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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Samstag 11. April 1903.

Äweites Blatt.

45. Jahrgaug. -- L 85

Ilschkint t » , lich. Smmta«» «l»genomMeri. Pretz» mit Kmmlienbläitern momrtlich K0 Pfg. in'» Hau» «ebvacht. bei der <kxpediti«, w» dtt, abgcholt 40 Pf» D«ch 1

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«> bestimmten Tagen tvird kein« Berantwortlichkeit Wbernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Eine Erinnerung.

Da der Besuch des Kaisers in Kopenhagcn
^Senwärttg die öfsentliche Aufmerksamkeit auf Däne-
^ark hinlenkch so ist es interesfant zu sehen, welche
'^olle Napoleon III. im Jahre 1870 dem Jnselreich zu-
^dacht hatte. Der als Verteidiger von Paris berühmt
^tvordene General Trochn gibt in seinem i. I. 1896
^tz nach seinem Tode veröffentlichten Werk Sibge de
daris in Band I, S. 89 u. f. hierüber interessanten Auf-
^luß, worüber der „Schwäb. Merkur" folgendes mitteilt:

18. Julß also am Tage vor der französischen Kriegs-
Märung, wurde General Trochu, öer damals wegen
!^Nes die Niederlage voraussagenden Buchs über das
^tanzösische Heer in Ungnade war und der Reserve an-
^hörte, in das Palais Royal zum Prinzen Jerüme be-
^ufen. Der Prinz erklärte nun dem General, daß er den
^usbruch des Krieges bedanere, daß es aber jetzt gelte,
^ittel zu günstigem Ansgang zu finden und daß der
'Mser als solchcs eine Landung in Schleswig- Holstein
^Nter Mtwirkring von Dänemark ansehe. Mit Hilse von
^änemark würde man im baltischen Meer und in den Elb-
^trzogtümern eine Reihe von Unternehmungen aus-
äihren, die, Preußen im Rücken bedrohend, die Entschei-
AtUg herbeiführen würden. Der Prinz eröffnete dem
^tneral, daß der Prinz selbst den LLerbefehl führen solle,
^ährend Trochn die Landtruvpen, Admiral Roncidre dis
vlotte befehligen sollte. General Trochu sprach sich da-
aus, daß diese strategische und politische Kombination
^enfalls von entscheidendem Einflutz sein würde, da sie
fhcht nur die fonst zur Untätigkeit verurteilte französische
älotte zur Wirksamkeit berufe, sondern auch Dänemark
^elegenheit gebe, die verlorenen Provinzen wieder zu er-
?hern, und da auch Hannover sich wieder von der Herr-
lchaft von Prenßen befMen könne. Man hielt sür die
unternehmung 30 000 Mann mit 90 Geschützen nnd einem
delagenmgspark sür ausreichend und wollte diesem
^eere noch eine Reiterdivision aber ohne Pserdc beigeben!
^ mmr glaubte, daß sich diese Reiter leicht in Dänemark
^vitten machen könnten. Man rechnete auf die Mitwir-
RNg von 40 000 Dänen mit ihren bereit gehaltenen Re-
!?.rven und glanbte, daß dieses Heer, unterstützt durch die
°lfontliche Meinung, kühn vorwärts gehen könnte. Vor
^llem müßte die Düpvelstellung genommen nnd dann rasch
^Urch das insurgierte Schleswig-Holstein nach Hannover
^prgedrungen werden, wo glsdann sofort eine Volkser-
^bung zu Gunsten des vertriebenen Königs ansbrechen
^ürd-e. General Trochu machte jedoch den Prinzen
«rüme ausdrücklich darauf aufmerksam, daß eine solche
"Uternehmnng nur dann ausführbar sei, ivenn der Ge-
.pnke nicht erst gestern im Kopf des Kaisers cntstanden
sondern wenn man längst ein Offensiv- und Defensiv-
"ündnis mit Dänemark abgeschlossen habe. Man müsse
'ücht nur eine Kriegsflotte hiezu sammeln, sondern anch
^ve nnt hinreichendem Proviant versehene Transport-
üstte, und da zu diesen Vorbereitungen 3 Ministerien und
^Ue Menge von Drenstzweigen Nntwirken müßten, h'o

^ Wilde Wogen.

Roman von Ewald August König.

(Fortsetzung.)

.. -Bitte, wenn du das glaubst und solche Anklagen gegen
erhebst, dann werde ich schweigen", unterbrach ihn Her-
^nn; „ich will nicht in den Ruf eines Verleumders kom-
Nrn. Wxnn ich dich gcwarnt habe, so geschah das iu deinem
^Lenen Jnteresse, weil ich dein Freund bin, und weil ich
^Ngst gewußt habe, daß du mit deiner Braut nicht glücklich
»^rden kannst. Sage nnr einmal ehrlich und ausrichtig,
tzfnubst du das Gegenteil? Glaubst du, daß deine Braut dir als
nttin genügen kann? Jch kcnne deine hohen Ansprüche —"
u "Beantworte meine Frage", fiel der Apothekcr ungeduldig
iu'Z Wort, „ich habe Beweise verlangt."

-Kennst du das Stickgeschäft von Salomon Lilienzweig?"
-.Jawohl."

sz, "Na, dort sah ich deine Vraut gestern Abend. Jch kam zu-
vorbei und blicktc durch das Schaufenster hinein; ich
das immer, man sieht dort hübsche Mädchen, und ein schö-
d Mädchenantlitz weiß ich als Maler zu schätzen."
tz- "Weiter, weiter! Also meine Braut ftand dort und machte
"kaufe? Vielleicht ein Weihnachtsgeschenk für mich?"

»Nein, ste machte Verkäufe", erwiderte Hermann ruhig,
h b packte eine Stickerei aus und übergab sie dem jungen
dg^^'.der hinter dem Ladentisch stand, ein anderer Herr trat
ste scherzten und lachten mit deiner Braut, dann zahlten

^.ster

thr Geld. Neben mir stand ein junger Offizier am Schau-
die Herren Leutnants schauen ja auch gcrne in die

egpoü t. v

5" hmein. Jch ging fort, als dieser Offizier in's Haus u.
schjp^ Ladentisch trat, ich hatte kalte Füße und die ganze Ge-
Nte war mir nicht intcreffant genug."

Gesicht des Apotheters war noch faHler geworden, seine
»bn funkelten zornig hinter den Gläsern des Lorgnons.

würde eine lange Zeit erforderlich sein. Wenn daher diese
Vorbereitungen noch nicht getroffen seien, so könnte die
Flotte nach Ansicht des General Trochu im baltischen
Meere erst erscheinen, wenn der ganze Krieg zn Land
schon entschieden fei. Der Prinz strmmte dem General
bei mit dem Bemerken, daß noch nichts vorbereitet sei und
daß alles im 'Kriegsrat verhandelt werde; er forderte
den General auf, diese Anschauung im Kriegsrat vorzu-
bringen.

Am 19. Juli, d. h. am Tage der Kriegserklärung
fand nun ein Kriegsrat statt, in dem Napoleon langsam
und mit einer' gewissen ruhigen Gleichgiltigkeit den
Plan vortrug und den KriegsminiDr aufford'erte, Aüs-
kunst über die vorhandenen Mttel zu geben. Der Kriegs-
minister, d-amals noch Marschall Leboeuf, zeigte nun, daß
höchstens 10 000 Mann von der Marineinfanterie sonst
aber kein einziges Linienregiment hiesür versügbar sei
und daß man dte gegenwärtig in der Mldung begrif-
senen Mobilgarden dazu verwenden müßte. Nun aber
sprang der Marineminister, Admiral Rigault, zornrot im
Gesicht auf und persicherte mit schallender Stimme, daß,
solange er als Marineminister dem Kaiser gegenüber die
Verantwortung trage, er sich weigere, dem Prinzen Napo-
leon eine Flotte anzuvertrauen. Mt diesem Schlage, den
der Admiral in Gegenwart des 'Kaisers nnd der Mnister
dem das Vtzrtrauen des Kaisers besitzenden Prinzen ver-
setzte, war der Kriegsrat gesprengt, die Unternehmung
ausgegeben. Der Prinz, sich voll beherrschend, wollte
antworten, doch hob der Kaifer, der selbst ein ironisches
Lächeln nicht verbergen konnte, den Kriegsmt mit dem Be-
merken auf, daß lsie Sache nicht genug vorbereitet sei.
Als General Trochu den Saal verließ, wurde, er von Nbr.
de Cadore, einem Divlomaten, über dte Sitzung befragt,
mit dem Bemerken, daß Cadore soeben beäuflvagt worden
sei, gegdbenen Falls die Verhandlungen mit Dänemark
zu führen. Als,Trochu zu Hause angekommen war, be-
suchte ihn der dänisckse Gesandte Graf Moltke und erkun-
digte sich, sichtbar beängsttgt, nach den im Kriegsrat ge-
saßten Beschlüssen, woraus der General erklärte, daß der
Plan unausführbar sei. Das .französische Generalstabs-
werk über den 'Krieg 1870—71 verschweigt diesen hübschen
Plan, an dessen Wirklichkeit jedoch nicht zu zweifeln ist.
Der Plan ist ein weiteres Zeugnis für den unerhörten
Leichtstnn, mit dem sich Napoleon in den Krieg gestürzt
hat, denn es wird in der Geschichte wohl noch nicht dage-
wesen sein, daß man erst am Tage der Kriegserklärung
daran denkt, mit einem anderen Volk über die Mitwir-
kung am Krieg in Verhandlung zu treten, und endlich
ist besonders merkwürdig der Gedrmke. eine Reiterdivision
ohne Pferde zu landen und dieselbe erst mitten im Krieg
im feindlichen Land beritten zu machen.

Errgland und Portugal.

Vor seiner Abreise aus Liisabon empsing der König
von England eine Deputation der vortugiesischen Han-
delska-mmer. Jn Beantwortung der ihm von dieser über-

„Jch fragc dich nunmehr auf Ehre und Gewissen, ist das
die reine Wahrheit?" fragte er mit zitternder Stimme.

„Die reine Wahrheit, aber rege dich doch deshalb nicht so
gewaltig auf. Jch glaubte, du hättest das gewußt, du mutz-
test doch auch darüber nachdenken, woher deine Braut das
Geld zu ihrer Garderobe nahm. Der Bruder hatt immer nur
ein knappes Gehalt gehabt, und davon mußten die beiden
ihren Unterhalt bestreiten."

„So hätte Erna sich an mich wenden sollen!" fuhr Joseph
Wend auf, „es ist eine Schmach für mich, daß meine Braut
im Tagelohn arbeitet. Beleidigungen und Demütigungen
werden ihr dabei nicht erspart bleiben, und jedermann hier
weiß, datz sie mit mir verlobt ist."

„Je nun, angenehm ist das nicht für dich," sagte Hermann,
dessen Ruhe die Erregung des Freundes noch steigern mutzte,
„aber ändern kannst du auch nichts daran. All diesem Aerger
kannst du dich mit leichter Mühe entziehen, reise nach Jtalien,
übertrage die Apotheke deinem Provisor u. sage deiner Braut
deine Gesundheit —"

„Jch werde meiner Braut etwas anders sagen!" brauste
der Apotheker abermals auf, „ich werde sogleich hingehen —"

„Und dir möglicherweise einen Blptsturz holen, wie?
Sei vernünftig, Joseph, nimm Rückstcht auf dein Leiden, es
ist ernst, sehr ernst. Wenn du ihr Vorwürfe machen willst,
so mache es schriftlich, das wird dich nicht so sehr aufregen."

Mit großen Schritten durchmaß Wend wieder das Zimmer,
der Sturm tobte immer gewaltiger in seinem Jnnern.

Sein Stolz und seine Eigenliebe waren furchtbar beleidigt.
Wenn seine Braut so arm war, daß sie aus eigenen Mitteln
die Koften ihre Garderobe nicht bestreiten tonnte, so hätte sie
fich an ihn wenden müssen; es würde seiner Eitelkeit ge-
schmeichelt haben, ihr das Geld wie ein Nlmosen in die Hand
drücken zu können.

Wie sprachen nun die Leute, wenn er dieses Mädchen hei-
ratete? Mochte er selbst auch nicht an ihr zweifsln, böse
Zungen könnten ungestraft einen Flecken auf ihre Ehre wer-

reichten Adresse erklärte der englische Monarch, es se»
sein heißester Wunsch, „Portugal un'd' Großbritanmen
Seite an Seite die Pfade des Fortschritts und der Zivili-
sation wandeln unl> sie durch die Einmütigkeit ihrer Han-
delspolitik beitragen zu sehen zur wirtschastlichen Förde-
rung beider Staaten und ihrer Kolonien, deren unan -
getastete Aufrechterhaltung den Gegenstan8
seiner treuesten Fürsorge und seiner eifrigsten Bestrebun-
gen bilden werde." Ilnd in erneuter Betonung des glei-
chen Gedankens Lemerkte Eduard VII. bei dem Abschieds-
frühstück an Bord seiner Pacht in dem Trinkspruch auf
Carlos II.: „Mein Land wie das Ihrige hat, das ist
meine sichere Empfindung, nur einen Wunsch, näm-
lich den, die Ehre seiner Fahne aufrecht zu erhalten, und
die Kolonien , die wir hesitzen, zu bewah -
ren, ohne die Besitzungen anderer zu schmälern." Hie-
rauf erwiderte der König von Portugal, daß nach seinem
und seines Volkes Empftnden die Anwesenheit des hohen
Gastes aus Portugiesischem Boden 'keinen» glücklicherM
Wschluß hätte finÄn können, als durch die eben erwähn-
ten Reden.

Jhre programmatische Bedeutung und politische Trag-
weite wird von keiner Seite in Abrede geftellt werden,
auch von denen nicht, die eventuell die Kosten zu tmgen.
haben, nicht die Kosten der zerbrochenen Töpfe, wie diL
Franzosen zu sagen Pflegen, sondern die des erneuten
Kittens der im Laufe der Jahrhunderte noch mituntev
etwas brüchig gewordenen englisch-portugiesischen En-
tente. Gegenwärkig ist dieselbe im vollen Umsange wie-
derhergestellt und feierlichst proklamiert; sie bietet Por-
tugal die denkbar beste Gewähr sür die Sicherung seines
ausgedehntcn Kolonialbesitzes im schwarzen Erdteil. Groß-
britannien gehört, soweit afrikanisches Gebiet in Betracht
kommt, einstweilen zu den fatten Mächten". 'Es will zu-
nächft in Ruhe verdauen können, was es neuerdings dort
verspeist hat, und um seiner Ruhe willen ist ihm dre Nach-
barschaft eines schwächeren Staates vom Rangs Portu-
gals begreiflicherweise lieber als die eines mächtigen und.
rührigen, wie däs Deutsche Reich es sein würds.

Ileber den Erndruck, welche Könrg Eduards Anspra-
chen rn England gemacht haben, wird der „Allgem.
Ztg." von dort berichtet:

Des Königs Erwiderung auf die Zldresse der portu-
gresischen Handelsvererne wird hier als für dre koIo -
uiale Eutwicklung Portugals epoche-
nrachend angesehen. Jn der von den Portugiesen mit
Begeisterung aufgenommenen, stark betonten Aeußerung
des Königs betreffs der Aufrechterhaltung des Vollbe-
standes der portugresischen Kolonialherrsckjaft erblickt man
in Englaird den Todesstoß , der dem anglo -
deutschen Südafrrka-Ab. kommen von 1898
versetzt wurde.

Deutsches Reich.

— Der Reichskanzler sandte ans Sorrent

fen, sie arbeitete ja im Tagelohn, sie mußte sich ja von frem-
»den Leuten alles bietcn lassen.

Und ihm hatte ste das alles verheimlicht! Sie wußte also,
dah er es nicht dulden würde, und dennoch hatte sie es gewagt»
ihm die große Schmach anzntun.

Wend stampfte mit dem Fuß auf den Boden und holte sein
Taschentuch heraus, um die Gläser -seines Lorgnons abzu-.
reiben.

„Du magst recht haben, es ist vielleicht beffer, sagte e«
heiser, ohne zn bedenken, daß ein geschriebenes Wort tiefer be-
leidigt, als ein ausgesprochenes, und ohne zu ahnen, daß ge-
rade sein Freund dieses bezweckte. „Jch dars und kann auch
nicht dazu schweigen, das wirst du wohl zugeben."

„Wenn ich es zugebe, so wirst du behaupten, ich wollte dich
aufhetzen", erwiderte Hermann ruhig.

„Geh' zu Salomon Lilienweitz, und erkundige dich, ob
deine Braut für ihn arbcitet."

„Das kann ich nicht."

„Hm, es ist auch möglich, daß deine Braut ihm verbotert
hat, dir die Wahrheit zu sagen."

„Erna muß mir aber die Wahrheit sagen. Gieb' Drr
mir doch einen Rat, was ich nun eigentlich zu tun habe?"

„Abreisen."

„Und meine Brarit?"

Jn diesem Punkte kann ich dir nicht raten, ich weiß ja
nicht, ob du deine Braut so innig liebst, daß die Trennung voN
ihr dich unglücklich machen würde", erwiderte Hermann, den
Freund unverwandt beobachtend, der mit finsterer Miene und
starrem Blick einen an der Wand hängenden Kupferstich be-
trachtete.

„Unglücklich? Nein! Nein!" sagte Wend nach einer langeN
Pause. „Es gab eine Zeit, wo ich das geglaubt hätte, heuts
glaube ich das nicht mehr."

Jn den Augen des Malers blitzte es auf, er wandte hastig
das Antlitz ab, um seinen Triumph nicht zu verraten.

„Dann mache dem Aerger ein Ende!" riet er. „Wenn ich
dein Arzt wäre, hätte ich Lir längst das Heiraten verboten^
 
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