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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Samstag, 7. Mrz 1903._ZweiteS Blatt._ 45. Jahrgang. — «r. 56

Irscheint täglich, Sonntag» au»genommen. Prei» mit Kmnilrenblättern monatlich 50 Pfg. in'» HcmS gebracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. D«ch

die Post bezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschliehlich Zustellgebühr.

U«»ei>enprei»:20 Pfg. fLr die Ispaltige Petitzeile oder deren Ramn. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme von Anseigen
«n bestimmten Tagen tvird kein« Berantwortlichkeit Lbernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstell-n. Fernsprecher 82.

Die Liste der soziatdemokralischen HLeichs-
tagskandidaten

für dic 14 Wählkreise deS Landcs ist nun abgeschlossen und
lautet wie folgt: 1. Kreis (Konstanz-Ueberlingen): Krohn,
August, Malermeister in Konstanz; 2. Kreis (Villingen-Tri-
berg): Fleig, Fritz, Holzschnitzcr in Hornberg; 3. Kreis
(Waldshut-Säckingcn): Klccmann, August, Metallarbei-
ter in Durlach; 4. Kreis (Lörräch-Müllheim): Haug, Fried-
rich, Schuhmachcrmcister und Stadwerordneter in Freiburg;
8. Kreis (Freiburg-Waldkirch): Kräuter, Ernst, Feilen-
hauer und Stadtverordneter in Freiburg; 6. Kreis (Lahr-
Haslach): Engler, Wilhelm, Zimmerer in Freiburg; 7.
Kreis (Lsfenburg-Kehl): Monsch , Georg, Stadtrat in Os-
fenburg; 8. Kreis (Rastatt-Achern): Lutz, Teodor, Apotheker
tn Baden-Baden; 9. Kreis (Psorzheim-Durlach): Eich-
horn, Emil, Redakteur und Landtagsäbgeordneter in Mann-
heim; 10. Kreis (Karlsruhe-Bruchsal): Geck, Adolf, Buch-
druckereibcsitzer und Stadtverordneter in Offenburg; 11. Kreis
(Mannheim-Weinheim): Dreesbach. Aug., Landtagsab-
geordneter und Stadtrat in Mannheim; 12. Kreis (Heidelberg-
Cberbach-Mosbach): PfeiffIe , Georg, Expedient u. Stadt-
derordnetenvorstand in Mannheim; 13. Krcis (Bretten-Eppin-
gen): Horter, Richard, Verbandsbeamter in Mannheim;
14. Kreis (.Wertheim-Tauberbischofsheim): Eckard, Euard,
Lagerhalter in Ddannheim.

Deutsches Reich.

— Di« Eingäbe der „Deuitschen Zeitung" gegen
Aufhebung des Paragraphen 2 des Jesuitenge-
Ietzes hat nach nenn Tagen 33 581 Unter-
> chriften gefunden.

— Die Spenden uud V e r >n ä ch t n i s s e zum
Besten der Arbeiter und der unteren Volksklafsen haben
im Juhre 1902 fast 84 Millionen Mark betragen. Trotz
der Ungunst der wirtschaftlichen Lage haben sich die stif-
tungen gegenüber dem Jahre 1901 noch um 3 Millionen
erhöht. Jnsgesamt sind in den letzten 5 Jahren von
deutschen Arbeitgebern an Stiftungen für Angestellten-,
Arbeiter- und Volkswöhlfahrt nicht weniger als 291,5
Millionen Mark verausgabt worden. Dabei können diese
Zahlen trotz ihrer Höhe noch keinen Anspruch auf Voll-
Nändigkeit machen, da viele Arbeitgeber zu denselben
oder ähnlichen Zwecken Aufwendungen machen, von denen
vichts in die Oeffentlichkeit dringt.

Badcn.

— Als demokratifcher Kandidat für die
Reichstagswahl im Wahlkreis Mannheim-Schwetzingen-
Äeinheim wnrde Landtagsalgeordneter Oskar Muse r
oufgestellt.

F' r c i 'b u r g, 4. März. Zur Gründung eines l i -
o.eralen Vereins in Waldkirch schreibt das
hiesige Z e n t r u m s b la t t, der „Freib. Bote":

Waldkirch, 4. März. Für den I u n g l i b e r a l e n
^erein wird, wie wir vernehmcn, in geradezu schamloser Weise
agitiert. Wo die bewährten Häupter gehen, so wird uns ver-
Üchert, tragen sie ihre Listen in der Tasche, um nach Art eines
blurnpen Bauernfangs Unterschriften für den öben genannten
Berein zu ergattern. Wir möchten die Geschäftsleute darauf
aufmerksam machen, datz vor der Wahl diese Ramen jedenfalls
oeröffentlicht werden. Besondcrs tut sich die Plähnsche Anstalt
hervor, von wo aus den Waren liefernden Geschäftsleuten
>olche Listen vorgelegt worden sein sollen. Darauf haben wir
dorderhand nur das eine Wort: diese Anstalt hat in der zu
oier Fünftel katholischen Stadt Waldkirch am wenigsten Grund,

in dieser provokatorischen Weise aufzutreten. Akan
wird darüber und über andere Dinge mit der genannten Lei-
tung anderorts reden. Schon oft ist z. B. die Frage aufgewor-
fen worden, weshalb so wcnig Waldkircher die Anftalt besu-
chen, obgleich von der Stadt ein bedeutender Zuschutz gcleistet
wird und warum so manche Väter ihre Söhne wegnehmen und
sagen, es kommt mir keiner mehr in die Plähnfche Aiistalt.
Eine Anstalt, die in so Vielfacher Weise zu ihreni Gedeihen
auf das Wohlwollen der Katholiken angewiesen ist, sollte nicht
so gegen die katholische Partei agitieren. Unter den bereits
vorhandenen Unterschriften könnten wir Namen nennen, die
so wenig liberal sind, als der Schreiber dieses. Darum braucht
man auf unserer Seite über die scheinbaren Erfolge desfelben
nicht zu erschrecken. Allerdings ist auch von unserer Seite
grotze Anstrengung notwendig, um dem genannten Treiben ent-
gegcnzutreten.

Eine Kampfesart, welche gegen den Liberalismus
mit wirtfchaftlicher Boykottierung vorgcht, ist nicht lieb-
lich, aber sie hat bisher insofern Erfolg gehabt, als die
Zahl der Mitglieder des jungliberalen Vereins beständig
wächst.

Bahern.

München, 5. März. Der Landesausfchutz der
nationalliberalen Partei des rechtsrheini-
fchen Bayerns versendet anläßlich der Wnftigen Reichs-
tagswahl ein Rundschreiben, das auf die ungeheure vom
Zentrum drohende Gefahr hinweist; der
Einflutz der sozialrstischen Demogogen aüf die Urbeiter-
masfen habe nachgelassen, während der Uebermut und
die Anmatzung des Zentrums keine Grenzen kenne. Die
jüngsten Vorgänge in Bayern mützten auch die blödesten
Angen öffnen. Wollen auch wir, heitzt es schließlich,
ohrie weiteres vor den Ultramontanen kapitulieren?

Ausland.

Euglaud.

— Eine klasfifche Illuftration zu dem Gegensatze, in
dem die Arbeiternot auf dem Lande zu dem
Ueberschuß an Arbeitern in der Stadt
steht, bietet ein in einer hiesMen Zeitung veröffentlichtes
Schreiben eines kleinen Grundbefitzers aus Devonshire,
in der der Korrespondent mitteilt, datz viele Bauern in
jener. Gegend ihren Befitz wegen Mangels an Arbeitern
einfach aufgeben müsfen, weil sie keine Arbeiter finden,
Es heitzt da ferner, datz in dem betreffenden Orte länd-
liche Arbeiter 13 Schillinge pro Woche als Minimallohn,
sowie ein Häuschen mit Garten mietefrei erhalten kön-
nen. Trotzdem ziehen es Tausende von Leuten vor, lie-
ber in der Stadt zu hungern und müßig zu gehen, als
unter solchen Bedingungen auf dem Lande zu arbeiten.

RuUand.

Petersburg, 4. März. Beim Minifterium des
Answärtigen wird ein russifches Komitee für die E r -
' orschung von MitteI - und Ostasien in ge-
'chichtlicher, archäologischer und ethnographischer Hin-
icht errichtet werden, das gemäß den heute veröffentlich-
ren Satzungen Gelehrten ohne Unterschied
der Nationalität die Teilnahme an seinen Ar-
beiten gewährt. Der Vorsttzende und die Delegierten
des ausländischen Komitees des internationalen Vereins
für Erforschung von Mittel- und Ostasten genießen wäh-
rend ihrer Anwesenheit in Petersburg das Recht der
Teilnahme an den Sitzungen des russischen Komitees.

Aus ,dem städlischen Aoranschkag 1903.

m.

—, ^ f ' > > b vo» gewerblichen Einrichtungen der

Erträgnis des Gaswerks
250 000 Mk., des Wasserwerks 175 000 Mk., des Sckilackt-
und Viehhofs 31 000 Mk., des Elektrizitätswerks 60 000 Mk.

8000 Mk., znsammen 524 000 Md
Die Gebührcn dcs Grnndbuchamtes sind anacscbr mit
aaa OO Mk.; dcr Ertrag der Frühjahrs- nnd Herbstmesse mit
9900 Mk ; der Beitrag der städtischen Sparkasse ans ihren
Ncberichussen aus 50 000 Mk.

schlag^l ^7^660 Mk" ^"nahmen beträgt nach dem Boran-

Bon den Ansgaben sind zu erlvähnen: Herstellung eiNes
Fahrweges von Waldhilsbach nach dem Kohlhof, letzte Rate
10 000 N8.; Herstellnng eines fundamentierten Fahrweges
mrt Futzgangerweg auf der Strecke Sprung-Blockhaus 1800
Mark; Neuban der Strecke Zollstock-Holdermanns-Eiche 3300
Mark; sur Herstellung einer gepflasterten Zufahrt zum Neuen-
heimer Lauer und Verlängernng desselben nach Weften 4000
Mark; fur Unterhaltung und Berbesserung sämtlicher Anlagen
18 905 Mk.; Jnstandsetzung des Geländes um die Msmarck-
saule 1600 Mk.; Verläugerung des Droschkenhalteplatzes bei
der Bergbahnstarion vor dem Schloh 2400 Mk.; Hcrstellunq
eines gröheren Aborts aus Wellblech auf dcm Mehplatz 1500
^ Reinigung der Straßen und öffentlichen Plätze ein-
schlretzlich der Schneewegschaffung 25 000 DÄ.; für Herstellung
zwischen Hänsser- nnd Kleinschmidtstratze
10 240 Mk.; sur Herstellnng der Klosestraße zwischen Mönch-
hof- und Weberstrahe 7300 Mk.; Herstellmig von Asphalt-
wegen 25 690 Mk.; Zuschutz zur Oberrealschulkasse 47 584
Mark; Zuschutz zur höhercn Mädchenfchulkasse 44 387 Mk;
Beitrag zur allgemeinen Armenkasse 80 908 Mk.; Kosten der
Farren- und Ziegenbockhaltung 7000 Mk.; Gehalt dcs Theater-
meiiters 1940 Mk.; Beitrag an den Theaterdirektor zur An-
schaffung neuer Stücke und weitere Subvention an denselben
4850 Mk.; für Airschafsung und Unterhaltung von Dekora-
' ^) Jahreslohn des' Theaterschreiners
lTheatermeistergehilfen) 1200 Mk., d) für Dekorationen 3800
Mark, zuf. 6000 Mk.; für die Notbeleuchtung, Löhne für die
Besorgung der Gas- u. elektr. Bcleuchtung, sowie der Heizungs-
n. Lüftungseinrichtung 2000 Mk.; Znschüh der Stadtkasse für
das stadt. Orchefter 31 980 Mk.; Kosten des Archivs für die Ge-
schichte und für Führnng der Chronik der Stadt Heidelberg
4400 Mk.; für Grabnngen nach Altertümern 1000 Mk.; Zinfen
und Kosten für Kapital- und andere Schulden 542 657 Mk.

Aus Stadt und Land.

-i- Offcnburg, 5. März. (Weinmarkt.) Der am
Dienstag, den 10. ds. Mts., vormittags von 11 bis 1 Uhr
hier im „Dreikönigsaale" stattfindende Weinmarkt ist in seinen
Vorbereitungen soweit gediehen, datz stch ein Ueberblick über die
zu erwartende Beschickung gewinnen läht. Die Anmeldungen
lausen sehr zahlreich ein und dem Angebot nach zu schlietzen,
bietet sich außerordentlich günstige Gelegenheit zum Ankauf
alter und neuer Ortenauer Weine in den verschiedensten Mar-
ken. Auf dem letztjährigen Markt gelangten zum Anqebot:
2934 Hektoliter Rotwein, 418 Hktltr. Klingelberger, 794
Hktltr. Klevner, 3035 Hktltr. Weitzherbst, 90 Hktltr. Ruländer
und 2432 Hktltr. Weihwein. Da die Beschickung dieses Jahr
mindestens dieselbe sem wird, wollen wir nicht niiterlassen,
Kaufliebhaber auf den Markt nochmals aufmerksam zu machen.

->r* Patentbericht für Baden vom 3. März. Mitgeteilt
vom Jntcrnationalen Patentburean C. Kleyer, Karlsruhe
i. B., Kriegsstr. 77. Auskünfte ohne Recherchen werden den
Wonnenten dieser Zeitung kostenfrei erteilt. (Die Ziffern vor
der Nummer bezeichnen die Klasse.) Patentanmel-
dungen: 49a. 1-V. 19 785, Vorrichtung zum Ein- und Aus-

Wilde Wogen.

Roman von Ewald August König.

(Fortsetzung.)

„Jch weitz nicht, ob diefes kurze Verfahren in Amerika Ge-
orauch ist," erwiderte er, „hier zu Lande finden wir darin eine
Beleidigung. Einem söliden Hause gegenüber tritt man nicht
>o kategorisch, ich möchte sagen: gerichtsvollzieherartig auf,
uian- läht ihm wenigstens Zeit die Forderungen zu prüfen, und
erwartet dann die Vorschläge, die es bezüglich der Zahlung zu
^achen hat."

, Ueber das gebräunie Antlitz dcs Fremden glitt ein gering-
>chähender Züg, sein Blick schweifte flüchtig durch das Zimmer;

Ichien in der Tal, als ob er als Exckntor den Wert des Mo-
"lliars taxieren wollte.

^ ,,Sie sprechcn von einem solidcn Hanse?" sagte er, „sollte
st), Fhnen unbekannt sein, datz die Wechsel, die Sie dem Hause
l^ibson und Kompanie in Zahlung gegeben haben, alle ge-

ialfcht sind?"

„Als ich sie in Zahlung gab, hatte ich keine Ahnung davon,"
.ptgegneie er; „erst als das Haus fallierte, von dem ich selbst
erhielt, wnrde mir gesagt, datz die Wechsel gefälscht sein
wiinten."

»Es wäre Sache dcs Staatsanwalts, das zu untersuchen."
„Mein Herrl" brauste Röder auf, „Sie scheinen nicht zu
eoenken. welche Belcidigung in dieser Bemerkung liegt, und
^uso zu vergessen, datz Sie fich unter meinem Dache befinden.
EZ berechtigt Sie, an der Wahrheit meiner Erllärung zu
sweifM? Wie kommt das Haus Gibson dazu, in solcher Weise
«eg-n mich aufzntreten?" —

. , "^as mich dazu berechtigt?" fragte der Frcmde, ihn fest
wiickend, und es lag ein seltsamer, beunruhigender Klang in
m L.one, den er jetzt anschlug. „Jhre Vergangenheit, Herr

Röderl Sie erinnern sich wohl Jhrer unglücklichen Schwester
nicht mehr?"

Der alte Mann hielt den Blick so stark auf ihn geheftet, als
ob bor ihm aus dem Boden ein Gefpenst aufgesticgen sei, sein
hageres Gesicht war noch fahler geworden, die fest auf einander
gepretzten Lippen zuckten krampfhaft.

„Weshalb erinnern Sie mich an sie?" fragte er.

„Jch bin Jhr Söhn, mein Name ist Martin Grimm."

Jm ersten Augenblick schien es, als ob Röder ihm die Hand
reichen wollte, aber dann sich eines anderen besinnend, zuckte
er mit den Achseln.

„Jch würde Sie als den Sohn meiner Schwester willkom-
men heißen, wenn ich nicht aus Fhrem Auftreten und Jhren
Worten entnehmen mützte, dah Sie feindliche Gesinnungen
gegen mich hegen," sagte er.

„Könnten Sie das anders erwarten?" erwiderte Martin
mit scharfcr Betonung. „Und könnten Sie wirklich dem Sohne
einer Frau Herzlichkeit heucheln, die Sie mit Jhrem Hatz ver-
folgt haben?"

„Wer sagt Fhnen das? Wer hat Jhnen gesagt, datz ich
Ihre Mutter verfolgt habe?"

„Meine Aeutzerung mag ungewählt gswesen sein, nichts
destoweniger werden Sie nicht beftreiten können, datz Sre in
diesem Familiendrama die Rolle des bösen Genius gespielt
haben. Jch will Jhnen das alles noch einmal ins Gedächtnis
zurückrufen, und wenn Sie meine Behauptungen widerlegen
können, so mögen Sie es tun."

„Weshalb diese Erinnerungen wecken?", sagte der alte
Mann, noch immer trotzig. „Jch kann mir wohl denken, datz
Jhre Mutter sich beklagt und Jhnen das in der gehässigsten
Weise geschildert hat; es wäre vergebliche Dtühe, wollte ich
versuchen, die Uebertreibungen zu widerlegen."

„Nicht aus dem Munde meiner Mutter, sondern aus ihren
hinterlassenen Papieren kenne ich die Geschichte," fuhr Martin
mit gehobener Stimme fort, „aus den Briefen, die uneröffnet
zurückgekommen sind, imd aus anderen Briefen, die Sie selbst

geschrieben haben."

„Was ich ihr schrieb, das schrieb ich im Auftrag meines
Vaters."

„Das glaube ich nicht, und wäre es wahr, so kann ich nur
annehmen, datz mejn Grotzvater gegen sein eigenes, unglück-
liches Kind aufgehetzt wurde. Jhr Vater besatz als angesehener
Kaufmann ein bedeutendes Vermögen, Sie und Fhre Schwester
Anna waren seine einzigen Kinder. Die Mntter lebte nicht
mehr, Sie wurden im Kontor Jhres Vaters beschäftigt, Anna
blieb sich selbst überlassen. Das Mädchen besaß musikalifches
Talent, es wünschte in der Mnsik ausgebildet zu werden, und
Jhr Vater erfüllte diesen Wunsch bereitwillig. Wir wollen
annehmen, es sei ein Unglück gewesen, datz sie, die reiche Kauf-
mannstochter, sich in einen armen Musiklehrer verliebte, und
datz ihre Liebe erwidert wurde; aber nachdem dies geschehen
war, hätte die Familie bedeiikcn follen, datz man den Tatsachen
Rechnnng tragen mutz, und datz ein liebeglühendes Menfchen-
herz nur der eigenen Stimme folgt."

„Sölche Anschaumigeii mögen drüben bei Jhnen matzgebend
seiu, hier sind fie es nicht," sagte der alte Mann, der sich auf
die Lehne eines Stuhlcs stützte u»d über seinen Ncffcn stark
hinwegblickte. „Wer war dieser Theodor Grimm? Ein hei-
matloser Musikant ohne Namen und ohne Vermögen, der kaum
so viel verdiente, datz er stch selbst ernähren konnte."

„Es war ein Ehrenma'nn!"

„Zugegeben; aber all das Elend, das er später über seine
Frau gebracht hat, sah mein Vater schon damals voraus; da
war es seine Pflicht, seine Einwilligung zu verweigern. Ue-
berdies kann ich auch die Behauptung, datz er ein Ehrenmann
gewefen sei, nicht bedingungslos Unterzeichnen, ein Dtann von
Ehre würde nicht das unerfahrene Mädchen hinter dem Rücken
des Vaters betört und noch weniger es zur Heiratz.-'-'gen den
Willen ihrer Eltern verleitet haben."

„Was blieb meiner Mutter denn anders übrig, wenn sie
der Stimme ihres Herzens folgen wollte, die ihr an der Seite
des geliebten Männes ein ungetrübtes Lebensglück verhietz?"
 
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