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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0153

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Freitag. 23. Jaiiuar 1903.

GrAes Blatt.

45.Jahrgmlg. — 19



drscheint täglich, Sormtags «usgenov^ nen. Preis mit Aamrlienbläitern monatlich 50 Pfg. in'« Haus gebracht, bei der Expedition und dcn Zweiganstaltcn abgeholt 40 Pfg. Durcb

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«n bestimmten Tagen wird leine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellcn. Fernsprecher 62.

Mußland«; Atotte in Wusten.

Rutzland vereinigt, nach Mitteilungen der
^üölu. Ztg.", in O st asie n eine Flotte, die sowohl
Groschritanniens wie IapanS, die bitzher üedeutend-
ue,i Seg,iiächre jm fernen Osten, eryeblich iiberlegen ist.
ttast alle ilinienschisfe 1. .Alasse der Ostseeflotte, (> Ge-
Wvader-Panzerschifse von je 1 l (»00 bis 12 700 Tonnen
^chserverdrängung werden dort dauernd stationiert, und
sseitzt, datz das tiiczlich in Petersburg vollendete letzte
^chisf der Osrseeflotte, daS noch in der Heiniat weilt,
Ostasien gehen Iverde; es ist dies daö Linienschiff
r- Ulasse „Osljabja". l Panzerkreuzer und o grotze ge-
.chutztg .urerizer, deren Gefechtswert dem der Linien-
Wsse sich nähert, versrärten den .stern der Schlachrslotte.
i»>vch weilece grotze ilreuzer, der aus der Werft ita Seifiie
Toulon erbaule Panzerkreuzer „Rajan" und die aus
^irer russischen Werft hergeslellte „Awrora" sind zur
^Nveilerung dec Ureuzerflolte ausersehen. Die tlinien-
ichisse bchitzen eine Olesanitbewasfnung von 35>0 Geschii-
chU, die grotzeu .streuzer eine solche von 440 Geschiitzen.
^uzu kvmmeu noch 2 PaikK'rkanonenboote, o 'kleine
^reiizer und .stanonenboole und 28 Torpedofahrzeuge,
v'Mleil die leistungssähigslen Hochseetorpedoboote. Die
ll^uien .llrenzer, die .llanünenboote und die Hälfte üer
stvrpedoboote bilden die sibirische Hlotte. Augenblick-
N sind 13 .llriegsschifse init 301 Oäeschiitzen und 4(>00
Miaiin Besatzung nach Ostasien unterwegs. Einschlieh-
Ull, der stark bewaffneteu Spezialschisse „Amur" und
"Oenissei", Schwesterschiffe fiir den Truppentransport
on je 2000 Tonneu uud init je l 1 Schnellfeuergeschützen,
ttid des kleineren „viakut", 700 Tonnen und 4 H'anonen,
Mird die russische olotte iin Stillen Ozean uach der An-
.ttnft der Verstärkung aus 63 ü'riegsschifsen und .üriegs-
Mhrzeugen bestehen, die eine Gesanitbestiickung von rnnd
OOo.Mxioneii ausweisen und mit reichlich 13 000 Mann
°Netzt sind. _

DeutfcheS Reich.

. P a penb u r g (Provinz Hannover), 22. Iau. Bei
0^/' gestrigen R e i ch S t a g s e r s a tz w a h l im 3. hau-
ttoversllxni Reichstagswahlkreise wurden der „Emsztg."
Msolge bis heute Vormittag gezählt: oiir Amtsgerichts-
Lt Cngelen-Osnabriick (Zentr.) 7200, Schriftsteller von
skMlach (Nat.-Soz.) 1000, Amtsgerichtsrat Tholen
^atl.) 7ö0 und Schumann-Bielefeld (Soz.) 75 Stim- ^
tten. Die noch ausslehenden Orte dürsten an dem Er- ,
^bnis nichts ändern. (Der Wahlrreis, um den es sich i
»aiidelt, MePPeii-Lstnilheim-ltingen, »ist dsec Wahlkreis I
berstorbeneu Abgeordneten Windthorsl. A'ach dessen ^
^ode wurde dacin der Zeiltrumsabgcordnele AmtSge- .
Mhtsrat Brandenburg zu Bersenbrück gewählt, der iin ,
?Migt.m Iahre geslorben ist. Amtsgerichtsrat Engelen,
neue Vertreter ües Wahlkreises, ist ein Perlvandter, !
^ttn wir nicht irren, ein A'efse Windthorsls. D. Red.) .

-I

Deulscher Weichstag.

Berlin, 22. Jan.

Fortsetzung der ersteu Etatsberatung.

I> . .stbg. Bebel (Soz.): Dcr diesjährige Eiat bedeute eiu
chchrichdiges TebLcle. Dcutschlaiid köuue die Lasten für eiu
u,id eine Marine ersten Ranges uicht tragen. Die Haupt-

schutd trage das Zeiitrum Lurch seiiie Abstimmuiig zu der
Flottenvorlage mid zur Vermehruug des Militärs. Die seiuer-
zeit abgelehnte sogeiiamite Auslaiidsflotte stehe für 1S04—06
sicher bevor. Jm deutschen Reich leide maii au der Plötzlich-
keitskrankheit. 2o mutzic die »cue Artilleriebeivaffiiimg HalS
über Kopf durchgeführt werdeu und damit habe man glücklich
erreicht, datz unsere Artillerie jetzt minderwertig ist. Aehnlich
soll es nun auch mit der Kavallerie werden. Mii seiner Welt-
politik sei Deutschland Hans Damps in allen Gassen. Die
Berstimmung im englischen Volke gegen Dentschland datiere
schon aus der Zeit, wo die neuen Flottenprojekte tvieder auf-
tauchten. Jnaktibe Marineoffiziere wiesen darauf hin, datz
Dcutschland einen grostzm Seckampf mit England auszu-
kämpfen habe. Jn der venezolanischen Aiigelegenheit vecfolge
man lediglich krotztäpitalistische Jnteressen. Zu begrützen sei
die angekündigte Abänderung des Wahlgesetzes zur Sicheruirg
des Wahlgeheimnisses. Vielfach wnrde unser Borgehen gegen
Haiti als allzu streng bezeichnet und in der venezolaiiischen
Angelegenheit tann man es Castro, der um Leben und Präsi-
dentensitz kämpfr, nichr verdenken, ivcnn er anf üüerrriebene
Forderungcn nicht ohne weiteres eingehen will. Wie rechtfer-
tigt sich das Vorgehen dcs „Panther" gegen San Carlo? Zu
svlchen Gewalrmirieln sollte man doch nnr in alleräntzersten
Falle greifen. Die sozialdemokrälische Partei werde anch,
wenn keine Reichstagsdiäten gezahlt Iverden, loeiter ihre Schul-
digkeit tun. Die sozialpolitische Gesetzgebrmg sei nnr ans
Fnrchr vor der Sozialdemokrarie eiitstanden. Wir sirid keine
prinzipiellen Gegner derselben nnd haben uns anch die gröhte
Mühe gegeben, diese Gesetze wenigstens znm Teil nach unseren
Wünschen zn verbessern. Wenn nber die Vorlagen nicht im
eiiiserntesten das bieten, was wir verlangen, so kaim man uns
nichl vcrdenken, dah wir sie ablehnen. Die deutsthe Bour-
geoisie ist der grötzte Feiud der Arbeiter. Die deutscheu Staats-
werkstätten, die doch Miistevbetriebe sein follten, sind «s
keineswegs. Jst anch die llmsturzvorlage vou 1895 und der
ueue Zoiltaris eiu Beweis für die soziale Fürsorge? Was die
Bekämpfung der So-ziäldemokratie nnlangt, so hat dieselbe
lediglich einen persönlichen Charakter angeiiommeii, durch den
die Gegensätze inmötig verschärft wurden, besvnders seit der
Zeit, lvo der 'Kaiser als Privaimami in diese Känipfe eingriff.
Die Sozialdemokraten lverden angegriffeu uud köuuten nicht
antivorten. Wie können Sie sich dä tvundern, dast Beleidrgun-
gen des Mouarihen vorkommen. Aks Redncr die Worte des
Kaisers gegen die Sozialdemokrateii zitiert uiid sie ungehörig
nennt, rust ein Sozialdemokrat: Gemeinheitl

Präsident Graf B a l l e st r e m fragt uach dem Rufer;
dieser meldet sich uicht. Der Präsident fährt fort, er
lvürde den Rnfer zur Orduuiig rufeu.

Abg. Bcbcl (fortfahrend) kommt auf den AuarchiSmns
zu sprecheu, den er einen Wahnjinn nennt. Wenn ein Monarch
fällt, tritt ein anderer an seine Stelle. Sölange die natürlichcn
Bcdingungen der Jnstitntion vorhanden sind, solange wird
diese Jnstitiition bestehen, niid sobald die Anschanungen der
nngehenren Mehrheit des Volkes so lveit sind, lvird die Zeit
llinmen, wo das verändert wird. Damit ist noch lange nicht
gesagt, dah bas mit Gelvalt geschehen lvird. Ach, es ist so
mmiches schou anf sehr gemütiichem Wege vor sich gegangen.
Also lvir haben gegen die Person des KaiserS nichis eilizn-
ivenden. Aber tvenn, tvie es hier geschieht, tvir bei jeder passen-
den nnd impassenden Gelegenheit zum Gegcnstand der schärssten
Deschimpfung gemacht lverden, dann mühten lvir keine Menschen
von Fleisch und Blnt sein, tvenn lvir das hinnehmen, und es ist
auch ein Skandal, datz wir diescn Dingen mit gebundenen Hän-
den gegenüberstehen. (Schr ivahr!) Aber autzerdem, wemi
man nns angrcift, so muh das doch einen Zlvcck haben. Datz
man damit die Richtimg, der man angehört, fördert, glaubt
das einer vou Jhneii? Glaubeii Sie, datz der deutsche Kaisee
mit seineu Reden einen Monarchisteii mehr. eineii Sozialisten
weniger gemacht hat? Solveit man das verfolgen kann, gerade
das Gegenteil. Nnd inm nicht genng damit, mm kommt auch
noch der dentsche Kronprinz (Hohngelächter der Sozialdemo-

traten), dieser 20jährige Herr, und redet auch von der Partei
der Elenden. Ja, lvas hat dieser Herr für Verdiettste, dwtz
er überhaupt sich heransiiehmen kann, in diesem Ton von der
Sozialdemokratie zu sprechen. (Fischer: Wie die Alten sun-
genl) Der Name Elende tvird ein Ehrenname werden, wie
einst der Name der Geusen. Nnn, lvir »ennen uns künftig
Partei der Elende». (Stürmischer Beifall bei den Sozial-
dcmokraten.) Jch denke, der jnnge Mann hat zunächst anderes
zu tun. (Sllirmische Heiterkeit der Sozialdemokrateii.) Der
junge Mann (Hohiigelüchter der Sozialdemokraten), der vor-
läusig uach menschlicher Berechnung noch recht lange Zeit hat,
bis er auf den Thron kommt, der sollte noch etwas Besseres
zn tnn wissen, als schon in jungen Jahren sich als den grimmig-
sten Feind der dcutschen Sozialdemokratie hinzustellen. Jch
denkc, das küniite seiner Zilkmift als tünftrger deutscher Kaiser
nicht gerade sehr förderlich sein, denn dann lvird die deursche
Sozialdemokratie eiue uoch ganz anderc Macht seiu. Schliehlich
sagt Redner, der Zolltarif sei eine ausgezeichuete Wahlparole
für die Sozialdemokrateii.

Reichskanzler Gras B ü low : Bebel hat die Vorwürfe be-
rührt, die der Kaiser gegen seine Partei erhoben habe. Aber
was sührcn Sie denn sonst für eine Sprache? Ebcn ist ja aus
Jhreu Reihe eiu Ruf gefallen nnd eS ist zn verstehen, datz der,
der ihn getan hat, noch so biel Schamgefühl besatz, nm sich
nicht zu uciilien. Eiue Partei, die programmähig den Nm-
sturz betreibt, darf sich nicht wnndcrii, weiin der Monarch sich
dagegen mit Entschiedenheit und hie nnd da mit Schroffheit
zur Wehre setzt. Nebrigens »vird die grohe Mehrheit des
Hauses mit mir den Wiinsch rcileu, dah Ivieder die srühere
Praxis zurückkehrt und die Person des Kaisers so wcnig wie
möglich in die Debatte gezogen wird. (Sehr wahr, r?chts.)
F» der svzialpolitischen Gesetzgebung hat niemaiid eine Zauber-
rute. Vvu ihrem Stillstehen ist nicht die Rede. Wir tvollen
eine gesiinde normale Bewegung, kcine überhastete. Betreten
Sie den Boden der Loyalität. (Widersprnch uiid Gelächter
links.) Verzichten Sie daranf, die Gefühle zn verlctzen, die
dem grötzten Teil des Volkes heilig sind. Solange Sie abcr
das nicht tun, erschtveren Sie die auf Hebung nnd Gesnndung
der cirbeilendeii Klassen gerichteten Bestrebuiigen der vcrbün-
deien Regierimgeii »nd des .Haiises. Die Artikel von den
Offizieren a. D. übcr die Flotte sind selbstverständlich nur
Phautasiegebilde, für die keine irgeiidwie matzgebende Stelle
Veraiitwortlich ist. Wir verfolgen mit unserer Flotte keine
agressiven Ziele, sondern nur die Berteidignng der Küsten: die
Wahrung der deutschen Jnteressen im Auslande. DaS sind
auch die Wünschc der sehr grohen Mehrheit deS deutschen Volkes.
Was Haiti anlangt, so hat das deutsche Schiff „Markomania"
Mimition und Waffeii au Bord gehabt für die haitiauische
Regierung, nicht für Jnsurgenten; äls die „Cretc a Pierrot"
es aiihielt, sind wir auf Wunsch der haitianischen Regierung
cingeschritteii zur Verteidigung unserer Handolsinteressen und
nach den Regeln des Völkerrechts. Castro habe noch in kemer
Zeitnng, ans keinem Parlament eine sülche Berteidigung gefun-
den, tvie durch Bebel; er stelle auSdrücklich fest, dah es sich zwi-
schen Veneznela und uns nicht allein nm Geldforderungen
handle, sondern auch nm unscr Anschen. Dieses tvar aber
durch Castros Vorgchcn erschüttert nnd deShalb hatten wir
daS Recht, gegen ihn vorzugehen. SchädlerS Worte: Deutsch-
land geniesie in der Welt mehr Hatz al-Z Liebe. sei in dieser
Allgemcinheit nicht richtig. Wir haben anch zuverlässige
Freundc auf politischem Gebiet; im Gegensah zu jenem engli-
schen Poeten, hat vor wenigen Tagcn cin belgisch-französischer
Dichter nns das Gewissen der Welt genaiuit. Jn der Politik
ziehe man sich lieber Hah nnd Neid als Mitlcid zn. Halten wir
nnscr Pulver trocken; zanken wir uns nicht so viel untereinan-
der mid niemand tvird nns an den Wagen fahren.

Abg. Dr. Hasse (natl.) (mit grotzer Nnrnhe begrüßt,
so datz der Präsident wiederholt znr Ruhe mahnt) will die Per»
son des Kaiscrs nicht in die Erörtcrung ziehcn. Doch mützten
bcglanbigte Acutzcrungen des KaiserS eröriert werden können.
AllerdingS sei Bebels Art, dies zu tun, sehr zn bedauern. DaZ

Kleine Zeitung.

h "ck Brannschweig, 10. Jan. S « Itsame r K r ank -
Gsfall. Bor einigen Tagen wurde der Itijährige
Zttttiuerlehrling Willy Kotzmann aus dein benachbarten
gp^Ettgen itl das hiesige herzogliche Kranken'häus ein-
mft^iert. Er klagte set mehreren Wochen iiber Schling-
dftRwerden, die schließlich immer hefftger wnrden, so daß
D' ^cahrungsaufnahine tanm mehr erfolgen konnte.

Speiseröhre des Patienten wurde miftels Röntgen-
Mttileu dnrchlenchtet, wobei sich ziemftch weit uiften
i," ttnrfailgreicher Fremdtörper zeigte. Hofrat Pros. Dr.

- Sprengel verschaffte sich dnrch einen operativen
k^?.6ciff Riwn Weg zn dem Fremdkvrper und zog ihn
>vi . ch ohne Hilfe von Jnstrumenten herans. Es
d^-^tt.Metallring in der Größe eines Zweimarkstückes,
jw M in Ler Speiseröhre festgeklemmt hatte. Der Pa-
sein, ^"b ttii, daß er eiiien solchen Ring beim Spielen in
^ lem neunten Lebensjähre verschlnckt habe. Da cr
d„ "^18 und bis vor wenigen Wochen keinerlei Beschwer-
tterspjo-t hatke, sv glanbte inan, datz der Ring wäh-
u der. sieben Iahre, die seit dem Verschlucken ver-

waren, längst auf natürlichem Wege wieder ent
drr -^orden sei. Die Operationswunde ist bcreits iir
>o E^^ttng begrisfen, nnd der Patient fühlt sich wohl,
Np.Mtz ttr in einigen Tagen das KrantenhanS wieder

mssen^taun.

k».,T77 Einc nnmvralischc Maskc. Zur Zeit der Mas-
ei„ ttlle erzählt der „Olanlois" eine drollige Anekdote von
rrM^ttnnioralischen Maske. Es war zur Zeit des Kaiser-
tt,z,jd Ans einem Ball, auf denr die Tünzer alle in
1 ichst erzentrischen Kostümen erschienen, hielt auch

ein ganz besouders seltsam tostümiertes Judividuüm sei-
ueu feierlichen Einzug u. zog svfort alle Angen aus sich.
Es war ein junger Stiideut, der als -—> .Kleiderschrant
tostüiniert war. Man stelle sich eine große .Kiste vor, die
„ei-chen" augestrichen war und aus der oben ein weißer
Kovs heransschaute, der genau wie ein Gipstvps aussah,
wie man sie früher auf die Bibliotheken stellte. Die Füße
tvacen geschickt im Sockel verborgen. Die originellc
Jdee erntete allgemeinen Veifall. Aber es kam noch bes-
ser. Ans der Tür des SchranteS, die mit einem Riesen-
schlüssel geschmückt war, stand zn lesen: „Oesfnsn ver-
boten". Natürlich öffnete Einer. Da erschvll ein/j wahre
Lachsalve, allgemeines' Bravo und äotampfen nüt den
Mißen erschütterte den Saal: der Spaßvogel hatte —
kein anderes Kosftim als seinen Schraift.. . Die Menge
drängte sich iim ihn und der Lärm wurde iininer größer,
und schließlich Ivurde der sv eigeuartig Berkleidete ziir
Polizei gebracht, tvo mau ein Protokoll aufiiehmen wollte,
da der Komiiftssar sein Anftreten als niimoraftsch erklärte.
„Unmoralisch?" rief der Drlinqiient ganz überrascht,
„äber ich war ja bis zuin Kinn in meinem Schrank!"
„Man brauchte doch nur die Tür zu ösfnen. . ." „Aber
sie war zweimal geschlossen nnd ich hatie darauf ge>
schrieben: „Oesfnen verboten!" Dieses Argument ent-
wasfnete den Kommissar, nnd der Stndeut kam ohue
Strafe davou. Heifte ist der lust'ige Bruder Appellatious-
gerichtsrat.

— Ucber deu Eiufiuß dcs Mondes a»f das Wachs
tuni der Rnnkelriibe hat eiu fraiizösiseher Ackerbauer au
die astronomische Gesellschaft in Paris berichtet. Dem-
nach besteht die Wurzel dieser Rübe aus kouzeutrischcn

Zoneu, deren Anzaht gleich den seit der Pflanzuiig ver-
flosseueu Moudumlänfen (29'/2 Tag) ist. Mau kaun
sich leicht davou überzeugen, weun maii das (üewächs
durchschueidetz üu Mittelpuiitt der Kieise liegk das
Mark, dauu kvmmeu die erwähuteu „Mondzoueu" uud
schließlich die Schale.

Ein gräßlichcr Drnckfehler isl dem „Vonvärts"
in der Toteuliste seiner Partei Passiert. Das Blatt
schreibt darüber: „Es mutz selbstverstäudlich heißeu, daß
der verstorbene Oienosse Wächter in Gadderbaum alle
seine Kräste in den Dieust der Partei gestellt hat und
nicht in Len Dienst der Polizei, wie gesetzt worden ist."
Daß so etwas auch gerade dem sozialdemok.ratischeu
HauPtorgau Passiereu muß, das ist recht fatal.

— Welchc Bittgesnche an den Kaiser mitiinter gesandt
'lverden, erhellt u. a. ans folgendem: Als der Ntonarch
türzlich ziim Jagdbesnch in Springe Iveilte, Wnrde ihm
ein Gefiich übergebeip das nichts weniger erhielt als die
Bitte, der Kaiser möchte doch dem Reichstage einen Gesetz-
enftvurf zugehen lassen, der die Einsührung der — freien
Liebe fordert. Derartige Gesuche treffen im kaiserlichen
Zivilkabinett in Meuge und werdeu natürlich sofort ohue
Weiteres ad aeta gelegt.

— Ein bemerkensweltcr Ritt. Leiftuant v. Salzmauu
vom frühern ostasiatischen Feldartillerie-Regimeift hat am
2. Dezember 1902 eiiieu bemerkenswertcn Ritt von Pekiiig
nach Tientsin gemacht. Er brach worzens um 8 Uhr
50 Min. von dem Gesaiidtschaftsepinrtier aift mid kaiu
abends 7 ühr 2 Miu. bei der Artillcriewache in Tientsiu
au. Die Eiftscrming beträgt 120 Km. Das Pierd, ein
Australier, war nicht müde uud hatte kein nasseS Haar, e?
 
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