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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0942

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Mnt aller gezahlten bayrischen Stimmen ultramontan wa-
ren. Da aber die Wa h l b e t e i I i g u n g bloß 60,2
Prozent betrug und im Gegensatz zur traurigen Wahl-
trägheit unserer im wirtschaftlichen Leben vollbeschästigten
Liberalen das Zentrum in den meisten Fällen sast alle
seine Anhänger an die Urne schleppt, so kann mit Fug
und Recht angenommen werden, daß von den Wahlbe-
rechtigten kaum mehr als 26 Prozent dem Zentrum ange-
hören. Dieses Viertel der Bevölkerrmg entsendet aber
zwei Drittel aller bayerischen Abgeordneten in den Reichs-
tag. Die llrsachen dieses schreienden Mßverhältnisses
liegen erstens in der Lahmlegung der die Minderheiten
begünstigenden Größe der Wahlkreise, zweitens in der
Wahlträgheit weiter Bürgerkreise und drittens in der
ebenso beklagenswerten Zersplitterung der Liberalen in
verschiedenen Fraktionen. Aus der Wahlmüdigkeit möge
manchs dur-ch die nicht mißzuverstehenden" Warnungszei-
chen der letzten innerbayerischen Ereignisse aufgerüttelt
worden sein. Es bleibt aber die Tatsache bestehen, daß
das Zentrum mittels Tausender von staatlich besoldetm
Geistlichen, die einen großen Teil ihrer Kraft der Wahl-
agitation widmen, über eine mit der Genauigkeit einer
Maschine arbeitende Organisation verfügt, während, um
auch nur das allernotwendigste zu erledigen, an Zeit, Ar-
beitskraft und Opferwilligkeit der auf ihre eigenen Mittel
angewiesenen liberalen- Parteiführer oft recht drückende
Anforderungen gestellt werden müssen. Nach den Erst-
lingswahlen von 1871 haben den damaligen 18 bayeri-
schen Zentrumsabgeordneten nicht weniger als 30 Libe-
rale gegenüber gestanden. Heute zählen wir 30 Ultra-
montane, 7 Liberale, 6 Agrarier, 4 Sozialisten und je 1
Konservativen und Volksparteiler. Da ein durchschla-
gender Umschwung im Sinne von 1871 bloß durch welt-
erschütternde Ereignisse bewirkt werden könnte, so ist unter
den obwaltenden Verhältnissen das Hauptgewicht auf eine
die Wahlträgheit der Bürgerkreise bekämpfende und den
Zusammenschluß aller nichtultramontanen monarchisch ge-
sinnten Elemente fördernde Kleinarbeit zu legen. Hof-
fentlich gelingt es, dem Zentrum diesmal einige Sitze in
Bayern zu entreißen, Nur 14 unter den 48 bayerischen
Wahlkreisen haben bisher stets nltramontan gewählt, und
nicht einmal diese 14 sind dem Zentrum unter allen Um-
ständen sicher. Sogar in der alten Erzbis-chofsstadt Bam-
berg könnte bei Anspannung aller Kräfte der minister-
stürzende Dr. Schädler einen Durchfall erleben.

— Jm Wahlkreise Siegen agitiert seit 10 Tagen
Hofprediger a. D. Stöcker persönlich, d. h. er wühlt
wie der schlimmste sozialdemokratische Agitator, Lurch
Verhetzung der Arbeiter gegen die Arbeitgeber. Auch
nach einer anderen Richtung wirkt er verhängnisvoll: um
sich die Stimmen der Katholiken zu sichern, verletzt er in
rücksichtsloser Weise die Gefühle der evangelischen- Mit-
bürger des Kreises und> streut die Saat des konfessionellen
Hasses aus. Stöckers Fanatismus richtet sich aus -
schließlich gegen dieNationalliberalen,
und die Anhänger Stöckers bleiben in ihrem Wüten gegen
die Nationalliberalen hinter ihrem unübertroffenen
Meister der demagogischen Sprache kaum zurück. Die
Nationalliberalen seien eine größere Gefahr für d-as Evan-
gelium, als selbst die Jesuiten. Das ist der neueste Aus-
spruch der Stöckerianer.

Jm ersten badis-chen Wahlkreis hat der nat.-Iib. Kan-
didat Frhr. v. Bodman kürzlich von neuem sein Pro-
gramm in einer ausgezeichneten Red-e entwickelt, worin
er sich auch gegen die ebenso unberechtigte Behauptung
der Zentrumsfraktion wandte, sich als alleinige Vertreterin
der Katholiken aufzuspielen. Frhr. v. Bodman sührte
n. a. aus: „Ms jetzt hat das Zentrum im deutschen Reich
es nur auf etwa anderthalb Millionen Stimmen gebracht,
was einer Beoölkerung von etwa 6—7,6 Millionen ent-
spricht. Nehmen- wir an, daß noch eine halbe Million
Stimmen für welfische, polnische, elsässische und konser-
vative Kandidaten abgegeben wurden, so hat das Zentrum
etwa 10 Millionen Katholiken hinter sich, während die
Zahl der Katholiken im deutschcn Reich 20 Millionen be-
trägt. Auch in unserem Wahlkreis, welcher bekanntlich
Äber 90 Prozent Katholiken zählt, hat das Zentrum bei
dei: Hauptwahlen znm Reichstag noch nicht einmal die

Hälfte der Stimmen erreicht und in den drei Wahl-
tämpfcn, wo es siegreich war, erst in der Stichwahl ge-
siegt. Vorher hat aber der Wahlkreis liberal gewählt,
ohne daß seine Bevölkerung darum minder gut katholisch
gewesen wäre! (Beifall!) Also nicht um die Existenz der
Kirche, nicht um Glaube oder Unglaube handelt es sich.
Die unrichtige Behauptung, daß das Zentrum notwendig
sei zur Verteidigung der Kirche, führt dahin, daß die
Katholiken in ihrem Gewissen bedrängt werden, auch für
alle Politischen Fordcrungen des Zentrums einzutreten!
sje mögen einverstanden sein oder nicht. J-ch erinnere in
dieser Beziehung nur an die Septennatswahl. Diese Ver-
mischung von Politik und Konfession vergiftet unser poli-
tisches Leben, indem es die konfessionellen Gegensätze nicht
zur Ruhe kommen läßt. Gegen die konfessionelle Politik,
gegen die g e i st i g e Bevormundnng d es Vol -
kes d u r ch- die Geistlichkeit anf e i n e m Ge -
biet, das der freien S e l b st b e st i m m u n g
des Bürgers untersteht, kämpfen w i r.
(Lebhafter Beifall.) Die Geistesfreiheit auf politischem
Gebiet, die Freiheit des Staates sind es, um die es sich
handelt." (Stürmischer Beifall.)

Aus Stadt und Laud.

-p Die Verbandsfohlenweide des Verbandes der unterbadi-
schen Pferzuchtgenoffenschaften auf dem Eichhof wird, wie
wir erfahren, in diesem Sommer vollständig, d. h. mit 70 Foh-
len besetzt werden können. Die zahlreich eingegangenen An-
meldungen beweisen, daß in den Kreisen der Pferdezüchter
der so überaus günstige Einfluß des Weidegangs auf die Ent-
wicklung und den späteren Gebrauchswert der Fohlen mehr u.
mehr anerkannt und gewürdigt wird. Die Eröffnung der Weide
findet am 28. Mai ds. Js., mittags 12 Uhr, statt.

(!) Bom Odenwald, 11. Mai. (Frühjahr.) Die letz-
ten schönen Tage haben nun auch auf unseren Höhen die Ve-
getation voll cntfacht, so daß nun Wald und Flur in ihrem
Frühlingsschmucke prangen. Es zeigt sich nun, daß die Be -
fürchtungen, welche die Landwirte hegten, glücklicher-
wcise unbegründet waren. Stein- und Kernobst stehen in
voller Blüte und berechtigen zu den schönsten Hoffnungen. Auch
Getreide- und Kleefelder strotzen vom jungen Grün und ver-
sprechen reiche Ernte. Selbst auch die Heidelbeeren haben nicht
so sehr gelitten, als angenommen worden. Unsere Bauersleute
haben bis jetzt keine Ursache zur Klage.

Mannheim, 11. Mai. (Turnvereinshaus.) Un-
ter Teilnahme der Staats- u. Gemeindebehörden fand gestern
die festliche Einweihung des neuen Vereinshauses des Turn -
vereins Mannheim statt. Das im Stil der Altnürn-
berger Renaissance gcbaute Haus bietet eine Sehenswürdigkeit
der Stadt; die Kosten belaufen sich auf 270 000 Mark.

-f- Karlsruhe, 10. Mai. (Mangel an Volksschul-
lehrern. ) Der Grotzh. Oberschulrat ist nicht in der Lage,
die hier zur Durchführung der Erweiterung der Schulzeit der
einfachen Volksschule erforderlichen 6 weiteren Lehrer zur Ver-
fügung zu stellen, da zur Zeit keine Lehrkräfte, weder Lehrer
noch Lehrerinnen, verfügbar seien und dieser Mangel voraus-
sichtlich bis August ds. Js. dauern werde. Unter diesen Um-
ständen mußte die beschlossene Erweiterung vorerst aufgescho-
ben werden, soweit nicht durch Aufteilung einiger kleinerer
Klassen einige Lehrkräfte frei gemacht werden können, um we-
nigstens die achte oder die siebente und achte Klasse der <rn-
fachen Volksschule mit Ganztagunterricht auszustatten.

— Achern, 11. Mai. (Bezirksverein Baden und
Pfalz im Deutschen Fleischer - Verband.) Der
diesjährige Verbandstag findet am 12. Mai, nachmittags halb
2 Uhr, zu Achern im Tivoli-Saalbau statt. Die Tagesordnung
lautet: 1. Jahresbericht des Vorstandes; 2. Kassenbericht; 3.
Kreditgewährung im Fleischergewerbe. Ref. Hermann Röß-
ler, Baden-Badcn; 4. Abstempelung des Viehes nach der neuen
Fleischbeschau-Ordnung, Ref. Hch. Koch, Heidelberg; 5. Stel-
lungnahme zum Verkauf amerik. (ausländ.) Fleisches seitens
der Darm- und Gewürzhändler, Ref. M. Scharf, Frankenthal;
6. die Erbauung und Betrieb öffentlicher Schlachthäuser in
kleineren Gemeinden, Ref. Hch. Koch, Heidelberg; 7. Gesellen-
prüfung, Ref. K. Busch, Ludwigshafen a. Rh.; 8. Handel mit
Oesterreicher Vieh, Ref. Herm. Rößler, Baden-Baden; 9. Or-
ganisation, Ref. Hch. Koch, Heidelberg; 10. Zentralisation der
Häute und Fellberwertungsgenossenschasten, Ref. G. Mössin-
ger, Mannheim; 11. Stand der Akzisfrage und Agitation, Ref.
Hch- Koch, Heidelberg; 12. Wahl eines Delegierten zum Ver-
bandsvorstand; 13. Ergänzungswahl des Vorstandes; 14. Wahl
der Delegierten zum Deutschen Fleischer-Verbandstag; 15.
Wahl des Orts für den nächsten Bezirksvereinstag; 16. Ver-
schiedenes. Abends 8 Uhr findet gemeinschaftliches Nachtessen
im Tivoli mit darauffolgendem Bankett und am Mittwoch
ein Ausflug ins Acherntal-Ottenhöfen statt. Alle dem Be-
zirksverein angehörenden Jnnungen, sowie die für Bestrebun-
gen derselben sich interessierenden Meister sind zum Besuche
des Bezirkstages eingeladen.

O Pfullendorf, 10. Mai. (Die Bürgerausschuß-
wahlen) ergaben den vollständigen Sieg der vereinigten

„Das kümmert mich weiter nicht", erwiderte nun der
Kommissar, „ich habe Befehl, Sie hin zu bringen und muß
diesen Befehl vollziehen."

„Und ich habe- auch das Recht, mich zu weigern!"

„Dann bin ich verpflichtet, Sie zu zwingen! Machen Sie
keine Umstände, Sie würden dadurch die Sache nur noch ver-
schlimmern. Dieser Mann ist wqhl der frühere Laternenan-
zünder Kaspar Strick? Er wird Sie begleiten."

„Was? Sie wollen auch mich verhaften?" rief Strick
wütend.

„Sie sind als Zeuge nötig."

„Dann mag man mich in gesetzlicher Form vorladen!"

„Dazu bleibt keine Zeit", erwiderte der Kommissar, indem
er feinen Beamten einen Wink gab, „das Verhör soll sofort
stattfindcn, also vorwärts."

„Oho!" brauste Steinthal abermals auf, und sein Blick
streifte dabei voll Haß das Mädchen, das aus seiner Schaden-
sreude kein Hehl machte. „So geht man mit Vagabunden,
aber nicht mit achtbaren, Steuer zahlenden Bürgern um!
Wenn dieses Frauenzimmer, das ich hier entlaffen mußte, mich
verleumdet hat, so ist das doch kein Grund."

„Vorwärts!" drängte der Kommissar. „Der Wagen war-
tet, wir haben Eile. Wenn Sie übrigens ein gutes Gewissen
haben, brauchen Sie ja nichts zu befürchten."

„Jch kann doch nicht hier alles stehen und liegen lassen,
kann auch nicht in diesem Anzuge vor dem Untersuchungsrichter
erscheinen."

„Jetzt ist es genug!" rief der Kommiffar zornig. „Wollen
Sie gutwillig mitgehen, oder aber wollen Sie mich erst zwin-
gen, daß ich die Handschellen hervorhole."

Kaspar Strick hatte mittlerweile seine Fassung wlederge-
wonnen und erkannte, daß jeder Widerstand hier vergeblich sei.

„Wenn das Gericht befiehlt, so müffen wir uns fügen",
wandte er sich zu seinem Genossen, „tun wir es nicht, so wird
man glauben, wir hätten irgend etwas auf dem Gewiffen, und
ich wüßte nicht, was das sein könnte. Gut, wir werden mit-
gehen, wir können jeden Menschen getrost in die Augen sehen,

aber wir werden uns beschweren über diesen Befehl, der un-
sere Ehre beleidigt und über das Benehmen des Kommissars,
Ler achtbare Bürger wie Vagabunden behandelt."

Gerhard S.teinthal hatte den beruhigenden und zugleich
warnenden Blick seines Verbündeten verstanden, er konnte ja
nicht ahnen, daß überzeugende Schuldbeweise sich schon in den
Händen des Gerichts befanden, er ahnte es dann noch nicht, als
ein Beamter ihn hinter das Büffet begleitete, wo er seinen
Rock wechselte.

„Wir werden Rechenschaft verlangen für diesen Schimpf",
sagte er, mit den Zähnen knirschend, als er mit dem Hut in
der Hand wieder hinter dem Buffet hervortrat. „Sie wagen
es noch einmal, Herr Kommissar, einen Bürger in dieser
Weise zu behandeln. Jch mache Sie auch verantwortlich für
alles, was während meiner Abwesenheit hier geschieht, dieses
Frauenzimmer ist von mir entlassen."

„Das alles geht mich nichts an", fiel der Kommissar ihm
in das Wort, während er ihn zur Tür hinausdrängte, „ich
vollziehe hier nur den Befehl, den ich erhalten habe, mit Leu-
ten Eures Schlages macht man kurzen Prozeß."

„Wir werden in einer Stunde wieder hier sein, dann wol-
len wir mit dem Frauenzimmer abrechnen", beruhigte Strick
seinen Genossen.

Die beiden stiegen nun in den Wagen, in dem die Polizei-
bcamten bereits saßen.

Der Kommissar schloß die Tür und ging in die Wirtschaft
zurück.

Jm ersten Augenblick fühlte sich Steinthal dadurch beun-
ruhigt, dann aber sagte er sich, der Beamte tue es, um darü-
ber zu wachen, daß ihm nichts gestohlen werde, da er persön-
lich darüber verantwortlich gemacht sei.

An den Handkoffer dachte er nicht mehr, er hatte ihn längst
vergeffen, und es blieb ihm jetzt auch keine Zeit, an demselben
zu denken, er mußte nun darüber nachstnnen, was er wohl
dem Richter für einen Bescheid geben sollte, wenn er über den
Erwerb seines Vermögens befragt wurde.

Hätte er doch einen Tag früher seine Reise angetreten.

liberalen Partei in allen drei Klassen. Bei den Höchstbcsteucr-
ten standen 29 liberalen 9 ultramontane Stimmen gegcn-
über. Unter 69 Mitgliedern des Bürgerausschusses sind nun
etwa 48 liberale und 21 ultramontane Vertreter. So ist denn
auch Pfullendorf, wie jüngst Stockach und Singen, wieder in
die Reihe der liberalen Städte des Seekreises eingerückt. Das
ist ein verheißungsvolles Vorzeichen für die Reichstagswahlen.

Eingesandt.

Heidelberg, 10. Mai.

Dem Herrn Einscnder, „der immer rechts gegangen", ist
zu seinem Eingesandt in Nr. 107 ds. Bl., über die neue
Brücke immer rechts zu gehen, im allgemeinen unbedingt beizu-
stimmen, allein in gewissen Fällen kann das Nichtbeachten der
Negel entschuldbar sein. Wenn bei starkem Ost- oder Westwind
ein lebhafter Fuhrwerksverkehr über die Brücke stattfindet,
wird bei trockenem Wetter eine Unmenge Staub aufgewirbelt
und falls nun Jemand nicht gern Staub einatmet, oder diefen
wegen Katarrhs und Schnupfens möglichst meiden solle, wird
man es diesem Passanten nicht übel nehmen Lürfen, wenn er
bei Ostwind den östlichen Gehweg, und bei Westwind den westli-
chen Gehweg benutzt und hierdurch vom Staub verschont
bleibt. H.

Heidelberg, 10. Mai.

Der Augenzeuge eines Unfalls, den heute Nachmittag ein
junger Radfahrer (aus Rohrbach) hatte, möchte auf den gro-
ßen Mißstand aufmerksam machen, daß in der steilen, engen
und gebogenen Straße in Rainbach unterhalb Dilbergs
kein Fahr - Verbot für Radfahrer zu sehen ist. Jnnerhalb
dieser Straße radelten zwei Fahrer von Dilsberg herunter,
von denen der eine wahrscheinlich alle Kontrolle über sein Rad
verloren hatte, und — selbst geängstigt — zum Schrecken aller
Spaziergänger und Dorfbewohner mit entsetzlicher Geschwin-
digkeit heruntersauste. Alle Zurufe schienen nutzlos; er fuhr
über eine Henne, welche tot blieb und ein Kind schien ihm
sicher zum Opfer fallen zu müssen, als das vereinte Geschrei
der Zuschauer ihn bewog, sich vom Rad fallen zu lassen; das-
selbe zerschellte am Brunnentrog und der Fahrer erlitt, be-
fonders an den Händen, große Hautabschürfungen usw. Jm
Jnteresse der Radfahrer, sowie der Passanten sollten ober-
halb des Ortes unverzüglich ein bis zwei strengste Radfahr-
Verbote sichtbar gemacht werden; umsomehr, da hier früher
schon viel schlimmere, ganz ähnliche Unfälle vorgekommen sind.

Personalnachrichten.

Aus dem Bereiche der Großh. Bad. Staatseisenbahnen.

Gestorben: Lokomotivheizer Johann Bauer am 1b. März-
l. I., Weichenwärter Hermann Felder am 17. März l. Js-,
Bahnwärter Emil Gutmann am 25. März l. Js., Stationsaus-
seher Adolf Vogel am 27. März l. Js., Telegraphenmeister
Theodor Moritz am 3. April l. Js., Wagenwärter Heinrich
Rexer am 3. April l. Js., Lokomotivführer Joseph Beyz am
7. April l. I.

Jm Oberpostdirektionsvezirk Konstanz.

Ernannt ist: Der Postinspektor Gauert in Konstanz zuM
Ober-Postinspektor, der Postafsistent Löffel von Waldkirch zum
Postvcrwalter in Thengen.

Etatmäßig angestellt sind: Die Postassistenten Göppert von
Zell (Wiesental) in Waldkirch, Gosciaszek in Freiburg, Hermle
in Säckingen.

Versetzt sind: Der Postverwalter Söhnlin von Thengen nach
Zell (Wiesental).

Gestorben sind: Der Postverwalter Hirt in Wyhlen, der
Ober-Postassistent Breitbcil in Donaueschingen.

Aus dem Bereiche des 14. Armeekorps.

Kaserneninspektor Chutsch in Rastatt zum Garn.-Verw.-
Kontrolleur ernannt. — Bauer, Unterroßarzt vom 2. Bad.
Feldart.-Regt. Nr. 50, unter Versetzung zum Hus.-Rgt. König
Humbert von Jtalien (1. Kurhess.) Nr. 13, zum Roßarzt er-
nannt. — Dr. Hennig, Roßarzt bom 1. Garde-Drag.-Rgt. Kö-
nigin Viktoria von Großbritannien und Jrland, zum 2. Bad.
Feldart.-Regt. Nr. 50 versetzt.

^ ^ ^ ^ ^

Das

„steiaelberger sremüenblslt"

kostet für den öommer (stOo nur Zlk. 3.—.-

Bestellungen werden täglich eiitgeg:ngenoinine;i voiü
Verlage, Untere Neckarstraße 2(, sowie voM
postarnte und den Trägern.


4

Er war ein Dummkopf gewesen, dah er sich in so auffallen-
der Weise mit seinem Gelde gcbrüstet hatte.

Er hätte schon am nächsten Tage mit dem Gelde die Stadt
berlafsen sollen, es war eine unverzeihliche Dummheit gewesen,
die heruntergekommene Wirtschaft zu kausen, die nicht einma»
die Zinsen des verwendeten Kapitals einbrachte.

Der Wagen hielt vor dem Gerichtsgebäude, die beiden wur-°
den selber in ein besonderes Zimmer gebracht und dort voN
einem Beamten überwacht.

Nach einiger Zeit führte ein Gerichtsdiener den Laternen-
anzünder in das Bureau des Untersuchungsrichters.

Der erste Blick fiel auf den Jnspektor, der, mit sei.
freundlich lächelnden Miene neben dem Aktuar sah, ein höhM-°
fcher Zug umzuckte seine Mundwinkel.

Die ersten Fragen des Assessors galten dem Namen und Al*
ter des Zeugen, die mit fester Stimme beantwörtet wurden-

„Sie waren früher beim Theater angestellt, sind dort we°°
gen Nachlässigkcit entlassen worden und wurden dann LU^
ternenanzünder", sagte der Richter, „ist das richtig?"

„Jch kann das nicht bestreiten," erwiderte Strick.

„Weshalb wurden Sie aus den Diensten der Gasanstw
entlassen?"

„Wegen Meinungsverschiedenheiten."

„Nicht doch wegen Widersetzlichkeit, die sogar zu frechrw
Drohungen sich verstieg. Sie haben damals schon geäußev»'
es sei keine Notsache für Sie, diese niedrige Arbeit zu ver^
richten. Sie könnten wie ein Fürst leben, wenn Sie nur wow
ten." ..

„Mag sein", sagte Strick achselzuckend, „man schwatzt w
viel dummes Zeug, wenn man ein Glas getrunken hat." .

„Nach der Entlaffung waren Sie eine Zeit lang Vagabum?
dann kamen Sie eines Tages in die Wirtschaft Steinthals uö
nach einem Wortstreit bliebcn sie in jenem Hause. Sie wu»
den neu bekleidet und frei beköstigt; wollen Sie mir nun sagrjl
welchem Umstande Sie diesen plötzlichen Wechsel in Jhr^
Verhältniffen verdanken?"

(Fortsetzung folgt.)
 
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