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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Trschrint täglich, Sonntags ouSgenommen. VreiS rnit Familirnbläiiern Mvnattich SO Pfg. tn's Haus gedracht, vei Ser Exvedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dir

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Auzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile odcr deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Bnzeig«
«» drstimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Av.schlag der^Jwerate nnf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellsn. Fernsprecher 82.

Dr. Peters über die ReichstagSwahlen^

Das Ergebnis der d e u t s ch e n R e i ch s -
^ agswahIen bespricht Dr. Karl P e t e r s in der letz-
Nummer der „Finanz-Chronik". Nachdem der Ver-
iasser die Erfolge der Sozialdemokratie behiandelt, sagt er:

„Man fragt sich unwillkürlich, wohin eine solche Be-
^vegung sühren wird. Zwar wird die Sozialdemokratie
öis Abssimmungen im Reichstag auch in der nächsten
^egislaturperiode nicht beherrschen . . . Aber im Reichs-
^ag liegt aullz gar nicht der Schwerpunkt für die innere
^ntwickelung Deutschlands. Die Frage, um welche es sich
^ei dem 'Gegensatz zwischen der bestehenden und der herauf-
Äehenden Wirtschaftsordnung handelt, wird sicherlich nicht
^lit Argumenten, sondern letzten Endes mit „Blut und
^isen" eutschieden werden. Der Gang der französischen
dievolution ist in dieser Beziehung lehrreich für Jeden,
öer den Tatsachen ins Gesicht sehen mag. llnd da ist von
^oher symptomatischer Bedeutung, wie weit der Geist der
^Nzufriedenheit mit dem Bestehenden schon heute in
Deutschland um sich gegriffen hat."

Den Ausgang der Reichstagswahlen schreibt Dr. Pe-
Eers zum großen Teil der unverbesserlichen Philisterei der
^utschen Mittelklassen zu. Es fehle dort den Einzelnen
bas Gefühl, mitverantwortlich zu sein für die politischen
^ntscheidungen und damit sür die Schicksale und die Zu-
Eunft der Nation und der Rasse. Es heißt dann weiter:

„Aber dies ist nur eine äußere Seite der Ursache; der
^irkliche Grund liegt tiefer. Er liegt in den Bedingungen
^lnserer deutschen Wirtschaftslage überhaupt. Das deutsche
^irtschaftssystem ist für die 57 Millionen innerhalb der
^l'enzpsählc des Reiches in der Tat zu eng und bietet den
Massen nicht genügend Ellbogenraum. Deshalb diese
^nbehagliche Stimmung, welcher man bei uns von oben
Nls unten begegnet und welche sich dann in Wahlen, wie
s'or vom 16. Iuni, änßert. Das deutsche Reich leidet
?n Engbrüstigkeit. Man braucht sich nnr eimge Tage in
Zerlin zu bewegen, um dies einzusehen. Ueberall ein Ge-
^Nge nach Anstellungcn, Neid gegen andere, denen es besser
6^ht, Kriecherei nnd Streberei gegen jeden, der Geld brin-
E^n kann: Das ist das Mistbeet, aus oeni das Proletariat
oer Gebildeten wuchert. Dann eine Jndustrie,. welche von
^nsländischen Märkten abhängt, infolgedessen fortwährende
^lisen und Schwankungen in der Produktion, infolge-
^ossen Arbeitslosigkeit und Not der Massen. Aus solcher
^nierlage erwachsen die Reoolutionen, welche Staaten und
umwerfen . . . Gegenüber solchen
^öglichkeiten freilich steht die Dynastie der Hohenzollern
^llt der Armee fest wie ein rooller äo broueo da. Aber
Unsere Staatc'Männer werden nicht vergessen, daß solche
cko broueo ebenfalls den zersetzenden Einflüssen
Wind nnd Wetter ausgesetzt sind. Wind und Wetter
M Völkerlllben sind die wirtschaftlichen Lebenbedingungen
die ans ihnen sich ergebsnden Stimmungen der Ein-
^uen. . . Der einzige Weg, das weitere Anstauen der
?/lit zu verhindern, ist der, ihm den Nährboden abzu-
l^lleiden, indem man die wirtschaftlichen Möglichkeiten je-

KLeine Zeitung.

2 Hochschulnachrichtcn. Die an der Universität T ü b inge n
Flldjgte außcrordentliche Professur für klassische Philologie
^lirde dem dortigen Privatdozenten Dr. Herzog übertragen.
h Hamburg, 22. Juni. Die feierliche Einweihung der
Z'li der deutschen Studentenschaft errichteten B i s-
L» ck s ä u l e fand gestern Abend auf dem Hamberge bei
sZiedrichsriih unter Beteiligung üon etwa 1000 Studenten
44 Hochschnlen und einer ungeheuren Zuschauermenge statt.
„ ls Ttudenten begaben sich bcim Anbruch der Sonnenwende-
von Aumühle nach dem Hamberge, wo die Säule dem Für-
N Hertzxrt Bismarck, dcr eine längere Ansprache an die Stu-
"len hielt, in fcierlicher Weisc übergeben wurde. —
y F Professor Dr. Thiele in Straszburg hat dcn Ruf als
^oinarius für Chemie an die hiesige Universität abgelehnt.
^llnrnehr wird dem a. o. Professor Dr. Tafel von der hiesigen
^schschule die erlcdigte Professur übcrtragen werden. — Stu -
sz ° r c d e F-r a u e n sind nach der „Frankf. Ztg." an dcn
gstllllchen dentschen Universitäten in diesem Sommer 872 ein-
r, lwrieben, gcgen 1303 im vor. Winter und 897 im verflosse-
ijhs! Sommcr; dabei fehlen die Angaben aus Greifswald,
llster und Rostock und bezüglich der als Hospitantinnen zu-
iPRsencn Fraucnin Freiburg. Jn Freiburg sind 21 Damen
gi^llatrikuliert, in Heidelberg 30, daneben noch 82 Damen
tz -Hospim,itinnen cingeschrieben, in Gießen sind 4 Damen als
i^ öitantinncn „aufgenommen," was ctwa der Jmmatrikulation
beidcn eben erwähnten Hochschulen entspricht, nnd 13
"len als Hörerinnen zugelassen.

^ ^ Aschaffcnbnrg, 21. Juni. Gestern Nachmittag
^lichte die seit Mittwoch bei ihrem Bruder zu Besuch wei-
OZiährige S ch w e st e r des Obergärtners
s einen Spaziergang durch die Fasanerie auf den
^Eililberg „nd wollte um 6 Ilhr wieder zu Hause sein.
^ Mädchen kam jedoch zur fcstgesetzten Zeit nicht, nnd

dcs Einzelnen verbessert. Cs ist dieses nur möglich durch
eine verständige und zielbewußte Ausdehnungspolitik, dis
dern Einzelnen die Aussicht auf eine gesicherte Existenz
irgendwo auf der Erde bietet. - Hier liegt die große Auf-
aabe für eiu staatsmännisches Genie vom Stempel Bis-
marcks."

Deutfches Neich.

— Gegenüber erner auch hier in Heidekberg verbreiteten
Mitteilung des Pariser Korrespondenten der „Frankf. !
Ztg.", daß auf die Jnitiative Jtaliens die deutsche, s
sranzöstsche, englische und italienische Regierung beschlossen
hätten, dem neuen serbischen Regime bis nach ersoIgter
Sühnung des V e rbre ch' e n s die offizielle Äner-
kennung zn verweigern, erklärt die Berliner „Post", daß
diese Meldung, insoweit sie sich auf die Stellungnahme
DeutschIand s beziehe, unzutrefsend sei.
Deutschland betrachte die Vorgänge in Belgrad' -als innere
serbische Angelegenheit, von der es die Bestätigung der
neuen Regierung nicht abhängig zu machen gewillt sei.
Sehr verständig!

AuS der Li'srrsruher pieiruug.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgenannten Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr Mann-
heim, und zwar:. dem Kommandanten derselben, Wilhelm i
Elz, sowie den Hauptleuten Cdmund Molitor und Karl -
Grünewald daselbst das Berdienstkreuz vom Zähringer
Löwen berliehen, den Betriebsinspektor, Regierungsrat Ludwrg
Freudenberger in Offenburg auf sein Ansuchen unter
Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste in den Ruhe-
stand bersetzt,

— Amtsaktuar Philipp Englert in Staufen wurde zum
Polizeiaktuar beim Bezirksamt Offenburg ernannt. Registra-
tor Georg Ganzenmüller in Wertheim wurde zum Be-
zirksamt Ettlingen versetzt. Polizeiaktuar Ferdinand Leib-
lein in Offenburg aks Registrator zum Bezirksamt Wertheim
versetzt.

Karlsr u h e, 22. Juni. Ter G roßherzog nahm
am Samstag Vormittag von 10 bis 1 Uhr den Vortrag
des Präsidenten Dr. Nicolai entgegen und erteilte nach-
mittags an verschiedene Personen 'sprivataudienzen. Am
Abend besuchten die Höchsten Herrschasten den Prinzen
Karl. Am gestrigen Sonntag nahmen der Großherzog
und die Großherzogin an dem Gottesdienst in der Schloß-
kapelle in Baden teil, bei dem Hofprediger Fisch-er die Pre-
digt hielt. Es waren wieder zahlreiche Einladungen hier-
zn ergangen. IIm Mittag erteilte der Großherzog dem
Stiftungsverwalter Oberrechnungsrat Weigel, bisher Re-
visionsvorstand beim Ministerium des Jnnern, Audienz
und empfing dann den Geh. Kommerzienrat Wegeler aus
Koblenz und den Dr. ing. Schrödter von Düsseldorf in
Angelegenheit der vorjährigen Ausstellung daselbst. Zur
Frühstückstafel waren Zahlreiche Einladuugen ergangen;
es erschienen Minister a. D. Eisenlohr und- Gemahlin,
einige höhere Staatsbeamte und die ebengenannten beiden
Herren aus Koblenz und Düsseldorf. Heute Vormittag I
von 10 Uhr an nahm der Großherzog den Vortrag des j

rhr B-ruder beru-higte sich mit dem Gedanken, daß es stch
in der Zeit geirrt und später kommen werde. Als das
Mädchen jedoch über Na-cht ausblieb, machte Herr Haas
heute Morgen der Polizei Anzeig-e. Eine darauf vorge-
nommene Streife durch Fasanerie, Godelsberg, Büchelberg
hatte heute den Erfolg, daß gegen 11 Uhr in der Nähe
des Büchelberghauses die Leiche des Mädchens, mit
d-urchsto-chenem- Halse auf dem Rücken li-egend, gefunden
wurd-e. Der Körper war etwa- 25—30 Schritte weit ins
Geb-üsch geschleift worden. Man nimmt, dec „Frankf.
Ztg." zufolge, L u st m ord an. lihr und K-ette, sowie
die Geld-börse des Mädchens werd-en vermißt. Ein Feld-
schütze will das Mädchen, dem auf ungefähr 20 Schritte
eine männliche Person folgte, .gestern Abend gegen 8 Uhr
am -Büch-elberg gesehen haben. Die -Er-mordete ist d-ie
Tochter eines Landgerichtssekretärs in Bamberg und w-ar
mit einem -Expeditor verlobt. Sie hatte eine Anstellung
als Telephonistin und befand. sich z. Z. in Urlaub. . Als
der Tat verdächtig wurde ein in Kassel geborener, zuletzt
in M-arburg wohnender und von seiner Frau getrennt le-
bender KaufmannLIelle heute Nachmittag ^6 Uhr
in der Fasanerie verhaftet.

— Pnris, 22. Juni. Ein Redakteur der „Petite Pa-
risienne" hat, d-em „Berl. Tagebl." znfolge, a-uf Schloß
Ronno, dem derzeitigen Aufenth-alt d-er Prinzessin Luise
von Toskan-a, die SchIoßherrin, stNme. Laviert-
Viktor, interviewt. Dieie erklärte, daß die Prinzessin sich
glücklich fühle, im Schloß Ronno wohnen zu dürsen. Alle
Geschehnisse würden eines Tages vsrgessen werden. Auf

Generalintendanten Dr. Bürklin entgegen und empfing
dann den Professor Dr. Alb-recht Haupt von Hannover,
den bekannten Architekten und Schriftsteller. Mittags
trafen der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin aus
Karlsruhe in Schloß Baden ein. Zur Frühstückstasel
waren eingeladen Baron Geymüller und Prosessor Ha-upt,
welch letzterer nach der Tafel einen Vortrag hielt über
die Z-eit der Renaissance mit Bezug auf den Otto Heinrich-
Bau des Heidelberger Schlosses. Später fuhren d-er
Großherzog und Lie Großherzogin mit den Evbgroßher-
zoglichen Herrschaften nach Rothenfels zum Besuch d'er
Fürstin Sophie zur Lippe. Der Erbgroßherzog und die
Erbgroßherzogin kehrten von dort direkt nach Karlsruhe
zurück, während die Großherzoglichen Herrschaften nach
S-chloß Vaden heimkehrten.

Die ReichstagSwahlen.

— D a s G e s a m t e r g e b n i s der Wahl in Berlin
ist folgendes: Von 444 831 im g-anzen eingeschriebenen
Wählern wurden 326 614 gültige Stimmen oder 78stz
v. H. abgegeben, während 266 zersplittertsn. Die Sozial-
demokraten er'hielten 218 238 Stimmen oder 67 v. H. der
abgegebenen Stnnmen, die Freisinnigen 56 782 oder 17
v. H., die Konservativen und Antisemiten 43 873 od-sr
13s,H v. H., das Zentrum 6733 oder 2 v. H., die Polen
1819 oder 0,06 v. H., die Nationalliberalen erhielten
69 Stimmen.

!I0 L örra ch , 22. Juni. Das Anwachsen der Zen-
trumssti-mmen und der Sozialdemokratie hat im libe -
ralen Lager eine Einigung zustande gebracht. Auch die
freisinnige Parteileitung des 4. Reichstagswahlkreises h-at
einstimniig am Samstag Abend Eintritt der freisinnigen
Wähler in der Stichwahl zu gunsten Dr. Blanken-
horns proklamiert, Jn der Wahlversammlung in H-al-
tingen wurde der Beschluß n-ach vorausgegangener Aus-
sprache zwischen Tr. Blankenhorn und Rechtsanwalt. Vor-
tisch kundgegeben.

Karlsruh e, 22. Juni. Die „K a r I s r u h e r
Zeit u n g" richtet an die Zentrumswähler die Mahnuug,
ihrer Pflicht gegen das Reich am Stichwahltage eingedenk
zu sein und sich nicht zu Gunsten der Sozialdemokratis
der -Stimmabgabe z-u enthalten.

L6 Karlsruhe, 22. Juni. -Einige Zentrums-
blätter haben herausgek'Iügelt, daß die Erklär-ung Len -
ders am 19. Juni, also vor der Sitzung des Zentral-
ko-mitees der Zsntrumspartei, abgegeben sei nnd dsr Ent-
scheidung der Parteileitung nicht vorgr-eisen wolle. Nun
kommt aber heute eine neue Erklärung Len'ders, die un-
zweideutig besagt, daß dieser Geistliche mit dem Beschluß
des Zentvalkomitees nicht einverstanden ist. Aus Achern
wird uns nämlich berichtet: Gestern sprach eine Abord-
nnng Zentrumswähler aus Karlsruhe und Umgebung,
die mit der Zentrumsparole, bei der bevorstehenden Stich-
wah-l zwischen nationalliberalen und Sozialdemo-kraten
Wahlentha-ltung zu üben, nicht einverstanden sind, bei
Herrn Lender in Sasbach vor, um dessen Ansicht zu hören.

traurigs würden Tage des Trostes folgen. Der Vertreter
des französtschne Blattes wendet-e dagegen ein, daß der
Dresdener Gerichtshof doch die Scheidung ausgesprochen
habe. -Mme. L-aviert-Viktor erwiderte, daß die gerichtliche
Scheidung nur eine Formalität sei, für Katholiken gebs
es keine Scheidung.

— Belgrad, 22. Juni. Gestern ging ein Wolken -
bruch über das Dorf Zenom bei Kejazwei nieder. 64
Häuser stürzten ein. 38 Personen verloren das Leben.
Der Schaden wird auf 1 Million Dinar geschätzt.

— Komischcr Diebstahl. Ein großer Diebstahl, der bei
allen unbeteiligten Personen ungetrübte Heiterkeit erregen
dürfte, ist dieser Tage, nach 'der „Nat.-Ztg.", auf der
Moskau-Kursker Eisenbahn begangen worden. Sämtkiche
Passagiere eines Schlafwagens vermißten, als sie si-ch früh
aus ihven Betten evhoben, ihve Kleid-er, die sie vor dem
Schlafengehen an die Wand gehängt hatten. Einige be-
saßen noch ettiche K-Ieidungsstücke, um ihre Blöße zu be-
decken, die anderen aber erkannten, daß sie nackt waren,
und mußten, nur mit ihrer Schön-Heit bekleidet und mit
'der Tugend als Monna Vanna-Mantel, die Fahrt nach
Moskau fortsetzen. Hier wurden einige, die ihre 'Freunde
telegraphisch von dem Unglück in Kenntnis gesetzt hatten,
auf dem Bahnhof mit mehr od-er minder prächtigen Körper-
hüllen beglückt, die anderen aber, die nicht so glücklich wa-
ren, ließen sich in Hcrmetisch verschlossenen Droschken nach
den Hatels fahren.
 
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