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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0786

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schasten, sowie der Prinz nnd die Prinzessin Max teil.
Die Rückkshr des hohen Besuches nach Baden erfolgte um
-t Uhr. Heute Abend halb 8 Uhr meldete sich bei Seiner
Königlichen Hoheit dem Großherzog der neuernannte
Konrmandierende General des 16. Armeekorps, Rttter
.Hentschel von Gtlgenheimb und hiernach der General-
major von Bagenski, Chef des Generalstabs dieses Armee-
korps, sowie andere neu ernannte Offiziere: Um 8 Uhr
findet bei den Großherzoglichen Herrschaften größere Hof-
tafel statt. Prinz Max hat heute früh das ihm von dem
Kaiser übertragene Kommando des 1. Bad. Leib-Drag.-
Reg. Nr. 20 übernommen. Um 11 Uhr vorm. stand das
Regiment in Paradekolonne auf dem Karlsruher Exer-
zierplatz. Der Kommandierende General, General der
Fnfanterie von Bock und Polach, ritt die Front des Regi-
ments ab und dankte darauf dem bisherigen Komman-
deur, Oberft von Schack, für Alles, was er für das Regi-
ment getan habe. Hierauf übergab der Kommandierende
General das Regiment an seinen neuen Kommandeur, den
Prinzen Max und schloß seine Rede mit einem dreifachen
Hurra auf dsn Kaiser und den Grotzherzog. Sodann führte
Prinz Max das Regiment rm Parademarsch im Schritt
an dem Kommandierenden General vorbei und rückte an
der Spitze des Regiments in die Kaserne ein, Der Ueber-
gabe des Regiments wohnten Prinzsssin Wilhelm, Prin-
zessin Max und die Erbprinzessin von Anhalt bei.

Zur Wahlbewegung.

Ettlingen,20. April. Der Zentrumsvertrauens-
männerversammlung des 9. Wahlkreises (Pforzheim-Ett-
lingen) soll Landtagsabgeordneter Fabrikant Neühaus
aus Schwetzingen als Kandidat vorgeschlagen werden

Ausland.

Rußland.

Petersburg, 20. April. Der Kaiser stellte
für eine weitere Schulreform folgende Grundlagen
fest. Die klassischen Gymnasien bleiben bestehen, jedoch
soll in der Mehrzahl der Anstalten Grischisch nicht obli-
gatorisch sein. Die Absolvierung eines Gymnafialkursus
berechfigt zum Universitätsstudium. Me Beendigung sie-
benklassiger Realschulen giebt ein Anrecht auf die höhere
technische Bildung, und die der geplanten sechsklassigen
auf den Staatsdienst in der Provinz. Die technische Fach-
bildung ist möglichst zu fördern. Eine besondere Aufmerk-
samkeit ift der Hebung der religiössittlichen und Patrio-
tischen Erziehung durch die Schule zuzuwenden.. Es sind
ferner Maßnahmen zu treffen, daß die Lehrer eine der
Schulreform entsprechende Ausbildnug erhalten. Für die
Schüler gewisser Gruppen von Lehranftalten sind Pen-
sionsanstalten einzurichten.

Aus SLadt und Land.

Heidelberg, 21. April.

4- Ans dem Stadtrat. Jn den Stadtratssitzungen vom 16.
und 18. ds. Mts. wurden u. a. folgende Gegenstände zur
Kenntnis bezw. Erledigung gebracht:

1. Die Rechnungen der Rentzler'schen Gewerbeschulstiftung,
des Waisenbausfonds, des cvang. Almosenfonds, des evang.
Hospitalfonds, der Thiele-Stiftung des kathol. Haub'schen
Stiftungsfonds, des kathol. Kuhn'schen Almosenfonds für
1802, der israel. Bezirksschulstiftung für 1901—02, der Marie
Kleinschmidtstiftung und der Gramlich-Stistung für 1900—02
wurden fiir vorgeprüfi erklärt und anerkannt.

2. Jm städtischen chemischen Laboratorium wurden im
März zwei Proben von Anis, 3 von Dunstobst, 18 von Eier-
farben,.2 von Kanalwasser, 4 von Majoran, 73 von Kuhmilch,
4 von Nelken, 6 von Petroleum, 6 von Pfeffer, 2 von Rahm,
2 von Speiseöl, 1 von Sodawasser, 4 von Trinkwasser, 1 von
Wurst, 2 von gefärbten Zuckerwaren und 4 von Zimmt unter-
sucht und dabei 2 Majoran-, 1 Sodawasser-, 1 Wurst- und
18 Milchproben beanstandet. Von den 134 Untersuchungen
erfolgten 128 im Auftrag von Behöxden und 6 auf Antrag von
Privaten.

3. Jn den beiden letzten Monaten wurden 867 Stück Groß-
vieh, 4599 Stück Kleinvieh und 1 Pferd im Schlachthaus ge-

sich vemnlaßt fand, dem Kaiser darübsr eingehend telegra-
Phischen Bericht zu erstatten. Viele prächtige Bäume, die
noch aus der Zeit Friedrichs des Großen stammeu, wurden
umgeworfen und entwurzelt. Jn dem Baumbestand
des hochgelegenen Ruinenberges, sowie im kaiserlichen
Wildpark verursachttz der Organ gleichfalls bedeutenden
Schaden. Die Turmuhr im neuen Postgebäude in
Potsdam wurde herausgerissen und stürzte zer-
berstend auf den Posthof nieder. .

— London, 20. April. Die geschiedene Gräfin Russel,
deren langjähriger Scheidungsprozeß so viel von sich reden
machte, hatte am 19. Dezember vorigen Jahres sich in Ports-
mouth wieder verheiratet, und zwar mit einem Manne, der sich
„Prinz Athrobald Stuart von Modena" nannte und be-
hauptete, er werde beim Tode des Kaisers bon Oesterreich
30 000 bis 40 000 Pfund Sterling erben. Dieser angebliche
Prinz von Modena ist ein früherer Kammerdiener namens
WMam Brown und Sohn eines Kutschers. Er wurde am
Freitag wegen falscher Eintragung in das Standesamtsregister
verhaftet und heute in Portsmouth dem Polizeirichter vor-
geführt.

Jch fürchte nichts so sehr wie einen Mann, der den ganzen
Tag über witzig ift. (Marquise de Sevigne.)

Theater- und Kunstnachrichten.

Herr von Hülsen hat einen völlig neuen Organisationsplan
sür den gesamten Aerwaltungskörper der Kgl. Theater
Berlin - Wiesbaden ausgearbeitet und wird dieser nach
nunmehr erfolgter kaiserlicher Genehmigung noch im Laufe
dieses Monats in Kraft treten. Darnach ist die künstlerische
und geschäftliche Verwaltung vollständig von einander geschie-
den. Beide Zweige vereinigen sich erst in der Hand des Ge-
neralintendanten.

Stuttgart, 20. April. Als Nachfolger des Hofkapellmeisters
Reichenberger ist Alfred Schink vom Westend-Theater in
Berlin gewonnen.

schlachtet, auf dem Viehhofe aber 88 Stück Großvieh und 3896
Stück Kleinvieh zum Verkauf gebracht.

4. Die hiesigen Aichmeister haben im 1. Quartal ds. Js.
14 Längenmaße,» 71 Flüssigkeitsmaße, 2 Messinggewichte, 1
Brückenwaage mit Lanfgewicht und 2063 Füsser geaicht.

5. Folgende Vorlagen an den Bürgerausschuß wurden fest-
gestellt: n. Verkündung der Rechnung der städtischen Spar-
kasse für 1902; d. Erweiterung der Kühlhausanlage usw. auf
dem Schlachthaus; c. Bevormundung Minöerjähriger durch
Beamte der Armenverwaltung; ä. Ankauf der Grundstücke dcr
W. Reis Erben; e. Erwerbung oes Anwesens des Joh. Vaur,
Marstallstraße 4.

6. Ein hiesiger Einwohner, der nicht genannt sein will, hat
die Schenkung zweier werthvoller Metallfiguren zur Aus-
schmückung des Kammermustksaales in der neuen Stadthalle
zugesagt, wofür ihm der Dank des Stadtrats ausgesprochen
wurde.

7. Die am 10 vor. Mts. auf den Landwirt Peter Koppert
gefallene Wahl zum Zugführer des 2. (Spritzen-) Zuges der
3. Kompagnie der freiwÜligen Feuerwehr wurde bestätigt.

8. Die Eröffnung des neuen Schulhauses im Stadtteil
Neuenheim soll am 28. ds. Mts. erfolgen.

2 Der Erörterungsabend des Jnngliberalen Bereins, der
gestern Abend im Hause des Liederkranzes statthatte, war sehr
gut besucht. Zunächst nahm Landtagsabgeordneter Profeffor
Rohrhurst das Wort zu dem angekündigten Vortrage über
„das Zentrum und die Schule". Jn seiner beredten Art legte
er einmal an dem jüngsten Verhalten des Zentrums in Bahern
und dann an den bekannten Vorgängen in Trier die nun un-
verhüllten Absichten des Zentrums dar. Angesichts des Kan-
zelpublikandums, das die paritätische höhere Töchterschule boy-
kottierte, Zwiespalt und Unfrieden in die Familien brachte,
das auf des Reichskanzlers energisches Drnägen hin zurück-
genommen und durch einen Geheimerlaß des Bischofs Korum
wieder in vollem Umfange in Wirksamkeit getreten ist, sei der
Toleranzantrag des Zentrums nur Komödie.
Jetzt habe die Regierung Gelegenheit zu zeigen, ob sie in die-
sem Kampfe um die Schule, deren geistige Leitung und Auf-
sicht, deren volle Beherrschung die katholische Kirche seit langem
unbedingt beansprucht und zu erlangen sucht, die Schule schützen
wolle. Das Vorgehen des Zentrums finde nur in seinen eige-
nen Reihen Verteidiger, sonst nirgends. Das Zentrum habe
also nicht den richtigen Augenblick abgepaßt und deshalb nur
einen Schritt zurück getan, um bei günstigerer Konstellation
sofort wieder mit seinen unerfüllbaren Wünschen hervorzu-
treten; dann sei der Kulturkampf da. Der Kampf um die
Schule werde uns oder unseren Nachkommcn niemals erspart
bleiben. Darum heihe es: Gebet acht und haltet die Augen
offen, denn wcm dem Jugend gehört, dem gehört die Zukunft.
Eine wahnwitzige Behauptung sei die, daß die Schule schuld sei
an dem Wachsen der Sozialdemokratie. Dem Zentrum seien
die freien Lehrervereine ein Dorn im Auge, denen gegenüber
habe es konfessionelle katholische Lehrervereine ins Leben ge-
rufen. Jn Oesterreich werde jetzt der Versuch gemacht, eine
katholische Universität zu gründen, wie bei uns in Baden der
gleiche Versuch gemacht sei. Die Mädchen würden in konfes-
swnellen Schulen reinlich abgesondert, auf den Universitäten
suche man die katholischen Studenten in katholischen Vereinen
zu sammeln, auf die Besetzung der Professorenstellen suche man
neuerdings Einsluß zu gewinnen, ja außer in den Konvikten
werde die Jugend sogar in Schülcrvereinigungen präpariert.
So ziehe stch das Zentrum seine zukünstigen Beamten als seine
Offiziere heran für seinen grotzen, in Zukunft sicher bevor-
stehenden Kampf um die Schule. Woher nun dieses große
Jnteresse des Zentrums für die Schule? Das Zentrum habe
fur die Schule nicht sonderlich viel übrig. Jn den überwiegend
katholischen Ländern, wo das Mönchtum unbehelligt blühe,
zeige die große Zahl der Analphabeten das Jnteresse der katho-
lischen Kirche für die Schule. Pflicht dcs Staates sei es, sür
eine möglichst gute Schule zu sorgen und sie zu erhalten und
eine religiös und sittlich denkende Jugend zu erziehen. Hier
komme es vor allem auf die Vorbildung des Lehrerstandes an,
der eine nationale Erziehung der Jugend garantieren müffe.
Tief sei es zu bedauern, wenn die Schule nur ein bestimmtes
Maß von Kenntnissen erreichen solle. Aller liberalen Elemente
Streben müsse es sein, daß wir eine freie Schule in
einem starken deutschen Staate haben. Reicher
Beifall lohnte den glänzenden Redner. Jn der stch anschließen-
oen sehr lebhaften Diskussion äußerte zunächst Hauptlehrer
Göckel Wünsche des badischen Lehrerstandes, besonders den
lebhaften Wunsch nach einer sechsjährigen, nicht wie jetzt fünf-
jährigen, Voibildung im Seminar. Es ergriffen im Laufe des
Abends imch mehrere Hcrren das Wort und zeigte es sich, daß
die Anwesenden über die Gefährlichkeit des Zentrums sich voll-
kommen einig waren. Erwähnt sei noch, daß Oberbürgermei-
ster Dr. Wilckens ausführliche Aufklärung über die Stel-
lung der badischen Nationalliberalen zum Zentrum gab. Da-
nach kann von einem Zusammengehen oder Pak-
tierenmitdemZentrumniemals die Rede
sein. Diese Erklärung befriedigte die Zuhörer in höchstem
Maße und brachte dem Redner reichen Beifall der mit Span-
nung lauschenden Versammlung ein. Rechtsanwalt Dr. Mül-
ler crgrifs zum Schluß das Wort, dankte den Rednern und
sprach den beiden Landtagsabgeordneten Wilckens unü
Rohrhurst das vollste Vertrauen der Junglibcralen Heidel-
bergs aus.

— Ein frecher Diebstahl wurde am Sonntag Abend in einem
hiesigen Gasthause verübt und dabei eine Kassette mit barem
Gelde und Wertpapieren im Gesamtbetrag von 1100 Mk. ge-
stohlen. Die Täter waren zwei Fremde, welche stch in dem
Gasthaus einlogierten. Es wäre ja ein Leichtes gewesen, die
Gauner festzunehmcn, wenn der Hausbursche nicht gar so
dumm gewesen wäre. Die Beiden trieben sich nämlich im Kor-
ridor herum, woselbst auch der Hausbursche stand. Demselben
bedeuteten die Diebe nun, doch in die Wirtschaft zu gehen und
dort zu helfen. Statt Verdacht zu schöpfen, kam der Haus-
bursche der Aufforderung nach. Unterdeffen erbrachen die Diebe
die Wohnung des Wirts und nahmen die Kaffette, sowie eine
goldene Uhr an sich. Erst am anderen Morgen um 11 Uhr
entdeckte der Wirt dcn Verlust. Die noblen Gäste waren unter-
dessen aber schon längst über alle Berge.

st Unfall. Jn der Hammschen Fabrik fiel gestern Rachmit-
tag einem Arbeiter ein Stück Werkzeug auf das Bein und
drang in die Wade. Der Berunglückte mußte im akademischen
Krankcnhaus vcrbundcn werden.

— Polizeibericht. Zur Anzeige kamen 10 Personen wegen
Ruhestörung und ein Tünchermeister von Handschuhsheim we-
gen Körperverletzung.

Mannheim, 20. April. (M i l i t ä r-K o n z e r t i m
Rosengarte n".) Am gestrigen Abend wurde der grotzen
Oeffentlichkeit zum ersten Male die Pforten des „Rosengarten"
geöffnet, um bei billigem Entree den Klängen eines Orchesters
in dem „Nibelungensaale" zu lauschen. Daß dieses Vorgehen
ein ganz glückliches war, dafür spricht der überaus zahlreiche
Bcsuch, den gestern die Prachträume zu verzeichnen hafien.
Tas Parkett und der Säulengang des Saales hatten stch sehr
schnell bis auf den letzten Platz gefüllt, so daß bei Beginn des
Konzertes (8 Uhr) hier fast keine Sitzgelegenheit mehr zu fin-
den war. Die Mehrzahl derer, welche später gekommen, mußten
sicki schon auf die Empore bemühen, auch diese war bald von ei-
ner großen Menschenmenge angefüllt. Das Konzert wurde von
der hiesigen Grenadierkapelle unter Herrn Kapellmeister Voll-
mer's Leitung ausgeführt. Trotzdem das Musik-Podium we-
sentlich eingezogen war, verschwand das etwa 40 Mann starle
> Orchester fast vollständig auf der Riesenestrade. Dessen un-

geachtet entwickelte die Grenadierkapelle eine mächtige Ton-
fülle, welche in dem akustisch ausgezeichneten Saale zur besfi'r -
Geltung kam.

Mannheiiii, 20. April. (Das Schwurgericht) ber- 1
urteilte am Samstag den früheren Fuhrunternehmer Jakob
Ergert aus Neunkirchen (Amt Eberbach) wegen betrügerischen
Bankerotts zu sieben Monaten Gefängnis unter Aufrechnung
von zwei Monat der Untersuchungshast.

^ Philippsburg, 20. April. (DieBürgermeister- >
wahl) hatte das Ergebnis, daß der seitherige Gemeindevor- )
stand Reiß dem von ultramontaner Seite aufgestellten Gegen- )
kandidaten Kupferschmied Anton Steiner mit 31 gegen 34
Stimmen unterlag.

^ Karlsruhe, 20. April. (Das Schwurgericht)
vcrurteilte den 28 Jahre alten verheirateten Taglöhner Jakob
Vollmer aus Kork wegen mehrfachen Straßenraubs zu
5)4 Jahren Zuchthaus. Vollmer hafie mit unglaublicher Frech- )
hcit in belebten -strahen Frauenspersonen angefallen u. ihnen
die Geldtasche weggenommen. Auch im Friedrichsbad stahl er
ca. 500 Mark zusammen. Der Gauner wird demnächst noch
ver der Strafkanimer wegen Heiratsschnindeleien sich zu vcr-
antworten haben.

/C Karlsruhc, 19. April. (S t r a f k a m m e r.) Der
Maschineningenieur Max Grether aus Freiburg stand am
Freitag vor der hiesigen Strafkammer, um sich wegen Be-
trugs zu verantworten. Der Angeklagte ist der einzige Sohn
des Fabrikanten Grether in Freiburg und hat seiner Zeit aN
dcr hiesigen Technischen Hochschule Maschinenbau und Elektre-
technik studiert. Er war aber mit seinem Vater wegen seiner >
übermäßigen Geldausgaben uneins geworden und bekam von
diesem deshalb keine Geldunterftützungen mehr. Jm März
1902 hielt Grethner stch in Mainz auf, Wo er mit dem seiner- >
zeit von der hiesigen Strafkammer wegen Betrugs verurteilteN
Ingenieur Magnus bekannt wurde. Mit dieshm kam er im
Oktober vorigen Jahres hierher. Sie führten beide in hie-
figer Stadt ein sehr slottes Leben und verstanden es durch ihr
Auftreten, stch den Anschein wohlhabender Leute zu geben.
Dadurch war es ihnen möglich, bei verschiedenen Personen
fast uneingeschränkten Kredit zu erlangen. Als Grether
merkte, daß sie sich hier nicht mehr halten konnten, und ihre
Schwindeleien an den Tag kommen müßten, verduftete er.

Er wurde vor wenigen Wochen in Charlottenburg ermittelt
und verhaftet und konnte daher erst jetzt vor Gericht gestellt
werden. Durch die hier verübten Betrügereien hat Grfiher
eine Reihe von Geschäftsleuten und Privatpersonen um grö-
tzerc Beträge geschädigt. Mitte Dezember ging der Schuldner
flüchtig, wobei ihn eine Frau Hahn, die auf seine Kosten hier
gelebt hatte, begleitete. Der Gerichtshof verurteilte den Ange-
klagten zu 1 Jahr 9 Monaten Gefängnis.

Pforzheim, 20. April. (Wegen Verdachts dcr
Hehlerei) bei Goldschnipfeleien wurde gestern Fabrikant
Schlegel (Fr. Ch.) verhaftet. Die Hehlereien sollen sich auf
einige Jahre zurück datieren.

o. c. Lahr, 19. April. (Der greise Dichter Adolf
Katsch) in Oppenau, der namentlich in akademischen Kreiseir
wohlbekannte Verfaffer des preisgekrönten und vielgesungenen
Kommersliedes „Hundert Semester", tritt laut „L. Ztg." am
21. ds. in sein 91. Lebensjahr und zugleich in sein 140. Se-
mester.

— Meißenheim, 19. April. (Belohnungeinermu-
tigen T a t.) Frau Eva Schäfer, die einen Knaben vom Tode
des Ertrinkens gerettet hat, erhielt für ihre mutige Tat eine
Belobung und eine Geldhelohnung.

Freibnrg, 20. April. (D e r E r z b i s cho f) wird morgen
früh 4.51 Uhr die Romreise antreten. Mit ihm wird der heute
hier eingetroffene Bischof von Fulda reisen. Jn Luzern wird
sich Bischof Willi von Limburg und in Mailand Bischof V0N
Keppler bon Rottenburg den Herren anschließen.

X Villingen, 20. April. (Streikende Maulwurf-
jäger.) Die Gemeinde Hochemmingen hat bisher für das
Fangen von Maulwürfen etwa 400 bis 500 Mark jährlich
ausgegeben. Diese Summe war nun dem dortigen Gemeinde-
rat zu hoch und er setzte deshalb den Fanglohn von 20 Pfg. >
auf 10 Pfg. das Stück herab. Mit dieser „Lohnkürzung" wa- j
ren aber die jugendlichen Maulwurfsfänger, dic oft täglich je t
5—8 Mark verdicnten, nicht cinverstandcn und so ruht auf der s
Gemarküng Hochemmingen vorersfidie Maulwurfsfängerei.

Der juqendliche Raubmörder vor dem
Schwurqericht.

80. Freibiirg, 20. April. Vor dcm Sckwurgericht begann
heute die Verhandlung gegen die Raubmörder Weißer
vnd Genossen. Am Wcnd des 1b. Januar wurde der 79jähr. z
alleinstehende Händler Lazarus Burgheimer in seinem Tröd-
lcrladen ermordet aufgefunden. Die durchwühlten Schubladen ;
und die wirr durcheinander liegenden Handelswaren liehen )
sofort auf einen Raubmord schließen. Die Leichenscktion bc-
stätigte diese Annahmc nnd zwar wurde festgestellt, daß Burg-
heimer von seinen Mördern erwürgt wurde. Die fieberhasten
Nachforschungen der Sicherhcitsorgane führten nicht zu dcn
gewünschten Resultaten, doch sollten die Verbrecher durch eine
neue Straftat nicht langc den Armen dcr rächenden Nemesis
unerreichbar bleiben. Am Morgen dcs 22. Januar wurde der 1
Hausbursche dcs Rumöller'schen Kleiderladens, Karl Weiher 1
aus Güntersthal, beim Oeffnen des Ladens angcblich von T
aus dem Laden kommenden Jndividucn überfallen und erheb- -
lich verletzt. Bei den angestellten Nachforschungen ergab sich'
daß die Ladenkasse erbrochen und ihres Jnhalts von etwa 120
Mark beraubt war. Die eingcleitcte Untersuchnng ergab, 1>atz
Weißer dcn Ueberfall fingiert und mit noch zwei Komplizen,
dem 22 Jähre alten Metzger Ziegler aus Ulm und deM
21jährigen Metzger Hermann aus Güntersthal den Ein- >
Lruch verübt hatte. Da die Angeklagten hartnäckig leugneten,
wurden durchgreifende Haussuchungen bei ihnen vorgenom-
mcn, welche ein überraschendes Ergcbnis hatten. Man farid 4

nämlich Gegcnstände, dic aus dem Burgheimcr'schen LadeN ^

herrührten und welche die Annahme, daß man in Weißer, Her-
mann und Ziegler auch die Raubmörder gefaßt hatte, gerecht-
fertigt erscheinen ließen. Die von dem Untersuchungsrichter
energisch geführte Untcrsuchung machte dics bald zur Gewitz-
hcit. Als dann ein Zeugc auftrat, welcher die AngeklagteN
am Abend der Mordtat mit Kleiderpacken aus der Brunnen-
gasse kommen sah und ein anderer Zeuge, ein Schlafkollege de5
Hermanns und Ziegler (und zugleich Komplize in einem be-
rcits gemeldeten Kälberdiebstahl), ebenfalls gravierendc Aus^
sogen in Bezug auf die Mordtat machte, bequemten sich die AN-
geklagten am 23. Februar zu einem Geständnis. Darnach
wurde die Tat gemeinsam verabredet und gemeinsam begangeN-
Vor der Mordtat tranken sich die Mordbuben in einer Wirt-
schaft Mut an, um sich dann sofort an die „Arbeit" zu bege-
hen. Beim Eintritt in den Laden warf Weißer den Burghe^
mer zu Boden und würgte ihn, während Hermann auf dew
letzteren kniete. Ziegler, welcher vor dem Hause Wache stand,
bcteiligte sich nachhcr an dem Raubc. Einige Tage nach diesew
Mordc waren die beiden Metzger Hermann und Ziegler in
Denzlingen, wo sie dcn Schweinehändler Meher mit seineiN
Fuhrwerk durchfahren sahen. Hermann wollte nun den Zieg^
ler bewegen, er solle mit dem Meher fahren und ihn von hirfi
ten erstechen. Er (Hermann) komme nach und helfe daber-
Ziegler versprach, zu tun, was ihn Hcrmann geheißen, bekaw
aber Gewissensbisse und bcgab sich direkt auf den Bahnhof naw
Denzlingen, wo er spätcr mit Hermann zusammentraf, dcl
ihm heftige Vorwürfe ob seiner „Feigheit" machte. Die gegc."
Weißer gerichtete Untersuchung führte auf die Spur eines wctt
 
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