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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0061

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Samstag, 10 Jenuar 1903.

Gestes Blatt.

45. Jahrgang. — E 8








<L

Lrscheint täglich, SonntagS ausgenon-nren. Preis mit Fmnilienblättern monatlich 60 PM. in's Haus gebracht. bei der Expedirion und Len Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

die Post bezogen vierteljährlich I.Lü Mk. ausschlietzlich ZusteLgebühr.

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an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit überiwmmen. —-AnsHlagder Jnserate auf den Platattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Die mittlärteiHrrische Kochschule.

Der militärische Mitarbeiter ber „Straßburger Post"
schreibt in eiuer GeLrjachtung tiber den IdießjäWgen
Militäretat:

Der weitere Ausbau beL LaudesverteidigungssysteinA.
mit dem diese Vermehruug ber Fußartillerie iin Etat als
unausschiebbar bezeichiret wird, ist auf die Pioniere
ohue jeden EinstuZ gebtieben. Die Erweiterung der
Pionierbataillone zu Regimentern, die namentlich mit
Rücksicht auf den Festungskrieg höchst driuglich erscheint,
ist bis aus uubestiiumte Zeit zurückgestellt. Auch über
die Orgauisation des Jugenieurkorps bringt bcr Etat,
soweit er sich zur Zeit übersehen läßt, keinerlei Angaben,
und es scheint, als ob man sich zunächst mit der Organi-
sation d-es Festungsbau-Offizierkorps begnügen wolle.
Diese Organisation entbindet aber unsere ^ngenieur-
offiziere keincswegs mehr Von der technisch-ivissenschaft-
lichen Vorbildung, die der jetzige Nachwuchs uuter den
Pionieroffrzieren nicht mehr erhält. Schon aus diesem
Grunde allein wurde es notwendig, die im vorigen Jahre
vom Reichstag abgelehnte mi I i t ä r t e ch n i s ch e
H ochsch u I e wieder in den Etat einzustellen. Die Be-
gründung dicser Forderung ist diesrnal auch bci weiiem
eingehender ausgefallien ünd hat bessere Aussicht zu
.ihrer Annahme. Wenn auch der jährliche Bedarf an
technisch vorgebildeten Offizieren nur zu 40 oder 60
angegcben wird, so werden doch >veit mchr Offiziere
diese Hochschule besuchen müsseu, um ein reichliches Re-
servepersonal zur Hand zu geben. Jn der Begründung
der Vorlage heitzt es:

„1. Die Heeresverwaltung muß eincn entscheideuden
Einfluß auf das Studium ihrer Offizicre ausüben kön-
ncn; ste muß in der Lage sein, den LehAtoff ihren Zwecken
und Zielen entsprechend vorzuschreiben;

2. die Dauer des Studiums ist auf drei Zahre zu be-
nressen. Diese Zeit reicht zu einer abgeschlossenen Vor-
oildung ans, weun der gcsamte Lehrstoff durch eine
oesondere Lehrordnnng i» zweckentsprechender Weisc aus
die Studienjahre verteilt mird;

3. sür deu Unterricht sind drei Abteilungen zu Lil-
den: u) ALteilung sür Wasfeu unü Munition; d) Ab-
leilung sür Jngenieurwesen; e) Abteilung für Ver-
kehrswesen. Die Abteilung u) trennt sich im dritten
^ahre in eine Konstruktions- und eine ballistische Ab- ^
leilung."

Mit dieser Darstellung ist wenigstens ein Progranun
iür die Hochschule gegeben, woran es im vorigen Jahre
Mbrach. Zwar hatte man damals in der Presse versucht,
die Notwendigkeit einer solchen Hochschule in Adredc
su stcllen, und der Versuch hat auch den Erfolg der Ab-
lehuung der Regierungsvorlage herbeigeführt, trotzdem
uber ist der Beweis der inangelnden Notwendigkeit da-
u>als nicht erbracht worden. Wer Gelegenheit hat, eineu
vugetrübten Einblick in die technisch-wissenschaftliche Vor-
oüdung unserer Offiziere zu tun, wird mit Schaudern
Leivahr werden, mie schlecht es nuf diesem Gebiete be-
uellt ist. .Ju den meisten Fällcn wird man auf eine durch
vraktische Ersahrung erworbene Enipirie stoßen, die von
st'Issenschaftlicher Grundlage.nicht viel an sich hat. Aber
^u Techniker ohne Wissenschaft, ohne vieles Wissen, ist
h^ute nicht viel mehr wert als ein cinfachcr Handwerker,
?.hue Wissen giebt es kein Könuen, und in dieser Hin-
stcht mutz eine baldige ALHilfe für das Heer eiutreten,

wenn das wifsMschaftliche Niveau des deutschen Oisiziers
uicht noch weiter herabgedrückt werden soll. Durch Be-
vorzugung der Abiturienten der höheren Lehrattstalten
sucht man dieses Niveau zu heben, und die Erfolge da-
von beginnen bereits sich zu zeigen; nun versage man der
Heeresverwaltung auch nichü die Mittel, um diese er-
höhte wissenschaftliche Bildung für die technischen Offi-
ziere nach Möglichkeit zu vertiefen. Die neue Hochschule
soll schon am 1. Oktober 1903 nnt dem Sitz in Berlin
erösfnet werden, zunä-chst im Gebäude der Artillerie- und
Jngenieurschule im benachbarten Eharlottenburg. Die
daucrnden Kosten sind von 1906 an auf 311 000 Mark
veranschlagt; im Jahre 1904 würde dann eine Forde-
rung von 400 000 Mark erscheinen.

Deutsches Reich.

Badcu.

— Rheinschi ffcrschnlen. Nachdem die von der
Rüdesheimer Konferenz vorbereitete und von der Zentral-
kommission sür dic Rheinschisfahrt gutgeheißene Erweiterung
der Unterrichtszeit der Rheinschifferschuleii die Ziistimmmig
der Rheinnferregierimgen erhalten hat, ist diese erweitertc
Unterrtchtszeit nunmehr in sämtlichen Rheinschifferschuüii
(Hasmersheim, Eberbach, Neckarfteinach, Mannheim, Milten-
berg, Koblenz, Ruhrort imd Rotterdam) eingeführt. Da
glcichzeitig auch cinc volle llebereiiistinimung über den Lehr-
plan dieser Schulcn und über eiue eiuheitliche Verteiluug
des Lehrstoffs auf die Uuter- uud Oberstufe derselben er-
zielt worden lst, kann sich der bei dem wechselnden Winter-
! aufenthalt der jungen Schiffsleute nicht selten notwendige
^ Uebergang von der Uiiterstnfe der eincn Schule in die Ober-
- stufe einer anderen künftig unter den erreichbar günstigsten
! Bedingungen vollziehen.

— Das Amtsblatt Großh. Zolldirektion veröffentlicht
den Bundesratsbeschluß, wonach n. A. anch für die
Hafenplätzc Mannheim nnd Kehl gemischte
Transitlager ohne amtlichen Mitverschluß für
Bau- und Nutzholz zugelassen werden dürfen.

V. 0. Karlsruhe, 0. Jan. Die Vcrgütung für
den Unterrtcht an unsern gewerblichen Fort-
bildungsschulcn wnrde voin Großh. Ministerinm
auf 660 Mk. jährlich pro.acht Wochenstunden festgesetzt
(statt bisher 400 Mk.).

Zlus der KarlSruher Zsitung.

— Seine KönigUche Hoheit der Grotzherzog haben dem
Vorstand der Fabrikinspektion, Oberregierungsrat Dr. Karl
Bittmann, Lie Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen
des ihm von dem Grotzherzog von Oldenburg verliehenen
Ehren-Rikterkreuzes rrster Klasse des Haus- und Verdrenst-
ordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig erteilt.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
die Reviforen bei der Grotzh. GeneraldireÄion der Staats-
eisenbahnen Jakob Rötzner und Wilhelm Lipp zu Rech-
nimgsräten ernannt.

— Betriebsassistent Jofef Jung in Wiesloch wurde zur
Zentralverwaltung verseht.

— Finanzassistent Johann Arnold beim Kontrollbureau
der Domänendirektion wurde zum Revidenten bei bieser Stelle
crnannt.

Karlsruhe, 9. Jan. Der Großherzog nahni heute

vvrinittag halb 11 Uhr dcn Vortrag des General--
leutnants und Generaladsntanten von Müller entgegerr
und empfing sodann um 11 Uhr den Finanzminister
Dr. Bnchenbcrger znr Vortragserstattung. Jm Laufe
des Nachmittags und Abends hörte Scine Königliche
Hoheit die Vvrträge des Geheimerals Dr. Freiyerrn
von Babv und des Legationsrats Dr. Seyb. Für dcn
Abend folgen dic hvchsten Herrschaftcn einer Einladung
der Abteilung Karlsruhe der Deutschen Kolonial-Gesell-
schaft zu einem Vortrag des Generalmajors von Hoff-
meister über scine Erlebnissc in China. Diesem Vortrag
wcrden auch der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin
anwohnen.

Aus Stadt und LanS.

Heidelbeig, >0. Jauuar.

x Fkucrbestattuiig. Von der freien Vereinigung von Frcun-
den der Feuerbestattung erfahren wir, daß auf deren Veran--.
lassnng am Freitag, den 16. Januar, abends, in der Harmonie
Herr Dr. Weigt aus Hannover einen Vortrag über das ThemaZ
„Die Fenerbestatning in ihrer gegenwärtigen Gestalt und ihre
Borzüge vor der Erdbestattung vom hygienischen, volkswirt«
schaftlichen nnd ästhetischen Standpunkte aus" unter Vorfüh-
rung von Lichtbildern halten wird. Wir möchten jetztffchon
alle Freunde der Feuerbestattung und diejenigen, die sich über
diese hochinteressante Frage unterrichten wollen, insbesonderü
anch die Sterbekasscn-Vereine, auf diesen öffentlichen Bortrag;
aiifmcrksam machen.

I. Strafkammcrsitiung vom 9. Jannar. Vorsitzenderk
Landgerichtsdirektor Dr. W e st. Vertrcter der Grotzherzogl.
Staatsanwaltschast: Referendär Mickel. 1. Die Taglöhner
Mathäus nnd Leonhard Lauer von Schönau hatten es ver-
säuml, nach Verlassen ihrcr Arbeitsstelle im Heidelbergev
Stadtwald cin dort von ihnen angczündetes Feuer genügentz
zu löschen und zu dcckeu, so datz ein kleiner Waldbrand ent-
stand. Wegen fahrlässiger Brandstiftimg werdcn dic Ange--
tlagten zn je 40 Mk. Geldstrafe ev. zu jc 8 Tagen Gefängnis
vernrteilt. — 2. Der Kirchheimer Landfriedensbruchsfall ami
6. Jnli v. I. beschäftigte heute abermals das Gericht. Nach-
dem am fraglichen Abcnd die Vorgänge vor nnd in dem „Pfäl-
zer Hof" sich abgespielt hatten und eine Anzahl beteiligtev
Burschen verhaftet waren, sammelte sich vor dcm Ralhaus eins
aufgeregte Menge, m wclcher sich hauptsächlich der Zigarren--
macher Heinrich Kühni durch LärmeN herbortat. Als derselbe;
von Gendarm Glock verhaftet wcrden sollte, kam der Mauren
Georg Ronacher seinem Freunde zu Hilfe, tndem er den Gen-
darmen am Arm fatzte, fodatz es Knhni möglich war, sich fallen
zn lassen, wobei er dem Gendarmen Glock mit dem Messer
eincn niitzerst gefährlichen Stich in den Oberschenkel versetzte,
und zu entkommcn. Am 28. November v. I. wnrde Mihni
von der Strafkammer wegen Körperverletzung und Wider-
stands zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt. Heute hat sich der
20 Jahre alte Georg Ronacher von Kirchheim wegen Gefange-.
nciMfreiung, Widerstands und Bcgünstigung zu verantworten«
Dcs letzteren Vergehens hat er sich dadurch schnldig gemacht.
datz er das Messer, mit dem Glock gestochen wnrde, an sich
nahm, und zu verhcimlichcn suchte. Ronacher wivd der ihm
zur Last gelegten Vergehen schiildig befunden nnd zu 6 Mo-
naten Gefängnis abzüglich 6 Wochen Untersuchungshaft verur«
teilt. Jn dieser Angelegenheit bom 6. Juli sind numehr ins-
gesamt 10 Jahre 4 Monate Gefängnisstrafen ausgesprochen
worden. 3. Unter Ausschlutz der Oeffentlichkeit wird gegen den
19 Jahre alten Schlosser Wilhelm Rheiner von hier wegen
Kuppelei verhandelt. Der Angeklagte, welcher tm vorigeN
Sommer rm,d Herbst bielfach arbeitslos war und seinen Le-;
bensunterhalt sich als 'Ziihältcr zn' verschaffen suchte, wird ge-
mäh K 181a R.-St.-G.-B. zu 4 Monaten Gefängnis abzüglich
7 Wochen Untersuchungshaft vcrnrteilt; anherdem wird gcgen

Weujahr auf dem Detdt.

London, 2. Jamiar.

.. Der Bewohner des abgelegenen Dörfchens im fernen
I u d g f x stx g „ H g n Veldt feiert das Weih-
^achtsfest nur in sehr Leschränktem Maße. Der dort
llerrschende Calvinismus hat es mit stch gebracht, daß
wan das Weihnachtsfest, ähnlich wie bei uns Charfrei-
den ersten Osterfeiertag und' ähnliche Tage, mir als
wen kirchlichen Jesttag betrachtet, und so geht der Bur
>n ersten Weihnachtstage — einen zweiten oder gar noch
-> ^nnt er nicht — zur Kirche, singt seine Psalmen
uÜx ieine Predigt. Dann geht er wieder nach Hause
«o verbringt den Rest des Tages in tiesstem Schwergen,
seiner nnvermeidlichen Kafseetasse, und die einzige
mögliche llnterhaltung ist die über das, was er am

in der Kirche gehört hat.

^ormittag_

'^sders am Neujahrstage. Nachdem er noch am
^„"Pesterabend pw Lttrche besucht, und so das alte Jahr
Urdig beschlossen hat, betrachtet er den Anfang des
Jahres als ein sreiidiges Ereignis, und an diesem
san?^ ^istet er sich alle Freuden, nach denen sein ein-
teM? Gemüt nur irgend verlangen kann. Er trinkt,
sonst und küßt die dNädchen nnd der Predikant,

stell,

strengste Sittenrichter, den man sich nur vor-

IxOE" Eann, findet darin nichts Außergewöhnliches und
^i?Pumenswertes. Allerdings würde er selbst nie sy
deu> ^u^steigen von dem hohen Throne seiner Moral,
sauzen ist für ihn auch arn Neujahrstage ebenso
dem n ^ Fiedelspielen, aber er gestatiet wenigstens
beg;„ PsP an diesem Tage den Genuß. Das Vergnügen
den"^ früh am Morgen, wenn die Lerche trällernd
verkünbet, und die Sonnenstrahlen noch nicht

so sengend hernied'ergehen, als in den späteren Stundm.
Man muß nämlich bedenken, daß aus dem Veldt jetzt
Hochsommer ist, und ivenn früh am Morgen bald nach
Sonnenaufgang Spiel und Tanz beginnt, würde es der
gewöhntiche Europäer schon unerträglich heiß finden.
Aber die Familie dort unten auf dem Veldt ist daran
gewöhnt, und so wird auch bei dreißig und mehr Grad
im Schatten wacker das Mädchen im Reigen geschwenkt,
bis am späten Nachmittag eine längere Pause für die
Hauptmahlzeit des Neujahrstages eintritt.

Die ganze Gesellschaft begiebt sich in das Etzzimmer,
wo ein opulentes Mahl ihrer harrt. Das Piece de
resistence bildet ein köstlich gebratener halber Spring-
bock, sowie andere Fleischsorten mit einer würzigen dam-
pfenden Zwiebeltunke. Geflügel, gelber Reis mit Ro-
sinen, fett eingekochter Veldtkohl u. schließlich verschied'ene
Arten selbstgezogener Früchte, in Wein gekocht oder ein-
gemacht — gewiß eine Mahlzeit, die nicht nur einem
Südafrikaner schmecken mag. Unter den Getränken steht
alter Sherry obenan, sowie verschiedene Fruchtweine,
anch ein Tropfen Brandy für den, der ihn liebt — nnd
die meisten lieben ihn — fehlt nicht. Nachdem die Ge-
sellschaft durch alle diese Luxuriositäten gegangen, !vird
wiederum Kaffee in ungeheuren Quantitäten serviert, so-
wie ferner „black ghoo", der Veldt-Kakav, und der gold-
gelbe, aus Kräutern zubereitete Busch-Thee.

Jn der angrenzenden Küche haben die Dienstboten
eine gute Zeit. Durch die halboffene Tür strömt der
Schein des Feuers in den Raum, und während die
Mädchen die riesigen Delfter Schüsseln hin- und her-
tragen, kann man in der Küche die kleinen Kaffern-
jungen vergnügt an ihren Maiskolben knabbern sehen.

Wenn Lie Mahlzeit schließlich ihr Ende erreicht hat

und Ler Psalm gelesen und das Gebel gesprochen ist —-
das geschieht auch am Neujahrstage — dann treten die
eingeborenen Musikanten wieder ern, noch eifrig kauend!
nnd sich den Mnnd am Aermel wischend. Jn einem
Winkel des Zimmers setzen sie ssch nieder, um ihre Jn-
strnmente zu stinimen, der eine seine atte, abgenutzte
„Ramkie", die Guitarre, die so schauderhaft klirrt, unü
der andere seine qnietschende Geige. Das Orchester ist
primitiv, aber bei einigem guten Willen und lebhaftec
Phantnste — und beides hat der Bur am Neujahrstag«
— kann maii schließlich einen Dreitakt aus dem Geräusch
heraushören, nnd es dauert auch nicht lange, so schwingt
der betagte Hausherr seine nlteste und beleibteste Freun--
din lnstig im Zimmer nmher, voll jiigeiidlichlen Unge-
stüms von Zeit zu Zeit den Musiker zurufend: „Schnel-
ler, schneller!" Und die dnnkelhäutigen Musiker beschleu-
nigen ihr sogenanntes Tempo, die Geige qnietscht lauter,
die Guitarre vollführt ein unheiliges Gerassel, aber alleS
ist glücklich und zufrieden. Jn der Küchentür stehen die
Aladchen nnd die niedere Dienerschaft, Kaffern, Hund
iind Katze, alle voll Bewunderung zuschanend, bis sre
selbst rni Hofe sich demselben Vergnügen hingeben.

So geht es bis in die späte Nacht hinein. Es ist eben
der erste iind zugleich der größte Tag im Jahre — ein
Tag, an dem Stalidesunterjchiede und Nassenhaß in deir
Hintergrund treten, und an dem der Träger der Zivili-
sation selbst den Schwarzen als eine Art menschlichen
Wesens Zn betrachten geneigt ist. So vergnügt geht es
im Hanse zu, daß das Gebet und der Psalm nach dem
Abendbrot ordentlich merkwürdig klingt. Aber wer sollte
daran Anstoß nehmen — ist doch nur einmal im Jahr
Nenjahr!

14 Seiie«.
 
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