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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Mittwich, 11. März M3. Erstes Blatt. 45. Jahrgang. — 59.

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an bestimmten Tagen wird keinL Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

ü

Dom Kongreß znr Aekämpfung der Ke-
schtechtskrankHetten.

7.

F r a ir k f u r t, 8. März.

, , Heme Abend war B e g r n sz u n g der Kongreß-
m^nehiner inr oberen Saaf dec Alemaiinia. Es war
d'Ne zwanglose Ziisaminenkiliift ohne große Reden, wie
aenn überhaupt Lie ganze Veranstaltnng, deni Ernste
Lache entsprechend, kein festliches Gepränge aufweist.
mi der Präsenzliste findet man n. a. folgende Namen:
^i'. Tutoit-Havenith-Briissel, den Gründer der soeiete
Aternationale de prophylaxie sanitaire et morale, Geh.
Aal Neißer-Breslan, Pros. Lesser-Berlin, Dr. Blaschko-'
dterlin, H. Brann-Berlin, Heransgeber des „ArchivS fiir
^Ziale Gefetzgebnng", Geh. Rat E r b - H e i d e l b e r g,
^berinedizinalrat Kirchner-Berlin, Prof. Dontrelepont-
^onn, Dr. Hammer-Stuttgart, Dr. Minod-Genf, Geh.
Eöizinalrat Weigert-^rankfurt, Frl. Pappritz-Berlin
ünd Frau Tr. Scheven-DreSden.

-F r a ii k f u r t, 9. März.

^ Das ersre Thema der heutigen Tagesordnung lautet:
5^ t r a f r e ch t l i ch e nnd z i v i l r e ch t l i ch e B e -
.eutnng der G e f ch l e ch t s k r a n k h e i t e n.

Liszt und Hellwig-Berlin haben zwei Gutachten er-
nattet. Referent ist Qberlandesgerichtsrat S ch möl -
E r - Hannn. Der Redner ineint, nach dem Bericht der
Mkkf. Ztg.", wir ständen gegenwärtig vor einer gewissen
lleberspaniinng der staatlichen Strafgewalt, und man
^upfe daher den Psad der Vorschläge zu neuen Straf-
Metzen nur mit der größten Vorsicht beschreiten. Aber
Ae Begriffe von dem, was unmoralifch und verboten,
Mlen sjch hier vollsläudig verwirrt, die soi-disant au-
uandigsten Männer machten sich, wenn sie geschlechtlich
.^krankt seien, kein Bedenken daraus, ihre Krankheit
°Urch Geschlechtsverkehr meiterzutragen. Jnfiziert ein
münn seine Ehesrau, so bleibt die Weitertragung der
N'ankheil inimerhiu eine lokalisierte, iusiziert er eine Pro-
wtuierte, so eröffnet er der Weitertragung die weitesten
^age. Redner enipfiehlt den Lisztschen Vorschlag, der
Mä, ducchaus in das System des Deutschen Strafg>fsstz-
^uchs Die Fassung, zu der Liszt gelangt, lautet:

Wer alißerhalb der Ehe, obwohl er weiß odec den
^mständen nach annehmen muß, daß er an einer an-
lteckenden Geschlechtskrankheit leidet, den Beischlaf
uusübt oder mit einer anderen Person eine unzüchtige
Handlung voruimmt, die an sich und mit Rücksicht auf
oie Urt der Geschlechtskrankheit zur Krankheitsübertra-
6iing geeignet ist, wird mit Gefänguis bis zu zwei
Lahren nnd Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen
^elegt. Neben der Gesängnisftrafe kann auf Verlnst
oer bürgerlichen Ehrenrechte erkannt wcrden.

Hinfichtlich der Prostitution komnit Redner zu fol-
Nsden Vorschlägen: Ter allgememe Paragraph wegen
^lundheitsgefährduiig ioll einen zweiten Absatz erhalten,

°uhin: '

Jft die Tat von einer Frau in der Ausübung der
bbwerbsniäßigen llnzucht verübt, so ist nicht auf Geld-
s.Ecife, anf Gefängnisstrafe äber im.Rahmen bon sechs
^Aonaten zu erkennen.

Aiißerdeni sotl eine Sonderbestiiiiiiiuiig lauten:

Eine Fran, die behaftet mit einer ansteckendeii Ge-
schlechtskrankheit gewerbSmäßige Unzucht treibt, ivird
mit Gefängnisstcafe von einem Monat bis zu einem
Fahr betegt.

Jn der Diskiiffion wurden von mehreren Seiten Be-
denken gegen die Schmölder'schen Borschläge erhoben,
Prof. Fränket z. B. befürchtete, daß in Ziikimft Pro-
stitiiierte sich überhaupt schenen Ivürden, den Arzt auf-
zusiichen. Nkan würde geradezu aus dem Regen in die
Trmife gelangen. Eine Abftimmung erfolgte nicht.

Zur zivitrechtti ch e n Bedeiitiing der Geschlechts-
krankheiten führt Ler Referent Schmölder anS, auf dem
die Versaniinliing beschäftigenden Ge'biet sei das Zivil--
recht durch daS Bürgerliche Gesetzbnch zu eiiiem znfrie-
denstelleiideii Abschluß gekommen. Hier handelt es sich
alsv nnr uiii eine Gesetzesdeiitung, nicht iim eine Ge-
setzesfindiing.

Es folgt eine knrze Tiskiission. Fran H. Fürth-
Frant'furt macht auf einen vergessenen Pnnkt anfmerk-
sam. «chon die bloße Veranlassiing einer Erkraiikung
solle Grund znr Ehescheidinig sein, ohne Beachtnng der
Schuldfrage. DaS Analoge geschehe ja anch bei Geistes-
krankheit. Die Ehefran Ivürde übrigens keineAvegs in
hänfigen Fällen von diesem Recht der Ehescheidung Ge-
brauch macheu. Prof. Flesch fordert gleichfalls eiue Er-
weiteruug der gesetzlicheu Bestimmuugeu iu dem Falle
geschlechtticher Erkrankung.

Deutsches Reich.

— Die Trierer „LandeSzeitiing" hat noch keine Worte
über die Z u r ü ck n a h m e des P ubli k a n d u m s
gefuiiden. Die G e i st l i ch e u des Dokanats Prüm do-
peschierteu, treu zu ihrem Bischof „in gnten mie in böseu
Tagen" zu stehen.

— Zu der Triere r A ugelegeuheit schreibt
die „Rationallib. Korrefp.": Das Zeiitriiiii kann aufat-
inen, daß durch den rechtzeitigen Riickzizg des Mschofs
ihm ein schwerer Stein des Anstoßes iux Buudesrat zur
Befeitigung des Paragraph 2 des Jesuitengesetzes viel-
leicht aus dem Wege geräumt wird. Es steht zweifellos
fest, daß gerade das Publikandum des B>schofs Korum
bei einer Anzahl von Bundesstaaten die grötzten Bedenken
hervorgernfen hat, der Aufhebung des Paragraph 2 des
Jesuitengesetzes znzustimmen. Wie weit jetzt die Znrück-
nahme des Pttblikandums dnrch den Bischof diese Beden-
km wieder abgeschwächt, muß sich bald ergetzen. Die Ve-
sorgnis wird sich aber nicht einschläsern lassen, daß dem
jetzigen Zurückweichen der .Kurie bei erIer bestec Ge-
legenheit ein« erneuter, nm so kräftigerer Vorstoß folgt^

Deulscher Weichstag.

Berlin, 10. März.

Weiterberatung des Etats: Militäretat.
Berichterstatter Abg. Gras Roon berichtet über die Kom-
missionsbeschtüsse, insbesondere die Streichung dcs vou der
Regierung geforderten Gehaltsmehrcmtrages für 180 St a b s-

offizicre in Preutzeu, 16 iu Sachsen uud 9 in Würt-
rembcrg.

Äbg. v. N o r m a u u (kons.) befürwortet eine» Antrag
v. Normann-v. Kardorff-Büsing, die'Fordernug der Gehalts-
vermehrnng für die Stabsofsiziere und der dazu gehörigen
Nebcnbewiliiguugeu im sächsischeu, preutzischeu und würitem-
bergischeu Etat wicder herzustellen.

Abg. Siuger (Soz.) bczweifelr dic Beschtußsühigkeit
dcs Häuses.

Die Auszähluug crgibt die Anwesenheit vou 172 Abgeord-
neten; das Haus ist also beschlutzunfähig.

Der Präsident setzt die nächste Sitzung auf nachmittags
halü 4 Uhr feft: Fortsetznng bei Titel 35 des Militäretats.
Schlutz 8 llhr.

Nach Wiederaufnahme der Sitzuug wird die Etatsberarung
bci Kapitel Militärbilduugs- und Erziehungswesen fortgesetzt.

Dte Regierungsforderuug 103 000 Mk. zur Errichtung einer
eigeneu m i l i k ä r - t e ch u i s ch e u Hochschule , die von
der Konimissiou abgelehnt wordeu ivar, wird auf Antrag des
Abg. Dr. Sp a h u (Ztr.) au die Budgetkommissiou zurückver-
wiesen.

Hierauf wird eine Resolutiou Eickhoff (sr. Vp.) ange-
uommen, dafür zu sorgen, datz im nächsten Etat die seminari-
stisch geüildeten Lehrer an den ttnteroffizierschulen usw. den
scminaristisch gebildcten Lchrern an den Kadettenschulen be-
züglich ihrer Besoldung gleichgestellt werden.

Abg. Bebel (Soz.) fragt an, ob einc Neübcwafsnung der
Fcldartillerie gcplant sei, uud geht daiin auf die Gcschützfabri-
katio» überhaupt ein. Die grotzen Fabriken, insbesondere die
Firma Krupp, betrüge die Hceresvcrwaltung um nngeheure
Summeu.

Kriegsminister v. Gohler: Drc Sachc sei eingchend in
der Budgetkommissioii besprochen wordeu. Jedes Geschütz sei
das Ergebnis einer längereu Erprobung. Ein ueueö Geschütz.
tomme uicht iu Frage. Bersuche mit aptierrcu Laffetten seieu
angcordnct; auf weiteres hier eiuzugehen, halte er uicht für
richiig. Datz die Firma Krupp betrügcu könnte, bestreite cr
entschiedeu. Bcbel vergcsse die ungehcuren Vcrdienste der
Firma nm Deutschland und seine Wehrkraft. Er bestrcite das
von Bebel vorgebrachte Zahlenmaterial. Jcdcr Staat werde
eine leistilngsfähige Fabrik habcn müssen. Wir hätten die
grotzen Kriege nicht gewonncn ohne dic Firma Krupp; sie könne
verlangcn, beschäftigt zu werdeu.

Abg. S i n g e r (Soz.): Das von Bebel hier Vorgebrachte
sei nichi in der Kommission als vertraulich bezeichnet worden.
Die Aiigriffe seincr Partei richteten sich gleichmätzig gegen alle
Firmen, die ihr Monopol benutzten, um das Reich teurer zu
bediencu.

Abg. B cü el (Soz.): Bei Beratuug des Marineetats iu
der Budgetkommission sei festgestellt worden, datz die Firma
Krupp Panzerplatteu der Marineverwaltuug teurer berechnete
als den Bereinigten Staaten; das sci wedcr loyal noch patrio-
iisch. Eiiien Verdacht gcgen die persönliche Ehrenhaftigkeit des
Kriegsministers habc cr nicht ausgesprochcn; er hoffe, datz der
Kriegsmiiiister persönliche Verdüchtigungcn unterlasse.

Kriegsministcr v. Gohler: Die in der Budgetkommission
auwesenden Sozialdemokrateu hätten das Bertraueu bezüglich
vertraulicher Mitteiluiigen noch niemals getäuscht.

Schliehlich wird um halb 7 Uhr die Weiterberatung auf
morgen 1 Uhr vertagt.

Hcssen.

D n r »i st ndt, O.^März. Dns r n s s ische K a i -
serPan r wird im -spätsominer zu längerem Besuch
benn Großherzog eintresfen.

Aus der Irauenwett.

Lage der K r a n k e n p f l e ge r i n n e n gehört

inen

i^. Su drn Fragcn, die von den deutschcu Frauen in dcu K
Kii^i Jnteresses gczogcn worden sind. Qbgleich im allgemc
xA Ueberangebor an weibiicheu Arbeitskrästen herrscht, fehlt
^ doch b,.stäiidig an geschultcn Kräftcu im Krankenpflcgebcruf.
rz st ist um so auffallender, als gcrade die Frau für die Pflcge-
g, sökeit hervorragcndc Begabung uud Neiguug besitzt. Die
füe piese Erscheinung müssen in äutzeren Umständeu
xZsscht toerden, die den Krankeupslegeberuf uiiverhältiiismähig
P<^vrren.; es sind dies: die Ueberbürdung teils mit wirklichen
ko '^ediensteu, reils danebeu noch mit grober Hausarbeit; das
8eiu' Leib uuid Seele keiuc Erholung bietendc Leben; däs
die s-" ^uier ausrcichendeu Sicherstelluug für die Zukuuft, und
iich'v unerträgliche geistige Gebundenheit. Erklüreii lätzt
» Enrstehung dieser Umstände dadurch, datz früher dic
Z,-"renpflege ursprünglich uur vou den Fraucn der uicdcrcn
üclm ausgeüüt worden ist, daneben aber ganz vornehm-

den Händen kirchlicher Gemcinschaften lag. Diese haben
hn„o^r uncntgclllichen Liebestätigkeit an Kranken seit Jahr-
q»,!^^te„ Grotzes geleistet. Aber wir dürfen deshalb nicht
dah die Tätigkcit der Pflegerin, wenn sic für Be-
"8 geschichl, entwertet werde. Wir bezahlen ja auch den
„,»Dn»d den Geistlichcn für ihre Dienste. Die sogenaunten
"ichen" Vereine zur Kraukenpflege, wie etwa das Rote
gexÄ' welche deu Versuch macheu, sich auf den Boden der bür-
»iit v " Erwerbsarbeit zu stellen, haben doch viele Aehnlichkeit
-si kirchlicheu Gemeiuschaften, dcucn sie nachgcbildet sind.
Wid ? E verlangen von ihren Angehörigcn harte Lebensweise,
8ejstr'° kange Arbeitszeit, datz jede Befriediguug der eigenen
b" Bedürfnisse für sie so gut wie unmöglich ist. Aber
n>»».s^w der lästige Zwang, der Mangel an Selbstbestim-
höxw"ärecht veranlatzt viele zum Ausscheiden; wer für Ange-
Ne», k ivrgen hat, wer darauf angewiesen ist, mchr zu verdie-
gelz' j^nn auch eincm der heutigcn eigentlich nur ein Taschen-
sogx»^8lenden Krankcnpflegcrvcrbande nicht angehören. Die
wo „freien" Schwestern stehen an mauchen Ortcn,

^ge» ^ Merhand zweiselhafte Existenzen diesen Nameu bei-
' >" schlechtem Ruf, so dah eine uicht zu einem Verbande

zählende Pslegerin heutc einen schweren Stand hat. Zur
Besseruug dieser Uebelstäude wurde aus dem Bundestag deut-
scher Frauenvereine in Wiesbaden letzten Herbst vorgeschlagen,
die Krankeupflege staatlich zu schützeu und Berufsorganisatio-
nen zu bilden. An den Verhandluugeu uahmeu verschiedene
Schwestern, Oberin Marie Lauer aus San Remo und die
Obcriu der bayerischen Bereiue vom Roten Kreuz, Clementine
v. Wallmeuich uud I). Dr. Zimmer aus Berlin, der 'Schöpser
der Evangel. Diakomssen-Vereine, regen Anteil; ein erfreu-
licher Beweis dafür, datz die Mitarbeit der deutschcn Franen-
verein-e bei der Reform der Krankenpflege vou zuständiger
Seite für wichtig gehalten wird. Jn der Anerkeunung der
Notwcndigkeit solcher Reformen war man vollstäudig eiuig
uud einstimmig wurde auch folgeuder Autrag angeiiommen,
der seither deu zuständigen Behörden unterbreitet worden ist.
Der Staat möge:

1. allen Pflcgeriiuien die Möglichkeit geben, uach einer
staatlich vorzuschreibendeu dreijährigen Ausbilduug eine Prü-
fung abzulegcn, uach deren Bestehen ein staatliches Zeugnis
und die Berechtigung, ein staatlich geschütztes Abzeichen zu
tragen, erteilt wird, das die Aufsichtsbehörde gcgebenen Fal-
les wieder entziehen kaun;

2. imr solche Krankcnhäuser zu konzessiouiercii» welche die
Gewähr ausreicheuder Fürsorge für ihr Pflegepersoual durch
Einschränkuiig der Arbeitszeit auf nicht mehr als 11 Stunden
und durch genügende Sicherstellung für das Alter und im Fall
der Jiwalidität bieten;

3. in seinen eigenen Kranteuaustalten cine mustergiltige
Krankeupflcge-Organisation schaffen, die ein zweckmätziges Jn-
einandergreifen sowohl vou Vcrwaltung, ärztlichem uud Pfle-
gedienst, wie von männlichem ünd weiblichem Megepersonal
gewährlcister, u»d dcm Pflegepersoual eine idcelle und ma-
terielle Sicherstclluug vcrbürgt."

Vorläufig hat der obige Autrag zur Folge gchabt, datz
der preutzische Kultusminister sich einen ausführlichen Bericht
üüer die Wicsbadcner Vcrhandluugeii ausgebcteu hat. Jn dem
darauf vor turzem eingelaufenen Dankschrei'ben sagt er, er
habe veranlatzt, datz der Antrag zum Gcgenstaud weiterer Er-
wügnngen gemacht wird." —

Wie bescheiden die gestellten Forderuugen sind — das
sei zum Schlutz noch hervorgehoben — wird man sich verge-
geuwärtigen, weim mau bedenkt, dah der Arbeitstag der
Fabrikarbciterinnen gesetzlich auf 11 Stuuden beschränkt ist
uiid jeht alle Sozialpolititer seine Herabsetzung auf 10 Stunden
bcfürworteu — das geschieht für die Fabrikarbeiterin, die nur
tote Maschinen bedicnt und uicht die Berantwortung für Meu-
schenleben zu trageu hat.

Für die Ansichten der deutsche» Frauenrechtleriimeii über
die Pflichten der Frau gegenüber der Familie scheint uns
charakteristisch, was Frau Marie Stritt, die Vorsitzeude des
Bundes deutschcr Fraucnvereine, im Zentralblatt dieses Bun-
des über die unglückliche Kronpriiizcssin von Sachsen schreibt.
Sie sagt n. a.:

„Die Freiheit, der die Prinzessin Luise aus lästigen Fesseln
zustrebte, ist nicht die Freiheit, „die wir mcinen", nicht die
Lebeussührung unter eigeuer Verant-
ivortung, die Ivir auch für unser Geschlecht
iu Auspruch nehmeu. Dieser und jeder Ver-
autwortung hat sie sich vielmehr iu kiudischem Trotz uud Un-
verstand entzogcu, als sie, die 33jä'hrige Frau und Mutter
von fünf Kinderu, sich ihrcn Pslichten cntzog und in schlimmster
Unfreiheit, unter der Tyraunei der Sinne, einem Augenblicks-
trieb ihrer uugezügelten Natnr nachgebeud, ihr Schicksal und
shre ganze Zukunft einem unreifen, juugeu Menschen überlie-
ferte. Sie hat gerade durch diesen Schritt bewieseu, dah sis
keine starke Persönlichteit, svudern ein ganz schwacher, jedem
Fmpuls folgender Charakter, keine neue Frau, sondern der
imverfälschte Typus des „Weibchens" ist, das nur eiu Aus-
lcben nach seinen primitiven Geschlechtsinstinkten, nicht nach
'höhcren individuellen Bedürfuissen uud sittlichen Normen
kennt. Nie und riimmer hätte sie tuu könneu, was sie tat,
wenn sie daS geringste Verstäuduis für die Gedanken, die heute
die Welt, vor allcm die erwachte Frauenwelt bewegen, und
für die Aufgaben gehabt hätte, die sie üi ihrer vor Millionen
bevorzugten'Stellung, mit ihrcr glücklichen Gabe, die Men-
schen zu gewinneu, als Frau uud Mutter und K-önigin für die
Allgemeinheit und für ihr Gcschlecht hätte Vvllbringen köimcn."

14 Seiten.
 
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