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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Seesselberg, Friedrich: Die Ausbildung des Baukünstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0036

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DIE AUSBILDUNG DES BAUKUNSTLERS

zu einer äußerlichen Routinierzüchtung führt.

Wir wollen hier deshalb unter Berücksichtigung
unserer tatsächlichen Verhältnisse nicht über
Pläne hinausgehen, die sich in absehbarer Zeit
auch verwirklichen ließen. Auf jeden Fall müßte
es da oberster Grundsatz werden, daß das Schwer-
gewicht auf die Ausbildung des Baukünstlers
als solchen gehört, nicht auf diejenige des
späteren Verwaltungsbeamten. Denn, mögen
auch viele Hochschulabsolventen im Staats- oder
Kommunaldienste einmal Beamte werden, so
gehört doch die Ausbildung für die Verwaltungs-
tätigkeiten erst in die zweite Linie der Aufgaben;
in erster Reihe sind die Hochbauabteilungen
unzweifelhaft für die Förderung der Bau-
kunst als solcher da.

Wir haben hier eine künftige Generation von
Baukünstlern im Auge, die völlig aus dem Willen
des Zeitalters mit ihren von Kultur und Zivilisation
gleichmäßig bewegten Strömungen herauswachsen
und ihrerseits befähigt werden,
den Geist und Stil dieses Zeit-
alters mit formen zu helfen. Die
dazu erforderliche Großzügig-
keit in den Lehrgebilden be-
sitzen die Hochbauabteilungen
heute wohl noch nicht allgemein.

Vermöge ihrer ursprünglichen
und noch nicht so sehr weit
zurückliegenden Herkunft aus
baulichen „Schulen“, denen die
Hochschuleigenschaft nach dem
Muster der Universitäten erst
beigelegt wurde, haftet ihnen
naturgemäß noch manches vom
Wesen des Schulhaften an. Schon
der Umstand, daß die Doktor-
dissertationen der Hochschulen
selten auf abstrakten, das Philo-
sophische einbeziehenden Ge-
bieten liegen, ist dafür kenn-
zeichnend; es muß auch der
Einwand fallen, daß manche
unter den großen modernen
Baukünstlern den gegenwärti-
gen Hochschulbildungsgang be-
jahen. Die Kunstübung hat
— trotz aller Fortschritte natür-
lich, z. B. in der Ausgestaltung
nach dem Städtebaulichen hin —
doch immerhin noch manche
Züge aus ihrer frühen Ver-
gangenheit bewahrt; es stehen
dahinter noch nicht ganz so,
wie es zu wünschen wäre, die
eigentlichen Momente, aus
denen Kunst höheren Grades,
insbesondere höhere Baukunst, relief h. feuerhahn

entsteht: wir meinen die synthetischen Kräfte
ausderKultur und Zivilisation des ganzen
Zeitalters. Nachhaltig helfen könnte hier nur
die entsprechende Umgestaltung der Prü-
fungsordnungen! Diese hätte eine Umbildung
der Lehrverfahren dann ganz von selbst zur Folge.
Der Prüfling müßte zeigen, daß er (abgesehen von
den selbstverständlichen Kenntnissen im Kunst-
geschichtlichen, im Konstruktiven usw.) in das
Wesen unserer großen Zeitaufgaben zur Vereini-
gung von Kunst und Technik eindrang, daß er
intime innere Verbindung zu allen anderen
Künsten, zum Schöngeistestum, sowie zu den
philosophischen Strömungen und raumkünstle-
rischen Abstraktionen der Gegenwart besitzt. So
würde es sehr bald zu einer bewußten und
wirklich entschiedenen Abhebung der Hochschule
von der Baugewerkschule kommen, und die
Gründlichkeit sowohl wie die Schwungkraft des
Ganzen würden außerordentlich gewinnen.
 
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