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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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uns verlassen und manches Hindernis sich Ler Abhaltung eines
neuen in den Weg gestellt. Ein großer Kongreß habe erst vor
lurzem in Rom getagt. Unsere Historikertagungen sollten auch
künftig so bleiben, wie bisher, nicht ivie die großen Tagungen,
mit deren Verlauf wohl nicht jeder einverstanden 'sei. Es solle
zu gegenseitiger Aussprache Gelegenheit gegeben sein, die An-
regungen biete, Ausslüge sollten stattfinden usw. Er begrüßte
die Versammlung, insbesondere Herrn Ministerialrat Dr.
Böhm als Vertreter der Großh. Staatsregierung, den Amts-
vorstand, Herrn Reg.-Rat Becker, Herrn Geh. Rat von
Weech, als Vorstand des Generallandesarchivs, Herrn Pros.
Tr. Dove, als Vertreter der historischen Kommission, und
Herrn Oberbürgermeister Dr. Wilckens, als Vertreter der
Stadt. Er dankte allen Herren für das entgegengebrachte JN-
ieresse, insbesondere aber der Universität und ihrem Vertre-
ter, Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. M e r x. Als Vertreter des
Prorektors begrüßte dieser seinerseits die Versammlung. Es
sei eine Ausnahme, daß er diesen Kongreß hier begrüßen
lönne. Regelmäßig tage hier nur der Ophthalmologenkongreß.
Beide, der Historiker wie der Ophthalmologe, lehrten die Men-
schcn sehen, der Historiker im besonderen lehre den Menschen
sich selbst sehen, den Menschen in seinem Werden. Die Trüm-
mer einer unreinen Tradition durchsiebe der Historiker, die
danach echt befundenen Stücke verbinde und ergänze er, und
konstruiere so ganze Figuren. So setze er die einzelnen Gestal-
ten unter sich in Beziehung, und baue die zerstörte Welt viel-
lcicht herrlicher in scincm Busen wieder auf, als sie war. Aber
er lehre auch den Zusammenhang zu erfassen, locke des Be-
schauers Verstandesurteil hervor und schärse sein sittliches Be-
wußtsein. So übe der Historiker auf die Ausbildung des Ein-
^elnen und ganzer Völker und Zeiten einen großen Einfluß
aus. Die Orienrierung des Menschen über sich selbst, erfolge
nach den Direktiven, welche sein philosophisch geschultes Den-
ken durch die Welt empfange, die ihm die Geschichte der Ver-
gangenheit liefert. Die Direktive, die uns die Naturerkennt-
nis gebe, gehöre auch hierher. Das seien zwar alles bekannte
Dinge, aber sie sollten Zeugnis gehen, wie man an der Uni-
versität über die Bedeutung und Trngweite der Geschichte und
des geschichtlichen Unterrichts urteile. Für Juristen und Theo-
logen sei diese hohe Wertung der Geschichte natürlich, aber auch
für die Philologen sollte sie cs stets sein. Die Adepten der
Naturwissenschaftcn könnten sich nicht von Historie emanzipie-
ren, sie seien nicht nur Naturforscher, sondern auch Menschen
nnd Staatsbürger und als solche könnten sie für ihre richtige
Selbstbestimmung im öffentlichen Leben die geschichtliche Ein-
sicht nicht entbehren. So hänge auch jeder Wahlzettel, den sie
abgeben, in letzter Jnstanz von ihrer historischen Auffafsung
ab Unser praktisches Verhalten im Leben werde überall durch
geschichtliches Wissen und geschichtliche Auffassung bedingt.
Reiches geschichtliches Wissen habe ein freies sich selbst bestim-
mcndes Volk und namentlich seine obersten Schichten sehr nötig.
Wo die historische Legende sjch breit mache, habe sie die unheil-
vollften politischen Folgeni Die Geschichte Frankreichs, ja
'Deutschlands und Europasi'würde ohne die Rapoleonische Le-
gcnde ganz anders berlaufen sein. Eine Hochschule müsse die
Geschichte in ihrem Beginne pflegen, nach der Seite der For-
schung hin als nach der der Darstellung. Die wahrheitsgemäß
Larstellende Realistik sei das Arccmum der politischen Er-
ziehung, daneben sei aber auch das Jndividuelle und Psycholo-
gische zu betonen. Das geniale Jndividuum zeige seine Kraft
sowohl in der Benutzung als in der Umgestaltung sozialer und
nationalökonomischer Verhältnisse. Der geschichtlich politischen
Erziehung bedürften wir in unserer Zeit sehr, da sich die.tief-
greifcndsten Differenzen zwischen dcn Perteien vielfach auf
die Formel zurückführen liehen, ob die Gcschichte die Vorhand
habe oder das Dogma, ob das Dogma die Geschichte entstellen
dürfe oder die Geschichte das Dogma zu berichtigen habe, sei es
das römische oder das sozialistische, das Dogma des Frei-
handels oder das des Merkantilismus. Die Universitäten als
die geweihten Stätten, die nichts zu pflegen haben als die
Wahrheit, hätten in den Historikern, die das Banner der
Wahrheit hochzuhalten hätten, das Organ, durch welches sie
die weitestgehende Wirkung crzielten. Jhre Pflicht sei es, die
Spezialforschung mit ihren Methoden auszubilden und diese
Arbeit gebührend zu schätzen und zu schützen, ihr Ruhm und
ihre Freude sei es, die Ergebnisse in ihren allgemeinen Zu-
fittnmenhängen zum Heile unseres Volkes^ bon ihren Kathedern
verkündigt zu sehen. Mit solchen GedaNkdn hegrüße er die
Versammlung namens der Universiiät. Aucihr hätten die gu-
ten Geister der Geschichte seit ihrer Erneuernng vor 100 Jah-
ren unablässig gewaltet und historische Künstler von unbe-
ftrittenem Ansehen gewirkt. Zur Neugestaltung Deutschlands
hätten diese nach ihren Kräften beigetragen. Für die Wirk-
famkeit ihrer Historiker sei das einer der Hauptfaktoren gewe-
fen, daß sie immer einen Zug zur Universalhistorie gehabt hät-
tcn, ein anderer Faktor der, daß die politische Geschichte stets
das Hauptfeld eingenommen habe, die das eigentliche Rückgrat
der Geschichte ausmache. Ein dritter Faktor sei der gewesen,
Laß die Heidelberger Historiker stets warmfühlende deutsche
'Ränner waren, er erinnere nur an Schlosser und Georg We-
ber, an Häutzer, Treitschke, Erdniannsdörffer u. Winkelmann.
Möchten die Geister dieser Männer die Tagung umschweben,
möchte der genius loci, der nicht in gelehrter Trockenheit der
Wissenschaft Jdeal sehe, seine Hilfe spenden, so würde die Ta-
gung in unserer Stadt dauernde Früchte tragen.

Nach dieser sehr beifällig aufgenommenen Rede begrüßte
Herr Ministerialrat Dr. Böhm den Kongreß im Ramen der
Großh. Regierung und Herr Oberbürgermeister Dr. Wil-
ckens im Namen der Stadt. Letzterer gah seiner Freude
Ausdruck, daß die 7. deutsche Historikerversammlung einmal
hier in Heidelberg tage. Er bedaure nur, datz er sie nicht in
Ler neuen Festhalle begrüßen könne, die erst bei der Hundert-
jjahrfeier der Universität in Benutzung genommen werden

die widerstreitenden Gefühle, die sie doch ihren Weg gehen las-
sen. Die Vanna Maeterlincks empfindet nicht, daß ihre Men-
fchenwürde auf dem Spiele steht, und daß sie sie verteidigen
niuß, mag es auch gefahrvoll sein im Käfig des Löwen. Und sei
-es durch ein Wort. Dies Wort wird nicht gesprochen. Sehr
fchön kam dann in der Darstellung des Frl. Heinrich zum
Ausdruck, wie Vanna sich zurückträumt in das heimatliche Ve-
nedig, als sie im Garten spielte und ihr der Goldreif in's Was-
fer gefallen wcrr. Fräulein Heinrich meistert die Sprache,
datz man von Augenblick zu Augenblick der angenehmsten Ue-
Berraschungen gewärtig sein kann. Auch bei den Szenen des
letzten Aktes war vle Kraft zu bewundern, mit der alles dem
Zweck der Rolle gemätz gestaltet war. Hrn. Holstein unter-
ftützte bei der Darstellung des Princivalli die stattliche Gestalt
mnd das schöne Organ. Jn den Szenen, wo Princivalli
fich als Feldherr zeigt, gefiel die knappe und eindringliche
Art der Sprache, in der Liebesszene der schöne Eifer, mit dem er
Den etwas dunklen Absichten des Dichters gerecht zu werden
fuchte. Was dieser Princivalli eigentlich ist, wird wohl Ge-
hcimnis des Magus in Belgien bleiben. Herr Brandt gab
mit ein paar Strichen einen treulosen Florentiner, daß es
eine gute Wirkung hatte. Bleiben die beiden Colonna. Jn
Ler Maske wie im Spiel bot Herr Eckhof ein fesselndes
Bild, im Fall der Worte war eiu wenig Eintönigkeit. Der
alte Colonna des Herrn S i gl hatte einen prachtvollen, aus-
drucksvollen Kopf. Und in der Geste alles Stil und Eleganz
und reichö Kunst der Sprache. Sv schieden wir aus dem' Haus
mit den angenehmsten Eindrücken, denn es scheint, je kälter
uns ein Dichter läßt, desto dankbarer werden wir gegen die
Darsteller, die sich mit gutem Erfolg mühen, seinen Träume-
reien eine Farbe des' Lebens zu leihen. K. W.

könne. Heidelberg sei für jeden, der sich mit der Vergangen-
heit beschäftige, ein hochinteressanter Boden. Zahlreiche, durch
Ausgrabungen zu Tage geförderte Spuren bewiesen, daß
Heidelbergs Boden in prähistorischer Zeit schon besiedelt gewe-
sen sei. Was in späterer Zeit in der rechtsrheinischen Pfalz
geschehen sei, das hrauche er hier nicht zu erzählen. Zwei
Schöpfungen aus längst verklungenen Tagen aber seien es vor
allem, welche Heidelherg das charakteristische Gcpräge auf-
drückten und ihm unvergeßlichen Reiz verliehen, die Ruine
des altehrwürdigen Pfalzgrafenschlosses u. die berühmte Hoch-
fchule. Die gigantische, schicksalskundige Burg in ihrer pracht-
vollen Umgebung nehme Herz und Sinn eines jeden für lanv-
schaftliche Schönheiten cmpfänglichen Menschen gefangen. Unsere
Hochschule, die älteste im deutschen Reiche, scheine vaZ Ge-
heimnis ewiger Jugend zu besitzen. Ein halhes Jahrtausend
hestehe sie bereits und immer wieder zeige sie neue Kraft und
ncues Leben. Was die Geschichtswissenschaft besonders unse-
rer Hochschule berdanke, hätten ja die Borredner bereits ge-
sagt. Jn dieser erfrischenden Atmosphäre heiße er die Ver-
sommlung, deren Verhandlungen er einen guten, gedeihlichen
Verlauf wünsche, herzlich willkommen in Alt-Heidelberg.

Für diese Begrüßungen sprach Geh. Hofrat Marcks den
Dank der Versammlung aus, berlas den Gruß einer gleichzei-
tig in Utrecht tagenden Historikerversammlung und teilte mit,
daß der Rundgang durch das Schloß unter der Führung von
Prof. v. Oechelhäuser- Karlsruhe stattfinden werde, da
Prof. Pfaff leider erkrankt sei. Schriftführer seien die Herren
Dr. Tille-Leipzig und Prof. Lindt-Darmstadt. Den ersten öf-
fentlicheN Vortrag hielt sodann Prof. Dr. Eduard Meyer-
Berlin über „Kaiser Augustus". Jn markanten Zügen schil-
derte er den Werdegang Octavians, wie er sich vor eine Neu-
gestaltung des römischen Staates gestellt sah und seinem Lande
eine neue Gesetzgebung schuf. Zwei Lösungen seien da mög-
lich gewesen, an den ihm ühertragenen Gewalten festzuhalten

u. die Monarchie zu begründen, oder die Republik wiedcr her-
zustellen. Das letztere habe sich allmählich als undurchführbar
erwiesen. Mehr und mehr habe er die republikanische Form
wicderherzustellen versucht, indem er dem Senat nach Antritt
des Erbes Cäsars seine alten Befugnisse wieder gab; der
Senat habe sich aber den Aufgaben seiner Zeit absölut nicht
giwachsen erwiesen. Besonders betonte der Vortragende das
psychologische Moment hei allen Handlungen des Augustus,
seine außerordentliche Vorsicht und Rücksichtnahme auf dic re-
alen Verhältnisse, bei deren Behandlung stets der Verstand den
Ausschlag gegeben habe; stets sei die Staatsraison sein ober-
ster Grundsatz gewesen. Es sei falsch, zu behaupten, daß alle
seine Handlungen nur auf den Schein berechnet gewesen seien.
Diese Behauptung zu bekämpfen, war das Leitmotiv des Vor-
trages. Diesen Gedanken führte Prof. Meher unter Anfüh-
rung bieler Beweise und Details in fast anderthalbstündigem
Vortrage aus. Jhm, dem Augustus unter den Händen, sei im
Besihe des Prokonsulats und der tribunizischen Gewalt bei
aller Schonung der bestehenden Formen etwas neues entstan-
den. Der eigentliche Begründer des Prinzipats, der Mon-
archie sei der Erbe des Augustus, sei Tiberius gewesen. Au-
gustus habe den ernsten und wahren Versuch gemacht, die
Rcpublik wieder herzustellen. Nach diesem mit großem Bei-
sall aufgenommencn Vortrage sehte eine lebhafte Diskussion
ein, an der sich die Profefsoren S e e ck-Greifswald, Neu-
man n-Straßburg und v. Scal a-Jnnsbruck beteiligten. We-
gen vorgerückter Stunde wurde der Bericht des Prof. Stern-
Zürich auf den folgenden Tag verschoben und es nahm gleich
Prof. Dr. v. B e l o W-Tübingen das Wort zu seinem Vor-
trage „die Entstehung des moderncn Kapitalismus" und
ging den Spuren dieser Entstehung bis in das frühe Mittelal-
ter nach. Sein Vortrag führte ebenfalls eine sehr bewegte
Diskussion herauf, an der sich besonders die Professoren
K e u t g e n-Iena, L a m P r e ch t-Leipzig und Sombart-
Breslau beteiligten. Gegen 2 Uhr war so die erste Tagung be-
endet. Bei der am Rachmittag unter Führung von Prof.

v. Oechelhäuser-Karlsruhe erfolgten Besichtigung des Schlos-
ses sollen sich die Besucher im allgemeinen recht ungünstig
über die Renovierung des Schlosses ausgesprochcn haben.

Heidelberg, 16. April.

Jn der heutigen Vormittagssihung hielt zunächst Archiv-
direktor Dr. Wolfram - Metz einen Vortrag über „Neuere
^ Forschungen über die Reiterstatuette Karls des Großen". Es
ist dies eine Statuette aus Bronze, die sich früher in der Ka-
thedrale von Metz befand. Jm Gegensatz zu der in neuerer
Zeit speziell von Klement vertretenen Ansicht, daß die Sta-
tuette aus karolingischer Zeit stamme, legte der Vortragende
die Gründe dar, welche'nach seiner Meinung es für ausge-
schlossen erscheinen lassen, daß die Statuette aus der genann-
ten Zcit stamme. Auf der Statuette trage Karl der Große den
Reichsapfel; nun sei er aber auf den Siegeln, Münzen, Bil-
dern und sonstigen Darstellungen aus karolingischer Zeit nie-
mals mit dem Reichsapfel abgebildet worden. Auch seine
Nachfolger nicht. Nur Karl den Kahlen sehe man einmal in
einer Abbildung in einem Psalter mit dem Reichsapfel. Das
habe aber für die Beurteilung der Statuette keine Bedeutung.
Der Reichsapfel sei eine byzantinische Jnsignie, deren sich Karl
der Große nie bedient haben würde. Dann trage die Sta-
tuette ein großes Schwert. Auch das stimme nicht zu der ka-
rolingischen Zeit. Das Schwert war damals eine nebensäch-
liche Jnstgnie, man sicht die Herrscher wohl mit Szepter und
Stab, aber nie mit dem Schwert; dieses wird vielmehr von
dcm Schwertträger gehalten. Sei schon hiernach die karolin-
gische Herkunft der Statuette ausgeschlossen, so trete dazu noch
der Umstand, daß das Pferd der Statuette nichts anderes sei,
als eine Nachbildung des Marc Aurel'schen Pferdes, das

in der Renaissancezeit außerordentlich oft als Muster gedient
hat. Nun sage man zwar, die Statuette habe nicht ursprüng-
lich ein Schwert gezeigt, sondern ein Stab; auch gebe man das
Pferd preis u. bezeichne es als neu gegenüber der Figur, die
darauf sitzt. Aber das seien doch nicht stichhaltige Rettungs-
versuche. Zu alledem komme, daß sich in den Akten der Metzer
Kathedrale aus dem Jahre 1507 eine Notiz befindet, wonach
einem Goldschmidt der Auftrag zur Anfertigung eines Bild-
werks Karls des Großen erteilt worden ist. Man hatte in der
Bücherei der Kathedrale eine Bibel, in der sich ein Bildnis
Karls des Kahlen bcfand, das man aber für ein solches Karls
des Großen hielt. Nach diesem Bildnis ist augenscheinlich die
Statuette geschaffen worden.

Jn der Diskussion crgreift Prof. Lamprccht das Wort,
um seinen Schüler Klement zu verteidigen. Die Renaissance
habe zwar versucht, alte Formen nachzuahmen, aber dies sehr
ungeschickt getan. Dagegen sei die Formgebung bei der Sta-
tuctte so sicher, wie man das im 16. Jahrhundert nicht hätte
machen können. Was die Fertigung der Statuette nach dem
mißverstandenen Bilde Karls des Kahlen anbetrifft, so sei
die Original-Statuette defekt und die Nase auf ihr verschoben.
Wenn sie also jetzt im verschobenen Zustande derjenigen Karls
des Kahlen ähnle, so könne das im unverletztcn Zustand nicht
der Fall gewesen sein. Außerdem sei darauf hinzuweisen, daß
Karl der Große auf der Statuette einen Schnurrbart trage;
i'm Jahre 1507 hätte niemand es gewagt, Karl mit einem sol-
chen darzustellen, denn die allgemeine Auffassung seiner Bart-
tracht war damals eine andere. Wenn er den Reichsapfel auf
der Statuette zeige, so könnte ja dss ausnahmsweise bei ihm
ebenso der Fall sein, wie es bei Karl dem Kahlen ausnahms-
weise der Fall war. Außerdem ist in der Zeit von 780 bis
800 das Bestreben dcnkbar, Karl den Großen in seiner voraus-
gesehenen Würde auch mit dem Reichsapfel darzustellen. Wolle
Rcdner nach alle diesem auch nicht die Echtheit der Statuette
bchaupten, so müsie er doch sagen, die Frage sei nicht gelöst.

Wenn nian etwas von der Bronze der Statuette loslösen und
auf ihre Zusammcnsetzung untersuchen wollte, dann dürfte
nian am ehesten zu einer sicheren Lösung der Frage gelangen.
Hierauf sprach Prof. Dr. Stern aus Zürich über einen Brief
Thibauts über Heidelberg aus. dem Jahre 1832. Die süddeut-
schen Universitäten waren daMals in Preußen übel angesehen.
Man trug sich in Berlin mit dem Gedanken, preußischen Un-
tertanen den Besuch der Universität Heidelberg zu verbieten.
Da schrieb nun Thibaut an den preußischen Minister Otter-
stedt am 26. Mai 1832 einen Bries, in dem er sehr nach-
drücklich und sehr warm sür Heidelberg eintrat. Der Senat
habe die Burschenschaften aufgehoben und dafür Landsmann-
schaften zugelassen, die sich jeder Anordnung des Senats fügten
und ein musterhaftes Betragen an den Tag legten. Die Stu-
denten seien im allgemeinen fleißig und solide, was auch bei
den aus Preußen Stammenden zutreffe. Sie verdienten das
höchste Lob, seien ihrem edlen König ergeben, und hätten be-
schlossen, sich vom Burschenschaftswesen fern zu halten, was
übrigens ein Jrrtum von Tibaut ist. Der Brief scheint eine
gute Wirkung ausgeübt zu haben, denn ein Verbot des Besuchs
der Universität Heidclberg, das schon ziemlich fest in» Aussicht
genommen zu sein schien, ist unterblieben. Recht scharf zieht
Tibaut bei dieser Gelegenheit gegen die Presse und einzeins
Demagogcn los und nennt in diesem Zusammenhang auch den
Buchhändler Winter. '

Aus Stadt und Land.

Hetdelberg, 16. April.

V Glockeu der Christuskirche. Sicherem Vernehmen nach ift
es nun bestimmt, daß die 4 Glocken der evang. Christus-
kirche am Sonntag, den 19. ds., von Freudenthal kommend,
ain Schlachthause hier feierlich durch eine Abordnung des Kir-
chengemeinderates abgeholt und mit Vorspann und Vorreitern,
die von Gemeindcmitgliedern der Weststadt in zuvorkommen-
der Weise gestellt sind, durch die Bergheimer-, Rohrbacher-
Zähringerstraße zum Turme gebracht werden. Dort wird dann
um halb 12 Uhr der neugebildete gemischte Chor der Christus-
kirche die Glocken begrützen, die Ansprache gehalten und die
cinfache Feier mit Gesang geschlossen. Jn der nächsten Woche
wird das Geläute geprüft und dann auch die von der Stadt
übernommene Uhr in Gang gesetzt werden.

* Telefonverkehr. Jn diesen Tagen wurden neue Verzeich-
nisse der Stadtfernsprechstellen verteilt. Noch nicht enthalten
sind im Verzeichnisse die in den letzten Tagen angeschlossenen
Sprechstellen:

1. 614. Gäng, Karl, Zahnarzt, Leopoldstraße 35 I,

2. 117. Gerichtsgeb äude (Landgericht, Amtsge-

richt) Heidelberg, Seminarstraße 3.

3. 167. Zimmer, Hans, Roonstraße.

Zu streichen sind die Eintragungen:

1. 890. Bergfeld, L., Ziegelhausen.

2. 618. Landthaler, Hans, Märzgasse 20.

3. 814. Löhers, Dr. Hr., Zahnarzt, Bismarckstraße 7.

Zu beachten ist, daß unentgeltlich nur für jeden Hauptan-

schluß ein Äerzeichnis geliefert wird. Weitere Stücke können
bei der Telegrammannahmestelle des Telegraphenamts für 50
Pfennig gekauft werden. Wir wollen nicht unterlassen, auf die
dcm Verzeichnisse vorgedruckte allgemeinen Bestimmungcn auf-
merksam zu machen und insbesondere zu bitten, künftig die
Rufnumnier der gewünschten Sprechstellen
anzugeben. Beschwerden, Anfragen über Fernsprech- und Te-
legraphen-Angelegenheiten sind ans Telegraphenamt zu rich-
ten. Klagen üüer mangelhafte Bedicnung und dergleichen sind
zweckmäßig sofort am Fernsprecher beim Oberaufsichtsbeamtett
anzubringen.

X Zagderfolg. Letzten Samstag erlegte Rittmeister Anderst
in Heiligkrenzsteinach einen prachtigen AuerhahnH

— Verliaftet wurde gestern ein Brctzelträger welcher seineM
Lieferanten 700 Bretzeln im Werte von 21 Mk. unterschlng.

s.o. Weinheim, 15. April. (Durch Feuer) wurde gestern Mit-
tag der Dachstnhl des Mittelbanes dcr Gerberei der Firma Sig>
mund Hirsch zerstört. Das Jnnere des 2. und 3. Stockes des
Mittelbaues ist ausgebranut. Der Schaden der Firma, die ver-
sichert ist, dürfte nicht nnerheblich sein. Die Entstehungsursachr
des Feners ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt.

Kieine ZeitunA

— Tresden, 16. April. (Berl. Lok.-Anz.) Am Dres-
dener Hofe scheint in der Angelsgenheit der Prinzes -
sinLouise von Toskana jetzt eine etwas mildere Auf-
fassung Platz gegriffen zu haben. Wie Telegramme be-
richten, wird in der katho'Iischen Hofkirche zu Dresdett
wieder für die unglückliche Frau gebetet, nachdem die ehe-
malige Kronprinzessin längere Zeit aus dem Gebet aus-
geschlossen gewesen war.

— Das gesundhritsschädliche Krähen dcr Hähnc. W

Homburg v. d. H. lebt ein Rentner, desfen Lieblingsbe-
schäftigung die Hühnerzucht bildet. Besonders stolz ist er
auf 16 Hähne, welche aber bei den Nachbarn nicht be-
sonders beliebt sein sollen, da sie schon in der srühestell
Morgenstunde ihre Stimmen im Chor erschallen lassew
Eine Nachbarin beschwerte sich über den Chorgssang dek
Hähne bei der Polizeibehörde und behauptete, sie würde
durch die Hähne bisweilen schon vor 3 Uhr morgens ill
rhrem Schlafe gestört. Die Polizeibehörde stellte daraw
dem Rentner eine Verfügung mit Strafandrohung zu, ^
welcher ihm zur Pflicht gemacht wurtze, das gesundheits"
schädliche Krähen der Hähne auf ein erträgliches Maß Zü'
rückzuführen. Der Rentner führte Beschwerde beim
gierungspräsidenten und Oberpräsidenten von Hessew
Nassau, erhielt jedoch abschlägige Bescheide. Der Obek'
präsident erklärte, das Geschrei der Hähne in den frühoU
Morgenstnnden erscheine geeignet, die Nachtruhe der Nackst
barn zu stöven und eine Gesundheitsschädigung herbeizU"
führen. Alsdann strengte dsr Rentner gegen den Obe^
präsidenten Klage vor dem Oberverwaltungsgericht an usie
hob hervor, durch das Kräheu der Hähne könne unmöü'
lich die Gesundheit der Nachbarn geschädigt werden.
ner aber erscheine die polizeiliche Auflage auch unaU^
führbar. Den Hähnen könnte das Krähen nicht untersaü
werden, schalldichte Wände seien noch nicht erfnnden wok'
den. Der erste Senat des Oberverwaltungsgerickm'
setzte die polizeiliche Verfügung außer Kraft, weil sie ö
unbestimmt sei. Jn der Verfügung werde nicht angegebeU'
in welchen Stunden das Krähen der Hähne herabgewi^
dert werden soll, ferner sei nicht klar, was nnter einern ve^
träglicheil Maße verstanden werde.

Kandrt uud BerkeHr.

Mannhei«, 15. April. Oberrkieinische Bank —B., 97.50 '
Rhein. CreditbankB.. 138.50 G. Rbein. Hyp.-Bank —-L"
190.— G. B auerei Kleinlein, Heidelberg —B. 178.—
 
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