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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Einstellung aller Arbeiter in ihre alten Verhältnisse ver-
langt, was die Fabrikanten jedoch rundweg ablehnten.
Die Herren reisen hente Mittag wieder nach Minchen.
Dem Fabrikantenverein gingen von anderen Fabrikanten-
vereinen deutscher Schuhzentreu Beschlüsse zu, wonach sie
Arbeiter aus Pirmasens während der Dauer der Aus-
sperrung nicht einstellen werden.

Aus der Kaeisrnher Zeitung

— Eisenbahningemeur Johann Schwerteck in Mann-
heim wurde zum Großh. Bauinspektor in Karlsruhe versetzt.

— Dem Realschulkandidaten Richard Hörth an der Real-
schule in Offenburg wurde die etatmäßige Amtsstelle eines
Reallehrers an der Hüheren Bürgerschule in Achern übertra-
gen.

Karlsrirhe, 21. April. Heute iVormittag or-
hieltm die Höchstsn Herrschaften den Besuch der Erbprin-
zessin von Anhalt. Um 11 Uhr empfing der Großherzog
den Staatsminister von Brauer zur Vortragserstattung.
Mittags halb 1 Uhr traf Prinz Albrecht von Preußen,
Regent von Braunschweig. aus Baden hier ein und kehrte
um halb 4 Uhr nach Badert zurück. Die Erbgroßherzogin
ist heute Vormittag halb 10 Uhr für zwei Tage nach Lu-
xemburg gereist. Gegen Abend hörte der Großherzog den
Vortrag des Legationsrats Dr. Seyb. Um 8 Uhr ver-
einigten sich die Höchsten Herrschaften Alle bei der Prin-
zessin Wilhelm zur Abendtafel.

Ausland.

Fraukrcich.

P a r i s, 21. April. Bisher haben von den in Paris
ansässigen Kongregationen nur zwei, nämlich die
Brüder des heiligen Sakraments und die englischen Pas-
sionisten, den behördlichen Weisungen Folge geleistet und
ihre Klöster verlassen. Ueber die Kongregationen, welche
erklärt haben, nur der Gewalt weichen zu wollen, wurd«
vom Polizeikommissär gestern Abend nach Aufnahme des
Tatbestandes Anzeige erstattet. Vor dem Kapuziner-
kloster in der Rue de la Sant6 sammelten sich bei dieser
Gelegenheit mehrere hundert Personen an und veranstal-
teten Sympathiekundgebungen für die Mönche.

Paris, 21. April. Der nationalisüsche Deputierte
Pichat, welcher der Architekt der Karthäuser ist,
erklärte einem Berichterstatter des „Matin", nach seiner
Ansicht treffe für den Erpressungsversuch ausschließlich den
Journalisten Verwoort die Verantwortung. Trotz
aller politischen Gegnerschaft müsse er ehrlich sagen, daß
Edgar Combes auch nicht das Geringste mit dieser Ange-
legenheit zu tun habe. Pichat demontierte das Gerücht,
daß er sein Deputiertenmandat niederlegen werde.

Lourdes, 21. April. Der Bürgermeister von
Lourdes, dem von dem Präfekten des Departements mit-
geteilt worden war, daß die berühmte Grotte demnächst
gesperrt werden solle, erklärte, er könne in diesem
Falle für die Aufrechterhaltung der Ordnung ni!ht bür-
gen. Die Stadt lebe ausfchließlich von der Pilgerfahrt.
Er fürchte, es werde zu blutigen Ziuhestörungen kommen.
Der Präfekt und der Bürgermeister begaben sich nach Pa-
ris, um mit dem Ministerpräsidenten über diese Frage zu
unterhandeln.

— Jn der neuerdings aufgerollten Dreyfus-Affäre
spielen die angeblichen Randbemerkungen des deutschen
Kaisers auf dem Bordereaik eine große Rolle. F e r l e t
de Bourbon, anscheinend der Vater dieser Legende,
hat dieser Tage an Jaures einen Brief gerichtet, worin er
folgende^erzählt: Er sei in früheren Jahren häufig mit
einev wichtigen Persönlichkeit in der politischen und diplo-
matischen Welt, dem Obersten Stoffel, der ein
langjähriger und intimer Freund des deutschen Bot-
schafters Fürsten Münster war, zusammengetroffen. Eines
Abends, nach der Demission Casimir-Periers, als Dreyfus
auf der Teufelsinsel war und die Affäre für immer be-
endet schien, berichtete Oberst Stoffel über eine Unterhal-
tung mit seinem Freunde H e r r n v. M ü n ste r, der ihm
übrigens gar nicht Schweigen auferlegt hatte: „Ein Do-
kument vou großsr Wichtigkeit, von Kaiser Wilhelm H.
herrührend, war auf der deutschen Botschaft gestohlen wor-
den. Herr von Münster war, aüf ausdrücklichen Befehl
Kaiser Wilhelms, direkt zu Cafimir-Perier gegangen, um
es zurückzuverlangen. 24 Stunden jpäter war das
Schriftstück von Casimir-Perier dem Botschafter zurücker-
stattet worden, der verlangte, daß das Dokument durch
eincn beiderseits zu leistenden Eid als niemals bestanden
habend zu betrachten sei. Herr v. Münster hatte sich sogar,

Prozesse wegen gebrochenen Eheversprechens" Mode
wird.

— Die Abnahme des Totcn Mceres. Aus Jerusalem
wird berichtet: Der letzte Erdstoß in Paläsüna, der am
30. März stattfand, scheint im Jordanthal und um das
Tote Meer herum anr heftigsten gewesen zu sein. Der
Spiegel des Toten Meeres ist beträchtlich gefallen und
jetzt ergießt der Jordan sein Wasser in das Meer von einer
Erhebung heräb, währeüd sein Wässerspiegel früher mit
dem des Toten Meeres fast gleich war. Augenscheinlich
muß sich der Grund des Toten Meeres während des Erd-
bebens gesenkt haben. Die ganze Gegend des Jordanthales
nahe deni Toten Meere ist vulkanisch. Die Bevölkerung
in Paläftina sieht mit Unruhe einem zweiten Erdbebeyi
entgegen. _

Theater- imd Kunstnachrichten.

Nürnberg, 21. April. Das Stadttheater führte als erste
bayerische Bühne Heyses „Maria von Magdale na"
auf. Der Eindruck der tiefpoetischen Dichtung war stark
trotz unverkennbarer dramatischer Schwächen. Der vierte von
der Zensur anderwärts beanftcmdete Akt fand den meisten
Beifall.

als er das Dokument im Elysee abholen ging, mit einer
Bibet versehen, auf die der Eid geleistet wurde." — Jst
jemals ein größerer Unsinn verbreitet und-geglaubt
wordsn?

Türkci.

K o n st a n t i n o p e I, 20. April. Der Sultan üeß
den Botschafter Sinowiew wissen, daß der Attentäter
Ibrahim nicht durch Pulver und Blei hingerichtet, son-
dern morgen oder übermorgen gehenkt werden wird
und zwar soll das Urteil öffeutlich an derselben Stelle,
wo Jbrahim den Konsul Schtscherbina erschoß, vollstreckt
werden. Dasselbe Los trifft dsn dortigen Krämer Hus-
sein, den Ansüfter des Attentates.

S a t o ii i k i, 21. Aprit. Gestern überschritt eine
Bande von 800 Mann, die zum Teil bulgarische Uni-
formen trugen, in der Nähe von Radowitsch die
Grenze Mazedomens nnd umzingelte einen Trupp von
30 Soldaten. Das Gefecht dauerte den ganzen Tag, bis
die Türken Verstärkungen aus Radowitsch und Strumitza
erhietten. Me Bande wurde geschlagen. 9 Türken und
30 Mann von der Bande sind gefallen. Die Bande wird
energisch verfolgt.

Jtalicn.

Rom, 21. April. Der König verlieh dem aus sei-
nem Amte scheidenden Muister Prinetti das Groß-
krcuz des Mauritius- und Lazarusordens. Nach dem
Blatte „Patria" verlieh der König Prinetü den Rang
eines Marguis. Die Blätter bestätigen, daß der Marine-
minister Morin zum Ministerdes Auswärti-
g e n ernannt werden solle. Bettolo soll das Portefeuille
der Marine erhalten.

Zur Wahlbewegurifl.

— Aus dem 22. sächsischeu Wahlkreis (Reichenbach-
Kirchberg) wird der „Tägl. Rundsch." gemeldet, duß in
einer Versammlung der Vertreter der Kartellparteien ein-
sümmig die Kandidatur des Grafen- Hoensbroech
aufgestellt wurde. Anch der Führer der Konservaüven
Geh. Hofrat Qpitz, gab ihr seine Zusümmung.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 22. April.

Schneebeobachtungen. Jn der verflossenen Woche hat es
im ganzen Lande geschneit und selbst in tieferen Lagen ist es,
wenn auch nur vorübergehend, zu einer gescklossenen Schnee-
decke gekommen. Am Morgen des 18. April (Samstag) konn-
ten gemessen werden: in Furtwangen S, in Stetten a. k. M. 4,
in Heiligenberg ö, beim Feldberger-Hof 80, in Titisee 21, in
Bonndorf 11, Höchenschwand 6, Bernau 10, Gersbach 3, Todt-
nauberg 27, Heubronn 29, St. Märgen 40, Kniebis 20, Brei-
tenbrunnen 40, Herrenwies 30, Kaltenbronn 45 und Buchen
2 Zentimeter. Die Beobachtungsstellen in Dürrheim, Zoll-
haus, Tiefenbronn, sowie der Odenwald sind am gleichen Tage
schneefrei gewesen.

Eine stark besuchte Maler- und Tüncherversammlung fand
am Samstag Abend in „Schiffwirts Bierkeller" statt. Zum
ersten Punkt der Tagesordnung: „Die Lage der Maler, Lackie-
rer und Tüncher" referierte Herr Huß aus Stuttgart. Herr
Meier gab das Ergebnis einer aufgenommenen Statistik über
die hiesigen Lohn- und Arbeitsverhältnisse im Maler- und
Tünchergewerbe bekannt. Die Aufnahme der Statistik begeg-
nete unter den Arbeitern des Berufes viel Schwierigkeiten und
großer Verstängnislosigkeit. Der Durchschnittsstundenlohn be-
trägt 37 Pfg. An die Referate schloß sich eine lebhafte De-
batte, an der auch der Vorsitzende des Hirsch-Dunckerschen Ge-
werbevereins die Erklärung abgab, daß sie nicht abgeneigt wä-
ren, sich an einer Lohnbewegung zu beteiligen.

-ft Nichtigstellung. Jn unserer vorgestrigen Nummer war
aus Versehen eine Mitteilung vom Heidelberger Stadtwald
enthalten, die für das demnächst erscheinende „Fremdenblatt"
bestimmt war.

X Verbrüht. Jm, Stadtteil Handschuhsheim zog gestern
eln 314 Jahre altes Kind einen Topf kochendes Waffer vom
Herd und verbrühte sich dabei dermatzen den Unterleib, daß
seine Verbringung ins Akad. Krankenhaus angeordnet werden
mußte.

— Polizeibericht. Verhaftet wurden ein Schneider und
ein Maurer wegen Bettelns und ein Taglöhner wegen Ein-
bruchsdiebstahls. Wegen Ruhestörung kamcn 3 Personen zur
Anzeige und ein Manrer wegen Zechprellerei.

Friedrichsfeld, 21. April. (U e b e r f a h r e n.) Heute
Morgen wurde der in Frankfurt a. M. stationierte langjährige
Zugführer der Main-Neckarbahn, Ruths, von einem Gütetzuge
überfahren und sofort getötet.

Mannheim, 21. April. (Klein- und Großfeuerin
Neckarau.) Vergangene Nacht brach im Vorort Neckarau
zweimal Feuer aus und zwar entstanb um 914 Uhr im Gast-
haus zum „Löwen" in den Stallungen ein Brand, der aber
von einer gerade anwesenden Kegelgesellschaft gelöscht wurde,
so daß die Feuerwehr nicht mehr viel zu tun vorfand. — Um
12 Uhr wurde die freiwillige Feuerwehr abermals allarmiert
und diesmal zu einem Großfeuer. Jn der mechanischen Bau-
und Möbelschreinerci von Speidel u. Gerber in der Ka-
tharinenstraße war Feuer ausgebrochen u. es brannte das Fa-
briketabliffement, trotz energischen Eingreifens der Feuerwehr,
bis auf die Grundmauern nieder. Das Feuer fand an den
großen Holz- und Warenvorräten eine überreichliche Nahrung
und breitete sich mit grotzer Vehemenz aus. Jn der Zeit zwi-
schen 12 und 1 Uhr wütete der Brand am stärksten und waren
auch die angrenzenden Nachbargebäude sehr gefährdet. Die
freiwillige Feuerwehr griff das entfeffelte Element mit bier
Schlauchleitungen an und ihren Bemühungen ist es zu danken,
datz um 1 Uhr die Gefahr für die Nachbarschaft beseitigt war.
Der Brand selbst war erst um halb 3 Uhr gelöscht, um welche
Zeit die Feuerwehr abrücken konnte, das ganze Etabliffement
ist aber vollständig niedergebrannt. Der Schaden soll sehr
bedeutend sein und etwa 20—25 000 Mk. betragen. Ueber die
Entstehungsursache der beiden Brände verlautet noch nichts.

Mannherm, 21. April. (Terrainkäufe.) Wie die
„N. Bad. Ldsztg." hört, ist der bon uns jüngst gemeldete Kauf
des Terrains und der Gebäulichkeiten der Cementwerke
Mannheim - Heidelberg auf dem Jungbusch hier
durch Herrn Baumeister Peter Löh für Rechnung eines Kon-
sortiums, an dem er beterligt rst, unter Führnng der Süddeut-
fchen Bank hier betätigt worden. Der Abschluß erfolgte tnrch
Bermittelung des Ägenten Simon Marx, Luisenring 61. Es
ist beabstchtigt, die Fabrikgebäulichkeiten niederzureißen und die
Terrains zu parzellieren und als Bauplätze zu verwerten. Der
Betrieb der Fabrik soll in dem seither beschränkten Umfange
vorerst noch weiter geführt werden.

Karlsruhe, 21. April. (DerBürgerausschuß) ge-
nehmigte das neue Ortsstatut betr. die Sonntagsruhe, wonach
für die sonn- und festtägliche Beschäftigung der Gehilfen,
Lehrlinge und Arbeiter im Handelsgewerbe und demgemäß für

den Gewerbebetrieb in offenen Verkaufsstellen die Stunden
von 11 Uhr vormittags bis 4 Uhrmachmittags bestimmt wer-
den. Das Statut hat zunächst nur Giltigkeit bis 31. Dezembcr
1904. Weiter nahm er die Vorlage betr. die AsphaltierunA
des westlichen Teils der Kaiserstraße von der Karlstraße bis
zum Mühlburgertor gegen eine beträchtliche Minorität an,
welche die Asphaltierung der ganzen Kaiserstraße wünschte.
Lluch die Vorlage betr. Einführung der Proportionalwahl bei
den Gewerbegerichtswahlen fand Annahme.

Karlsruhe, 21. April. (Das Schwurgericht) verur-
tcilte den 30 Jahre alten Feinmechaniker Karl Friedrich Beß
aus Pforzheim wegen Münzverbrechens zu 2 Jahren 3 Mon.
Gefängnis. Beß stellte im Jahre 1902 in seiner Werkstätte,
Fahrgaffe 13 in Pforzheim, Zehnpfennigstücke mit der Jahres-
zahl 1900, Fünfzigpfennigstücke mit der Jahreszahl 1877
und Einmarkstücke mit der Jahreszahl 1890 in nicht mehr fest-
zustellender Menge, mindestens aber 50 Zehnpfennigstücke, 700
Fünfzigpfennigstücke und 40 Einmarkstücke. — Der 28 Jahre
alte Kaufmann Maximilian Hirtler aus Rastatt, der die
Wohnung seiner Mutter vorsätzlich in Brand setzte, um mit der
Verstcherungssumme scine finanzielle Lage zu verbefsern»
wurdc mit 2 Jahren Zuchthaus bestraft. Sein Onkel Lothar
Hirtler aus Pfaffenweiler erhielt wegcn Anstiftung 9 Monate
Gefängnis.

Das

„Iseiaelberger fremclenblstt"

kostet für den öominer (903 nur Mk. 5.—.

Bestellungen werden täglich entgegengenommen vom
Verlage, Untere Neckarstraße 2(, sowie vom.
jpostamte und den Trägern.

Drei jugendliche Raubmörder vor dem
Schwurgericht.

ii.

— Freiburg, 21. April.

Das Jntereffe für den auf der Tagesordnung stehendew
Schwurgerichtsprozeß scheint nach dem Bericht der „Breisg.
Ztg." in dem Maße stch zu steigern, als die Verhandlung wei-
ter schreitet. Schon vor Beginn der heutigen Vormirtags-
sitzung — sie nahm um halb 10 Uhr ihren Anfang — war der
Zuhörerraum, wie gestern, dicht besetzt und die Bewegung,
welche häufig bei hervorragenden Momenten der Vcrhandlung
entstand, bczeugte am deutlichsten die Aufmerksamkeit des
Publikums.

Die Verhandlung geht zunächst auf den Fall Weißer noch-
mals zurück. Diesem wird von neuem vorgehalten,
daß er in der Voruntersuchung gestand, den Gedanken zur Er-
mordung der Kirchhofer nicht erst am Tagc der Tat gefaßt zi»
habcn, während er nach seiner gestrigen Aussage infolge augen-
blicklicher Eingebung (in plötzlichem Zorn) gehandelt haben
will. Heute nun gibt der Angeklagte zu, daß er schon ein oder
zwei Tage vor dem 15-. Oktober 1899 an die Ausführung des
Mordes gedacht und den Revolver auch in dieser Abficht zu sich
gesteckt habe.

Es wird sodann über den Einbruchsdiebstahl bei
Rumöller am 23. Januar 1903 in der Kaiserstraße ver-
handelt. Karl Richard Weißer gibt aw, die Anregung zur
Ausführung der Tat bom 23. Jauuar von den Mitangeklagten
I empfangen zu haben. Hermann sei der Erste gewesen, welcher
den Gedanken an Kleiderdiebstähle Lutzerte und obschon Wcißer
znerst nicht habe die Hand dazu bieten wollen, sei er schließlich
ihrem Drängen gefolgt. — Nach seiner weiteren -Erzählung
ließ er die beiden Kollegen nachts in den Laden ein. Jeder der
Beiden nahm sich einen Anzug, Weißer einen Mantel für sein
Kind. Einmal frug Hermann den Weißer, ob der Rumöller
wohl auch Gcld habe? Darauf Weißer: „Ja, der hat schon
mehr, wie wir." Bei mehreren Zusammenkünften, z. B. beim
Bertholdsbrunnen, wurde dann ausführlich besprochen, wie
man sich der Rumöllerschen Kaffe bemächtigen wolle. Es war
ausgemachi, daß Hermann und Ziegler morgcns 6 Uhr ein-
brechen, Weißer aber, der Beiden die Schlüssel auslieferie (da-
rnit man nichts merke, bezw. später herausbringe), erst nach-
her kommen solle, uni den Ueberfall mit der Verwundung in
Szene zu setzen. Der Raub sollte dann am Abend in Weißers
Wohnung in Güntersthal geteilt werden. Die Ausführung
entsprach dem Plan.

Es wird nun der aus Güntersthal gebürtige Kutscherssohn
Friedrich Hermann vernommen, ein 22jähriger Bursche
von mittlerer Größe und sehr gleichgiltigem Gesichtsausdruck.
Er hat entschiedcn von allen drei Angeklagten den unangenehm-
stcn Thp. Ein paar listige Augen stechcn unter einer niedern
Stirn hervor. Nicht er will die Anregung zu dem Einbruchs-
diebstahl gegeben, sondern Weißer foll ganz von sich aus das
Angebot gemacht haben.

Hermann war Zeuge, wie Weitzer (nach Zieglers Weggang)
selbst mit einem Meffer sich eine Wunde beibrachte, da er
(Hermann) es ablehnte, dem Genossen die Wunde beizubrin-
gen. Auch die Jdee, den Ueberfall zu fingieren, sei einzig und
allein dem Weißer zuzuschreiben.

Es wird festgestellt, daß Hermann und Ziegler, als sie (der
vorausgegangenen Abmachung entsprechend) ohne den Dritten
sich im Rumöllerschen Laden an den Pulten zu schaffen mach-
tcn, Schritte auf der Treppe hörten, daß Hermann mit dem-
selben Messer (einem Metzgermesser), welches auch als Ein-
bruchswerkzeug diente, sich aus die Lauer stellte, daß es aber
dann nur der Mithelfer - Weißer war, welcher stch seinen
Freunden zugesellte.

Es wird nun zum Verhör des 23jährigen Metzgers Georg
ZiegIer aus Ulm übergegangen. Auch er scheint keine gro-
ßen Gewissensbisse zu haben, wenigstens drückt seine tzaltung
absolute „Wurschtigkeit" aus. Er spricht rasch und man bat
den Eindruck, als wolle er von der eigenen Schuls nrüglichst
viel auf Weißer abwälzen.

Es beginnt die Beweiserhebung. Bezirksassistenzarzt Dr.
Gnttenberg berichtet über die Verwundungen, die Weißer sich
beigebracht. Es handelte sich um ungefährliche, weil sehr ober-
flächliche Verletzungen der Hand mit einem nicht zu scharsen
Meffer und um Hautschürfungen am Hals. Die gruppenweise
Anordnung und die Beschaffenheit der Verletzungen hätten so-
fort den Verdacht eines eigenen Eingreifens des Verwnndeten
erregen müssen. Es folgen die Zeugenaussagen.

Die Beweisaufnahme ist um HL12 Uhr beendet, wo-
rauf Schlutz der Vormittagssitznng und Anberaumung der
nächsten Verhandlung auf heute Nachmittag 145 Uhr erfolgt.
Es wird mit dem Verhör der Angeklagten im Fall Burgheimer
bcgonnen werden.
 
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