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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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fahren hatte, daß die Bundesleitung dem Zentrum zu-
neige. Aber diese Männer sühlten sich am Sonntag kei-
neswegs veranlaßt, die alte Unwahrheit, die hier noch
einmal als Mittel zum Zweck dienen sollte, trotz besseren
Wissens zu widerlegen. Der Landtagsabgeordnete Burk-
Hard-Stebbach war auch hier wie früher der einzige, wel-
cher der Wahrheit die Ehre gab, sein gewichtiges Wort in
die Wagschale warf und seine Mitgliedschaft zur Berfü-
gung stellte, falls in dieser Weise weitergearbeitet werde.
Daraufhin wurde den Wählern Stimmenthaltung em-
psohlen, was in einem von Gehässigkeit und Entstellung
strotzenden Flugblatt des Wahlausschusses des Bundes
bekannt gegeben wurde. Dagegen erläßt nun Herr Land-
tagsabgeordneter Burkhard eine Erklärung zu Gunsten
Müller. — Auch inSteinsfurth hat eine Ver-
sammlung von Mitgliedern des Bundes der Land-
wirte sich für Müller ausgesprochen.

Wahlbezirk Weinheim,24. Juni. Für
die Stichwahl zwischen dem nationalliberalen Kandidaten
Konsul Reiß und dem 'Sozialdemokraten Dreesbach werden
auf beiden Seiten ungeheure Anstrengungen gemacht.
Aller Orten wurden diese Woche nationale Wahlversamm-
lungen abgehalten, heute findet die letzte für Stadt und
Land hier statt. Trotz der bedeutenden Stimmenmehr-
heit von Dreesbach ist dessen Wa'hl morgen noch keines-
wegs völlig sichsr, da für die Wahl von Reiß auch die
meisten Zentrumsstimmen in Aussicht stehen. Möge Herr
Reiß gewählt werden!

Nationalliberale Versammlung.

/X Heidelberg, 28. Juni.

Mit großer Befriedigung darf die hiesige nationaliberale
Partei auf die letzte Heerschau vor der Stichwahlschlacht zu-
rückblicken, denn ihre gestrige Versammlung im großen Saale
des Saalbaus war außerordentlich zahlreich besucht und nahm
einen sehr anregenden, erhebenden Verlauf. Richt nur der
Saal, sondern auch die Galerien waren vollständig besetzt, und
es waren nicht nur Mitglieder der nationalliberalen Partei,
sondern auch Angehörige anderer nationaler Richtungen zu-
gegen, die durch ihre Anwesenheit öffentlich bekunden wollten,
auf welcher Seite sie zu finden sind, wenn es heißt: Hie Zen-
trum! Hic Nationalliberal.

Prof. Rohrhurst eröffnete und begrüßte die Versantm-
lung. Viel Reden macht den Leib müde, so sagte er mit dem
König Salomon und er beschränkte sich deshalb nach den kolos-
salen Anstrengungen, denen er sich in diesem Wahlkampf un-
terzogen, auf einige einleitende Bemerkungen. Er hob her-
bor, daß der Kampf in der Stichwahl leichter sei, als am 16.
Juni, denn dies Mal hätten wir es nur mit einem. Gegner zu
tun, und dieser Gegner, das Zentrum, werde zu seinen Un-
gunsten und zu unseren Gunsten manchen Wähler an die Wahl-
urne ziehen, der sonst vielleicht fern geblieben wäre. Der Un-
mut gegen das Zentrum sei in weiten Schichten des Volkes sehr
groß, und es herrsche auch Unmut gegen die Regierung, die
Schritt für Schritt vor dem Zentrum zurückgewichen sei. Ge-
rade dieser Umstand habe mit dazu beigetragen, daß die So-
zialdemokratie einen solchen Stimmenzuwachs aufweise. Red-
ner erinnert nun daran, was vor kurzem die zahme Karlsru-
her Zeitung über das Zentrum in Bayern geschrieben, wie ste
dem Zentrum vorgehalten, daß es die absolute Herrschast tm
Staat erstrebe. Dies gelte auch sür das ganze Reich. Vom
Zentrum seien in diesen Tagen Zettel ausgegeben worden mtt
alten Beschuldigungen gegen uns, die schon unendlich oft wider-
legt und zurückgewiesen worden seien. Dieser alte Kohl werde
nicht schmackhafter, wenn er nun nochmals in der Zentrums-
»auce serbiert werde. Wir ließen uns auch nicht dadurch täu-
schen, daß das Zentrum jetzt als Volkspartei auftrele; w Wirr-
lichkeit sei es eine Partei des engherzigsten Konfessionalismus.
Hieran ändere auch nichts, wenn es jetzt wie ein schnurrendes
Kätzchen sogar um die Protestanten herumgehe und die Ent-
deckung mache, daß gemeinsame Bande zwischen beide existier-
ten. Man kenne diese Kätzchen; im geeigneten Augenblick kä-
men bei ihnen die Krallen zum Vorschein. Leichter sei diesmal
der Kampf, da die Nationalsozialen sich auf unserer Seite ge-
stellt hätten. Er begrüße dies als ein Zeichen dafür, daß die
Mißstimmung im Schwinden begriffen sei und er hoffe für die
Zukunft auf ein Freundschaftsverhältnis zwischen den beiden
Parteien. Er wäre froh, wenn er Gleiches auch von den
Deutschfreisinnigen sagen könnte. Hoffentlich würde auch bei
ihnen die Ueberzeugung durchdringen, daß die bürgerlichen
Parteien darauf angewiesen sind, gemeinsam mit einander tn
den Kampf zu gehen, und er hosfe, daß diese Ueberzugung fich
schon bei der Stichwahl bewähren werde. Die Sozialdemokra-
tie und der Bund der Landwirte hätten Wahlenthaltung pro-
klamiert, aber er hoffe, daß auch aus ihren Rethen uns manche
Stimme zufallen werde, doch sollten und wollten wir uns nicht
in Sicherheit wiegen, sondern alles tun, um den Sieg an unsere
Fahne zu fesseln. Dem Reichstagskandidaten, Herrn Beck, reiche
er schon heute vor der Entscheidung den wohlverdientcn Lor-
beer dar. Wie der Kampf auch ausgehen möge: unser Kandi-
dat habe im höchsten Maße seine Pflicht und Schuldigkeit ge-
tan; er habe gekämpft und gearbeitet wie ein rechter deutscher
Mann. Redner begrüßt dann auch den Hauptsprecher des
Abends, Geh. Hofrats Marcks, und freut sich, daß wiederum
ein hochangesehenes Mitglied unserer Universität sich bereit ge-
sunden habe, in einer polit. Versammlung zu sprechen. Pros.
Marcks wohne noch nicht lange hier, aber er sei uns innerlich
kein Fremder, er sei uns nahe gekommen, als er in seiner Reve
im Januar so lebhaft und so nachdrücklich dafür eintrat, datz
aus dem Lorbeerkrcmz Bismarcks auch nicht ein Blättchen ent-
fremdet werde. Er erteilte sodann Herrn Marcks das Wort.

Prof. Marcks erklärt, daß er sich der Pflicht nicht habe ent-
ziehen wollen, hier bor der Versammlung zu sprechen, nachdem
ein Antrag dazu an ihn ergangen sei. Er könne nichts Neues
sagen, nachdem die politischen Verhältnisse in den letzten Wo-
chen so oft erörtert worden seien. Er wolle den Bund zwischen
Wissenschaft und Universität und Bürgerschaft bezeugen; sie ge-
hörten zusammen. Heidelberg solle morgen zeigen, daß es
nicht abgefallen sei zu jenen, die immer m Kampfstellung
zu dem Heidelberger Geist gestanden. Redner geht auf das
Jahr 1818 zurück und weist in kurzen schlagenden Sätzen da-
raufhin, wie Heidelberg immer ein Vorort deutscher Gesinnung
im Süden gewesen ist, wie es auch Kämpfe und Leiden dafür
auf stch genommen hat. Jn den 30er u. 40er Jahren wurde von
hier der nationale Ruf laut, war Heidelberg ein Bannerträger
für den nationalen deutschen Gedanken. Die ersten Anfänge der
deutschen Nationalversammlung weisen auf Heidelberg zurück.
Dann kam die schwarze Reaktion in den 80er Jahren; aber ge-
rade von Heidelberg gingen Sendboten geistiger Art aus, die
dagegen kämpften. Von Heidelberg zog Haeusser zur Agitation
gegen Reaktion und Konkordat aus. Auf die Veränderung der
Richtung der badischen Politik im Jahre 1860 ist er ohne Zwei-
fel von Einfluß gewesen. Damals erhielt Baden seine Stel-
lung in der Nation; damals bekam Baden sein liberales Ge-
sicht, das es bis heute nicht verloren hat. Die Einigung des
Reiches wurde nirgends herzlicher begrützt als in Heidelberg.
Jn Heidelberg fand im Jahre 1884 die Verjüngung der na-

tionalliberalcn Partei statt, die zu cinem cntschlossencn Ein-
treten für die Bismarck'sche Politik führte. Diese Traditionen
wird und darf die nationalliberale Partei nicht vergessen. Sie
sieht auch heute mit Vertrauen in die Zukunft, auf die srische
jugcndliche Bewegung in ihren Reihen. Die nationalliberale
Partci stirbt nicht ab, sie saugt neue Kräfte aus jeder neuen
Aufgabe. Heute handelt es stch um die Abwehr. Wir haben
den ersten Wahlgang im Reich nicht ohne Trauer angesehen;
aber wir haben immer gewußt, daß gegen keine Partei so viet
Gegnerschaft zusammenkomme, wie gegen die unsrige. Wir
konnten nicht an dieselben Leidenschaften appellieren, wie un-
sere Gegner. Wir können uns nicht an die Blindheit der Mas-
sen wenden; wir wenden uns an die gutenGefühle, an die ruhige
klare Ueberlegung des einzelnen Mannes. Den Ausgang der
Wahlen brauchen wir nicht trübe anzusehen, haben wir doch
auch einen stattlichen Stimmenzuwachs zu verzeichnen. Wir
gehen mit Hoffnungen und unzerstörtem Mut in die Zukunft.
Unser schlimmster Gegner, mit dem wir am wenigsten paktieren
können, ist der Ultramontanismus; mit ihrn können wir nicht
zu einer Verständigung kommen. Wir wollen keincn Kultur-
kampf führen, aber es ist ein Konflikt da zwischen dem moder-
nen deutschen Geist, dem deutschen Staate und den Ansprüchen,
die von dem Zentrum vertreten werden. Ein solcher Konflikt
wird immer bestehen und die nationalliberale Partei muß in
dieseM Konflikt die Jdeale der Staatshoheit und der geistigen
Freiheit hochhalten. Mit ihncn steht und fällt sie. Wenn das
Zentrum jetzt fast ein Menschcnalter hindurch im deutschen
Reich erzogen worden ist nnd sich jetzt williger zeigt für Befrie-
digung der Staatsnotwendigkeiten zu sorgen, so dürfen wir
doch nie vergessen, daß ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen
ihm und dem modernen deutschen Staate herrscht; mit Miß-
trauen müssen wir seine Handlungen verfolgen, denn es besteht
die Gefahr, daß durch die Zentrumsbestrebungen die innerste
Lebenskraft des Reiches gelähmt wird. Wir müssen uns auch
sagen, daß das Zentrum nach seinem innersten Wesen allen
andern Parteien und Bestrebungen die Toleranz abschlägt, die
es für sich in Anspruch nimmt. Wir Nationalliberale können
nicht an dem Egoismus appellieren, wie andere Parteien dies
auf wirtschaftlichem Gebiet tun. Unsere Partei ist eine Ver-
treterin des Gesamtwohls. Das mag ja äußerlich
in solchen Kämpfen, wie die heutigen es sind,
ein Nachteil sein, aber innerlich ist ein Vorzug;
garerade das macht unsere Partei unverwüstlich. Es
wird und mutz inimer eine Partei geben, die für da§ Ganze
einsteht und es wird im deutschen Reich auch wieder eine Zeit
des Schwunges kommen, vielleicht in der Stunde der Gefahr,
da man sich auf das Ganze besinnt. Die nationalliberale Par-
tei ist unauslöslich verbunden mit den großen Etappen in der
Gründung des Reiches und seinem Aufbau. Wir wollen diese
Verbindung pflegen. Sie möge uns auch in diesem Kampfe
leiten. Redner rufe das Jedem zu, der etwas mehr links
oder mehr rcchts steht, doch die kleinen Unterschiede bei Seite zu
lassen, und auf das Große und Ganze zu sehen, was von der
nationalliberalen Partei in treuer Gesinnung ohne Eigennutz
geleistet worden sei. Auch in den Regierungen sei der Sinn
wie er in unserer Partei herrsche, ausgeprägt. Jeder national-
liberale Wahlzettel stärke den Mut der Regierung, auszuhar-
ren, das Gefühl, von dem Bürgertum getragen zu werden.
Unsere Stimme, die Stimmc des freiheitlich denkenden natio-
nalen Bürgertums, werde immer in die Wagschale fallen; wir
müssen sie nur laut genug erheben. Redner schließt seine au-
ßerordentlich eindrucksvollcn, hier nur ganz oberflächlich skizzier-
ten Ausführungen mit einem lebhaften Appell an die Bürger-
pflicht. Was Alle fühlten, Alle dachten, Alle wollten, das ver-
stand er meisterlich in klare durchsichtige Sätze zusammenzufas-
scn, so datz ein jeder glauben konnte, in seiner Rede spiegele
sich das eigne politische Sein. Außerordentlich lebhaft war
denn auch der Beifall, mit dem die Versammlung dem Red-
ner ihrcn Dank bczeugte.

Nunmehr ergriff der Reichstagskandidat, Herr Beck, das
Wort zu einer letzten Ansprache vor der Entscheidung. Nach
seiner wochenlangen Tätigkeit im Wahlkampf erklärte er, sich
kurz fassen zu wollen. Der Wahlkampf habe ihn in alle Gegen-
den des Wahlkreises geführt; überall habe er sein Programin
klar und deutlich ausgebreitet. Ein Zweifel an dem,
was seine politische Ueberzeugung sei, könne kein Wähler haben.
Redner bezeichnet dann noch kurz im Kampfe der wirtschaft-
lichen Jnteressen den goldenen Mittelweg als seinen Weg. Er
spricht für Mittelstandspolitik, für Fortführung der Soziakre-
sorm, für Aufrechterhaltung des Reichstagswahlrechts trotz der
wenig angenehmen Erfahrungen der letzten Jahre. Das Volk
sollte das Wählen nicht nur als sein Recht, sondern als seine
sittliche Pflicht auffassen. Mögen in diesem Wahlkamps im
Reiche diesmal andere, radikale Parteien den größeren Fort-
schritt zu verzeichnen haben: die Zukunft werde lm-mer gehören
dem besonnenen stetigen Fortschritt, wie ihn der liberale und
nationalliberale Partei erstrebt. Von seinem liberalen Stand-
punkt aus trete er für die unbedingte Hoheit des Staates ein;
er wolle nicht, daß die Kirche alles an sich nchme und dem
Staat nur lasse, was ihr beliebe. Redner wendet sich dann gc-
gen ein ultramontanes Flugblatt, in dem gesagt wird, er
könne als Regierungsbeamter nicht Bolksvertreter sein, und
weist diese Verdächtigung energisch zurück. Er lasse sich auch
nicht gefallen, wenn der Bund der Landwirte sage, er hätte
nicht gehalten, was er versprochen habe. Er habe sein Per-
sprechen durchaus gehalten, aber er lasse sich nicht als Vertreter
eines einzelnen Standes reklamieren und deshalb weise er dle
Bundesforderungen, die übrigens 1898 noch gar nicht aufge-
stellt waren, zurück. Redner dankt dann Allen, die mit und
sür ihn gearbeitet haben; er dankt für das Vertrauen, datz man
ihm durch die Wiederaufstellung erwiesen habe und erklärt, datz
er sich desselben immer würdig erweisen werde. Er ermahnt
dann noch einmal, in dem er an des Kaisers Worte in Ham-
burg über die glanzvolle Zukunft Deutschlands anknüpft, zu
energischer Arbeit und speziell zum Aufwerfen eines Dammes
gegen die schwarze und die rote Hochflut. Nicht auf seine Per-
son komme es hier an; es handle sich um die Sache, deren Ban-
nerträger im hiestgen Wahlkreis er zufällig sei, die Sache un-
seres freien deutschen Bürgertums. Redner schließt mit den
Worten, die Andreas Hofer im Jahre 1809 in Jnnsbruck ge-
sprochen und die dort heute noch an einem Gasthause angeschrie-
ben zu lescn sind:

G'sehn habt's mi, kenne thuts mi a. Machts eure Sache
guet. So jetzt b'hüts Euch Gott.

Bürgermeister Dr. Walz dankte namens der Versammlung
den beiden Vorrednern und dankte speziell auch dem Kandida-
ten für seine große Mühewältung während des Wahlkampfes.
Wohl handle es sich um die Sache, aber in dcr Praxis lasse sich
die Sache nicht von der Person trennen. Jn Hrn. Beck hätten
wir die richtige Person gefunden; ein gut Teil des Verdien-
stes gebühre seiner Person. Redner wirft dann die Frage auf,
weshalb unser Programm nicht ganz den Anklang gesunden
habe, den wir wünschten. Die Handelsverträge seien es nicht;
es seien grötzere Dinge. Es handele fich um die fundamentalen
Gegensätze, die in der Sozialdemokratie, im Zentrum und
bei uns ihre Verkörperung finden. Was speziell das Zentrum
anbetreffe, so gebe uns zu denken, daß ihm in Baden im ersten
Wahlgange 5 Sitze zugefallen sind. Aber, sagt er,
wie auf Zentrumsseite gekämpft wird, mit wel-
chen Waffen und mit welchen 'Truppen, das wis-
sen wir. Man hat gesagt, wir bekämpfen die Re-
ligion, aber das ist uns völlig fern gelegen, die Partei hat
überhaupt nicht angegriffen, fie hat sich nur verteidigt. Wenn
da und dort Auswüche sich gezeigt haben, wenn da und dort ein
Wort gefallen ist, schärfer als beabstchtigt, so mißbilligen wir

das. Aber wir sind gercizt wordcn und so ist ein solches Wort
zu cntschuldigen. Manchc meinen nun, das Zentrum sei nicht >v
schlimm, es bewillige ja im Reich, was nötig sei; es sci eine
staatserhaltende Partei im Reich. Demgegenüber lenkt der
Redncr den Blick der Versammlung auf die Zeit der Entstehung
des Reiches zurück, welche zugleich die Zeit der Entstchung des
Zentrums war. Er erinnert daran, datz das Zentrum das
neuc deutsche Reich zu einem Krieg gegen Jtalien wegen Wi^
derherstellung des Kirchenstaates veranlassen wollte und in Olst
position ging, als dies nicht geschah. Er erinnerte an ein lew
der von Heidelberg ausgegangenes Wort, dem deutschen Von
könne der Lorbeerkranz nur gereicht werden, wenn es den KH''
chenstaat wiedcr aufrichte, möge auch Germania darüber 3"
Grunde gehen. Er erinnerte an das Wort des vorigen Papj
stets von dcm Koloß mit den tönernen Fützen; wie dieses Wort
von den Zentrumsorganen mit Vorliebe angewendet wordeN
sei. Er zitiert einige Preßäußerungen aus damaliger Zeit und
weist darauf hin, daß eine solche Sprache noch lange angedauert
habe. Als Bismarck zurückgetreten sei, der dem Zentrum auf
den Grund seiner Seele sah, habe das Zentrum sich an bie Re^
gierung herangeschlängelt, aber könne es ehrlich eine Stütze der
Regierung sein, wenn es der Parole treue bleibe, unter wcl^
cher es auf die Welt gekommen? Manche bewunderten das
Zielbewußtsein des Zentrums und schätzten es als Bollwcrk
gen die Sozialdemokratie, aber ein Blick auf Belgien, SpanieN
und Jtalien zeige, daß es auch da vcrsage, jedenfalls wolle da?
deutschc Reich nicht sein innerstes Wesen drein geben, um die-^
sen sehr zweiselhaften Zentrumsschutz zu genießen. Noch sei das
deutsche Polk nicht so weit, noch seien wir krästig. Unsere na^
tionalliberale Partei habe ein schönes, klares und bestimmreS
Ziel, nämlich einzutreten für dcn deutschen Staat, für freieZ
Bürgertum, Freiheit des politischen und geistigen Lebens, wirt--
schaftlichcn und sozialen Fortschritt. Und sie habe, wie die dies^
malige Wählbewegung zeigte, jungen Nachwuchs. Jn fünf
Jahren werde dieses sich noch mehr zeigen. Redner schließt
seine trefflichen Ausführungcn mit den Worten: Deutschland-
Deutschland über Alles.

Es sprachen dann noch Herr Hauptlehrer Malsch u. ein
sehr redegewandter Vertreter der natl.-lib. Jugend, Herr
Regierungsbaumeister B l u ni, der in energischen Worten flO
gegen das Zentrum wendete und zum Kampf und Sieg füt
Beck aufrief. Dann wurde die so schön verlaufene Versamnw
lung vom Vorfitzenden nach einigen geschäftlichen Mitteilun-'
gen mit Worten des Dankes geschlossen.

Aus SwÄi nud LanÄ.

Heidelberg 28. Iinn.

V Zirkus Corty-Althoff. Die Porstellungen des Zirkus
Althoff waren auch in den letzten Tagen sehr gut besucht um
fanden die Leistungen aller Künstler ungeteilten Beifall. Be^
sondern Erfolg hatten in der gestrigen Porstellung die Dar-
bietungen ernster und komischer Bilder aus dem Transvaal^
Krieg. Heute beschließt Herr Direktor Althoff mit einer greä
ßen Dank- und Abschiedsvorstellung sein hiesiges Gastspiel-
Wir machen auf diese Vorstellung besonders ausmerksam, da
dieselbe wohl eine der besten zu werden verspricht, was au»
dem reichhaltigen Programm, welches aus 28 der besten Nuw^
mern besteht, zu ersehen ist.

Die Vereine für Nationalstenographie hattcn gesterN
Abend das Vergnügen, einen der Shstemerfindcr, HerrN
Oberarzt Dr. von Kunowski, in ihrer Mitte zu sehen. Dein
Gaste zu Ehren wurde ein Unterhaltungsabend im städt. Saal^
bau veranstaltet, der von den Mitgliedern sehr gut besuchr
war. Der 1. Vorsitzcnde, Herr Reallehrer Götz, begrüßtc deN
genialcn Systemerfinder und drückte ihm den Dank der Percine
in beredten Worten aus. Dr. bon Kunowski hielt eine längere-
Ansprache, in der u. a. sagtc, daß es ihn freue, den Verein sn
rüstig bei der Arbcit, so rüstig in immerwährendem Weiter^
streben zu sehen dank der bewährtcn Leitung des 1. VorsitzeM
den, Herrn Reallehrer Götz. Leider sei es ihm nicht vergönnt-
länger als einige Stunden in der Mitte der ihm lieben Ver-°
eine zu weilen. Er schloß mit einem dreimaligen Schrift^
heil auf den Bund für Nationalstenographie. Der 2. Vorj
sitzende, Herr Emil Schmitz, überreichte Herrn von Kunowsn
namens des Vereins das schönste Buch über Heidelberg voä
Prof. Pfaff und knüpfte die Bitte daran, daß der Meister der
Kurzschrift beim Durchblättern des Buches der Stunden, dw
er in Heidelberg verlebte, gedenken möge. Dr. von Kunows"
dankte für die schöne Erinnerung an Heidelberg und verspraw-
auch sciner Frau, die immer ein spezielles Jnteresse für Heidew
berg habe, das Buch zu zeigen, damit sie sich auch in die Schön^
heiten der Musenstadt vertiefen könne. Er schloß mit kräftigern
Schriftheil aus den Verein. Einzelne Gesangsvorträge des
Herrn Kunst, sowie Vorträge des Vereinsquartetts unter Lew
tung des Herrn Lehrers Steuerwald trugen zur Verschönerung
des Abends bei. Herr Zolk erfreute die VersammelteN
durch gelungene, komische Vorträge. Ziemlich spät erst trennte
man sich, nachdem auch einige allgemeine Lieder gesungen wor^
den waren, mit dem Versprechen, der Kunst und dem Er^
finder der Nationalstenographie immer Treue bewahrcn Zn
wollen.

— Von der Bergstraße, 24. Juni. (Die Reben.) N»l
großer Sorge verfolgtcn dic Winzer in dcn letzten Tagcn deä
Stand dcs Barometcrs und dcr Witterung und waren ob der
rauhen Nord- und Ostwinde um die Rcbenblüte nicht wenig be^
sorgt. Zum Glück ist es seit heute früh milder, ja wärmer gej
worden, so daß jetzt, wenn nicht wieder ein Umschlag der Tew--
peratur eintritt, die Blüte der Reben gut vorübergehen um
ein befricdigendes Weinjahr erwartet wcrden darf.

4- Ettli'ngcn, 24. Juni. (Unsall.) Adlerwirt Iop
Merklinger in Burbach hatte auf der Offenburger Pferdelotte-
rie einen jungen Gaul gewonnen. Eine Anzahl Burschen wom
ten nun das Pferd auf einem Feldweg spazieren führen. 4-0
19jährige Benedikt Ochs setztc sich darauf. Plötzlich scheute va»
Pferd und warf den Reiter ab. Derselbe wurde auf die BrUß
getreten, so daß er schwer verletzt nach Hause verbracht we^
den mußte.

Theater- mid Kunstnachrichten. ,

Victor v. Scheffel-Feier. Anlählich des Jubiläumssemester-i
veranstaltet Herr K. A. S i e n o l d, hier, Samstag, 27. Iu>
cine Pictor von S ch c f f e l - F e i c r. Dieselbe beginnt^ u>
einem Bictor v. Scheffel-Abend im Garten der Schloßrestam
ration mit Jtalienischer Nacht unter Mitwirkung dcr gesawt^.
Kapelle des Bad. Leibgrenadierregimcnts aus Karlsrnhc unu
der trefflichen Leitung ihres Dirigentcn des Kgl. Musikdiretto '
Herrn A. Boettge. Das Programm enthält u. a. verschiede ^
Kompositionen Scheffel'scher Dichtungsarten, so z. B. Beh .
Dich Gott, Studentenlieder, Potpourri, sowie Alt-Heidelve u
du Feine. — Am Sonntag, 28. Juni findet im großen Stavm
schen Saalbau eine Matinee statt, zu wclcher, die bei uns ,
gutcr Erinnerung stehendcn Künstler, Herrcn A. Sisterina
(Bariton) aus Wiesbadcn, Hofschauspiclcr F. Herz aus Kav j
ruhe (Recitation), ihre gütige Mitwirknng zugesagt ham
- Das Programm weist Perlen v. Scheffel'scher Dichtungsarr
auf, so z. B. Jung Werner's Lieder am Rhein, Jung Werne ,
Lieder aus Welschland, Biterolf im Lager von Akkon, Aussayr
Alt-Hcidelbcrg du Feine, Licder aus Rodenstein. Am K uw ^
Waltet seines Amtes der Veranstalter Herr K. A. Sienr
dcm wir nur zn dem hübschen Projckt gratulieren können-

Der Eurzufl Peters k. iu Serbien.

BsIgrad, 24. Jmü. Um 10 Uhr vormittags 0
 
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