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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Djenstng, 28 April 1903.

Grstes Blatt.

45. Ja-rnanff. — .N 98.


Arscheint täglich, Sonntags ausgenomm-en. Pveis mit Kamilienbläüern monatlich 60 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigmrstalten abgeholt 40 Pfg.

die Post bezogen vierteljährlich 1.36 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

NnzeigenpreiS: 20 Pfg. fLr die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Kür hiesige GeschäftS- unb Privatanzeigen ermätzigt. — Kür die Aufnahme von
an bestinnnten Tagen wird keine Vernntwortlichkeit Wernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den ftädt. Anfchlagstellen. Fernsprrcher 88.

Der König von England und der Vatikan.

Der bevorstehende Besuch König Eduards VII.
Don England inRom hatte die Möglichkeit in den
Bordergrund der Erörterung gebracht, daß sich dieser Be-
fuch auch auf Vatikan und Papst ausdehnen werde.
Besuch erfordert Gegenbesuch. Wo aber soll der Papst
bezichentlich sein Vertreter, der Staatssekretär Kardinal
Rampolla, den König aufsuchen? England sagt nach
allgemein giltigem Völkerbrauch: Jn dc)p britischen Bot-
schaft zu Ronn Die Grrindstücke der Botschaften und- Ge-
sandtschaften gelten nämlich als Gelände, das zu dem be-
treffenden, da vertretenen Lande gehört. Nun hat aber
Großbritannien in Rom nur einen Botschafter, der beim
König von Jtalien beglaubigt ist und in der Straße mit
dem für das päpstliche 'Weltherrschertum so verhängnis-
vollen Namen „Vla venti sstttzinbre" bei der Porta
Pia wohnt; dort zogen nämlich am 20. September 1870
die Jtaliener in das „von der Papstherrschaft befreite
Rom" ein. Der Name allein tut es freilich nicht, sondern
die päpstliche Kurie hält überhaupt an der Fiktion fest,
daß das italienische Königtum überhaupt nicht oder doch
nur als Feindesland besteht, also auch eine englische Bot-
schaft bei sich nicht beglaubigt haben kann, oder daß diese
doch nur als auf feindlichem Gebiet wohnend zu denken
sei. Andere Staatsoberhäupter, die beim italienischen
Königsstuhle und beim päpstlichen Stuhle je besondere
Vertreter haben, konnten bei ihren Besuchen des Papstes
stets das Haus ihres Vertreters beim päpstlichen Stuhle
als Ausgangspunkt und dann als Ort der Entgegennahme
des Quittungsbuches benützen. Jn ähnlicher Lage, wie
heuer König Eduard, war voriges Jahr der S-chah von
Persien. Diesem mutete man zu, er solle den Besuch beim
Papste vom Hause eines beliebigen Privatmannes aus
unternehmen, während er dabei blieb, daß er seinen Ver-
treter in Rom habe, dessen Haus für die Sache vollkom-
.men genüge. Für König 'Eduard hatte manl vom Vatikan
aus vorgefchlagen, er solle als Absteigeguartier zwischen
Königspalast und päpstlichem Stuhle wählen entweder den
Palazzo des schottischen Peers, Fürsten Giustiniani Ban-
dini, oder das englische Priesterkollegium oder den Pa-
lazzo des Fürsten Massini, dessen Gast der König schon vor
dem Fahre 1870 gswesen 'war. Schließlich hatte sich auch
no-ch eine englische Zeitung gefund-en, die vorschlug, der
König solle sich vom Königshofe und feiner Botschaft
völlig verabschieden und den Besuch beim Papste auf dem
Wege zum Bahnhofe machen. Die Engländer waren wü-
tend über diese ihrem König zug-emutete Faschingsrolle;
sntschieden ist jedoch in dieser Frage, die den erstaunten
Leser im Geiste um einige Jahrhundert-e zurück oder nach
China versetzt, noch nichts. Nur das eine steht fest: König
Eduard kommt nach Rom und will sowohl den König Vik-
tor Emanuel II. als auch den Papst Leo XIII. besuchen.
Sehen wir zu, meint 'd-ie „Straßb. Post", wie ihm das
gelingt.

Neuerdings haben, wenn d-er Berichterstatter des
„Temps" recht unterrichtet ist, üie Nerhandlungen zu
einem beide Teile mehr oder weniger befriedigenden

Kleine Zeilung.

— München, 26. April. Der Kunstschriftsteller Fried-
wich Pecht ist gestern Abend gestorben. Friedrich
'Pecht, geboren 2. Oktober 1814 zu Konstanz, wid-
mete sich zuerst in Münch-en und Dresden der Lithogra-
phie, um sodann in Paris bei Delaroche die Malerei zu
betreiben. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland lebte
er in v'erschiedenen Städten, um sich 1864 dauernd in
München niederzulasse'n. Dort entfaltete er eine rei-che
ckünstlerische Tätigkeit, die er mit den in 'Gemeinschaft mit
iFr. Schwörer im 'Konziliumsaal zu Konstanz ausgeführ-
ten, die Geschichte der Stadt darstellendeN! Fresken be-
schloß, um si-ch alsdann ganz der Kunstschriftstellerei
zu Wrdmen. Erwähnt seien daraus seine Kunstkritiken der
Ausstellungen zu Paris urid München, das vierbändige
Werk „Deutsch-e Künstler des 19. Fahrhunderts", „Die Ge-
schichte der Münchener Kunst im 19. Jahrhundert" und
„Aus meiner Zeit". Pecht, der auch die „Kunst für Alle"
sherausgab, hatte das Prädikat eines badischen Hofmalers.

— Hamburg, 26. April. Ein Neger aus
D e u t s ch - A f r i k a, der seit längerer Zeit hier wohnt,
:hatte sich hier als Reserve-Jnsanterist 'bei der Kontroll-
versammlung zu stellen. Sein Erscheinen erregte ziem-
liches Aufsehen. llnser überseeischer Landsman'n, der gut
deutsch spricht, erschien in seiner Kleidung mit Zylinder-
Kut.

— „Nicdcr knie ich nicht!" Plauen i. V., 24. April.
iEine ungezogene Tat, die erfreulicherweise nur selten öor-

Ergebnisse geführt. Danach hat der Papst den Kardinal-
Staatssekretär mit der Mitteilung beauftragt, daß er sehr
glücklich sein werde, den König zu empfangen. Rampolla
habe dann mit englischen Würdenträgern der katholischen
'Kirche zu unterhandcln angefangen; ein Brief vou ihm
sei durch diese Prälaten 'dem britischen Botschafter am
königlich italienis-chen Hofe überreicht worden. Jnfolge
dieses Briefes habe König Eduard dem Vatikan amtlich
melden lassen, daß er nächsten Mittwoch dem Papste einen
Besnch abstatten werüe. Es wurde a-bgemacht, daß dieser
Besuch in den ersten Nachmittagsstund'en erfolgen solle.
Nach dem Besuch wird König Eduard in die englische
Botschaft zurückkehren und dort ein-er „Garden party"
beiwohnen, zu welcher die englisch-e Kolonie in Rom, Laien
und Geistliche der verschiedenen Konfesstonen, eingeladen
'ist. Wenn diese Darstellung zutrifft, so hätte man im
Vatikan mit der bisherigen Tradition gebrochen, wonach
unmittelbar aus dem Kreise des „feindlichen" oder für
die Kuris überhaupt nicht vorhandenen königlich italie-
nischen Thrones niemand zum Papste kommen konnte.

Deutsches Reich.

— Ueber die A u s st a n d s b e w e g u n g in
Deutschlan-d während dss Ja-Hres 1902 veröffentlicht
das neue „R e i ch s a r b e i t s b l a t t" eine Zusammen-
stellung. Darnach wurden im Jahre 1902 in Deutschland
im ganzen 1060 Streikes beendet gegen 1066 im Vor-
jahre. Vo'n diesen 1056 Streikes wurden 3437 (im Vor-
jahre 4861) Betriebe mit 63 912 streikend-en Arbeitern
betroffen. Gezwungen feierten in diesen Betrieben 6272
Arbeiter. Den bedeutendsten Anteil hatte das Baugewerbe
mit 467 Streikes und 27 330 Streikenden. Vollen Er-
folg hatten 228 (im Vorjahre 220), teilweifen 235 (im
Vorjahre 285), keinen Erfolg 697 (671) Streikes. Aus-
sperrungen wurden im Jahre 1902 in Deutschland 46
beendet gegen 36 im Vorjahre. Ausgesperrt wurden hier-
bei 10 306 (im Vorjahre 6414) Arbeiter und außerdem
wurden 207 (95) 'Arbeiter infolge der Aussp-errungen
zum Feiern gezwungen. Von den 46 bsendeten Aus-
sperrungen hatten 30 vollen, 7 teilweisen und 9 keinen
Erfolg.

— Jn Königsberg in der Neumark starb am 26. ds.
der Botschafter a. D. v. KeudelI im Alter von fast 80
Jahren. Robert v. Keudell war am 27. Februar 1824
in Königsberg geboren. Nach Absolvierung des jurissi-
schen Studiums trat er zur Verwaltung über. 1863 wurde
er als Hilfsarbeiter ins Ministerium 'des Auswärtigen
berufen, und hier schloß er sich bald Bismarck besonders
an, dem er nach Schleswig, Böhmen, ins Hauptquartier
nach Versailles folgte. 1864 wurde er Vortragender Rat.
1869 Geh. Legationsrat, 1872 außcrordentlicher Gesand-
ter in Konstantinopel, 1873 ir: Rom und 1876 Bots-chaf-
ter in Rom. Bis 1887 hat er diesen Botschafterposten
ausgefüllt. Keudell, der vorübergehend auch dem Parla-
ment angehörte, ist als Diplomat persönlich nicht sehr her-
vorgetreten. Seine Fähigkeiten lagen mehr auf gesell-

kommt, beging der 28 Fahre alte Erdarbeiter Schubert
in Lengenfeld. Als derselbe im Februar ds. 'Js. in der
Kirche zu Plahn bei Lengenfeld i. V. getraut wurde,
sagt-e er zu dem Geistlichen nach dessen Worten: Nun kniet
nieder usw. „Nieder knie ich nicht!" Unter den Teilneh-
mern der Trauung entstand natürlich eine allgemeine
Aufregung. Der Pfarrer entfernte sich sofort. Vom
Vater des Schubert, der über das Benehmen seines Soh-
nes bitterlich weinte, wurde der Geistliche wieder herbei-
geholt, und die Handlung konnte nunm-ehr Vollzogen
werden. Vom Plaucner Landgericht erhielt Schubert we-
gen versuchter Verhinderung einer gottesdienstlichen
Handlung eine n M onat 'Gefängni s.

— Vcncdig, 26. April. Unter großein Pomp er-
solgte heute Nachmittag die G r u n d ste i n I e g u n g
zum neu aufzubauenden Markusturm.

Na, na!

Es sprach der König der Serben
Der, siebenundzwanzig Jahr',

Doch ohne eincn Erben
Jn seinem Konak war.

Er sprach: „Wenn auch vergehen
Von diesem Tage noch
Der Jahre zweimal zehen,

Gewiß gelingt es doch.

Jch bring's zu cinem Sohne.

Er sprach's und hat gelacht.

Wenrr er nur die Rechnung nicht ohne

Frau Draga hat gemacht! (Kladderadatsch.)

schaftlichem Gebiets als auf dem spezifisch politischen.
Keudell hat in besonders guten Beziehungen zu Bismarck
gestanden und ist immer Freund der Familie Bismarck
geblieben.

— Die Ausweisung der Mormonen-
missionare aus Preußen und Mecklen-
burg ist von der Regierung verfügt worden, nachdem
seitens Bayerns die gleiche Maßr-egel schon vor einiger
Zeit ergrifsen worden ist. Den.Missionaren wird aber
Zeit gelassen, ihre Angelegenheiten zu ordnen. 'Die Ver-
fügung ist getroffen worden, weil sich in- den letzten Fah-
ren die Beschwerden über die Proselytenmacherei der
Mormonen beständig gemehrt haben.

Deutscher Neichstag.

Berli n, 27. April.

Heute fand der vielbesprochene Bau eines neuen
D i e n st g eb ä u d- e s für das Reichsmarineamt
ein ssilles Begräbnis. Niemand sprach zu dem Nachtrags-
etat, der den Verkauf des alten Hauses auf dem Leipziger-
platz und den Ankauf der neuen Grundstücke in der Belle-
vuestraße betrifft. Er wurde ohne weiteres abgelehnt
und Admiral Tirpitz ging davon. Nun wird also das
Reichsmarineamt no-ch einige Jahre weiter in dem alten
unzulänglichen Ge-bäude auf dem Leipzigerplatz und sechs
oder sieben andern in weitem Umkreise gelegenen Mets-
häusern hausen.

Bei Beratung der Reichsausgaben und Einnahmen für 1900
befürwortete Abg. Dr. Sattler (natl.) einen in der Kom-
mission abgelehnten Antrag, datz alle Fragen der Rechnungs-
kommission zur weiteren Aufklärung an den Reichskanzler zu
richten sind, und datz die Stellung des Reichsschatzamtes vcr-
stärkt werde, um einen genügenden Einflutz gegenüber den
übrigen Ressorts zu beachten. Jedesmal, wenn die Uebersichten
über die Rechnungen eines Finanzjahres dem Reichstage vor-
gelegt werden, stellen sich berechtigte Klagen über grotze Etats-
übcrschreitungen ein. Sind die aber einmal bewilligt, dann
wirtschaften die einzelnen Ressorts damit drauf los und machen
grotze, zuwcilen unverhältnismätzig grotze Etatsüberschreitun-
gen, von denen das Reichsschatzamt erst erfährt, wenn sie längst
geschehen sind. So war es z. B. möglich, datz die grotze Etats-
überschreitung beim Ankauf eines Schietzplatzes in Schlesien
erst zur Kenntnis des Reichskanzlers und des Reichsschatzamts
gekommen ist, als stch nichts mehr ändern lietz. Der einzige
Verantwortliche im Reiche ist bekanntlich der Reichskanzler.

Der Antrag Sattler möchte nun diese Verantwortung des
Reichskanzlers für die finanzielle Gebahrung schärfer hervor-
heben. Datz das notwendig und erwünscht sei, wurde nicht be-
stritten. Auch Graf Posadowsky gab das zu, aber es
wurden von verschiedenen Seiten staatsrechtliche Bedenken er-
hoben, und vor allen Dingen ist natürlich der Reichstag kurz
vor seinem Ende nicht mehr in der Lage, eine solche Frage zu
lösen. Er überwies daher den Sattler'schen Antrag seiner Ge-
schäftsordnungskommission, und da die natürlich nicht mehr zu--
sammentritt, so ist die ganze Angelegenheit, deren Wichtigkeit
nicht unterschätzt werden darf, dem nächsten Reichstage zuge-
schobcn.

Es solgte die Weiterberatung der Krankenkassen-
novelle bei Paragraph 26a, der u. a. den Ortskrankenkas-
sen den Abschlutz von Verträgen mit bestimmten Aerzten, Apo-
theken und Krankenhäusern gestattet.

Abg. Trimborn (Ztr.) schildert die Kämpfe zwischen
den Aerzten und den Kassen. Durch die freie Aerztewahl würde
den Mitzständen abgeholfen werden.

— Aus der Sommerfrische. „Sag' mir, Kleiner, wie komm'
ich zur Schutzhütte?" — „Du kannst drunt' am Bach geh'n —
kannst aber auch herob'n auf der Höh' bleib'n!" — „Und wel-
ches ist der bessere Weg?" — „Da is a jeder der schlechtere!"

— Der Pantoffelheld. „... Kennen Sie denn meine
Frau?" — „Nein, ich habe nicht das Vergnügen!" — „Woher
wissen Sie, datz es ein Vergnügen ist?"

Theater- und Kirnstriachrichten.

Hcidclberg, 28. April. (Stadtthcatcr.) Für das
morgige Gastspiel der Karlsruher Hofoper zeigt sich hier be-
greiflicherweise reges Jnteresse. Der Vorverkauf der Eintritts-
karten ist lebhaft, denn das Publikum will sich den Genutz nicht
entgehen lassen. Erzielen die Karlsruher hier gute künstleri-
sche und finanzielle Erfolge, so ist vielleicht zu hoffen, datz sie
hier öfters ein Gastspiel geben.

Drcsden, 24. April. Maxim Gorkis „Nachtasyl" ist
nun auch in unserem Hoftheater in Szene gegangen. Mit der
Aufführung dieses Dramas hat auf Einladung der General-
intendanz das Ensemble dcs Bcrliner Kleinen Theaters ein
Gastspiel eröffnet, dem das Publikum autzerordentliches Jn-
teresse entgegenbringt. Das Haus war überfüllt und der auch
der Darstellung geltende Bcifall schr lebhaft, nach den beiden
letzten Akten geradezu enthusiastisch.

Stadttheater in Bremen. Zur Wiedererrichtung des vor
Jahresfrist abgebrannten Stadttheaters bewilligte das Stadt-
verordnetenkollegium die Summe von einer Million Mark. Mit
dem Neubau nach einem Plane des Baumeisters Moritz soll
sofort begonnen werden, sodaß im Herbst 1904 die Vorstel-
lungen ihren Anfang nehmen können.

„Der blaue Montag", das dreiaktige Lustspiel von Konrad
Dreher und Hugo Lubliner, fand bei seiner Uraufführung im
Wiesbadener Hoftheater einen großen Erfolg. Konrad Dreher
wirkte an der Darstellung selbst mit. Beide Autoren wurden
wiederholt gerufen.
 
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