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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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MittagsstundM zu sprechen. W unterhält sich dcmn
leutselig mit jedermann, auch in plattdeutscher SprachW
Nzeitz mit den Familienverhältnissen seiner Untertanen
ganz genau Bescheid, und sein Gedächtnis reicht oft weiter
zurüch als das des Bittstellers. Von seinem Willen ist
alles, auch das Kleinste, abhängig. Jn der Umgebling
seiner Residenz darf z. B. ohne sein Wissen kein Baum ge-
fällt werden. Da Mecklenburg-Strelitz kein Pensions-
gesetz hat, so vergibt er Ruhegehälter als freie Gnaden-
geschenke, er selbst bemißt ihre Höhe und verlangt, daß
man sich extra dafür bei ihm bedanke. Dafür hat das
Mecklenburger Volk wieder Vorrechte, die an mittelalter-
liche Zeiten erinnern. So dürfen z. B. an bestimmten Ta-
.gen die kleinen Leute in den großherzoglichen Forsten
Reisholz und Fallholz bis zu einer gewissen Stärke auf-
fammeln und unentgeltlich für ihren Haushalt verwenden.
Der Mecklenburger zahlt auch verhältnismäßig wenig
Steuern, aber das ist nur dadurch möglich, daß dort auch
die kleinen Einkünfte und Vermögen zur Steuerlast heran-
gezogen werden. Viele Aemter sind überhaupt nicht be-
fetzt, und im mecklenburgischen Staatskalender nimmt
die Familie derer von „vrrent" — so spottet mau — den
größten Raum ein. So hat sich doch auch allmählich in
den Herzen der biederen Mecklenburger der Gedanke fest-
gesetzt, daß es so nicht mehr weiter geht, und die Hckff-
nungen richten fich auf den Erbgroßherzog Adolf Friedrich.
Was man heute in erklärlicher Scheu einem alten, blinden
Mann nicht mehr vortragen will, wird man von seinem
Sohne unschwer erreichen.

Großherzog Friedrich Wilhelm teilt das Schicksal aller
der Fürsten, die, wie Dohm einst von Friedrich Wil-
helm IV. sagte, „hart an die >Grenzmark zweier Zeiten"
gestellt sind. Mit redlichem Wollen, in ehrlicher Arbeit
ist er an sein Lebenswerk herangetreten, und mit treuer
Anhänglichkeit hat ihn sein Volk dafür gelohnt. Manch
gutes Werk ist durch ihn in Mecklenburg getan, und an
feinem Ehrentage, den er leider wegen Krankheit und
Alter nicht mitfeiern kann, wird mancher daNkbar seiner
gsdenken. Aber in einer Zeit, wo überall das Neue mit
dem Alten kämpft, könnte die überströmende Liebe eines
Volkes, die seinem Vater >o reichlich zufloß und die er
felber in einer Rede a.im die inscklenburgischen Stände
bei seinem Regierungsantritt sür fich gewünscht und er-
hofft hatte, ihm nichckin gleichem Maße zuteil werden.

Deutsches Reich.

Bayern.

München, 28. Juni. Unter dem Vorsitz des Prinzen
A u d w i g und in Gegenwart der bahrischen Staatsminister,
zahlreicher Professoren und Jngenieure aus allen Ständen
Deutschlands fand mittags die K o n st i t u i e r u n g des
neuen Vereins zur Begründung eines Muse -
nms von Meisterwerken der Naturwissenschaft und der Technik
in München statt. Das Museum, zu dem bereits namhafte
Geldbeträge gespendet wurden, soll cin Seitenstück zu dem Ger-
manischen Museum werden und für ganz Deutschland bestimmt
sein. Vorläufig wird es in den Räumen des alten National-
museums in München untergebracht. Jn der konstituierendcn
Versammlung gab Prinz Ludwig der Hoffnung Ausdruck, daß
dieses Museum nicht nur der Stadt München, sondcrn dem
ganzen deutschen Reich Nutzen bringen werde. Nach Geneh-
migung der Satzungen wurde beschlossen, an dem Prinzregen-
ten Luitpold eine Deputation zu senden und an den Kaiser .ein
Telegramm abzuschicken, in dem der Kaiser gcbeten wird, dem
meuen Museum seine kaiserliche Huld zuzuwenden. Prinz Lud-
wig schloß die Versammlung mit einem begeistert aufgenommc-
nen Hoch auf den Prinzregenten und dew. Kaiser. Nachmittags
gab der Prinzregent in der Residenz eine große Festtasel, zu
der u. a. auch Direktor Prof. Dr. Bach aus Stuttgart geladen
war.

Auslarrd.

Jtalicn.

8 Rom, 28. Juni. (D e p u t i e r t e n k a m m e r.)
'Vor der Vertagung erhebt sich das Haus zu einer
Ehrung des M i n i st e r P r ä s i d e n t e u Z a n a r-
de! Ii. Cavagnari gibt dem Wunsche Ausdruck, daß der
Miiiisterpräsident der Regierung und Jtalien noch recht
lange erhalten bleibe. Zanardelli dankte und betonte, daß
die Kundgebungen, welche ihm die Kammer in den letzten
Tagen dargebracht habe, ihm unvergeßlich bleiben wer-
den. Sodann vertagt sich das Haus auf unbestimmte
Zeit.

0 Rom, 28. Juni. Die VersammIung der
Vereinigung der H a n d e l s k a m m e r n nahm

Frau von Harding erklärte ihm die Natur dieses Festes.

„O, es gibt auch ein Fräulein von Denison? Der Baron hat
also Töchter?" fragte Holborn mit regem Jnteresse.

„Er hat nur eine Tochter."

„Und Sohne?"

„Nein!"

„So ist also die Tochter scine einzige Erbin?"

„Ja, und außer dem Vermögen des Vaters, das ihr eines
Tages zufallen muß, besitzt ste noch ein sehr bedeutendes Ver-
mögen von ihrer Mutter.

„Hm, dann wäre sie gar keine so üble Partie."

Frau von Harding betrachtete ihren Freund mit boshaftem
Lächeln.

„Jch möchte wissen, ob du dich noch immer für so unwider-
ftehlich hältst, wie ehedem?" spottete sie.

„Ja, ich möchte auch wissen, ob ich noch unwiderstehlich bin".
entgegnete Holborn gelassen. „Wer zu siegen wünscht, mutz
damit anfangen, an sich selbst und an seine Unbesiegbarkeit zu
glauben. Doch sprechen wir nun endlich von Geschäften, meine
liebe Ruth. Du wünschest zu erfahren, weshalb ich dir hier-
her gefolgt bin? Unglücklicherweise ist die Antwort auf diese
Frage eine sehr gewöhnliche. Möchtest du sie mir dadurch er-
fparen, daß du sie selbst errätst?"

„Du willst natürlich wieder Geld haben!" erwiderte Frau
von Harding finster.

„Sage nicht, daß ich Geld haben will, meine teure Freun-
Lin. Jch trug in meinem ganzen Leben niemals Verlangen
nach schnödem Gelde, aber Mangel an Geld ist die Quelle aller
Unannehmlichkciten: die große Mehrheit von allen Verbrechen,
Lie in der ganzen Welt begangen werden, geschehcn dcs Geldes

eine T a g e s o r d n u n g cm, in welcher erklärt wird,,
sie halte KamPfzölIe im Hinblick auf die Erneuerung
der Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn, DeUtsch-
land und der Schweiz nicht für oppo r i u ü. 'Deck
weiteren wurde der Vorstand der Vereiuiguug cheauftragt,
zu prüfen, ob und welche Vevhandlungen an den öezüg-
lichen Vorschlägen der Handelskammern vorzunehmen
seien. An die Staatsverwaltimg sei das Verlangen.zu,
stellen, besonderen neuen Forderungen einiger Jndustrie-
zweige zu entsprechen.

u Rom, 28. Juni. Heute Nachmittag wurde im Garten
der Basilika des hl. Johannes vom Lateran der Grundstetn
zu dem Denkmal gelegt, welches die Arbeiterinnen
aus verschiedenen Staaten zu Ehren des Papstes er-
richten lassen. An der Feier nahmen teil der Kardinal Fer-
rata, das Denkmalkomitee, katholische Würdenträger und die
katholischen Arbeiterinnenvereine Roms mit Fahnen und Mu-
sik. Der Papst sandte seinen Segen. Es gelangten Depeschen
der katholischen Arbeiterinnenvereine von Berlin, Köln unv
Freiburg zur Verlesung.

Zu den Reichstagswahlen.

— Die bei den Wahlen am 16. Juni in Bayern
emgetretenen P a r t e i v e r s ch i e b u n g e n stellen sich
nach einer Berechnung der „Allg. Ztg." vorbe'haltlich
einiger unweseutlicher Korrekturen folgendermaßen dar,
wobei die erstere Zahlenreihe die Stimmen vom 16. Juni
ds., die zweite den Zugang bezw. die Abnahme gegen
1868 gibt:

Nationalliberale

Freisinnige

Konservative

Zentrum

Sozialdemokraten

Demokraten

Bayrischer Bauernbund
Bund der Landwirte
Christlich-Soziake

160 134 -p 61 889
32 545 st- 4 320
21241 st- 6 680
422 531 st- 123 636
211 334 -s- 72 665

6 167 — 10 020
97 513 — 32 428
22 629 -s- 16 431

3 672 -p 3 287

— Nach dem Ergebnis der ersten Wahl konnte man be-
rechnen, wieviel Stimmen Bassermann in Karls-
ruhe bei der Stichwahl durch den Zuzug der Freisinnigen
und Konservativen erhalten rmißte. Er erhielt aber 1090
Stimmen darüber hinaus, die teils von frischen Wählern,
teils von Zentrumsleuten hervühren mögen; namentlich
unter den Handwerkern wird mancher zuerst für das
Zentrum und jetzt für Bassermann gestimmt haben. Das
wäre schon gut, aber, so schreibt man dem „Schwäb. Merk."
das dicke Ende kommt nach: Geck erhielt über den Zu-
wachs durch die Demokraten hinaus noch einen weiteren
von 1384 Stimmen! Woher sind diese gekommen? Die
eigenen Reserven waren erschöpft, also können sie nur aus
dem Zentrumslager gekommen sein! Das sind die
kathol. Arbeiter, die in den kath. Vereinen andächtig
den Vorträgen der Herren Kapläne zuhören und auch
fleißig zu den gemeinsamen Kommunionen gehen, aber in-
nerlich schon so stark sozialdemokratisch verhetzt sind, daß
sie bei der Wahl füc den sozialdemokratischen Kandidaten
stimmen! An dieser Stelle ist wiederholt angedeutet wor-
den, daß es so kommen würde, und diese Vorhersage war
richtig. Nicht gesagt soll werden, daß die Zentrums-
leitung eine solche Wendung gewünscht habe; sie kann
ihr selbst nur höchst unangenehm sein, denn ihre ganze
eigene Stellung wird unsicher, wenn auf die Masse der
katholischen Arbeiter kein Verlaß mehr ist! Nur zu bald
hat sich das gestrige Wort des „Ettl. Landsm." ersüllt,
Der Zentrumsturm kracht schon in seinen Fugen; iioch ein
paar solcher Zerschmetterungen dör Nationallibevalen
und der Angrisf wendet sich gegen die Fundamente des
Zentrumsturms. Vorzüglich gehalten 'haben fich die länd-
lichen Wähler der evang, unteren Hardt, die großenteils
konservativ, Manii für Mann gegen Geck stimmten, wo-
gegen die Arbeiterdörser der kath. oberen Hardt große
Mehrheiten für Geck ergaben. Aufrichtiges Lob verd-ie-
nen die katholischen Bauern des ehemals zum Fürstbis-
tum Speyer gehörigen Amtes Bruchsal, die in der ersten
Wahl für das Zentrnni, bei der zweiten aber trotz der
offiziellen Parole für Basserknann stimmten. Das war
mutig und vaterländisch und soll nicht vergessen werden!
Sie hätten Basfermann zum Siege verholfen, wenn nicht
die Karlsruher Zentrumsarbeiter ihm in den Rücken ge-
fallen wären. Hierüber wird noch viel geredet und ge-
schrieben werden. Allgemeine Verurteilung erfährt die
Abstimmung der deutschen Volkspartei für Geck. Auch

halber. Glaubst du, ich komme aus eigenem Antrieb, Geld
von dir zu fordern? Meine Gläubiger aber bestürmcn mich
um diesen schnöden Mammon, und von allen Seiten bedrängt,
komme ich zu dir, — meiner Gönnerin, die einer glücklichen
Jdee von mir ihren ganzen Reichtum und ihre bevorzugte Stel-
lnng verdankt!"

„Wollte Gott, du hättest meinen Weg niemals getreuzt?"
rief die Witwe mit leidenschaftlicher Heftigkeit. „Wollte Gott,
ich wäre eine Straßenbettlerin, statt der unseligen Sklavin,
die ich jetzt bin!"

„So, geh' als Bettlerin auf die Straße!" erwiderte Hol-
born kühl. „Das sind abgeschmackte Aeußerungen. Wie kannst
du mit einem Einkommen von fünfzehnhundert Pfnnd jähr-
lich dich als Sklavin irgend Jemandes betrachten? Du wür-
dest dieses mit kostbaren. Spitzen so reich besetzte Kleid ebenso
wenig mit den Lumpen einer Bettlerin vertauschen, wie d'w
Gastfreundschaft des Barons mit der des Armenhauscs. Laß'
uns vor allen Dingen vernünftig sein, meine liebe Ruth! —
Du hast mir so Großes zu verdcmken, und ich beanspruche nur
wenig. Vor einigen Wochen hast du den halbjährigen Betrag
deiner Rente in Anspruch genommen. Frage nicht, wie ich es
erfahren habe, genug, daß ich es weiß. Jch brauche dreihun-
dertundfünfzig Pfund!"

Frau von Harding schüttelte den Kopf. „Diese Sumtne
zu beschaffen, ist mir ganz unmöglich", versicherte sie. „Ehe
ich von London abreiste, habe ich meiner Schneiderin eine sehr
bedeutende Summe bezahlt und bin verschiedenen Leuten noch
viel schuldig!"

„Es tut mir sehr leid, zu hören, daß du so verschwenderisch
warst. Die dreihundertundfünfzig Pfund muß ich haben! —
Das heißt, meine Gläubiger müssen sie haben!"

diese kleine Schar hätte es in der Hand gehcrbt, der
des Bürgertums die Mehrheit zn sichern, und da sie einc
bürgerliche Partei sein will, wird ihre'KAtnng Whr bitter
empfunden.

Aus Stadt und Land.

X Postalisches. Vom 1. Juli ab sind Pöstanweisungcn nnki!
den portugiesischen Kolonien Angola, Capverdische JnstNtz
Gumea, Mozambique, St. Thomas und Prinzipe bis zu
Mark zulässig. Das vom Absender zu entrichtende FralN.
ist das gleiche wie für Postanweisungen nach Portugal selbir
doch gilt diese Frankierung nur bis Lissabon. Für die Weite^
beförderung von da nach den Kolonien wird portugiesischersen-
bei Umwandlung der eingezahlten Beträge in die portugicsiM
Währung eine Gebühr von 75 Reis für je 5000 Reis ovs
einen Teil hiervon in Abzug gebracht. Zu schriftlichen Mittest
lungen dürfcn die Abschnitte nicht öcnutzt werdcn. Ueber vi'-
sonstigen Bedingungen erteilen die Postanstalten auf Erfcw

dern Auskunft.

14 Wilhelmsfeld, 29. Juni. Reges Leben herrschte an dem
gestrigen prachtvollen Sonntag in unserem Orte und dePn
herrlicher Umgcbung. Vormittags traf in 15 Wagen erw
Autlergesellschast aus Mannheim ein u. schlug bei der „Linde
ein Waldlager aus. Nachmittags kamen aus Heidelber»
die Mitglieder des Männergesangvereins „Concordia" und dei
Gesangsabteilnng der „Harmonie" über die Hochstratze hierhcr-
um mit dem hiesigen Männergesangverein und dem Singvei(
ein Schönau in Sangesfröhlichkeit einige Stunden zu verbrw'
gen. Jn dem neuerbauten Saale des Herrn Nehberger „ZW
Adler" machten die Sänger Rast und lietzen ihre Weisen iW
tönen. Neben Gesangsvorträgen der einzelnen Veresne wuij
den unter abwechselnder Leitung von Musikdirektor SahleW
der und Lehrer Kratz auch einige Gesamtchöre zu Gehdr
gebracht. Dem Dank der Gäste für den freundlichen EmpfaW
gab Herr Hörning beredten Ausdruck; es erwiderte in Wol'
ten der Begeisterung für das deutsche Lied Herr Lehrer KrW
Schließlich sprach noch Herr Kinzinger den Erschienenen herZs
lichen Dank aus für ihr Erscheinen in Wilhelmsfeld. Gegeu
Abend brachen die Heidelberger auf, sehr befrjedigt über vn
Aufnahme, die sie gefundcn und voll Bewunderung über bA
anmutige Lage unseres Gebirgsortes.

dl Mannheim, 28. Juni. (D i e Redaktion de
„V o l k s st i m m e") erläßt eine Ertlärung, in der sie
dauert, daß im Drangc der Wahlgeschäfte der Ausdruck eincs
ihrer Mitarbeiter „konservativ-liberal-ultramontane Sau )
h e r d e" gedruckt worden ist. Auch im „Drang der WahlW
schüfte" solltcn solch ordinäre Beschimpsimfteü der politiscki^n

Gegner unterbleiben.

L Konstanz, 28. Juni. (Die des mehrfachi'"
K i nps in ö VÄ sst angeklagte Balbina Hantz, früher auf dern
Krähenhof bei Singen bedienstet, ist nach längerer Bcobachtunö
in der Anstalt-Jllenau der „Konst. Abendztg:" zufolge für gen
st e s g e st ö r t erklärt worden. Die Stäatsanwaltschaft hw
jcdoch noch ein Obergutachten eingefordert, von welchem es ab'
hängig wird, ob die Angeklagte außer Berfolgung gesetzt wird-

Vom Lawinen-Unglück.

ZLrich, 27. Juni. Einer der aus ber Verschüttung diü^
den Lawinensturz Entronnenen hat dem hiesign Korresponve>r
denten des „Berl. Lok.-Anz." die folgende Darstellung hvn
dem furchtbaren Ereignisse gcgeben: Wir, d. h. 18 SchüW
und die Professoren Gröbli und Dr. Vodoz, reisten am Dvw
nerstag Morgen von Zürich ab. Von Amsteg aus beganncn w>
den Aufstieg ins Maderanertal und marschierten von hier
durch das Etzlital über den Kreuzlipaß nach Sedrun. Hi^
trafen wir abends 7 llhr ziemlich ermüdet, doch tvohlbehaltsw
ein und übernachteten in der Krone. Am Freitag, um 5
morgens, crfolgte die Abreise von Sedrun. Professor Gröb^
hatte noch einen Führer mitgenommen; leider erwies sich, dvv
dieser nicht die allerbeste Ortskenntnis besaß. Jm Val Nalp^
hatten wir die Absicht, unterhalb des Piz Blas ins Val Corner>,
nach Tichamutt zu gelangen. Plötzltch erhobcn sich vor uw-'
steile Felswünde, und bald sähen wir die Möglichkeit ciu-
durchzukommen. Wir kehrten daher, als cs nicht mehr voä
wärts ging, uni und kamen so ins Val Eadlimo. Hier hielti'i
wir uns auf ciner Grashalde einen Augenblick auf. Wir
ren in zwei Gruppen geteilt. Profcssor Gröbli, Professor Vw
doz, Licbmann, Herzog, Kinz, Wolfer, Delph, Beuteführ, HvZ
mann, Clement und Odermatt saßen an der Halde, unter dc-
sich eine Felswand von etwa 50 Metern befand, weiter obc
etwas befand sich die zweite Gruppe mit Kinscherf, Eschmanw
Constam, Böhmc, Billwiller, Moser und Blatter. Kaum satzc^
wir, als von oben schon ein Schrei und der Ruf „Achtung!" cs'
tönte. Jch blickte rückwärts: es war, als wenn ein wildc
Wasserfall sich auf uns stürzte; es gab kcin Fliehen, schon W
nächsten Augenblick hatte uns eine Lawine mit StaubschiW
Eis und Geröll erfaßt und schleuderre eine Anzahl von iwA
darunter auch mich, ctwa fünfzig Meter in die Tiefe,
glaubte, jetzt gelte es, zu sterben; inftinktiv aber focht ich
Armen und Beinen im Schnce, mn nicht mit dcm Kopfe auszw
stürzen. Plötzlich stcmd ich wieder auf den Beinen und zww
vüllig unversehrt. Als wir die Situation überblickten, ku^
auch schon Kinscherf, der ebenfalls etwa 20 Meter weit abg^
stürzt war, herunter, um uns zu helfen. Die Lawine has
uns nicht tief verschüttet, sondern fast auf der Oberfläche (V
gen lassen. Es gelang uns, Herrn Professor Dr. Vodoz, dc
stark am Kopfe blutete, hervorzuziehen und ihn mit gebrochcj
nem Bein auf cine geschützte Felsplatte zu retten; dann niaw
ten wir uns daran, nach und nach auch unsere Kameraden bchrj
auszuholen und, soweit sie verletzt waren, zu bergen.

„Jch wicderhole dir aber, daß es mir unmöglich ist, dir V0'
Geld zu geben", cntgegnete die Witwe mit finsterer Bestimw

heit.

„Jch bedauere, zum dritten Male wiederholen zu mupc,
daß ich von meiner Forderung nicht abgehen kann! — Dci
eigenes Leben ist glücklicherweise immer frei von solchen i>st
annehmlichkeiten gewesen, d-aß du keine Ahnung davon h§ (
wie fürchterliche Geschöpfe diese Gläubiger sind! — Jch wu

das Geld unbedingt haben!"

„Jch besitze es nicht!"

„Du wirst es dir schon zu verschafsen wissen! — Rede
nen Unsinn, beste Ruth, du wcißt recht gut, daß du mir Z"
Geld geben mußt. Wird es nicht klüger sein, datz du es "
gutivillig gibst?"

Die Witwe sah wie ein Bild dcr Verzweiflung aus.

Auf Holborn machten ihre Blicke und Geberden indc!!
gar keinen Eindruck.

„Du hast Recht", sagte Ruth, „ich muß dir das Geld gcb^
und wenn du darauf bestehst, noch mehr. Natürlich wirst -
dich hüten, die Sache gar zu weit zu-4reibeu,-denn dann kmi'
test du es dahin bringen, daß ich die Mastc abwerfe, Gco
von Desmond alles beichte und hinaus aus,diL, Straße gcv
um zu betteln — oder zu sterben!" '

„Meine Liebe, die Sonne ist bereits untergegangen und
Baron erwartet mich sicher schon. Vexzrßstnicht, daß iw
dreihundertundfünszig Pfund zwischen jctzt 'und 9 Uhr
muß. Jch habe noch einen langen Rir: üar mir, ehe ick n -
heute zur Rühe begeben kann. ,

Holborn und seine Begleiterin waren,'drc Galerie dm

schreitend, bis zur Ausgangstür gelangt. " - -

(Fortsetzung folgt.)
 
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