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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 1.1911-1912

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Breuer, Robert: Die Architektur auf der Grossen Berliner Kunstausstellung 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.27186#0675

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DIE ARCHITEKTUR AUF DER GROSSEN BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1912

Tradition ergriffen wurde, schafft notwendig die
Form der Gegenwart. Der Geist der Tradition
hat nichts zu tun mit dem stumpfen Kopieren,
noch mit einem schwächlichen Eklektizismus.
Qualität im Notwendigen, das ist das Stichwort,
das eine moderne Architektur zwangsläufig er-
stehen läßt. Wobei freilich beachtet sein will,
daß das Notwendige sich nur dem erschließt,
der sich vom Rhythmus der Zeit ergreifen ließ.

Von alledem gibt es in den Sälen, die auf
der „Großen Berliner“ diesmal der Architektur
überlassen wurden, nicht gerade viel, aber doch
einiges zu sehen. Wir treffen einige Proben aus
jenem Kapitel, an dem sich die Wandlung von
der toten Schablone zum Ausdruck des Lebendigen
entschied; wir treffen einige Landhäuser. In der
Tat war ja der Wechsel von der Villa zum
Landhaus die Geburt des neuen Stils. Es wurde
der Grundriß wieder das Maßgebende. Während
man bis dahin, durch mehrere Jahrzehnte, glaubte,
der „Stil“ wäre soetwas wie ein äußeres Gewand,
das man jeweilig umlegen und wechseln konnte,
erfuhr man nun wieder die metaphysische Ge-
walt der Raumbildung, die sich von innen nach
außen projiziert. Das Landhaus wurde Lehr-

meister; ihm stellte sich das Mietshaus zur Seite.
Freilich, es gibt heute in Deutschland viel mehr
gute Landhäuser als großstädtische Mietshäuser,
die auch nur erträglich sind. Das ist wirtschaft-
lich bedingt; der Spekulant und die Mietskaserne
erschweren das Zustandekommen eines in Ver-
nunft schönen Grundrisses. Immerhin bricht
sich auch auf diesem argverwüsteten Gebiet das
Notwendige freie Bahn. Die Fassaden werden
ruhiger; der Block beginnt über das Einzelhaus
zu herrschen, die Diskussion ist erfüllt von den
Problemen der Randbebauung, der Wohnstraße,
der Jansenschen oder der Eberstadtschen Vor-
schläge. Wir begegnen auf der Ausstellung
einigen anständigen Miethäusem. Wir können auch
einige erträgliche Beispiele für den neuen Typus
des Geschäftshauses herausfinden. Seit Messels
Wertheimbau, seit dieses Meisters Bankgebäuden
hat auch der große Baukörper des metropolen
Geschäftshauses ein neues Raumleben und einen
charakteristischen Rhythmus bekommen. Wenn
Messel vorwiegend den Vertikalismus pflegte, so
zeigten Schaudt und andere, daß auch durch
die Betonung des Horizontalen das neue Wollen
versinnlicht werden kann. Beide Arten sind im

LANDHAUS Dr. MOLL-ZEHLENDORF. STRASSENANSICHT

WILLIAM MÜLLER
 
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