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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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kürzlich neugegründeten liberalen Vereins beinerkbar,
denn sonst zeigten sich die Neckargemünder im Besnch oon
Versammlungen meist ziemlich lax. Der Vorsitzende dieses
Vereins, Herr Grohe, leitete die Versammlung und
begrüßte sie mit einer Ansprache. Tann entwickelte unser
unermüdliche Kandidat, Herr Beck, sein Programm in
frischer, energischer Rede, sür die er lebhaften Beifall fand.
Jn feuriger Ansprache schilderte hierauf Professor Roh r-
h u r st die gegenwärtige Politische Lage und die Gefahren,
die sie für das deutsche Volk birgt und forderte dazu auß
durch kräftiges Eintreten für den nationalen und liberalen
Gedanken diese Gefahren zu beseitigen. Dann sprach
noch Herr Pfarrer I a n z e r, der zu energischem Eintre-
ten für den Kandidaten aussorderte und schließlich faßte
der Vorsitzende den Eindruck des Abends in einen Appell
an die Neckargemünder Wählerschast zusammen.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg. 6. Jmii.

ß Todesfall. Jn tiefe Trauer verseht wurde die Familie
Sr. Hoheit des Prinzen Wilhelm von Sachsen-
Weimar durch den Tod des Vaters der Prtnzessin, des
Fürsten Ferdinand Maximilian zu Jsenburg
und Büdingen, welcher in der Nacht von Donnerstag
auf Freitag auf Schloß Wächtersbach infolge elnes Herzschlags
aus Schreck über einen im Schlafzimmer des Fürsten ausge-
brochenen Brand verschieden ist. Wie der Brand entstanden ist,
konnte bis heute noch nicht festgestellt werden. Prtnz und Prin-
zessin Wilhelm von Sachsen-Weimar nebst Kindern waren bet
dcn Empfangsfestlichkeiten in Weimar anwcscnd, als ihnen dic
Trauerbotschaft zuging. Sie reisten sofort nach Schloß Wäch-
tersbach ab. — Fürst Ferdinand Maximilian von Jsenburg
und Büdingen stand im 79. Lebensjahr. Er war erbliches
Mitglied des preutzischen Herrenhauses und der hessischen Kam-
mer. 1849 vermählte er sich mit der Prinzessin Auguste von
Hanau Gräfin von Schaumburg, die 1887 gestorben ist. Aus
dcr Ehe sind vier Kinder vorhanden, zwei Söhne und zwei
Töchter. Der älteste Sohn, der jetzige Fürst Friedrich Wilhelm,
ist verheiratet mit der Gräfin Anna Dobrzensky v. Dobrzenitz
und hat aus dieser Ehe sechs Kinder, von denen der älteste
Sohn Leutnant bei den Darmstädter Leibdragonern tst. Der
zweite Sohn des verstorbenen Fürsten ist unverheiratet. Von
dcn Töchtern ist die ültcre in zwciter Ehe mit dcm Freiherrn
Robcrt von Pagenhardt vermählt; die jüngste ist Prinzessin
Gerta von Sachsen-Weimar. Ein Todesfall unter solchen Be-
gleitumständen wird besonders schmerzlich von den Htnterblie-
benen empfunden und regt das allgemeine Mitgefühl an. Dte
Bcwohnerschaft Heidelbergs, die in Prinzessin Gerta ihre lang-
jährige Mitbürgerin verehrt, nimmt an der Trauer der Prin-
zessin herzlichcn Anteil.

-s- Neues städt. Anlehen. Der Stadtgemeinde wurde dte
Genchmigung zur Ausgabe von 3I4prozentigen Schuldver-
schreibungen im Nennwerte von 6 Millionen Mark erketlt. Zur
Emission gelangen 1500 Schulverschreibungen zu je 200 Ml.,
2120 zu 1000 Mk., 1200 zu S00 Mk. und 1400 zu 200 Mk.
Die Verzinsung erfolgt halbjährlich auf 1. April und 1. Okto-
ber, erstmals am 1. Oktober 1903. Die planmätzige Heim-
zahlung geschieht in den Jahren 1909 bis mit 1948.

Theosophische Gesellschaft. Die am Samstag, den 6.
Juni abends halb 9 Uhr Hauptstratze 45 stattfindende Vor-
lelung behandelt das Thema: „Hypnotismus und geistige Heil-
weise", zu welcher der Zutritt für jedermann frei ist.

-l- Pfarrwahl. Am 28. Mai wurde der seit fast 5 Jahrcn
hier wirkende Stadtbikar Friedrich Dörr einstimmig in Wies-
leth bei Schopfheim zum Pfarrer gewählt. So sehr wir uns
frcuen, datz die Gemeinde W. diese Wahl getroffen hat, so
lebhaft bedauern wir den Weggang des Gewählten von hier.

> V Stenographieschule. (Regelmäßiger Schulunterricht in
Nationalstenographie.) Jeden Monat eröffnet der Verein für
Nationalstenographie im Schulhaus Grabengasse 20 neue Än-
fängerkurse mit je 2 Unterrichtsstunden wöchentlich. Am
Dicnstag, den 9. d. M. beginncn laut heutiger Anzeige die
Junikurse. Bis Ende des Monats können die Teilnehmcr
zusammenhängenden stenographischen Text lesen und auch schon
so rasch schreiben, wie mit der gewöhnlichcn Schrift. Nach dem
Anfängerkurs ist jedem Teilnehmer Gelegenheit geboten, in
Ikcn Fortbildungsübungen zu den höchsten Stufen dcs Schnell-
schreibens sich auszubilden. Wie sehr es sich dieser Vcrein
gelegen sein läßt, seine Schüler und Mitglieder zu tüchtigen
Stenographen heranzuziehen, hat das kürzlich abgehaltene öf-
fentliche Wettschreibcn gezeigt, bei dem 59 Personen (Damen,
Herren und Schüler) für gute Leistungen Diplome erhielten.

-p Sängerbesuch. Der Berner „Liederkranz-Frohsinn" be-
suchte gestern von Frankfurt kommend unsere Stadt. Die Sän-
ger trafen 11 Uhr 61 Min. vormittags übcr 100 Mann stark
ein und besichtigten die Sehenswürdigkeiten Heidelbergs. Heute
Vormittag sind dieselben wieder abgereist.

Schwcre Körperverlehung. Jn Neuenheim stictz gcstcrn
ein Zimmermann einem Kutscher ein Stemmeisen in den Arm.
Wic dcr Täter heiht ist noch nicht fcstgestellt.

Schwctzingen, 5. Juni. (Militärvereinsver-
band.) Äm 6. und 7. Juni findct hier der 23. Abgeordne-

tentag des Bad. Militärvereins-Verbandes statt, zu dem auch
Se. Kgl. Hoh. der Erbgrotzherzog sein Erschetnen in Aussicht
gestellt hat. Die Festvorbereitungen sind in vollem Gange und
werden die Stadt und die beiden hiesigen militärischen Verelne
alles aufbietcn, um den Gästcn den Aufenthalt so angenehni
wie nur möglich zu machen. U. n. findet am Vorabend cin
Festbankett im Kolosseum (Hotel Falken) statt, während am
Sonntag Nachmittag 3 Uhr eine Parade am historischen Kaiser
Friedrich-Felsen im Schlotzgarten, sowie ein von der Stadt-
kapelle gegebenes Festkonzert, wozu der Grotzherzog dte Räume
des südlichen Zirkelhauses im Schloßgarten überlassen hat.

-j- Telegraphenverkehr am Wahltage. Am Tage der Reichs-
tagsneuwahlen, dem 16. Juni l. I., sind die Verkehrsanstalten
der Oberpostdircktionsbezirke Karlsruhe und Konstanz mit
Telegraphenbctricb angewicscn, bis 11 Uhr abends Telcgra-
phcndienst abzuhaltcn.

Mannheim, 5. Juni. (D o p p e l s e l b st m o r d.) Am
Rheinauer Hafen trieb sich am Dienstag Abend ein junges
Paar herum. Am Mittwoch fand man nun am Ufer einen
Kragen, ein Hemd und einen Zettel mit der Unterschrift Karl
und Elise. Jn dem Zettel bitten die beiden Personen ihre
Eltcrn um Verzeihung. Sie hätten den Tod gesucht, weil die
Eltern die Ehe verboten hätten.

X Karlsruhe, 6. Juni. (D e u t s ch e Kolontalges el l-
schaft.) Jn der heutigen Hauptvcrsammlung hiclt der Grotz-
herzog eine längere Ansprache auf die Bcgrützung des Präsi-
denten Herzogs Johann Älbrecht von Mecklenburg; ebenso sprach
der Fürst Hohenlohe-Langcnburg, der Ehrenvorsitzcnde der
Gesellschast, in freundlichen Worten seinen Dank für die ihm
gcwordene Begrützung aus. Jm Laufe der Beratungcn gelangte
ein Antrag des Äusschusscs: „Der Reichstag wolle dcn Gesetz-
entwurf betreffend den Eisenbahnbau Dar-es-Salem-Mrogoro
möglichst bald annehmen", ein Antrag dsr Abteilung Hannover,
betreffend Besiedelung von Uhehe durch Europäer, letzterer in
modifiziertcr Form, zur Annahinc. Um 1 Uhr trat einc kurze
Mittagspause ein. — Jm Berlaufe der Nachmittagssitzung
WUrde ein Antrag Professor von Stengel-München nach längerer
Debatte angenommen, welcher dahin geht, eine Kommission zu
ernennen, die sich mit der Bodenpolitik in unseren Kolonien
bcschäftigcn und für dcn nächsten Kongretz einen Bericht vorbe-
reiten soll. Fcrner wurde beschlossen für 1905 die Frage ciner
Kolonialgewerbe-Ausstellung in Erwägung zu ziehen. Zum
nächsten Versaimnlungsort wurde Stcttin gewählt.

Psorzheim, 4. Juni. (Die hiesige städt. Volks-
s ch u l e) hat sich in den letzten zehn Jahren in geradezu er-
staunlicher Weise entwickelt. Jn diesem Zeitraum hat sich die
Zahl der Klassen jährlich um 4—5 vermehrt, so kam es, datz das
> vor drei Jahren erstellte neue Volksschulhaus in der Calwer-
stratze mit 16 Schulsälen nunmehr gefüllt ist und ein weiterer
Neubau auf das kommende Jahr in Aussicht gcnommen wird,
der einen Kostenaufwand von 270 000 Mark erfordert. Ebenso
mutz bis kommende Ostern die Zahl der an der Volksschule be-
schäftigten Lehrkräfte von 97 auf 101 erhöht werden. Da nun
aber nach dem Paragraph 16 des Elementarunterrichtsgesetzes
bei 101 Lehrstellen 67 Hauptlehrerstellen vorhanden sein sollen,
so muß auch bis Ostern 1904 die Zahl der Hauptlehrerstellen
um weitere acht erhöht werden; z. B. sind nämltch an der
Schulanstalt nur 58 Hauptlchrer und Hauptlehrerinnen an-
gestcllt.

Bühl, 5. Juni. (Kappenprozeß Böhtlingk-
Röcke l.) Hier wurde heute vom Schöffengericht der bekannte
„Kappenprozeß" verhandelt. Prof. Böhtlingk hatte ge-
gcn Pfarrer NöckcI in Urloffen wcgen Beleidigung gcklagt.
Letzterer hattc in cinem Zcntrumsblatt behauptet, Böhtlingk sei
ein Mann, der in amtlichem und außeramtlichem Schimpfen
die Meisterschaft in Süddeutschland behaupte, so daß man
manchmal meinen könnc, es fehlc ihm unter dcr Kappe.
Röckel wurde zu 25 Mark Geldstrafe verurteilt,
seine Widcrklagc abgcwiesen. Als Zeugcn waren dic Abgeord-
netcn Wilckens und Wackcr crschienen. Tcr Erzbischof hatte
abgelehnt, der Ladung zu folgen. Näheres über den Verlauf
des Prozesses in nächster Nummer.

Sport.

)!( Lawn-Tciinisturnier. Morgcn, Sonntag, dcn 7. JuiN,
uachmittags 8 Uhr findct auf dcn ncuen Plätzcn dcs Akadcmi-
schen Sport-Club an der Rohrbacher,Landstratze (Hältestelle der
clektrischen Bahn Hcidelbcrg-Wicsloch) crstmals cin Lawn-
Tennisturnier statt, bei dem sich je vier Herren des A.-S.-C.
'Heidelberg und des N.-S.-C. Stratzburg gegenüberstchen wcr-
dcn. Allcm Anschcin nach wcrden die Zuschaucr, die hoffcntlich
von dem Rechte des freien Eintritts zahlreich Gebrauch machen,
cincn interessantcn Wcttkampf sehen könncn.

Baden-Baden, 4. Juni. (Zu den diesjährigen
Rennen.) Mit gerechter Spannung hat man dem Laufen
des Dreijährigen des tzerrn E. Blanc „Vinicius" im englischen
Derby, dem größten und fashionabelsten aller Rennen entgegen-
gesehen. Nachdem derselbe im französischen Derby durch aller-
lei Behinderungen genug schlecht abgeschnitten, erwartete man
im Rennen über dem Kanal 3 Tage später eine Rehabilitie-
rung, die auch zum grötzten Teile eintraf, indem „Vinicius"
zwar nicht siegte, aber doch den zweiten Platz gegen Englands
beste dreijährige Pferde vcrteidigcn koniitc. Nun soll derselbe
nochmals Sonntag im Grand Prix de Paris bon 200 000 Fr.
eine Probe seines Könnens ablegen, bevor er bis Ende August
frischgehalten, im Grotzen Preis von Badcn mit einer La

Camargo zusammentrifst. Der Sieg dieser Stute im gleichen
Nennen des Vorjahres ist wohl noch allen Sportsleuten in
frischer Erinnerung und das Duell „Vinicius"-„La Camargo"
— denn ein solches wird es bei der geringen Gegnerschaft dcr
deutschen Pferde sicher bleiben — wird das interessanteste Glied
im gesamten Rennbetrieb des Jahres 1903 bilden. Wenn
wir noch „Aleneons" Erwähnung tun, des Zukunftspreissie-
gers vom Jahre 1902, als dritten französischen Kandidaten,
dann erfüllen uns gleichzeitig Ahnungen, wie wenn auch der
dritte Platz im Goldpokal für die Unsern so gut wie verloren
wäre.

Handel und Verkehr.

Mannheiin, 5. Jim. Oberrheinische Bank 97.— G., —. — B.
Rhein. Creditbank —B., 188.50 G. Rhein. Hyp.-Bank —.— B.,
190.00 G. Bcanerei Kleinlein, Heidelberg —B. 179.— G.
Schroedl'schs Brauerei Heidelberg —. - B., 190.— G. Portland-
Zement Heidelberg —.— B. 109.50 G.

Schlcppschiffahrt auf dem Neckar. Die Schlepplohneinnahme
im Mai betrug, wie aus Heilbronn gemeldet wird, 35 694 Mk.
und die Gesamteinnahme aus dem laufenden Jahre bis Ende
Mai 143 430 Mark.

Heidelbcrg, 6. Juni. (M a r k t p r c i s e.) Hcu, der Zent-
ner, 8.20—8.50 Mk., Kornstroh, 2.50—3.00, gem. Stroh 2.20
bis 2.50, gelbe Kartofseln 3.50—3.80, Salatkartoffeln 6.20
bis 6.50, Butter in Ballen 1.05—1.10, Butter, das PsuiiV
1.10—1.20, Spargeln 40—45, Kirschen 30—35, Zwicbcln
8—10, Knoblauch 3b, Bohnen 80—100, Erbsen 30—35, Gelb-
rüben, Gebund 8—4, Eier 5—6, Eier, 100 Stück 5.50—5.80,
Mangoldsticl 1—2, Blumenkohl, 45—50, Wirsing 20—25,
Kohlrabi 6—8, Boden-Kohlrabi 5—8, Sellerie 5—6, Lauch
1—2, Rettich 8—5, Meerrettich 18—20, Gurken 25—30, Rote
Rüben 10—15, Kopssalat 2—5, Aepfel 8—10, Aepsel, das Pfd.
40—45, Petcrsilic 1—2, Schnittlauch 1, Radieschcn 2—3, Erd-
becren 35—40.

Necka r.

«eidelberg 6., 1.18, gest. 0,01 m
Heilbronn 5.. 0.55, gest. 0.02 m
Manntzcim, 5,3.81, gest. 0.06m

Wasserstandsnachrichten.

R h e i n.

Lautcrburg 5., 4.44, gest. O.OZm
Maxau 5., 3.48, gest. 0.04m

Maunh-im, 5., 3.89, gest. 0.06«!


Ne 8e?iltr Zch-ol ol Qmgllagei,

üssptslrLgzs 1M, 2 IrexipvL.

JnMllt zn« IlreSr »«» «M-
dMW« fremder Sxrll-e», fSr
«rwLchs-lle, Hirrw u. Lamerr.

«Mrr Ob-rl-itung d«e H,rrn
Pr«f-ff»r«

». v. LsrUtr-

Lrrsi xstuens AscksUle» »ok cker kgr^sr

Französtsch, «nglisch, Italienisch, Knsfisch. Spanisch.
Dsntsch für Ausländer: «nr «ehrrr des betreffendm Natio«.
Ksnversation Korrespondenz K Litteratur-.
Urber 180 Zweigschulen. -K Prospette gretis u. ftanko.

Neuefte Viachrichten.

'iV Frankfnrt a. M., o. Juni. Ter K aiser und das
Gefolge kehrten nni 4,06 llhr nach Wiesbaden zurück, die
Kaiserin war mit den kaiserlichen Prinzen und dem Ge-
folge bereits uin 2,25 tlhr nach dem Frühstück bei dem
kommandierenden General von Lindeguist nach Wiesbaden
znrückgereist. Jhre Majestäten sowie die Prinzen wurden
bei der Fahrt durch die Straßen durch lebhafte Zurufe
begrüßt.

I) Wiesbaden, 5. Juni. Der Kaiser traf um 5.40 Uhr
aus Frankfurt hier ein. Die Kaiserin machte mit der Prirm
zessin zu Schaumburg-Lippe und dem Herzog von Koburg-
Gotha eincn Äusflug in die Waldungcn am Neroberg und be^
suchte die Leichtweitzhöhle. Zur Abendtafel bei deu Majestäten
im königl. Schloß wär außer den hier anwesenden Herrschaf-
ten Fürst zu Schaumburg-Lippe geladen.

R Wirsbadcn, 6. Iiliü. Dor K aise r und die Kai -
serin sowie die hier weilenden Fürstlichkeiten wohnten
heute Abend der zweiten F e st v o r st e l l u n g bei
und wurden mit dem gleichen festlichen Zeremoniell eM-
Pfangen wie gestern. Zwischen den Majestäten saßen die^
Fürstin zu Schaumburg-Lippe. Gegeben wnrde die Dper
„Die weiße Dame" in der Wiesbadener Neueinrichtung.
mit Natal als George Brown und Frl. Destin als Anna.
Die Dekoration und die Kostüme find im Charakter des-
schottischen Hochlands zur Zeit dcs Rokkoko gehälten. Die
Partitur ist in der ursprünglichen Vollständigkeit wieder
hergestellt und der Dialog vcrbefsert. Die Aufführung
gefiel schr. Auch die Majestäten spendeten lebhaften Bei-
.fall.

nicht aus und hielt lange in dem grotzen mächtigen Saale, der
bis auf den letzten Platz besetzt war, an. Die Sänger gingen
siegesgewitz von dem Podium.

Kurz nach 12 Uhr war das Singcn zu Ende. Jn der Kaiser-
loge benierkte mau heute Morgen ein grötzeres Gefolge und
mehr Fürstlichkeiten als sonst. Alle lauschten aufmerlsam
dcm Gesange zu und sparten nicht mit Beifall. Nach Schluß
dcs Konzertesstuhr das Kaiserpaar den Schaumainkai entlang,
über die Untermainbrücke, Untermainkai zu Sr. Exzellenz von
Lindequist, dem Kommandierenden des 18. Armeekorps, wo
Diner stattfand. Die Straßen waren wieder dicht von Men-
schen beseht und begrützten jubelnd das Kaiserpaar.

Kurz nach 2 Uhr erschicn der Kaiser bereits
wieder in der Festhalle und wurde drautzen von einer
Marinekapelle und von der Bühne aus von Herolden, die Fan-
faren bließen, begrüßt. Die bierte Gruppe begann mit dem
Barmer Sängerchor, 162 Sänger. Die Vortragsweise lietz
zu wünschen übrig und war etwas zu hackerig. Das Tempo etn
zu unangebrachtes; sonst waren die Leistungen mittelmätzig.
Lctzteres war auch leider nach dem übereinstimmenden Urteil
der Fachmänner bei der Solinger Liedertafel der Fall.
An der Vortragsweise im allgemeinen war nichts auszusetzen.
Die Stellen „Unterm Hufschlag unserer Pferde", und „Auf
den Schild hebet ihn" wurden nicht so wiedergegeben, wie es
sein mutzte. Mit di.esen Stellen aber, welche ungeheure An-
forderungen an die Vereine stellen, haben alle Sänger bisher
zu kämpfen gehabt und es ist noch keiner bis jetzt dagewesen,
der diese fehlerfrei wiedergegeben hätte. Das zweite Lied,
„Grutz der Heimat", sprach sehr an u. fand allgemetnen Bei-
fall, besonders die Stelle „Du, Herr der Welt, zu dem sich
unsere Blicke heben". Die Würzburger Liedertafel ern-
tete keine besonderen Lorbeeren. Das Preislied wurde mtk
mancherlei Fehlern zum Vortrag gebracht. Besonders die Te-
nöre verdarben sehr viel. Das zweite Lied, Volkers „Schwa-
nenlied", welches von dem Dirigenten des Vereins selbst kom-
ponicrt worden ist» war rein und mit einem feinen Piano ge-

gcben. Der Casseler Liedervercin, 142 Sänger, sehte
vorzüglich ein, allmählich verloren sich die Stimmen aber, be-
sonders bei den schwercn Stellcn, ins Unklarc und verwischte
sich soniit der gute Anfang. Das zweite Lied, „Seesturm",
wurde nicht fehlerfrei gesungen. Der Schluß „Land" mutz als
ein sehr schlechter bezeichnet werden. Dagegen „Jm fernen
Ost erwacht der Tag" war glockenrein. Der Wiesbade-
ner Männergesangverein kam besser weg. Die Leistungen
wurden als sehr zufriedenstellend aufgefatzt und zählen mit
zu den besten der bisherigen Vereine. Ällerdings auch bei ihm
haperte es bei den schweren Stellen. Der Verein besiht recht
geschulte und reine Tenöre. Das zweite Lied „Ruhe, schönstes
Glück der Erde", fand guten Beifall. Wie fast alle anderen
Vcreine sang auch der Oberbarmer Sängcrhain zu An-
fang befriedigend und schwenkte dann am Schlusse ab. Das
bon Hegar komponierte Lied „Kaiser Karl in der Johannis-
nacht" war nicht leicht wiederzugeben. Der Verein verstand
es aber, die schweren Stellen ziemlich sicher zu singen und der
Beifall lohnte ihn reichlich dafür. Als der Berlincr Lehrer-
gesaugverein die Bühne betrat, erwarteten Kenner besondere
Leisiuug. Der Verein trat unter Leitung des Professors
Schmidt mit 224 Sängern aus u. die Erwartungen, die man
an ihn knüpftc, trafcn nicht nur ein, sondern wurden noch
übertroffen. Das Preislied wurde tadellos rein
gesungen und man könnte seine Leistungen, nach Ansicht der
Fachleute, über den Kölner Männergesangverein setzen unv
ihm den Kaiserpreis zuschreiben, wenn nur das Tempo ein
mätzigeres gewesen wäre. Wie hierin aber die Auffassung
der Preisrichter sein wird, das mutz der morgige Tag zeigen.
Das solgende von ihm gesungene Lied, „Kaiser Karl in der
Johannisnacht", war ein Meisterstück und dürfte ohne Fehler
Iviedergegeben worden sein. Wie dieser letzte Verein gesungen
hatte, das bewies zum Schlutz der Beifall, der nicht
aufhören wollte und selbst der Kaiser stand auf urw
klatschte lange mit den Händen sich freuend auf setne Derliner.

Die Kaiserin war heute Nachmittag nicht erschtenen, wohr

aber die Schwester des Kaisers, die ebenfalls ein grotzes
teresse an dem Gesang zeigte. Um halb 5 Uhr, als da§
Konzert zu Ende war, fuhr der Kaiser wicder nach dem Haupt-
bähnhof. Die Sängex sind nun ziemlich alle eingetrofsen unv
in den Lokalen geht es lebhaft her. Besonders in den Abend-
stunden, währcnd dcr Jllumination, ist das Gedränge ein rccht
großcs. Mit großer Erwartung sieht man dcm morgigen Tag,
an dem die Preisrichter ihr Wort sprechen, entgegen. Hoffent-
lich wird jeder Verein wieder befriedigend nach Hause ziehen-

Theater- uud Kunstnachrichten.

Freiburg, 8. Juni. Das „Tagblatt" schreibt: „Auf deiN
Programm des „grotzen Zapfenstreichs", der während des dies-
jährigen Kaisermanövers von den vereinigten Kapellen des tP
Armeekorps bor dem Kaiser gespielt werden soll, steht aucst
die Komposition eines Freiburgers, der zum
biläum des Großherzogs entstandene (vom Musikreferenten der'
„Straßb. Post" seinerzeit mit lebhafter Anerkennung er-°
wähnte) Festmarsch „Auf hoher Warte" vou Ka-rl Gage u r-
Dieser Marsch, arrangiert vom Mustkdirektor Boettge^ jnr
Militärmusik, ist unter dessen Direktion zum Jubiläum selbst
von fünf Musikkorps vor dem Schlosse zu Karlsruhe und ius
August v. I. unter Direktion des Mnsikdirigcnten Ruth vom
Garde-Kürassierregiment durch die vereinigten Trompete^
korps sämtlicher Garde-Kaballeriercgimenter im Uebungslag^
bei Alten-Grabow vor dem Kaiscr vorgetragen worden."

Das nenn' ich Mannesprobe:

Fest stehen im Mißgeschicke;

Mitztrauisch bleiben dem Lobe,

Demütig werden im Glücke. „

Jul. Lohmeyer, „Aus Pfadeu des Glücks
 
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