Für die Aufnahme von Anzei,«
an bestimmten Tagen wird keine Verantworklichkeit übernomwen. — Anichlag -er Fn'eraie ank den Piack.ttaseln der Heidelberger Zeitunq und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Graf Waldersee beim Jesnitengeneral.

Man muß es den englischen Mättern lassen, sie haben
^in scharfes Auge auf die heuer so ganz merkwürdig rom-
gefälligen Schritte des Berliner Hofes. So hat Deutsch-
iand und die übrige nicht minder darüber verwunderte
Dselt erst dnrch sie von der Tatsache erfahren, datz Feld -
ur a r s ch a l l Graf W a l d e r s e e, dem bei der letzten
biomsahrt im Gefolge des Kaisers eine so hervorragende
iiiolle zufiel, seine Anwescnheit in Rom auch zu einer A u f-
w a r t u n g bei dem I e s u i te n g e n e r a I benutzt hat,
oder genaner gcsprochen, benutzen zu müssen geglanbt hat.
Man denke nur, bei dem obersten Befehlshaber und Ver-
ireter eines im Deutschen Reiche zu dessen Schutze und
Sicherheit durch Reichsgesetz feierlich verbotenen Ordens
sährt der höchste militärische Würdenträger aus dem Ge-
solge des in Rom weilenden deutschen Kaisers vor und
stattet dem Spanier Pater Martin, der seit 1892 Nach-
solger des Jgnaz von Loyola ist, seinen verbindlichen Ve-
'uch ab. Ganz müßig der Wortstreit darob in deutschen
Blättern, ob dieser höfliche Besuch im Auftrage des Kaisers
selbst, oder auf Veranlassung der deutschen Regierung
Uachweislich geschah oder nicht. Tenn das leuchtet Jedem
ein, gegen deren Willen oder Jntention, wie die Jesui-
ten sjch ausdrücken, ist solches unmöglich geschehen. Hat
uun Feldmarschall Wraf Waldersee einen sogenannten
Condolenzbesuch bei dem Jesuitengeneral gemacht, uni
Beileid zu dev unlieb verzögerten Aufhebung von Z 2 des
Neichsjesuitengesetzes auszusprechen? Lag der Zweck der
Aufwartnng vielleicht noch mehr in der Richtung der Ver-
IPrechungen des Reichskanzlers von Bülow, dem das Ze-
suitengesetz jetzt überflüssig und lästig erscheint? Oder gab
es da vielleicht chinesische Erinnerungen auszutauschen,
Zumal Deutschland bekanntlich die sogenannten Wirren in
China ganz wesentlich den Uebergrisfen katholischer Or-
densgeistlichen und dem Bischof Anzer verdankt. Wolll
übt der General des Jesuitenordens unumschränkte Herr-
schaft über die A-itglieder des Ordens aus, doch wird man
uicht behaupten wollen, daß darum zwischen diesem Gene-
ral und einem preußischen General so etwas wie eine Ka-
weradschaft bestehe, mit der höflichen Verpflichtung, daß
Aner dem anderen freundschaftlich die Hand drücke, wenn
er in die Nähe kommt. Diese beiden Generäle Hand
w Hand, welch ein Zeitbild und wie verräterisch- beweis-
kräftig. Verlangt man vielleicht auch noch das von uns
Teutschen, auf dieses vertraute Stelldichein des preußischen
Generals und des Jesuitengenerals besonders stolz zu
stin?? Und auch wenn es nichts weiter sein sollte als
eirie rein äußeriiche Anfmerksamkeit, auch dann war es
Uoch viel zn viel, war es nnznlässig und unpassend von dem
streußischen General von Waldersee, daß er dem General
der mit gutem Grunde von deutscher Reichsacht betroffenen
Äesuiten sich genähert und damit Veranlassung zu Vermu-
llingen der schlimmsten Art gegeben hat. Jst es denen ge-
genüber, die nicht ultramontan und nicht Anhänger des
Zentrums sind, nicht einmal mehr notwendig, wenigstens
den bösen Schein zu meiden, nicht wahr?

Morgen-Konzcrt.

, Heidelberg, 25. Mai.

, Gestern, Sormtag, um 11 Uhr, fand das vom Verein ba-
rischer Lehrerinnen, Abteilung Heidelberg, veranstaltete Mor-
8en-Konzert in der Turnhalle der höheren Mädchenschule statt.
rerl. M. Fickler, Frl. C. v. Könitz von hier und Frl. E. Meicr
aus Freiburg hatten es gütigst übernommen, zu gunsten des
Vereins zusammenzuwirken. Frl. Meier, eine Schülerin von
rirau Prof. Rappoldi am Konservatoirum in Dresden, trug
chit sicherer Technik und weichcm gut durchgebildeten Anschlag
lolgende Stücke autzerordentlich schön vor: die Phantasie F-moll
und die „Berceuse" Chopins, von Liszt die Transkription über
uas Spinnerlied aus dem „Fliegenden Holländer" und die
L'goletto-Paraphrase. Die gcistvollcn Variationen über ein
Ahema von Beethoven wurden sicher und ausdrucksvoll von
iirl. v. Könitz und Frl. Meicr an 2 Klavicren vorgetragcn.
iirl. Fjckler sang, von Frl. v. Könitz begleitet, das durch das
Goethejahrbuch wieder bekannt gewordene Gebet Gretchens aus
ep'aust", „Ach ncigc, du Schmerzensreiche". — Man war
Uberrascht, wie einsach schlicht, ganz dem heutigen musikalischen
^mpfinden entsprcchend, der sonst nur in der Musikgeschichte
hetannte Zeitgcnosse Goethes B. Klein diese Worte in Töne gc-
etzt hat. Frl. Fickler's Gcsangskunst ist hicr bckannt; sic be-
§uhrtc sie wie hier so auch in den folgenden Liedern von Hugo
^oolf Mörike „Gebet" und „das verlasscne Mägdlein". Liszt's
>tsd „Wieder möchte ist dir begegncn" erfreute durch Einfach-
l'^t und Jnnigkeit. Schuberts „Wanderers Nachtlied" und
E^uhüngsglaube" und Schumanns „Aufträge" bildctcn den
^chlutz. Die Klavierbegleitung von Frl. v. Könitz verdicnt
„^ondcrcs Lob. Trotz dcs schöncn Wcttcrs hatten sich zahl-
„js.che Zuhörer eingefunden, sodatz der schöne Zweck der Ver-
uu>taltung crreicht ist.

Deutfches Reich.

— Als Antwort auf den Erlaß des ErbPrinzen
vonBkeiningen über die S o l d a t e n m i ß h a n d-
lungen wird eine im „Armee-Verordnungsblatt" ver-
öffentlichte Aenderung der „Allerhöchsten Bestimmungen"
zu § 151 Absatz 1 der Militär-Strafgerichtsordnung vom
1. Dezember 1898 aufgefaßt. Diese Aenderung betrifft
Z 161 der Militärstrafgerichtsordnung und geht dahin,
daß es den Soldaten, welche glauben, daß ihnen durch
ihre Vorgeschten oder Kameraden Unrecht zugefügt ist,
g e st a t t e t ist, sich zu beschweren. Das stehe im Gegen-
satz zu der Anzeigepflicht im erbprinzlichen Erlaß.

Bremcn, 23. Mai. Eine Versammlung von
Arbeitgebern sämtlicher im Baugeschäft beteiligten
Gewerbe beschloß, die Jnnungen der Tischler, Schlosser,
Glaser, Maler, Dachdecker, Steinhauer und Stuckateure
zu veranlassen, bis Montag Abend zu einer Aus-
sperrung sämtlicher Bauhandwerker Stellung zu
nehmeu.

Bremerhaven, 23. Mai. Die Tecklenborg -
Werft hat gestern Nachmittag die EinstelInng
von Arbeitern fortgesetzt, sodaß die Zahl der nicht wieder
eingestellten Arbeiter nur gering iit. Die Werft ist, wie sie
mitteilt, znr Zeit derartig mit Aufträgen versehen, daß
sie mindestens die bisherige Zahl der Arbeiter auch fer-
nerhin nötig haben wird.

Badcn.

K a r l s r u h e, 23. Mai. Die Großherzogin von
Baden richtete an den Vorsttzenden'des deutschen Zen-
tralkomitees für L u n g e n h e i l st ä t t e n, Staats-
selretär Graf Po s a d o w s k y , nachstehendes Tele -
gramm: Die mir durch Jhre gütige Vermittlung zuteil
gewordene Begrüßung der Generalversammlung des Zen-
tralkomitees der Lnngenheilstätten erwidere ich mit deitt
allerherzlichsten Danke und dem aufrichtigen Wunsche, es
möchten die tatkrästigen Bestrebungen des segensreichen
Vereines immer mehr diejenigen Erfolge herbeiführen,
welche dem beharrlichen, unentwegten Mute, der Aus-
dauer und der unendlichen geduldigen Nächstenliebe in
sicherer Aussicht stehen! Das walte Gott! Großherzogin
von Baden.

L6. Karlsrnhe, 24. Mai. Dem Landesverband
Jungliberaler Vereine gehören folgende Vereine an:
Karlsruhe mit 600, Heidelberg mit 500, Freiburg mit 330
Psorzheim mit 250, Brnchsal mit 214, Lahr mit 201,
Lörrach mit 180, Mannheim mit 161, Villingen mit 100,
Offenbiirg mit 90 und Baden-Baden mit 80 Mitgliedern,
also 11 Vereine mit etwa 2700 Mitgliedern. Die Zung-
liberalen Vereine Konstanz, Stockach, Meßkirch und Pful-
lendorf sind dem Landesverband noch nicht beigetretery
doch ist das im Jnteresse der liberalen Sache zu erhoffen.
Jn Rastatt wird nächster Tage ein Jungliberaler Verein
gegründet werden.

Karlsruhe, 23. Mai. Jüstizminister Frhr. von
Dusch hat sich zu mehrwöchigem Kurgebrauch nach

Karlsbad, Staatsrat Reinhard nach Schönberg bei
Hausach begeben.

Aus der 5ikar!sruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Vorstand des Kriegervereins Friedrichsfeld, Landwirt
Karl Mühlbauer, die kleine goldene Verdienst-Medaille,
sowie dem 1. Vorstand des Militär-Vereins Neusatz, Steuer-
erheber und Gemeinderat Josef Feist, dem 1. Vorstand des
Militär-Vereins Rintheim, Landwirt und Steuereinnehmer
Friedrich Erb, dem 1. Vorstand des Veteranen-Vereins
Waldulm, Landwirt Bernhard Gerber, dem 2. Vorstand
des Leib-Grenadier-Vereins Karlsruhe, Privatier Josef Lo-
renz und dem Schriftführer dieses Vereins, Kaufmann Leo-
pold Leon, die silberne Verdienst-Medaille verliehen.

KarIsruhe, 23. Mai. Heute Nachmittag 3 Uhr
wohnten der Großherzog und die Großherzogin mit 'der
Kronprinzessin Viktoria, den Erbgroßherzoglichen Herr-
schaften, der Prinzessin Wilhekm, dem Prinzen und der
Prinzefsin Max dem Festspiel bei, welches von Angehöri-
gen des Leibgrenadierregiments und des Leib-Grenadier-
Vereins aus Anlaß der Hundertsahrfeier des Regiments
aufgeführt wurde. Das Festspiel fand im Schloßgarten
in nächster Nähe des Schlosses statt und die Höchften!
Herrschaften hatten auf der Terrasse hinter dem Schloß-
turm Platz genommen. Nach Beendigung der Auffüh-
rnng sprach Seine Königliche Hoheit der Großherzag den
Verfasser des Festspiels, Hauptmann Freiherrn von May-
ern-Hohenberg, ferner diejenigen Mitwirkenden 'des Fest-
spiels, die den Krieg 1870-71 mitgemacht haben und son-
stige Teilnehmer. Seine Königliche Hoheit begrüßte
außerdem zahlreiche von auswärts erschienene Offiziere,
darunter die vormaligen Kommandeure des Regiments.
Die Angehörigen der hierher gekommenen Abordnung des
1. Schwedischen Leibgarde-Jnfanterie-Regiments hattew
Gelegenheit, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog
ihren Dank für die ihnen verliehenen Ordensauszeich-
nungen auszusprechen. Ferner empfing Seine Königliche
Hoheit der Großherzog den Major z. D. Grafen von
Hennin, Bezirksoffizier in Freiburg, welcher Höchstdem-
selben die von ihm zusammengestellte Stammliste des Leib-
Grenadier-Regiments überreichte. Die Empfänge dauer-
ten bis 4 Uhr. Um U5 Uhr begab sich der Großherzog
nach der Kaserne des Leib-Grenadier-Regiments, um im
dortigen Kasino dem Festmahl der Ossizicre anznwohnen.

Ausland.

Ocstcrreich-Nngarn.

Wien, 23. Mai. Der Banns von Kroatien
Graf K h u e n - H e d e r v a r y ist hier eingetroffen.
Jnzwischen sind die llebertreibnngcn in den Schilderungen
der Dalmatiner im Abgeordnetenhaus klargestellt worden.
Es wurde bisher weder jemand gehängt noch wnrden ber
den Zusammenstößen mit dem Militär Personen erschossen.
Jnzwischen haben sich jedoch in den 'beiden letzten Tagen
die Tinge verschlimmert, wie die Verhängung des
Standrechts in manchen Bezirken beweist.

Wien , 23. Mai. Der Banus Khue n wurde vom
Kaiser in langer Audienz empfangen. Abends de-

Kleine Zeitung.

— Kasscl, 22. Mai. Der KasseIer Lieder -
verein wollte eine öffentliche GeneraIprobe des
Preischores des Gesangwettstreits : „Gesang nach 'der
Varusschlacht" gegen Fintrittsgeld veranstalten. Auf
allerhöchsten Befehl wurde die Probe telegraphisch ver -
b o t e n.

— Aschcrslcbcn, 23. Mai. Ter gestern Abend nicht
heimgekehrte 6jährige Knabe des Bergmanns Kol-
ditz wnrde hente früh e r m ordet auf dcm Felde ge-
funden. Der Leib des Kindes war aufgeschlitzt und das
Kirid entsetzlich verstümmelt.

— Bcrlin, 20. Mai. Ter Bankier Augnst Stern -
berg wird, wie das „Berl. Tagebl." meldet, morgen nach
Verbüßung seiner Zuchthausstrafe aus Moabit entlassen
werden. Sternberg hat, die Untersuchungshaft eingerech-
net, drei Jähre wegen Verbrechens widcr die Sittlichkeit
hinter den Kerkermauern zugebracht. Seine Gesundheit
hat in dieser langen Zeit nicht gelitten; er war sogar in
der Lage, seine Geschäste vom Zuchthaus aus leiten zn
können. Ein wie eifriger Geschäftsmann er ist, beweist
der Umstand, daß in seiner Villa drei Zimmer in Stand
gesetzt wurden, damit Sternberg gleich am ersten Tage
seiner wiedererlangten Freiheit dort geschäftliche Kon-
fersnzen abhalten kann. -Seine Frau hat sich bekanntlich
inzwischen von ihm scheiden lassen.

— Köslin, 21. Mai. Hn dem Dorfe Mocker im hiesi-
gen Kreise erregt ein Mord Aufsehen. Die 56 J-ahre

alte Ehefrau des Eigentümers Nest ging auf eine nur 20
Schritte von ihrem Wohnhaus entfernte Wiese, um eins
Kuh zu hüten. Nach einigen Stunden wurde die Frau,
mit dem Strickzeug in der Hand, neben der Kuh mit durch-
schnittenem Halse tot aufgefunden; weiter waren ein Fuß-
gelenk und die beiden Handgelenke durchgeschnitten und am
Kopfe befanden sich mehrere Stiche. Als Täter wurde bald
der Handelsmann Karl Steinkopf aus Mocker ermittelt
uüd festgenommen. Der Mörder wird im November dieses
Jahres 80 Jahres alt. Spuren an der Leiche lassen keinen
Zweifel, daß es sich um einen Lustmord handelt. Der
Täter hat für bas Verbrechen noch kcine bestimmte Erklä-
rung gegeben; er macht verworrene Angaben. Er lebte in
geordneten Verhältnissen und verkehrte mit der Familie
der Ermordeten stets freundschaftlich.

— Rom, 23. Mai. Das Gericht in Neapel hat hcute
den Maler Allers wegen der bekannten Vorgänge auf
der Jnsel Capri zu 4s^ Jahren Zuchthaus ver-
n r t e i l t.

— Tic Tchwestcr Nobilings, dcr 1878 den Anschlag
auf Kaiser Wilhelm 1. verübte, ein Fräulein Edeling,
Wirtschasterin auf einem Rittergnte bei S chwerin
a. d. Warte, endete,' wie die „Pos. Neuest. Nachr." mit-
teilen, durch Selbstmord. Nach dem Anschlag erhielten
die Mitglieder der Familie Nobiling die Erlaubnis, stch
Edeling zu nennen. Das in den fünfziger Jahren stehends
Fräulein Edeling hatte bereits vor einigen Tagen ver-
sucht, ihrem Leben durch Ertränken ein Ende zu machen»
am Donnerstag hat sie sich mit Gift getötet.
 
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