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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#1204

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Smstilg, 26. Jllili l!

ZweLLes Bl^tt.

45. MWU. — -N141.

Die Krankenverftcherttn^ im Jahre 190l. I

Aus dem soeben erschienenen Zweiten „Merteljahrs- i
^ft zur Statistik des Deutschen Reiches" ziehen wir fol- j
Lende die Krankenversicherung im Jahre 1901 betreffende !
^ngaben aus:

Das Gefamtvermögen betrug 163 Millionen
Mark (im Vorjahr 166), wovon auf die Ortskrankenkassen
69^, die Betriebskrankenkassen 72 und die Eingeschrie-
benen Hilfskassen 16j^ Millionen Mark entfallen.

Eine Aenderung in den Mitteilungen des Vierteljahrs-

Kassen arten

Zahl

der

Kassen

Mitglieder

ini

Diirchschiiitt

dcs

Jahres

ErkrankunP
(mit Erwerbsi
keit)

überhaupt

stalle

nfählg

anf

ei»

Mit-

glied

Kraiikhcitstags
(Kraiikengeld- nnd
Kiankeiianstaltstage)

! auf

überhaupt ciu

! Mit-

Mnrk

Krankheitskosten

! a»f
ein

llberhaiipt

glieo

Mark ^ Mark

Vermögen

Mart

^meindekraiikcnvcrsicherung

8 4ö7

1 465 124

365 885

0 25

6 598 105

4.50

13 117 423

8.95

7 066

^tskrankeiikasseii.

4 077

4 550 235

1 716 704

0.38

32 838 807

7 22

74 670 289

16.41

69 517 582

^etriebskraiikeiikassen ....

7 563

2 496 743

1 110 690

0.44

19 228 341

7.70

55 589 468

22.26

71 947 855

^aukrankenkassen.

61

15 791

9 554

0 61

146 052

9.25

355 705

22 53

285 932

^uittingskraiikenkassen . . .

636

203 809

72 559

0.36

1 806 927

6.41

3 234 941

15.87

2 847 154

jPigeschOebcile Hilfskasscii . .

1439

864 978

328 062

0,88

6 218 981

7 22

15 678 201

18,13

16 526 105

^ndesrechtliche Hilfskassen

228

45 062

13 568

0,30

285 775

6.34

709 562

15,75

1 896 101

Ziisanimcii 1901 . .

23 061

9 641 742

3 617 022

0,38 j 66 652 488

6,91

163 855 589

16 94

163 013 163

1902 . .

23 021

9 520 763

3 679 285

0,39

64 916 827

6.82

157 865 1 9

16,38

156 388 993

Der Zuwachs an Mitgliedern beträgt gegen das
^orjahr nur 120 000. Das Wachstum trifft hauptsächlich
^uf die Ortskrankenkassen mit 80 000 und die Gemeinden-
^ud Jnnungskrankenkassen mit je 20 000; die Betriebs-
T^nkenkasseu weisen sogar einen kleinen Rückgang in der
Aitgliederzahl auf. Es waren nahezu die Hälfte aller
^itglieder bei den Ortskrankenkassen versichert.

Die Zahl der Erkranku n g sfäIle mit Erwerbs-
^fähigkeit, also solche, für die Krankengeld oder Behand-
^Ng im Krankenhause gewährt wurde, ftellt sich auf
^617 022 mit 66 652 488 Krankheitstagen im Sinne des
^rankenversicherungsgesetzes, d. h. solchen Krankheits-
^gen, für welche Krankengeld oder Krankenanstaltsbe-
^ndlung gcwährt wurde; auf ein Mitglied kamen durch-
'chnittlich 0,38 Erkrankungsfälle und 6,91 Krankheits-
'vge.

Die Krankheitskosten beliefen sich im Jahre
^01 auf 163 356 689 Mk.; davon entfallen auf:

Arzt 35 636 010 Mark,

Arznei u. sonstige Heilmittel 26 194 989 Mark,

Krankengelder 72 992 996 Mark,

Anstaltsverpflegung, Sterbe-
gelder, Wöchnerinnenunter-
stützung, Fürsorge für Re-
konvalcszenten 28 531 594 Mark,

?^f ein Mitglied kamen durchschnittlich 16,94 Mk. Krank-
heitskosten.

heftes ist insofern eingetreten, als in den frühern Jahren
die ganzen Einnahmen (einschließlich der zurückgezogenen
! Kapitalien) und die ganzen Ausgaben (ausschließlich der
! Kapitalanlagen) ausgeführt wurden, während in diesem
Jahre die ordentlichen Einnahmen (Zinsen,
Eintrittsgelder, Beiträge, Zuschüsse, Ersatzleistungen, son-
ftige Einnahmen abzüglich derer für die Jnvalidenver-
i sicherung) und die ordentlichen Ausgaben
! (Krankheitskoften, Ersatzleistungen, zurückgehaltene Bei-
träge und Eintrittsgelder, Verwaltungsausgaben abzüg-
! lich derer für die Jnvalidenversicherung, sonstige Ausga-
! ben) angegebeu sind, erstere mit 183 688 628 Mk., letztere
j mit 178 039 195 Mk. Ferner erscheint in diesem Jahre
an Stelle der Mitteilung über den Reservefonds, der den
Hauptteil des Vermögens bildet, eine folche über die
Verwaltungskosten (abzüglich derer für die Jn-
validenversicherung). Sie betrugen 10 281 573 Mk., auf
ein Mitglied durchschnittlich: bei den Ortskrmrkeukassen
1,69, bei den Jnnungskrankenkassen 2,08 und bei den
Eingeschriebenen Hilfskassen 2 Mk.; bei den Ketriebs^
(Fabrik-) und den Baukrankeukassen werdei: sie faft ganz
von dem Betriebsunternehmer, in der Gemeindekranken-
! versicherung ganz von der Gemeiude getragen; bei allen
! Kassen iiberhaupt stellen sich die Verwaltungskosten daher
pro Mitglied nur auf 1,07 Mk. durchschnittlich.

Der Einsiedler im Waldhause.

^utorisierte Ucbersehung des Romans bon M. E. Braddon.
(Fortschung.

. Cbcline war sehr frcundlich, und wir gingen im bestcn Ein-
rnehmen mit cinander fort. Gerhard, dcr uns nur sehr
^-8ern beglcitete und auf dem ganzen Wege hinter uns zu-
^nckblicb, störie uns nicht. Evelinc hattc in Radcn cine Mcngc
^ Besorguugcn, und ich war entzückt, ihr überallhin folgen
^bürfen. Mit lleinen Packeten und einigen Körbchen mit
H^dbceren bcladcn, kchrtcn wir gegen Mittag nach unsercm
^°Ke zurück.

, Jch will bei der törichten Geschichte meiner Liebeswerbun-
nicht länger verweilen als unvermeidlich ist. Es genüge,
n/Bsi tch Jhnen sage, daß Harold von Catheron von dcm Au-
zstfwick an, wo er erfuhr, daß nur drei schwindsüchtige Knaben
^stchen mir und einem großen Vermögen standen, sich die
^istgabe gestcllt hatte, mich zum Gatten seiner Tochter zu ge-
. snnen, der Tochter, deren launenhafte Gemütsart die Qual
'°'Nes Lebcns war.

b dauertc nicht lange, so war ich in der kleinen Familie
. cktommen hcimisch. Der Vater war in seincm Benehmen
uuverändert herzlich; doch hatte ich von der wech-
nden Stimmnng dcr Tochter uncndlich viel zu dulden. Von
l^"stn eigencn Gefühlcn zu schr in Anspruch gcnommen, war
n' jstcht neugierig, etwas über die Vergangenheit oder die ge-
nwärtigen Verhältnisse der Familie zu erfahren.

^ Hnrold Catheron rühmte sich, einer uralten, angelsächsischen
lj "'ckie anzugchörcn, und ich glaubtc ihm unbedingt. Zufäl-
hl jnurde mir bckannt, daß Evelincns Vater vor seiner Ver-
s^j'Ntung jn dcr Garde gedient und in turzer Zeit sein und
> scin ^ Frau Vcrmögcn vcrschwendet hatte. Nach dem Tode
hati " Frau hatte er untcr Don Carlos gedient; scinc Töchter
'rn infolgcdcssen dic schönstcn Tagc ihrcr Jugcnd in Spa-

nien verlebt. Während der letzten fünf Jahre war die Familie
in England und auf dem Kontincut umhergcwandcrt, ohnc
irgcndwo lange zu vcrweilen.

Die Zeit verging. Jch bewohnte schon seit beinahe drei
Monaten meine Zimmer im Dorfwirtshaus und war längst
wieder gesund und kräftig. Jede Woche schrieb ich einen Brief
an meine Mutter, in welchem ich ihr viel über meine Studicn
und meine sich täglich immer mehr kräftigende Gesundheit,
aber sehr wenig von meinen neuen Freunden mitteilte. Jch
wollte ihr erst dann allcs anvcrtrauen und ihr von mciner
Liebe zu Eveline erzählen, wenn ich dem jungen Mädchen
mein Geständnis gemacht hätte. Dieses aber wurde von einem
Tage zum anderen verschoben, und die Erklärung, die ich an-
fangs als eine sehr förmliche Angelegenheit zu behandeln die
Absicht hatte, entschlüpfte meinen Lippen fast unwillkürlich,
als ich eines Morgens mit Eveline im Walde Heidelheeren
pflückte.

Sie war an dcm Morgcn ungewöhnlich mittcilsam und be-
klagte sich über ihr elendes Leben, die kalte Strenge ihres Va-
ters, die täglichen Entbchrungen und Demütigungen, welch'e
die Armut ihr auferlegte. Heiße Tränen, wcnn auch nur Trä-
nen der Selbstsucht, entströmten ihren Augen; mir aber wa-
ren diese Tränen unendlich schmerzlich und alle meine guten
Vorsätze entschwanden bei ihrem Anblick. Sie zeigte nnr eine
Narbe an ihrem Arm, die Folge eines Schlages mit einem glü-
henden Schüreisen, mit dem ihr Vater eines Tages in seiner
Wut über sic hergefallen sei. Daß das Eisen glühend war,
hatte er nicht gewußt, fügte sie entschuldigend hinzu. Jhr Bru-
der quälte sie nnt seinen Ungezogenheiten; ihre Schwester
hatte sich gut berheiratet und lebte in Jndien herrlich und ick
Freuden, ohne sich im geringsten um die Zurückgebliebenen zu
kümmern; sie sei ein selbständiges Geschöpf, das für die ein-
zige Schwester nicht ein Fünkchen Liebe empfinde.

„O, gnädiges Fräulein!" rief ich, „o, Eveline, Sie müsscn
nun erfahren, wie sehr ich Sie liebe, — Sie müssen es wissen

Teutsches Neich.

Baden.

Karlsruhe, 19. Juni. Zum Wahlausfall in
Baden schreibt inan dem „Schwäb. Merk.": Die national-
überalen Vlätter nehmen das Wahlergebnis mit Ruhe
auf und kündigen den unerschütterlichen Entschluß zur
Fortsetzung des Kampfes gegen die Sozialdemokratie an,
deren Wachstum, vielen überraschend, die Gefährlichkeit
dieser Partei in helles Licht gestellt hat. Diese Haltung
ist zu loben, deun Grund zum Verzagen ist uicht vor-
hauden, nachdem dcr totgesagte Nätionalliberalismus um
13 000 Slimmen zugenommen uud sich damit als die
z w eitst ä r k st e, gleich hinter dem Zentrum rangierende
Partei erwiesen hat. Der Erfolg ist um so achtbarer, alL
die Nationalliberalen gezwungen waren, nach zwei Fron-
ten zu schlagen, ein Umstand, der allein schon eine Erklä-
rung dafür abgibr, daß sie so häufig in die Stichwahl ge-
kommen sind, statt im ersten Wahlgang zu siegen. Ferner
ließ die iunere Einigkeit nianches zu wünschen. Auch daZ
ist begreiflich, daß iu einer Partei, die den Kern der ge-
bildeten Bevölkerung in sich schließt, mehr selbstän-
dige Meinungen vorkommen, als iu anderen Parteien,
die das Nutoritätsprinzip in den Vordergruud stellen, win
insbesondere die Sozialdemokraten, bei deneu jeder, dcr
eine cigene Meinung hat, gleich hinausfliegt. Es ist zu
hoffen, daß der Ausfall der Wahlen vom 16. Juni dazu
dient, eine größere G e s ch I o s s e n h e i t iunerhalb der
nationalliberalen Partei herzustellen. Vielleicht wirkt er
noch weiter, indem er eine A u n ä h e r u n g der bürger--
lichen Parteien zu stande bringt, und dann hätte die So°
zialdemokratie Ursache zu ernsten Beklemmungen. Die
Konservativen solltcn mehr zum rechten Flügel einer natio-
nalen Reichspartei, die Frcisinnigen znm linken derselben
werden.

K a r I s r n h e , 19. Funi. Die Ilnweisung des
Zentral^omitees der Zentrumspartei an die
Z e n t r u m s w ä h l e r in den R e i ch s t a g s w a h I >
är ei s en P f o r z h ei m -E tt I i n g en , Karls-
euhe - BruchsaI und M a n n h e i m - S ch w e tz i n -
gen lautet: Der 16. Juni hat die endgiltige Entschei-
dung über die Vertretnng des Kreises siir die nächsteu
füttf Fahre nicht gebracht. Nur soviel steht fest, daß nur
der Kandidat der Sozialdeinokratie oder der des Nationall
Liberalismus der Vertreter werden kann. Eine andere
Wahl ist nicht gegeben; jede Stimme, die nicht auf dew
einen oder anderu dieser Kandidaten lautet, ist ungiltig.
Unter solchen Umständen ist es deu Wählern der Zen-
trumspartei nicht möglich , sich an der Wahl zu b e -
tpiIige n. Stimmenthaltung ist dringpstb geboten.
So verlangt es vou uns schon die Rücksicht auf die eigena
Ehre. So sordert es die Rücksicht auf die besoudere Laga
oer Dinge iu Baden. Jndem wir die Wähler und Ver-
trmi.euswänner unserer Partei iu dcu genauntem Bezirten
bitten, am Tage der Stichwahl dieser Parole gemäß zu
handelm sprecheu wir zugleich für die mustergiltige Hal-

— daß ich Sie liebe. Jch glaube unverbrüchlich an mich selbst
und an meine heihe Liebe.

Ebeline sah mich an; ihre düstere Mine verschwand und ein
halb belustigtes Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Sie sind fast
noch ein Knabe im Vergleich zu mir!" sagte ste; „rch glaube
nicht, daß Sie sich über die Bedeutnng Jhrer Worte klar sind!"

Natürlich bcteuerte ich ihr, daß meinc Leidcnschaft für Sie
von ewiger Dauer sein werdc.

Der romantische Unsinn, den ich hervorsprudelte, gefiel Eve-
linen außerordentlich; sie vergatz im Augenblick alle ihre Küm-
mernisse und ging herablassend neben mir her.

Wenn sie auch all ihr Leid vergaß, übcr das sie sich we-
nige Minuten zuvor noch beklagt hatte, erinnerte ich mich ihrer
Tränen nur zu genau. Jch versicherte ihr, daß sie von all dem
Jammer ihrer Cxistenz sofort befreit werden könnte, wenn sie
stch meiner hingebenden Liebe anvertrauen wollte. Noch set
ich keineswegs ein reicher Mann und verfüge außer dem, waS
ich durch meine Arhpit verdiene, nur über hundert Pfund jähr-
lich; doch liege eine glänzende Laufbahn vor mir, geebnet durch
den mächtigen Einfluß der Freunde meines Vaters und meincV
Onkels. Die Beiträgc, die ich verschiedenen Zeitschriftcn lie-
ferte, brächten inir schon jetzt einen hübschen Gewinn, der sich
im Laufe der Zeit bequem würde verdoppeln lassen.

„Papa würde wenig daran liegen, wen ich heirate", er--
widerte sie lächelnd, „wenn er mich nur los wird. Er hat end-
lich eingesehen, daß Mädchen, die sich in einem öden Dorfe ver-
graben müssen, sich nicht jeden Tag die Gelegenheit bietet, einerr
Herzog oder einen Millionär zu heiraten!"

Jch betrachtete diese Worte als eine Erlaubnis, mich ihrem
Vater zu erklären, und beschwor sie, mir eine große Frage zu
becmtworten, von der das Glück meiner Zukunft abhinge:
„Können Sie einwilligen, meine Frau zu werden?"

Eveline war nicht zu bewegen, mir eine bestimmte Antwort
zu geben; sie sei nicht die passende Frau für einen Mann, der
noch kein sicheres Einkommen habe, meinte sie; auch auf die
Verschiedenheit ihres und meines Alters machte sie mich auf»
 
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