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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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45. Jahrgang. — .U 15

Montag, 19. Januar 1903. Geftes Blertt.

Srscheint täglich, SvnntagS ausgenom^ren. Preis mit FmnilienblAtern monatlich 50 Pfg. in'S Haus georacht, bei der Expedition und den Zweiganstaltcn äbgeholt 40 Pfg. Durch

die Post bczogen vierteljährlich 1.36 Mk. ausfchlietzlich Zustellgebühr.

A n z e i g e n p r e i s: 20 Pfg. fur die Ifpaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzcigen erulätzigt. — Für die Aufnahme von Anzeigeu
an beitimmten Tagen wird keine Vevantrvortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Deutsches Reich.

Berlin, 17. Jan. Dcr Kaiser unternahm gestcrn
nachmittag cine Ausfahrt mit dem Prinzen Max von
Baden. Heute morgen machte der Kaiser einen Spazier-
gang im Ticrgarten init dcm Prinzen Heinrich nnd
ernpstng vormittagZ die Präsidien des Herrenhauses und
des Abgeordnetenhauses. Sodann nahm der Kaiser im
königlichen Schtosse mit den hier angekommenen kapitel-
sähigen Rittcrn des Schwarzcn Adlcrordens die
Änvestitur der neu aufzunehmenden Nittcr vor und
hielt ein Kapitel des Ordens.

-Die Verhaftung des znr Disposiston stehen-

^en K o r v e t t e n k a p i t ä n s R. Kayser ist, wie
äein „Berl. Lok.-Anz." mitgeteilt wird, in Wilhelms-
haven erfolgt, weil sich Nnregelmäßigkeiten in der Ver-
bralsting der ihm anvertrauten Dienstsachen herausge-
stellt haben. Ob die Verdachtsmomente, Lie zur Verhaf-
mng gesührt haben, durch die inzwischen vorgenommenen
Erniittelungen entkräftet sind, mnß abgewartet werden.
Kapitän z. D. Kayser selbst hat in Bricfen und Tele-
llrammen an seine in Charlottenburg ivohnende Familie
her srsten Zuverficht Ausdrnck gegeben, daß cr von dem
sthwer auf ihm lastenden Verdacht alsbald befreit und in
stirzem m der Lage sein würde, zn seiner Familie znrück-
Zukehren. Herr Kayscr hatte sich von dort zu Anfang
^ieses Monats nach Wilhelmshaven zur Dienstleistnng
hegeben. Seine Gattin folgte ihm nach, ist aber nach
stiner Jnhaftnahme nach Charlottenburg bezw. Halber-
stodt zurückgekehrt.

— Dem ReichZtage ging ein Aiitrag Oriola-Roon
Zu, den Reichskanzler zu ersuchen, das scit Jahren erwartete
Dkili tä rp en s> on s g esetz noch in dieser Session dem
Reichstage vorzulegen.

Kiel, 17. Jan. Das Geschwadcr-Änegsgericht hat
i>en Kapitän zur See Wallmann wegen sahrlässiger
Herbeifnhrinig der Strandung des Linicnschiffes Wittelsbach,
sbodurch cine erhebliche Beschädigung des Schiffes entstandcn
stt, zu dreiwöchigem Stubenarrest oerurtcilt.

Deukscher Weichstag.

Berlin, 16. Jan.

Jnterpellation Rösicke-Dessan (freis. Vg.) darüber,
^elche Maßnahmen zur Feststellnng des Begriffes „M alz-
6er ste getroffen werden sollen.

Staatssekretär Frhr. v. Thielmann erklärt sich zur
sofortigen Beantwortnng der Jnterpellation bereit.

. Mg. R o e s i ck c - Dessau: Der Begriff „Malzgerste" sei
ourch dre Beschlüsse des 13. Dezember in die Gesetzgebung ein-
Nührt worden und müsse von den dafür verantwortlichen
^tellen erläutett werden. Weder der Reichskanzler, noch die
^ehrheitsparteien hätten dies abcr bisher getan. Nachdem
stni (des Redners) offener Bricf an den Reichskanzlcr eben-
Blls unbeantwortet geblieben sei, köime man es nur durch
Pnterpellation erfahrcn. Das Braugewerbe müsse ersahren,
AUs Makz- und was Futtergerste sei. Bisher habe der Reichs-
^nzler eigentlich nur zu den Mehrheitsparteien gesagt: Küm-
UUrt Euch um nichts; wir werden dafür sorgen, datz keine Fut-
^rgerste hereinkommt. Die Grotzbrauereien würden vou den
°Aindestzöllcn auf Braugerste am wenigsten betroffen, wohl
0"rr die mittlcren und Ileinen Betriebe. Erstere haben eher
ffsch Votteile davon. Das Beste wäre gewesen, die Mindest-
solle fllr Gerste überhaupt zu streichen, um dadurch freie Bahn

für die Handelsverträge zu schaffen. Redner kündigt schlietzlich
an, er werde Proben von Braugerste und Futtergerste auf den
Tisch des Hauses niederlegen, dann könnten die Landwirte den
Unterschied hier fesfftellew

Staatssetretär Freiherr v. Thielmnnn: Die Jnter-
pellation geht von der Annahme aus, datz Malzgerste und
andere Gerste nach den Handelsverträgen einem verschiedenen
Zolle unterliegen lollen. Datz aber Futtergerste billiger tari-
fiert werden soll als Malzgerste, sagt weder der Tarif noch das
Tarifgesetz. Die Regierung ist in kciner Weise genötigt, an-
deren Mächten einen niedrigeren Zollsatz für Futtergerste auf
dem Präsentierbrette entgegen zu bringen. Auf die Frage,
welche Matznahmen zur Unteffcheidung der Malzgerste von
anderer Gerste getroffen werden sollen, gehe ich hier nicht ein,
denn solche Mahnahmcn werden gegenwättig durch keinen
zwingenden Grund gefordert. Uebrigens halten eine grotze
Anzahl bon Fachleuten die Unterscheidung, falls erforderlich,
sür leicht.

Jn der Besprechung der Jnterpellation erklärt Abgeordneter
Graf Stolberg (kons.), die Konservativen seien durch die
Antwort des Staatssekretärs vollkommen befrredigt.

Abg. M ü l l e r - Meiningen (sreis. Vp.): Aus einer
Differenzierung der Gerste wird niemand Nutzen ziehen; das
Brauereigewerbe wird ungefähr 80 Millionen Mark Schaden
erlciden; auch die Geffte kaufende Landwirtschaft hat Schadcn
durch die Unsicherheit. Die Regierung hat in der Frage ihre
Unfähigkeit gezeigt.

Abg. Dr. Jäeger (Zentr.) erklärt, das Zentrum sei
durch die Antwott des Staatssekretärs zufriedengestellt.

dlbg. Wurm (Soz.) bezeichnet die Antwott des Staats-
sekrctärs als leere Ausflüchte

Abg. Gamp (Rp.) ist mit den Ansführungen des Staats-
sekretärs zusrieden.

Abg. Dr. Sattler (natlib.) hält die ganze Frage gegen-
Ivärtig noch nicht für dringend.

Abg. R o e s i ck e - Dessau bedauett, dah die Grotzbrenne-
reien eine so ungenügende Auskunst erhalten HLtten. Es sei
so weit gekommen, datz man Gesetze mache, Lber deren Sinn
sclbst diejenigen, die dafür gestimmt hätten, nicht klar seien.
Die Regierung habe sich vor der ganzen Welt blamtett.

Aüg. Nihler (kons.) drückt seine Freude aus über die
Erklärung des Staatssekretärs.

Nach Bcmcrkungen dcs Abg. Dr. Barth (freis. Ver.),
der die Zolltarifbeschlüsse des Hauses einen Rechtsbruch nennt
nnd vom Präsidentcn zur Ordnnng gerufen wird, und des
Wg. Dr. Sättler (natlib.) folgt die Berastmg der Re-
solution Herold betreffend die Bedachtnahme auf aus-
reichende Schuhzölle für landwirtschaftliche Erzeugnisse und
betrefsend die Zuziehung von landlvirtschaftlichen und indu-
striellen Sachverständigen bei den Handelsvertragsverhand-
lungen. Hierzu liegt ein Abänderungsantrag Broemel (fr.
Ver.) vor, der den ersten Teil der Resolntiyn stveichen, den
zweiten abandern und auch Vertreter der Konsumenten zu-
ziehcn will.

Nachdem Abg. Herold (Zentr.) die Resolution begrün-
det hat, wird die Bevatung abgebrochen.

Nächste Sitzung Montag 1 Uhr: Effte Lesung des Ctats.

Sachscn.

Dresden, 17. Jan. Die katarrhalischen Er-
scheinungen bcim König sind noch nicht vollständig
geschwunden. Der Schlaf ist dnrch Hnften noch öfter
gestört, aber die Kräfte nehmen weiter zn. Die Nahrungs-
aufiiahmc ist recht befriedigend.

Prerrßc,.

Berlin, 17. Jan. Der dem Lnndtage zngegangene
Gesetzentwurf über die Befähigung zum höheren Ver-
waltnngs dien st bestünmt in der Hauptsachc, daß der
Referendar nach i eunmonatigem Voibereitungsdienst beim

Anitsgcricht zuin Regicrimg-'referendär ernannt wird und
sodann einen 3'/ffährigen Vorbereitungsdienst bei einer
Verwaltung durchzumachen hat. Jeder inuß bei einem
Landrate, einer Regierung, einem Bezirksausschuffe und
außerdem bei einer Selbstverwaltungsbehörde (Bürgeruieister,
Landwiitschaftskammer, Handelskammer ic.) beschäftigt
werden. Die Vorbereitung beim Amtsgericht kann unter
Verlängerung der Verwaltungsbordereitung von den Riinistern
des Jnnern, der Finanzen nnd der Znstiz herabgesetzt
werden. Tie Begründung führt aus: Die angestellten Er-
I wägungen führten dazu, das in Preußen altbewährte System
, besonderer administrativer Vorbildung der höheren Ver-
i waltungsbeamLen beizuhalten. Jn theoretischer Hinsicht sollen
, die Rcferendare veranlaßt werde», ihre wissenschastlichen
; Kenntnisse, nainentlich aus dem Geb ete der Staatswissen--
schaften, zn vertiefen.

Auslanö.

i Oesterreich-Ungarn.

Wien, 17. Jan. Die vorgestern um 11 Uhr be«
gonnene Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde
heute Nachmittag 5 Uhr geschlossen. Abzüglich der
gestrigen vierstündigen Unterbrechung danerte sie 50
S t u n d e n.

Ar. Aosenkranz

Heidelberg, 19. Januar.

Gestenr Nacht starb nach kurzem schweren Leiden Her,
Nlusikdirektor Fr. Rosenkranz.

Mit ihm scheidct erue allgemein beliebte und in weiten
Kreisen bekannte Persünlichkeit aus dem Leben, dem alle, dte
ihm im Leben nähvr traten, bei seinem biederen aufrichtig?i«
Wesen Frenndschaft entgegenbrachten.

Jn Halle am 21. April 1818 geboren, war er bis zu seinem
Tode in seinem Berufe tätig und noch vor wenigen Wocherr
erlebte er die Freude, datz feine letzte Arbeit „Jm Lager", eüre
Dichtung für vierstrmmigen Chor uird Fanfareiweglcitung, in
jtarlsruhe mit grotzeir Beifall mrfgenommen wurde. Nmh
einer harteri Lehre in Quedlinburg, wo er fast in allen Jnstrn-
menten ausgebildet wurde, kam er Arffang der Vierzigerjahvo
als erster Flörist an das Hostheaterorchester in Mannheim. Jm
Jahre 1849 wnrde er zum Militärkapellmeister des 27. preutzi-
scheir Jnsanterieregiments ernamrt und machte rn dieser Eigen-
schaft den badischen Feldzug mit und war dan» läirgere Zeit
mit scinem Oiegiment in Konstanz stationiert.

Er folgte später dem Regiment nach Biagdeüurg. Jn dieser
Stellnng entfaltete Rosenkranz nun eiire Tätigkeit, welche
rhn bei allen deutschen Mrlitärmusiken bekannt machte, tndem
er nebeir seincm Berufe Militärmärsche komponierte und mit
besonderem Geschicke Musikstücke für jede Besehung arrmr-
gierte. Der Name Roscnkranz figuriert heute noch im Jn- unb
Anslande aus den meisten Programmen der Militärkapellen
irnd ivas er hier in dieser Richtung geleistet hat, ist in -llev
Gedächtnis. Jn seiner Stellrmg als Kapellmeister in Magde--
burg, infolge seiner Vielseitigkeit in seinem Berufe, wurde
Rosenkranz mit allen musikalischen Berühmtheiten seiner Zeit
bekannt.

Seine berühmte Fanfare zum 1886er Festzug war eine
ganz hervorragende Arbeit, wenn auch leider die Jnstrnmente
samtPattitur nach auswätts vergeben wurden und sie hrer nicht
mehr gespielt werderr kann; sie kommt heute am kaiserlichen
Hofe bei fcstlichen Anlässen zur Geltung, und es erlebte der
Berstorbene nöch aus seinem letzten Krankenlager die grotze
Ehrc, datz dnrch dic Vermittlnng des italienischen Gesandten

Konzert von Madame Ouitöert.

Heidelberg, 19. Januar.

Srnd die Vorträge von Mme. Avette Guilbert gesang-
, we oder rhethorische? Wer die berühmte Knnstlerin dcs Bret-
am Samstag gehört hat, wird nicht darüber im Zweisel
^üeben sein, datz sie als Künstlerin des Wortes aufzufassen
har bezeichnen ist. Man merkt es kaum, datz sie singt; man
^ zwar die Empfiirdung, datz ihre Deklamation musikalisch
Noüen ist, aber das ganze Jnteresse hängt doch an ihrem
Awtt. Mit ihm arbeitet sie, mit ihm triumphiert sie. Nun ist das
A?tt an sich nur ein Werkzeug, das, wie wir alle wissen, oft
^wperhast gcnug verwcndet wird; erst der Geist macht es
oendrg, erst die Empfindung giebt ihm Kraft. - Veffteht je-
ko^ ^eist und Empfindnng in seinen Vortrag zu legen, so
er 5 ^ stcher sein, Eindruck zu machen. Aber damit gelangt
erst zur Schwelle; in die Halle der sieghaften, der be-
Z..wgenden Kunst karrn ihn nrrr der küirstlerische Sinn lerten.
h chcho nun ist ohne Zweifel bei Mme. Guilbert in grotzer Stärke
^FHanden. Jhr Gcbict mag bcschränkt sein, nur das Episodische
^uiassen, abcr in diesem ihrein Reich Herrscht sie mit voller
. Uderz„^tU Wie sie den Geist der Gedichtchen erfatzt nnd

ill .. w» oura) A

s^?uiibxttrefflich. Jhre Sprache ist ivohllmüend, klar und
jede^' >ver ^es Französischen minder mächtig ist, faht
üb- auf. Für wuchtige dramatische Kraftstellen veffügt sie


was man bei Franzosen nicht häufig

Und* ^hyung, einem Wechsel im Tonfall zu malen versteht
Wen ^ ^ mü lebendigem Miencnspiel, mit Kopf und Ar-
Mit dem ganzen Körper mithilft — das ist in der Tat
dai,F. Jm Lebenslanf der Madamme Guilbert lesen wir,
sich große Gchniierigkeitcn zu überwinden hatte, ehe sie
ter sisltung durchrang. Vergeblich versuchte sie am Thea-
zu machen; ihre äutzere Effchernung war ihr
sig ninr» ^ ^rotz und eckig, mit derben Gesichtszügen, brachte
"rcht jene bestechende äußere Erscheinung mit, die ihrer

llnd nnn, wie sie die Sprache handhaüt, wre sie mit

Besitzeriii den Bühnenweg so sehr erleichtert, aber ihr Genre hat
ihr Bahn gebrochen, nnd seit einer Reihe von Jahreir wrrd sie,
wo sie auftritt, sehr gefeiert. Sie rst ein Liebling des Publr-
kums, spezrell des Pariser, geworden. Uebrigens rst rhr die
Zeit günstig gcivesen; heute als 3S-Jährige (morgen rst ihr
3'5. Geburtstag), da man den ersten Jugeirdschmelz nrcht von
ihr verlangen kann, darf man sie als eine wohl konserviette,
interessante Dame bezeichnen. Auffallend rst ihr rotes Haar,
inmassigem Aufbau krönt es die hohe Geftalt der Künstlerin.

Das Rcpertoire der Madame Guilbert wies nenn Vor-
träge auf, einige rnhrende, wie „La Glu" rurd die „Legende vom
heilrgen Nikolaus", die affderen leichtlebigen Genres, 'der
letzte ein Sang aus der Pariser Ballonmützenwelt. Fm Frarr-
zosischen lätzt sich vieles leichthin sagen, was im Dcutschen
schwcr rmd massiv ins Ohr klingt; das hat mair dnrch die Vor-
träge von Madame Guilbett bestätigt erhalten. Die Erinne-
nmgcn der Grotzmnttcr, zum Beispiel, die ihren Enkelümen
erzählt, daß sie zwei Schätze erhötte, und eüren dritten, den
Grotzpapa heiratete, würden sich, aus Deuffch vorgetrageN, wohl
etwas bcdenklich ausnchmcn. Als fein ansgearbeitete Proben
französischer Vortragskunst werden die Vortrage von Madame
Guilbert den Zuschauern gewiß dauernd im Gedächtnis blei-
ben. Umrahmt wurden ste bon unserem Orchester in künstle-
rischer Weise mit Ranken französischer Musik. P. L4.

Siadltyeater.

Heidelberg, 19. Fanuar.

„Boccaci o." Operette von Fr. v. Supp 6 e.

Bei dem ziemlichen Mangel cm neuen guten Operetten rst
es noch immer am zweckmätzigsten, auf die bewährten alten
znrückzngreifen, und so hatte denn aüch gestern Wend der einst
so gefeiette und anch heute noch zugkrästige „Boccacro" c'das
Thecrter vollitändig gefüllt. Das unstreitig zu Suppäes bcste»
Schöpfungen zählende Werk enthält viel packende nnd ori-
ginelle Züge. Abgesehen von den längst bekannten Vorzügen

dcsseiben möchtc ich heute nur auf die eigcnartigen Szenen dcs
Bncherkolportenrs im ersten Akt hinweisen, die mir als eine
ganz artige Vorahnung der „Cris de Paris" in Charpentrers
„Lnise" erscheinrn. Die Operette stellt hohe Ansprüche an ein
zahlreiches Personal, verlangt vor allem von dcmselben tüchtiges
musikalisches Können und jene Verve im Spiel, die dem Ope-
rettenstille ebenso rmentbehrlich ift als sie selten angetroffen
ivird. Meist mntz man sich — irbrigens anch an grötzeren
Biihnenl — mit Anfführungen begnügcn, die srch te'ils vom
Stil der Oper nicht fveimachen können, teils-in maßlose Ueber-
treibungen ansarten, die eher in den Zirkus als auf dre
Bnhne gehören.

Der mnsikalffchc Teil der gestrigen Aufführung (Direktron
Kapellmeister de Klark) gelang im ganzen löbenswett.
Kleine Unkorrektheiteii, verspätetes Einsetzen nnd dergleichen
in den zicmlich schwderigen Ensemblesätzen mögen der geringen
Zcit zngeschrieben werden, welche im allgemeincn dem Ein-
süidieren derariiger Werke vergümrt ist. Von den Darstellerir
zcichnctc sich Fräulein Koppenhöfer in der Titelrolle,
Herr Schneider als Lambertuccio und Herr Sorelli
als'Lotteringhi besondcrs votteilhaft aus. Fräulein T ollack
(Fiamctta) sührtc ihren Gesangspatt in höchst ansprechender
Weise ans, fühlte sich jedoch in dem Operettenmilien offenbar
rccht b-ängstigt, währcnd Fränlein Kaltenbach (Jsabella)
sich damit besser zurecht fand. Der Prinz des Herrn Krone
dessen Komik recht gezwungen erscheint, der Scalza des Herrn
Feldner nnd dic mitunter allzu karrikicrte Peronclla der
Fran Fischer fügten sich im übrigen dem Cnsembke harmo-
nisch ein. Die zahlreichen Neben- und Episodenfignren waren
durchweg gnt vettreten und der Gesamteindruck des WetteK
auch bezüglich der Jnszenierung ein befriedigender. Eine zeit-
weise ausbrechende allzu merkbare Heiterkeit unter den
wirkenden auf offener Szene, wie in letzter Zeit manchmal vor-
kommt, sollte besser unterbleiben. Derlei kann bei Lffbhaber-
vofftellungen entschuldigt werden, rncht aber anf dem Theater.
das ernst gcnommen sein will. O. 3.
 
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