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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Seesselberg, Friedrich: Die Ausbildung des Baukünstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0038

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DIE AUSBILDUNG DES BAUKUNSTLERS

Zeitwillen herauswächst, daß es daher die vor-
nehmste Aufgabe der Hochschulen werden
muß, diesen Zeitwillen mit allen seinen tech-
nischen, bildnerischen, staatswissenschaft-
lichen, religiösen und sozialenVerzweigungen
ins Bewußtsein zu rücken, und auf Schritt
und Tritt praktisch zu zeigen, wie sich der
baukünstlerische Gedanke zu allen diesen Mo-
menten in die lebendigste Wechselbeziehung
begibt. Trotz alledem bleibt natürlich die Frage

der Lehrstuhl-

MODELL ZU EINER LATERNE H. FEUERHAHN.

DEKORATIVE FÜLLUNG

H.FEUERHAHN.

besetzungen,
also die Per-
sonenfrage, von
grundsätzlicher
großer Bedeu-
tung. Alles Für
und Wider ge-
geneinanderge-
halten, kann es
nichtzweifelhaft
sein, daß das
Besetzungsrecht
beim Unter-
richtsminister
am besten auf-
gehoben ist und
daß den Hoch-
schul-Abteilun-
gen selbst das
alleinigeVo r-
schlagsrecht

verbleiben muß. Diese Selbstbestimmung muß den Hoch-
schulen um so gewisser gewahrt sein, als nur auf diese Weise
ermöglicht werden kann, daß beispielsweise eine norddeutsche
Hochschule gegenüber den süddeutschen klare psychologische
Besonderheiten behalten oder herausbilden kann. Diese wichtige
Möglichkeit entschwände ohne weiteres, wenn das Vorschlags-
recht etwa — wie dergleichen als Wunsch aufgetreten ist —
auf die großen (nivellierend wirkenden) Baukünstlerverbände
des Reiches überginge. Die Abteilungen müssen sogar sorg-
fältig darauf bedacht bleiben, daß sie von jeglichen Verbänden
und Behörden (außer vom Kultusministerium), also auch vom
Arbeitsministerium, unbeeinflußt bleiben. Denn so wenig
wie die Hochschulen unmittelbar der Privatpraxis durch
die Heranbildung von Routiniers nach dem Tagesbedürfnis
dienen sollen, vielmehr das allgemein Kulturtragende, Weit-
schauende und von modegemäßen Anwandlungen Unabhängige
in ihrem Wesen hervorkehren müssen, ebensowenig sind
sie dazu da, den unmittelbaren praktischen Bedürfnissen
und Wünschen der Staatsbauverwaltung gefügig zu sein.

Die Personenfrage hat aber von Fall zu Fall in dem Um-
stande ihre Schwierigkeiten, daß die künstlerische Tüchtigkeit
eines bedeutenden Mannes noch nicht die geringste Gewähr
für seine Lehrbefähigung bietet. Jeder, der sich anschickt,
die akademische Tätigkeit auszuüben, wird sich zunächst
selbst die ernste Frage vorlegen müssen, was bei ihm höher
stehe: die Fähigkeit, seine Ideen und Gefühle zu einem

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