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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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auf der ministeriellen Seite eingenoinmen hatte, erschiei»
Lord Aberdeen und setzte sich auf 8er ersten Ban'k der
Opposition in Pofitnr. Schließlich tam der Lordkanzler
und beftieg seinen „Wollsack". Tbr Herzog von Dsvon-
shire gähnte und sah den LoManzler an, — der Lord-
tanzler gähnte nnd sah den Herzog von Devonshire an,
dann sahen beide dcn „Mhrer der Qppo-sition" an, un'd
schlietzlich beantragte der Herzog, datz sich das Haus ver-
tage, Der Antrng wurde angenommen nnd die Prozes-
sion verliesz das Hans nach ciner seierlichen, aber nicht
sehr aufregenden Litzung,

Ruszland.

Petersbu r g , 2, März, Der e r st e E x P r e ß-
z u g ist am Freitag von P o r t A r t h nr nach dem
Baital - See abgegangcn, Der regelmäszige Ex-
preßdienst wird am 14, Juni eröffnet werden,

Amerika.

W a s h ingt o n , 2, März, Tem „New-Nort He-
rald" zufolge hat der deutsche Botschafter Baron Gpeck v.
Sternburg dem Präsidenten Roosevelt einen Brief ge-
schrieben, in dem er mitteilt, Ltaiser Wilhelm sei der
Ansicht, daß es angefichts der Unordnung, die durch die
Bautätigkeit auf dem Platze vor der Kriegsakadernie
hervorgerufen worden ist, geraten tväre, die An'fstellung
des S t a n d b ilde s F r i e d r i ch s des Großen
vom 1. Juni ds, Js, auf das nächste Jahr zu ver-
schiebe n, Damit diirste der ganze Plan aufgegeben
sein.

Kandelskammer.

v, Heidclberg, ü, März, Jm Gartcnsaale der „Harmonic"
wurde gestern die H a u p t v e r s a m m I u n g dcr Han-
dclskammcr abgehalten, zu der etwa 40 Wählberechtigte
sich ein-gestelll hattcn, Der Präsident, Dirbktor S ch o t t, üe-
grützte die Erschienenen und brachte den Rechenschaftsbcricht
über das ver/Iossene Jahr und dcn Voranschlag für 1903
znr Kenntnis, Die Rechnung schlietzt mit cinem Saldo von
2263 Mk, ab, Jn den Boranschlag ist erstmals die Snmme
von 4000 Mk, eingesetzt znr Begründung eines Pensionsfonds
fin die Beamtcn dcr Handelskammer, welche in diesem Aki
der Fürsorge dem Beispiek aller iibrigen badischen Handels-
kammern folgt, Jnfolge dicser Ausgäüe muh der Umlagefntz
von 1 Psg, auf 1,2 Pfg, crhöht werdcn, womit sich die Ver-
sammlung, wie überhaupt mit dem ganzen Rechnungsberichtc,
einverstanden erklärte, Die Rcchnung war pon den Rechnungs-
prüfern Herren Direktor Dünkel und Benno Wolff
geprüft und richtig bcfunden ivorden, sodah Entlastung ertcilt
werden kounre, Dic genannten Hcrren wurdcn fiir 1903 zn
Rechnungspriifcrn wiedcrgewählt,

Ein kurzer Bericht über die Tätigkeii dcr Handelskammer
im verflasscnen Jahre lag gcdriickl vor; cr gab zur Erörtcrung
keinen Inlah,

Ueöer einige weitere Puttkte, dic erst nach Drucklegung
diescs Bcrichtes ihrc Erledigung gcfunden, Ivurde mündlich
berichtct,

Zu cinem in dcr „Frkf. Ztg." vcröffcnilichtcn und von amt-
licher Seite unwidersprochen gebliebenen Entwurf eines
Gcsctzcs, b c t r, weiterc Abänderungen dcs
K r a n k e n v c r s i ch e r u n g s g e s e tz e s, hat die Handels-
kmmner in einer Eingabe an den Bundesrat Stellung genom-
mcn und vcrschiedcne schwerwicgcnde Bedenken geäutzert,
Eincr Eingabc des Verbandes der deutschen
Ber » fsge n o s s e n s ch aften an dcn Reichskanzler, in
der der Verband die Bitte um baldige Aufhcbung des § 34
des Gewerbeunfallvcrsichcrungsgesetzes vom 6, Juli 1900 und
Wiederherstellung der früheren Bestimmungen ausspricht, hat
sich die Handelskammer nach einge'hender Beratung angeschlos-
sen iind ilntcrstützt das Gesuch aufs wärmste,

Auch zum Entwurf e i n e s Gesetzcs über die
Errichlung vou K a n f m a n n s g e r i ch t e n hat sich
die Handelskammer in längerer Eingabe an den Reichstag geäu-
ßert, indem sie einerseits den von einer Anzähl kaufmännischer
Gehilfenverbände erhobencn Einwendungen entgegentritt, an-
derseits selbst eiinge Tlbänderungsvorschläge macht,

Auf eine an das Telegraphenamt gerichtete Klage über den
seit Eröffnung der elektrischen Stratzenbahn vielfach gestörten
F e r n s p r c ch v e r k e h r ist ein Bcscheid dcr Kaiserlichen
Oberpostdirektion cingegangen, wouach zur Beseitigung der
lästigcn Ncbengeräusche iu der Stadtfernsprecheinrichtung die
Einrichtung des Doppelleitungsbetriebes, d, h, die Herstcllung
besonderer mctallencr Rückleitungen für dic Fernsprech'stellen,
siir das Rechnungsjahr 1904 iu Allssicht gcnommcn ist, Eine
frühere Ausführung ist nicht angängig, weil über die für 1903
zur Verfügung stehcnden Mittel bereits anderweit vcrfiigt ist,
Das hiestgc Telegraphenamt ist indes ermächtigt worden,
wegen der am stärksten beeinslußten Anschlutzleituiigen vor-
läufige besondere Masznähmen zn treffcn,

Änf die Gesuche der Handelskammer in Betreff der Ver -

l e g u ng d e r T r a n s i t n i e d e r l a g c ist sowohl von der
Zolldirekrion, wie von der Gcncraldircktion der Staatseiscn-
bahncn günstiger Bescheid eingegangen,

Aus dem Kreise der Versammlung heraus ivurden nun noch
cinigc.Wllnsche und Anregungen gcäuhcrl, Hcrr Licbhold
lvünscht Einrichtung des Fernsprechverkehrs zur Nachtzeit, Hcrr
Dr, I, Reis bittet um nachdrückliche linterstützung der "auf
die PostUnion Deutschlands u, Hollands hinzielenden Schritte;
Herr Liebhold weist auf den jüngst gegrün-deten „Bund der
Kanfleutc" hin und fordert regerc Tcilnahme dcr Handcls-
welt an politischen Dingen; auch die schon des öftercn vorge-
brachten Klagen über die altcn Fernsprechapparate
werden wieder laut und schnellere -Einfuhrung neuer gewünscht,

Jn seinem Schlutzwort weift Direktor -S ch o t t auf die be-
vorstehen'den Reichstagswahlen hin und bittet, die Kandidatur
des sert'herigen Abgeor-dneten Beck tatkräftig zu unterstützcn;
nachdem der wirtschaftliche Rückgang seinen Tiefstand erreicht
habe und der Zolltarif nach schweren Kämpfen angenommen
ivorden, sei dcr Abschlutz langfristiger Handelsberträge unbe-
dingte Notwcndigkeit, Oberamtmami Bcck 'häbe versprochen,
für solche einzutreten,

Kommerzienrat Landfried spricht der Handelskammer,
sowie besonders deren Präsidenten für die rastlose
Tätigkeit im berflossenen Jahre den Dank der Versammlung
aus und Buchhändler Petters dankt der Handelskammer
namens des Kanfmännischen Vereins für das bewiesene Wohl-
wollcn,

Damit wnrdc die Vcrsammlung geschlosscn.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 3. März.

-i- Tie Zaubermoschcc Beit-Ali-Beys, des grotzen Wunder-
manncs aus dem Morgcnlande, der seine schwarge Kunst im
bunten Kleide cines orientalischen Magiers ausüüt,' wird für
den 6,, 7, uiid 8, März im Saalbau seinen Etnzng halten,
Nicht zum erstenmale und als Fremder allerdings, erscheint
Ben-Ali-Beh hier mit den Seinen, sondern als lieber Bekann-
ter aller derer, we'lche seinen aber auch in gar nichts an die
gemcinhin vorgeführten Zanbcr- und Taschenspielerfeancen ge-
mähnenden Produktionen voll Staunen anzäwohnen Gelegen-
heit hatten, als dcr Künstler vor etlichen Jahren hier an üer-
selben Stelle beispiellose Erfolge errang, Als sich die KuNde
crst herumgcspt'ochcn hatte von den fabelhaftcn Lcistungen dcs
Magiers, welcher übrigens scine Bühne so aufbaut, datz man
auch nntcr das Podium sicht, bercntcn sehr bielc, diescn Meistcr
seines Faches nicht gese'hen zu haben, Wien, die ebenso schöne
wie verwöhntc Thcaterstadt, wo nur wirklich Hervorragen-des
Anklang findct, hat in seiner Presse bei jedem Besuche der
erstklassigen Vorführnngen für sie nur Worte uneingeschränk-
ten Lobes gehabt, Die Wiener „Allg, Ztg," betont »nterm 26,
Oktober v, Z, u, a,: „Ben-Ali-Bcy hat P'hantasie, er ist un-
erschäpflich in Erfindung origineller Trics, und man weitz nie,
welche Uebcrraschungen er noch in petto hat, Dre geheimnis-
vollen, seit uraltcn Zciten bcriihmtcn Wimder der cgyptischcn
Magie, nud die bisher unaufgct'lärt ge'blicbenen Z'aubcrkünste
der indischen Fakire stehen aus seinem Programm; und er hält,
was er verspricht, Mit seiner phantasti'schen Gehilfin zaubert
er, datz dem Publikum Hören und Sehen vergehen, Jede
Nummer fand gestern ftiirmischen Beifall seitens des bis auf
das letzke Plätzchcn aiisverläuften Hanses", „'Sport nnd
Salon"-'Wien heben hervor, datz auch der H-of Ben-AIi-Beys
Vorstellnngen verschicdcntlich besucht hat, nnd das „Vater-
land" mcint erstaunt: „Was de/Mann, der tn seiner uberlege-
nen Art so geistvoll zu plaudern versteht, älles aus -der Luft
fatzt, -wohin er greift, ist schier unbegreiflich, und wie die Ge-
genständc verschwindcn, das ist noch verblüffendcr," Da der
Küiistler, den andcrweite Engagements bald wieder von hier
äbrufen, nur dicse drei Tage hier aüftreten kann, so machen
wir unscre Lcscr ger»e a»f die Schens-wiirdigkcit besonders
aufmcrksam,

-ft Fernsprcchverkehr. Zum Sprechverkehr mit Heidclberg
sind zugclassen: H o l d e n b e r g e n, B' iidesheim (Ober-
hesscn), Eichen , E r b st a d t nnd K aiche n, Die Gcbühr
bcträgt 60 Pfcnnig,

-i- Schöffcitgerichtssitzling von 2, März, Peter Löschmann
von Eppelheim erhielt wcgen Vergehens gegen K 303 St,-G,-B.
10 Mk, Geldstrafe oder 2 Tage Haft; Camill Heller in Haft
Ivcgcn Vcrgchcns gcgen Z 242 St,-'G,--B, 1 Woche Gefängnis;
die Verhandlung gegcn Mariin Dörr von Sandhauscn wegen
Vergehcns gcgen K 113 St,-G,-B, wurde vertagt; Johai«
Georg Kiesel nnd Wilhelm Friedrich Kiesel von Baierthal wur-
dcn von dcr Anklage wegen Vergehens gegen 292, 293, 47
St,--G,-B, frcigesprochen; Ludwig Rothärmel von Schries'heim
erhiclt wegen Vergehens gegcn KZ 223 und 223a 8 Mk, Geld-
strafe odcr 1 Tag Gefängnis; Wilhelm Schäfcr von Aumühle
wegen Diebstahls 14 Tage Gefängnis; Richard Prior von
Boppard ivcgen Ilnterschlagnng 14 Tage Gefängnis,

Sinshcim, 27, Fcbr, (V o m Kreis,) Herr Ober-
amtmann v, Boeckh wnrde für die Restzcit des von hier ge-
schicdcncu Hcrrn Geh, Rcgierungsrats Kcim als Abgeordncter
zur Kreisvcrsammliing gewählt.

Sinsheim, 28, Febr, (B o n u n s e r e n - v e r s ch i e d e -
nen Storchfamilie n) ist, dem „Lan-dboten" zufolge,
bereits vorgestern ein männlicher Repräsentant heimgekehrt
und hat sich sofort daran gemächt, für sich und die später nach-
kommende Storchmama das in ziemliche Unordnung geratene
Nest wieder wohnungsgerecht 'herzurichten. Hungerleiden
braucht er, trotz der ungewöh-nlichen Frühe, wohl nicht, da die
Frösche — bekanntlich das Hanptgcricht auf der Tafc'l Lang-
beins — inzwischen auch zu neuem Dasein erwacht sind.

Mannheim, 2, März, (D i e V e r m i t t l u n g s b e r -
s n ch e) des Vorsitzendcn dcs Gewerbcgerichts Dr, Braunagel
und des Vertreters der Fäbrikinspektion Dr. Fröhlich bei den
Differenzeii zwischen den Arbeitern und der DireMon der
Lanzschen Fabrik blicben üis jctzt erfo 'lglos, Die Fabrik-
leitung will von der Einführung der Kontrolluhren nicht ab-
stchen,

LE Itarlsruhe, 2, März, (B r a n d,) Gestern ist in- der
Geigerschen Faürik in der Rüppurrerstr, 66 hier durch Selbst-
entzüiiduug von Putzbaumwolle in einem Werkzeugraum ein
Brand entstanden, der jeüoch durch herbcigeeilte Fabrikarbeiter
und die Mannschaft der 4, Feuerwehrkompanie alsbald gelöscht
werden konnte, Der Gebäudeschaden -dürfte sich auf 1000 Mk,,
der Materialschaden auf 2500 Mk, bclaufen, Einc Betriebs-
störuiig wird durch den Bran'd nichr eintreten,

Karlsruhe, 1, März, (I n Hagsfeld) fandeu am
^amstag die Bürgerausschutzwahlcn statt, Es wurden ge-
wählt in der 3, Kiasse 9 'S o z i a l d e m o k r a t e n mit 96
bis 102 Stimmen, Dic Listc der bürgerlichcn Partcien erhielt
36 bis 41 Stlinmen, Jn der 2, Klasse wurden 8 Sozial -
d^emoMaten gewählt mit 48 üis 47 gegen 30 bis 34
Stimmen der Gegenliste, Jn dcr 1, Klasse -wurden drei von den
sozialdcmokrätischcn Kandidatcn gewählt, Abgcstimmt habcn
in der 3, Klasse 140 von 160 Wohlberechtigtcn; in der 2, Kl,
77 von 92 und in der 1, Klasse 30 von 31 Wahlbcrechtigten,

Durlach, 1, März, (B a h n h o f s u m b a u,) Wie der
„Bad, Ldszig," mitgcteilt wird, ist wcgen des Bahuhofumbaucs
vor einigen Tagen eine Deputation, bestehend aus den Herrcn
Bürgermeister Dr, Reichardt und Dircktor Rommel bei Grohh-
Generaldirektton vorstellig geworden, Es wurde denselben von
dem Herrn Generaldircktor der Bescheid zu teil, datz an eine
Aenderung der proj-ektierten Verlegnng nicht mehr zn denken
sei, Der neue Bahnhof käme somit auf den hentigen Vieh-
marktplatz und in dessen unmitte'lbarer Nähe zu stehen, Die
Vorarbeiten würden tunlichst beschleunigt werden, die taftäch-
liche Jnangriffnahmc des Umbcmes werde voraussichtlich die-
ses Spätjahr beginncn und die Vcrlegung in 2—3 Jahren be-
endet scin,

LE, Rastatt, 2, März, (Automobil - U n s a l l,)
Gestern Aücnd gegen 10 Uhr fuhren drei Herren aus Mann-
heim mit einem Automobil von Baden kommcnd, durch den
Jffczheimer Wald, Von zwei Rehcn, die über 'den ,Wcg spran-
gen, läm eincs umer das Aulomobil, wodurch 'dasselbe umficl,
Einer der Jnsassen erlitt däbci einen Beinbrnch, während die
'beiden anderen'mit leichten Verletzungen 'davonkamcn, Das
Rch blieb tot licgen,

SL Lörrach, 2. Mürz, (Zah I ungsei n st e l l u n g-)
Dic Wiescntäler Mcch, Webcrci Mith u, Heinrichs in StetteN
bei Lörrach hat ihre Zahlungen eingestellt und strebt einen
Akkord von 60 Prozent mit ihren Gläubigern an, Das Ge-
schäst war nur klcincn Umfangcs und werden die Passiven
auf ca, 130 000 Mk, Leziffcrt,

Diirrheim, 2, März, (Brand,) Gestern brannte das
gegenwärtig im Nenbau begrtffene Haus des hiefrgen Einwoh-
ners Puck nieder, Das Feuer brach auf dem oberen Speicher
ans noch unbekanntcr Ursache aus, Der Schaden ist sehr be-
deutcnd, Dcr Geschädigtc ist mit dcm Fünftel und in de»
Fahrnissen versichert, Dem im Hause wöhnenden Lehrcr Tau-
fenbach veöbrannte sämtliches Jnventar,

Aus Baden. Bci der in Gem m ingc n vorgcnommenen
Biirgermeisterwahl wurde der seithcrige Bürgermeister Heinr,
Betz mit grotzcr Majorität wiedcr gcwählt, — Jn Sulzfeld
ist am 2, d, M, früh iufolgc ciuer Lungencntzündung Herc
Dekan L, E, Purpus im Wer von 62 Jähren gestorben,
Der Verslorbcne ersrcute sich allgemciner Beliebtheit,

Kleine Zeitung.

lU' Aus der Pfalz, 1, März, Tie Wemhändler
von Neustadt und Umgebung wollm nunmehr der Wein- -
schmiererei, die trotz Weingesetz imnier noch nicht aufge-
hört hat, durch eigene Tätigkeit zu Leibe gchen, Sie grün-
deten einen Verein zum Schntze der JnteresseN
deL reelIen W e i n h a n d e l s. Die Bestrebungen
gehen besonders darauf hinans, die Lchund-Offerten zN
bekäntpfen, die von unreellen Firmen in die Welt hin"
ausgehen, die minderwertige Ware unter der Etikette
berühmter Matzken zn Schundpreisen anbieten und da-
durch das reelle Weingeschäft mnnögtich machcn, Ten
badischen Wcinhändlern zur Nachahmnna empfohlen!

— Jcna, 2, März. Der Gemeinderat hat stch nnt
dem ihin zugegangenen Lituationsptan sür das neue

gerückt, davor eine Fuhbank geftellt, wär im Nu hinaufgeklct-
lert niid jetzl im Begriff, mii iveii über die Tischplatte gestreck-
tem Oberk'örper dic Lampe mit beidcn Händen zu ergreifen,
Gisela hatte gera-de noch Zeit, unter Anfbietung aller Kräfte
die- Lampe ihrerseits zu erfassen und krampfhaft festzuhallen,
Kin in der Todesangst heftig herausgestotzenes Verbot hatte
keinen andern Erfolg, als die Änstrengungen des Ktndes zur
Erreichung seines Ziclcs zn verdoppeln, Gisela hatte die Lampc
bis zum äuherstcn Rande des Tischcs zu sich herangezogen,
lsielr sie dort mit dcr rcchten Hand umklammcrt, während ihre
Linke nach dcm Knopfe der sonst in ihrem nächsten Bereiche be-
findlichcn clektrischcn Klingel tastetc, Die Klingel war weg!
Ein törlicher Schrccken überfiel sie; wär 'doch die Leitungs-
schnur nach den jüngsten Borkommnissen, auf ihren — Gise-
las — eigenen Nat hoch an der Wand über dem eigentlichen
Druckapparat aufgewrckelt worden und so für das Kind, aller-
dings auch für sie, uncrreichbarl

Ungehört verhallte Giselas Hilferuf, während der Junge
,— -durch den ungmvohnten Widerstand gereizt — doppelt eifrig
seinen Willen durchzusetzen suchte, und da dies auf dem zuerst
xingeschlagencn Wege nicht möglich war, seine Takttk änderte
,und sich Fuhbank un-d Stuhl auf die Längsseite des Tisches
frug, von wo aus er die Lampe unfehlbar erreichen mutzte,
Mit aus den Höhlen tretenden Augen, gefoltert von der unsäg-
ltchen -Angst — die ihr die Kehle zuschnürte und am lauten,
wirksamen Schreien hinderte — hatte Gisela die B'ewegungen
des 'Kindes vcrfolgt,

Nun hatte -der Kleine die selbsterfundene Leiter und damit
die Höhe des Tisches erstiegen und fatzte mit beiden Händen
nach dem verhängnisbollen Gegenstand seiner Wünsche, wäh-
rend sich Gisela mit Aufbietung aller Kräfte in dem Besitze des-
selben zu behaupten suchte, Vergeblich gäb sie >dem Kleinen
die sützesten Schmcichelnamen, versprach ihm das Unmögliche,
drohte, schalt; nichts vermochte den Eigensinnigen zum Aufgeben
seines Vorhabens zu veranlassen, Die Augen fest auf sein
Ziel gerichtet, die Unterlippe zwischen die kleinen Zähne ge-
pretzt; mit dem halben Körperchen über dem Tische liegend,
hatte er mit beiden Händen den oberen Teil der auf hohem
Futze stehenden Lampe gefatzt, die er, durch den fortdauernden
Widerstand erbittert, mit allen Kräftcn an sich zu reitzen
suchtc, Es war cin Kampf auf Leben nnd Tod, den hicr die

Mutterliebe in erster Linie — wohl aber auch die Angst um
das eigene Leben — mit kindischem Unverstande, mit der künst-
lich grotzgezogenen Unfolgsamkeit kämpfte, Dabei wurde dieser
Kampf fast lautlos geführt; nur hin und wider unterbrochen
durch Giselas nur zischend hervorgebrachte Versuche, nach Hilfe
zu rufen, Schon fiihlte sie — bei völlig gelähmtem Unter-
körpcr nur auf die schwachen Kräfte ihrer Hände ängewiesen —-
datz ihre Muskeln allmählich zu erlahmen begannen, 'Bcdenk-
lich 'schwankte schon die Lampe, mit leisem Klirren schlugen
Zylinder nnd Glocke aneinander,

(Schlutz folgt.i

Keööel-Werein.

Hcidelberg, 28. Fe-br.

Rezitationsabend von Frl, Lui'se Hoff - Mann-
heim und Herrn Fr, Ludwig H ö r t h - Franffurt: Werke
von Hugo von Hofmannsthal, (8, literarischer
Abcnd,)

'Der Jnngwiener Hugo bon Hofmannsthal ist schon heute
trotz seiner Jugend so weit literarisch entwickelt, datz die dra-
matische Gesellschaft sich sehr wohl die Aüfgabe stellen durfte,
den Dichter einmal „abendfüllend" aus seinen Dichtungen
heraus zum Publikum sprechen zu lassen, Der grotze poetische
Reiz, den seine Werke auf den engen Kreis derer um die
„Blättcr fiir die Knnst" (eine von Stefan George und andercn
zu Anfang der 90er Jähre ins Leben gerufene, nur auf Sub-
skriptionsweg erhältlich gewe'sene Zeitschrift, für mo-derne Dich-
tung) schon lange ausiibten, liegt in erster Linie in einer
ungewöhnlichen Beherrschung der Sprache, worin i'hm kaum ein
Leben-der an die Seite zu stellen ist, Dte gedattkliche Seite des
Kunstwerkes tritt hmter der formalen vielfach stark zurück und
die Folge ist nicht selten ein gewisses ästhetisches Unbehagen
über dieses Mitzverhältnis beim Lesen o-der Hören. Richts-
d.estoweniger ist Hofmannsthäl ein Künstler, der ernst genom-
men sein mutz und an dem kein moderner Mensch, der Kenntnis
bon den eigenartigen Erscheinungen der zeitgenössischen Litera-
tur zu nehmen wünscht, voriibergchcn kann, znmal Hofmanns-
thal vielleicht einer der typischsten Vertreter der deuffchen
Dichtung zu Anfang des 20, Jahrhunderts ist, -Er ist ein

Meister dcr Stimmung, jener sowöhl, die um uns ist in der'
Natur, als auch der selffchen in unserem Fimern, Wie diese
beiden zn eincmder in Wechselwirkung treten, das malt er in
feincn, wcichen Verscn ans, deren Klangschünheit manchmat
bcrauscht,

So sind auch die Dra m e n Hofmannst'hals ineist inw
lange Folgen ivechselndcr Stimmungen, denen es an der Kraft
dcs Dramati s chen fast stets gebricht, Der Rezitations-
abcnd im Hebbelverein brachte von Dramen die „Frau iR
Fenster" und den „Tod dcs Tizian", Die „F r a n im Fen -
ste r", — mono- nnd dialogisch ausgesprochene Empfindnngen
der sehnsnchtsvoll dcs Gelicbten harren-den Madonna Dianovsi'
die dann der Gatte iibcrrascht — stellt sehr hohe Ansprückst
an dic rezitiercnde Künstlerin. Frl, Lnise Hoff von der
Hochschüle für Müstk in Mannheim, eine Schülerin des
trefflichen Hofschauspiclers Tietsch, erwies mit der Wieder-
gabe der geistig und technisch sehr gut angeeigneten Partie er-
freuliche kiinstlerische Fähigkeitcn, die bei weiterer AusbilduNg
der jugendlichcn Dame, welchc erstmals vor einem grötzereU
Publiknm stand, Schönes von ihr erhoffen lassen, Jm „T o °
des T i z i a n" teilte sie sich mit Herrn Hört 'h in die Wre-
dergabe mehrerer Rollen mit -Geschick, Herr Hörth, der ew
Schüler Professor Herrmanns in Frankfnrt ist, las klug
und vornehm in diesem Werk, das als Totenfcier fiir Arnpl"
Böcklin vor einigen Jährcn in München einmal szenisch darge-
stellt wurde und tiesen Eindruck hinterlietz, den Prolog une
Titianello, den Sohn des Meiskers,

Der Abend wurde durch einige Lyrik cingeleitet, die zjst
meist in den „Blättern für die Kunst" erschien, Frl, Ho1(
gäb vorzüglich das frische, duftige Stimmungsbildchen „Doe-
frühling" und ein ungedrucktes im Volksliedton „Die Beide« -
Herr Hörth den „Traum von grotzer Magie" mit aner-
kennenslwertem Eindringen in seine Mystik, Zu Anfang kaweu
einigc Prosasätze „B-ild'licher Aus-druck", eine Art Prograiuwj
rede (ebenfalls aus den „Mättern für die Kunst"), in de
Hofmannsthal den bildlichen Ausdruck als „Kern und West
aller Poesie" bezeichnet,

-Das Publikum, das den Harmoniesaäl bis auf den letzte
Plah füllte, fölgte mit leb'haftcm Jnteresse und ersichtlmst
Zufriedenheit, —
 
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