Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0929

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Monl-g, 1l. Mai 1W3

Erstes Blatt

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. PrciS niit Familienblättcrn monallich 56 Pfg. in's Haiis gebracht, bei der Expedition und dcn Zwcigstationen abgeholt 40 Pfg. Dmch dit Post

bczogcn vierleijahrüch 1.35 Mk. ausschlicjzlich Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ifpaltige Petitzeile oder deren Raum. Neklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Gejchäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigm
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernoinmcn. — Anlchlag der Inierate anf den Piackitlafeln der Heidelberger Zeitung nnd den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Der Kaiser und der Flottenverein.

Bcrlin, 9. Mai. Bei Gelegenheit der diesjährigen
Mitgliederversammlung richtete der Hauptverband der
deutschen Flottenvereine im Auslande an den
Kaiser, der damals in Rom weilte, nachstehendes Tele-
gramm: „Ew. Majestät bittet die im Reichstagsgebäude tagende
Mitgliederversammlung des Hauptverbandes deutscher Flotten-
vereine im Auslande das allerunterlänigste Gelübdc zu
Füßen legen zu dürfen, daß der Hauptverband fortfahren
wird, an den vaterländischen Aufgaben auf dem Gebiet der
Scewehr nach Kräften mitzuwirken. Adolf Fricdrich, Herzog
von Mecklenburg."

Hierauf ging vom Kaiser folgendes Antwort-
telegramm ein: „Adolf Friedrich, Herzog von Mecklen-
burg. Jndem ich Ew. Hoheit und dem Hauptverband mcinen
kaiserlichen Dank sür den Huldigungsgruß hiermit ausspreche,
wünsche ich gleichzeitig der Tätigkeit der dcutschen Flotten-
vereine, welchen ich mein lebhaftcs Jnteresse zuwende,
weiteren erfolgreichen Fortgang. Je fester die über die
Erde verbreitetcn Vereinc in sich zusammenhalten, je mehr
sie die Liebe zum Vaterlaude fördern helfcn, um so mehr
wird den Zweckendes Verbandes gedient sein. Wilhelm.I. Rü"

Das irische Landgesetz.

L o n d o!N , 8. Mai.

Unter den Fliesen der ehrwürdigen Westininster-Abtei
Muß es in der vergangenen Nacht unruhig zugegangen
sein, denn sicher hat sich der alte Madstone im Grabe um-
gedreht, als die von seinen politischen Feinden, von den
Männern, die keine Gelegenheit vorübergehm lassen, sich
über seine Jdeen u. Ziele lustig zu machen, als das von
diesen Männern eingebrachte irische Landgesetz in zwei-
ter Lesung mit der ungeheuren Majorität von 417 Stim-
wen angenommen wurde. Der Ersolg dieser Vorlage be-
deutet den endgiltigen Sieg des Uberalen Gedankens
in der englischen Politik, aber auch gleichzeitig den voll-
koinmenen Zusammenbruch der alten liberalen Partei.
Daß die Führer dieser einst so mächtigen parlamentari-
schen Gruppe angesichts dieses Schachzuges der Regierung
weiter nichts tun konnten, als nüt süßsaurer Miene dem
Gesetze zustimmen — nach eine kurzen, bedeutungslosen
Scheingefecht — wenn sie nicht für alle zukünftigen Wahl-
kämpfe den Beistand der irischen Nationalisten verwirken
wollten, ist im Grunde genommen nicht mehr und nicht
weniger als eine politische Bankrotterklärung. Jn der
gestrigen Debatte versuchte Mr. John Morley, zur Zeit
dielleicht der sähigste und geachtetste liberale Redner im
wiglischen Parlament, zu rettcn, was zu retten war, aber
k>as war eben nicht sehr viel. Es waren nur die Trüm-
wer eines ehemals fürstlichen Vermögens. „Das Gesetz",
sogte er, „ist keine bloße finanzielle Transaktion und kein
sckoßer Liausvertrag, es bedeutet eine Revolution, den Zu-
saminenbruch des Systems, nach dem Jrland seit der Ein-
berleibung in das britische Reich regiert worden ist. Das
Lanze System wird durch dieses Gesetz mit Stumpf und
Stiel ausgerottet werden." Mt einem gewissen Stolze

Kleine Zeitung.

Tarmstadt, 9. Mai. Der Zigarrenreisende Alsred
^s^niger aus Zeitlosf wurde heute Nacht am Main-Neckar-
^ahnhofe von einem Güterzug überfahren und lebens -
Üefährlich verlctzt.

. -— Müuchcn, 8. Mai. Me der „Btünch. Ztg." ans
^ alzburg gemeldet wird, verlautet am dortigen
^berhofmeisteramt, daß das Befinden der neu geborencn
Hvchter der Prinzessin Luise von Toskana noch immer be-
largniserregend sei, da das Kind sehr schwächlich ist
wid nür sehx wenig Nahrung zu sich nimmt. Wegen des
Awächlichcn Zustandes des Kindes sei die Taufe noch am
^age der Geburt vorgenommen worden.

... ^ 3»r Hundcrtjahrfcicr von Schillers Tcll plant man
^ar das Jghx igo4 in Altdorf eine Nufführung von Schil-
Tell. Auf Anregung der Rütli-Kommission soll
außcrdem auf dem Nütli oder vor dem Schiller-Stein am
Erwaldstätter See ein Weiheakt stattfinden, au dem sich
a^ «ängervolk der Urkantone beteiligen soll.

„ ^ Wie dcr chincsischc Hof mit der Eisenbahn reist.

us Peking schreibt man dem „Berl. Lok.-Anz.":
"Zuin zweiten Male benutzte am 3. April der chinesische
af die von den „fremden Teufeln" erbaute Eisenbahn,
uach der Hauptstadt der Nachbarprovinz zu gelangen.
. wser Wxg Peking—Paotingfu wurde schon Vorher ein-
al, aber in umgekehrter Richtung, von dem chinesischen
-Errscherhause auf der Rückreise nach jener denkwürdigen
^ ucht iai Jahre 1900 benutzt. Bereits damals waren

erklärte Mr. Morley, es sei nicht die konservative Politik,
die in diesem Gesetze triumphiere, sondern die liberale,
und er erinnerte das Haus daran, daß er in all den Jah-
ren voller Sturm und Drang für die Jren ein guter
Kämpfer und treuer Kamerad gewesen sei, — eine Erklä-
rung, die von den Nationalisten mit sitürmischen Zurufen
entgegengenommen wurde. Ddr. Morleys persöinlicher
Triumph ändert aber nichts mehr an der politischen Lage,
er macht die Tatsache nicht ungeschehen, daß die konserva-
tive Partei sich den liberalen Gedanken zu eigen gemacht
und siegreich durchführt. Allerdings sind noch nicht alle
Schwierigkeiten überwunden, die fmanzielle Seite Ler
Frage wird noch gar viele Worte und ein gut Teil Kopf-
zerbrechen kosten, und es ist sehr fraglich, ob nach Ableh-
nung von soundsovielen Abänderungsanträgen die Begei-
sterung der irischen Nationalisten noch dieselbe sein wird.
Wer nach Umschiffung aller Klippen dürfte die Vorlage
doch Gesetz werden, und 'damit die irische Frage für die
nächste Zukunft wenigstens erledigt sein. Damit wäre
den liberalen Politikern ihr bester Trumpf aus der Hand
genommen. _

Deutsches Reich.

— Als voraussichtlicher Nachfolger des Kriegs-
ministers v. Goßler wird in mehreren Blättcrn der
Direktor Les allgemeinen Kriegsdepartements im Kriegs-
ministerium, Generalleutnant v. Einem gen. v. Roth-
maler, bezeichnet. Die Nachricht findet, wie die „Köln.
Ztg." schreibt, in militärischen Kreisen vielsach Glauben
und würde lebhaft begrüßt werden, da der General sich
eines großen Ansehens erfreut. Göneral v. Einem, 1883
geboren, ist aus der Kavallerie hervorgegangen, wurde
1870 Leutnant im 14. Ulanenregiment und zehn Jahre
später zum Großen Generalstab kommandiert. 1882 zum
Hauptmann befördert, war er spätcr unter anderem Kom-
mandeur des 4. Kürassierregiments und dann Chef des
7. Armeekorps. Als Oberst wurde er Abteilungschef und
als Generalmajor Direktor des allgemeinen Kriegsdeparte-
ments. Jm Reichstage ist General v. Einem durch seine
Schlagfertigkeit und Gewandtheit hervorgetreten und hat
sich durch sein liebenswürdiges Wesen viele Freunde er-
worben. Der General ist verheiratet mit einer Tochter
des verstorbenen Generals der Jnfanterie v. Rothmaler,
dessen Namen fortzuführen dem Schwiegersohn erlaubt
wurde, da General v. Rothmaler keine mannlichen Erben
hinterließ.

— Das gegenwärtig vor Villafranca liegende ame -
rikanischeGeschwader wird Ende dieses Monats
nach KieIin See gehcn. Sein Chef, Admiral Cotton ,
hat bereits dahingehende Weisungen erhalten.

— Prinz Heinrichder N i e d e r I a n d e, der
Gemahl der Königin Wilhelmina, wird, der „Aach. Allg.
Ztg." zufolge, im Juli wieder in Aachen zum Kur-
gebranch eintreffen.

Badcn.

Karlsruhe , 11. Mai. Der Stadtrat gibt be-
kannt, daß derKaiser am Montag hier ankommt und
durch die Karl-Friedrichstraße nach dem Residenzschlosse

vom Kaiserhofe die Vorzüge und Annehmlichkeiten einer
Eisenbahnfahrt erkannt worden, und so entschloß man
sich denn auch dieses Mal für jene Beförderung. Mehr
als 180 Eisenbahnwagen waren nötig, um den Hof mit
Gefolge und Gepäck dem Bestimmungsorte zuzuführen.
Das Hauptarrangement lag in den Händen des englischen
Eisenbahn-Superintendenten Mr. Foley, dessen Bemüh-
ungen es auch zu verdanken war, daß alles glatt von
statten ging. Die Abreise vom Iung ting Tore war auf
neun Uhr vormittags angesctzt worden. Knrz vorher ent-
stiegen die Kaiserin-Wiiwe und der Kaiser auf kurze Zeit
nochmals dem Zuge und sandten nach Mr. Foley, welchem
sie sagen ließen, daß sie mit allen seinen Nnordnungen
höchst zufrieden seie'n. Sowohl die Kaiserin-Regentin wie
der Kaiser selbst machten den Eindruck, als ob ihnen die
Reise großes Vergnügen bereiten würde und sie gern wie-
der einmal im „Feuerwagen" fahren möchten. Die An-
ordnung der Wagen war recht interessant: Der erste Wa-
gen 1. Klasse war reserviert für Eisenbahndirektoren und
Jnspektoren, im zweiten und dritten Wagen befanben sich
Sänften und ähnliche Beförderungsmittel, der vierte war
der Salonwagen sür die kaiserliche Leibwache, im fünflen
befanden sich Mnister, im sechsten der Generalsekretär, im
siebten der Kaiser, ini achten der Viezekönig Auan-shi-kai
aus Tientsin, im neunten die Kaiserin-Witwe, im zehnten
die junge Kaiserin mit Gefolge, im elsten Prinzesstnnen
und Hofdamen, im zwölften und dreizehnten Eunuchen,
im vierzehnten nnd fünszehnten hohe Hofbeamte, im sech-
zehnten Pserde usw. Um 11 Uhr 10 Minuten hielt der

fährt. Der Aufenthalt des Monarchen ist nur auf einigs
Stunden berechnet. Man nimmt allgemein an, daß Kai-
ser Wilhelm dnrch seinen diesmaligen Besuch ani ba-
dischen Hofe die vor einiger Zeit verbreiteten Gerüchte
über V e r ft i m m u n g e n anläßlich des Rücktritts des
Erbgroßherzogs vom Kommando des 8. Armeekorps offi-
ziell dementieren wolle.

Bayern.

Pirmasens, 8. Mai. Die nichtorgani-
sierten S ch u h f a b r i k a r b e i t e r beschlossen in
einer heute Nachmittag stattgehabten Versammlung, die
Arbeit wieder aufzunehmen. Me organi-
sierten Arbeiter wollen heute Abe«d in der gleichen Sachs
einen Beschluß fassen. - Der Fabrikantenverein
wird morgen Vormittag zu den heute gefaßten Beschlüsserr
Stellung nehmen.

München, 8. Mai. Die „M. N. N." melden:
Das Proviantamt München strengt eine Belei-
d i g u« g s k I a g e gegen den Zentrumsabge»
ordneten Dr. Heim an.

Elsaß-Lothringen.

— Der einzige Sozialdemokrat im elsaß-
lothringischen Landesausschuß, „Gmosse" E'mmel, ahmte
vorigen Donnerstag bei Schluß der Session das Beispiel.
der Genossen im Reichstage nach: er verließ den Sitznngs-
saal, als die übrigen Abgeordneten begeistert in das Kai-
serhoch einstimmten. Abg. Seyller, der neben Herrn Em-
mel seinen Platz hat, erklärte, als das Hoch verklungen
war, auf den leeren Platz hinweisend, er habe sür zweis
gerufen. Allgemeine Heiterkeit und Beifall folglen dieser
Erklärung.

Straßbnrg, 9. Mai. Uebergrobe AuSschreitungeir
streikender Bauarbeiter wird dem „Elsässer" ge-
meldet: Am Mittwoch Vormittag gegen halb zwölf jaud
un einem Neubau an der Aloysiusstraße eine Schlägerei
statt zwischcn streikenden Arbeitern und ihren arbeitenden
Kollegen. Erstere wollten die Arbeiter nnt Gewalt von
ihrer Arbcit abhalten und schlugen, als diese auf ihre
Aufforderung keineswegS reagierten, mit Knütteln auf
dieselben los. Die von einem Zuschauer telephomsch
herbeigerufene, acht Mann starke Schutzmniinschaft mußte
blank ziehen, um die Streikcnden zum Einstellen der Tät-
llchkeiten zu bringen. Einer der Helden, der einen Schutz-
mann angegriffen hatte, wurde sofort verhastet und in
sicheres Gewahrsam gebracht. — Eine schr schlimme Be-
gegnung hatteu gestern Abend gegen halb acht Uhr einige
nach ihren Behausungen strebende Arbeitende mit einer Schar
Streikender in der Schirmecker-Wallstraße. Die hatten dort
mit Stöcken bewaffnet auf die ahmmngslosen Arbeiter
gelanert. Es entwickelte sich eine kurze, aber regelrechte
Schlägerei, bci welcher beide Teile ihr Fett abbekamen.
Einer der Streikendcn hat ein stark blutendes Loch davon-
getragen, während einer der Arbeitenden unter den ihm vow
seinem Gegner ausgeteilten Fußtritten in den Unterleib
znsammenstürztc u»d sich nicht mehr erheben konnte. Durch,
zufällig des Weges kommendes Militär wnrden die Strei-
kenden auseinander gejagt.

Zug in Kaopeitien, wo eine Stunde Aufenthalt war und
das Mittagessen eingenommen wurde. Dann erfolgte dis
Weiterreise, und 1i/2 Stunden darauf langte der Hofzug
während eines Staubsturmes in Hsiling an. Hier wurde
die Fahrt unterbrochen, um die in der Nähe befindlichen
Käisergräber zu besuchen. Jn Anbetracht des schlechten
Wetters jsdoch blieb der Hof im Palaste von Hsiling über
Nacht, um erst am folgenden Morgen die nlten Gräbeu zu
besichtigen. Der Weg zu diesen wurde in Sänften zurück-
gelegt.

— Die Schwester der jungen Großherzogin VSn Sach-
sen-Weimar, P r i n z e s s i n E m m a v 0 n R e u ß ä. L.,
wird sich, wie schou gemeldet, am 14. ü. Blts. mit dem
Grafen Kü n i g l - E h r en b u r g vermählen. Die
Vermählungsfeier wird nach folgendem Programm vor
sich gehen: Am 12. d. M. findet im fürstlichen Residenz-
schlosse zu Greiz große Frühstückstafel und uachmittags
ein Festdiner slatt, dem am 13. uachmittags wiederum^
ein Diner folgt. Am 14. Vormittags wird die standes-
amtliche und unmittelbar darauf die kirchliche Trauung.
durch den Greizer.Superintendenten Gerhold vollzogen.
Den Schluß der Feierlichkeiten bildet eine Abschieds^Gala-
tafel, worauf das neuvermählte Paar eine längere Ver-
gnügungsreise antritt. An der Hochzeit werden u. a. auch
der Größherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar so-
wie seine Gemahlin, geborene Prinzessin Karoline vom
Reuß ä. L., teilnehmen.
 
Annotationen