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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Donnerstag 15. Januar 1903.

Zweites Blatt.

45. Iahrgang — 12.

Grscheint täglich, Sonntags ansgenommen. PreiS mit Familienblättern monatlich 60 Pfg. in'S HauS gebracht, bei b«r Expedition imd den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg.

die Post bezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausfchlietzlich Zustellgebühr.

AnzeigenpreiS: 20 Pfg. fLr die Ispaltige Petitzeile oderderen Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermähigt. — Für die Aufnahme von Angeigen
an bestimmten Tagen wird keine Vepantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnscrate aus den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Kaufmannsaericht.

Der Gesctzentwurf über die Einführung kauf -
M ä n n i f ch e r S ch i e d s g e r i ch t e ist eine der lve-
nigen Vorlagcn, die de-m wieder znsammengetretenen
Reichstage noch zugehen werden. Der Entlvurf be-
schäftigt zur Zeit noch den BuNdesrat, sein Jnhalt wird
jedoch jetzt schon bekannt. Danach bestätigt sich die Mel-
äung, daß die neuen „Kanfmannsgerichte" nicht den or-
dentlichens sondern den Gewerbegerichten an-
Lkgliedert werden sollen. Die neue Jnstitution soll am

April d. I. ins Leben treten.

Ter Gesetzentwurf zerfällt nach der „Frankfurter
Zeitung" in zwei Abschnitte; der erste behanüelt die Er-
richtuug und Zusammensetznng der Kaufmannsgerichte,
^ie zweite das Derfahren.

Nach Paragraph 1 sind zur Entscheidung von Strei-
tigkeiten aus dern kaufmännischen Dienst.- und Lehr-
berhältnifse für Gemeinden, welche nach der jeweiligen
ietzten Volkszählung m e h r a l s z w a n z i g t a u s e n 8
Einwohner haben, Kansmannsgerichte zn errich-
ien. Bei vorhandencm Bedürfnisse können solche
Werichte auch für Gemeinden mit gering e r e r Ein-
ivohnerzahl errichtet werden.

Nach Paragraph 2 finden auf Handlungsgehilfen,
^eren Jahresarbeltsverdienst an Lohn oder Gehalt den
^oetrag von dreitausend Mark übersteigt, sowie
oiif die in Apotheken beschäftigten Gehilfen und
^ehrlinge die Vorschristen dieses Gesetzes keine Anwen-
ällng.

Nach Paragraph 3 sind die Kaufmannsgerichte ohne
Riicksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zuständig
Nir Streitigkeiten zwischen selü st ändige n Kauf-
wuten einerseits und ihren Handlungsgehitfen
Ustd H a n d l n n g s l e h r I i n g e n andererseits, wenn
die Streitigkeiten betreffen:

1. den Antritt, die Fortsetzung oder die Auflösung
des Dienst- oder Lehrverhältnisses, sowie die Aushändi-
llung oder den Jnhalt des Zeugnisses:

2. die Leistungen aus dem Dienst- oder Lehrverhält-

wste;

3. die Riickgabe von Sicherheiten, Zeugnissen, Legiti-
Aationspapieren oder anderen Gegenständen, welche aus
Eiulaß des Dienst- oder Lehrverhältnisses iibergeben wor-
"M stnd;

^ 4. dieAnsPrüche aus Schadenersatz oder Zahlung einer
^r-rtragsstrafe wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger
^.rsüllung der Verpflichtungen, welche die unter Nr. 1
is 3 bezeichneten Gegenstände betreffen, sowie wegen
llsletzwidriger oder unrichtiger Eintragungen in Zeug-
"me, Krankenkasseichücher oder Quittungskarten der Jn-
"alideTMerstck^rung;

^ 5. die Berechnung und Anrechnung der von den
chandlungsgehilfen oder Handlungslehrlingen zu leisten-
,AN Krankenversicherungsbeiträge und Eintrittsgelder.
^8 63n, 66 des Krankenversicherungsgesetzes.)

» Schiedsverträge, durch welche die Zuständig-
eit vßr Kaufmannsgerichte für künftige Streitigkeifen
^^geschlossen wird, sind nur dann rechtswirksain, wenn
dem Schiedsvertrage bei der Entscheidung von
Li^itigkeiten selbständige Kaufleute un'd Handlungsge-
in gleicher Zahl unter einem Vorsitzenden mitzn-

wirken haben, wetcher weder setbständiger Kaufmann
noch Handlungsgehilfe oder Handlnngslehrling ist.

ZZ 5 und 6 regeln die Kostenfrage. Nach
8 7 sind für jedes Kailfmannsgericht ein Vorsitzender und
mindestens ein Stellvertreter desselben, sowie die er-
forderliche Zahl von Beisitzern zu berufen. Besteht am
Sitze des Kaufmannsgerichts ein auf Grund des Para-
groph 1 oder des Paragraph 2 des Gewerbegerichtsge-
setzes errichtetes G ew e r b e g e r i ch t, so sind in der
Regel dessen Vorsitzender und seine Stellvertreter zugleich
zum Vorsitzenden und zu stellvertretenden Vorsttzenden des
Kaufmannsgerichts zu bestellen, auch gemeinsame Ein-
richtungen für die Eierichtsschreiberei, den Bureaudienstz
die Sitzungs- und Bureauräuinlichkeiten nnd dergleichen
zu treffen. Der Vorsitzende sowie dessen Stellver-
treter dürfen nach Paragraph 8 weder selbständige Kauf-
leute noch Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlinge
sein. Sie werden durch den Magistrat und, wo ein
solcher nicht vorhanden ist oder das Statut dies be-
stimnit, durch die Gemeindcvertretung, in weiteren Kom-
munalverbäliden durch die Vertretung des Verbandes auf
mindestens ein Jahr gewählt. Jhre Wahl bedars der
Bestätigung der höheren Berwaltungsbehörden, in deren
Bezirke das Kaufmanns-Gericht seinen Sitz hat. Die
Beisitzer miissen nach Paragraph 9 zur Hälfte aus
selbständigen Kaufleuten, welche mindestens einen Hand-
lungsgehilfen oder Handlungslehrling regelmäßig das
Jahr hindurch oder zu gewissen Zeiten des Jahres be-
schäftigen, zur Hälfte aus den Handlungsgehilfen ent-
nommen werden. Die ersteren Beisitzer werden mittels
Wahl der selbständigen Kaufleute, die letzteren mittels
Wahl der Handlungsgehilsen bestellt. Die Wahl ist u n -
mittelbar und geheim. Zur Teilnahme an den
Wahleu ist nnr berechtigt, wer das 26. Lebensjahr vollen-
det hat und in dem Bezirke 'des Kaufmannsgerichts
wohnt oder besckiästigt ist.

Däs Vorfahren vor den Kaufmannsgerichten
regelt sich nach den Vorschristen der Paragraphen 26
bis 61 des Gewerbegerichtsgesetzes. Das Kaufmanns-
gericht ist verpflichtet, auf Ansuchen von Staatsbehörden
oder des Vorstandes des Kommunalverbandes, für wel-
chen es errichtet ist, Gntachten über Fragen abzu-
geben, welche das kaufmännische Mmst- oder Lehrver-
hältnis betressen. Das Kaufmannsgericht ist berechtigt,
in den bezeichneten Fragen Anträge an Behörden, an
Vertretungen von Kommunalverbänden und an die ge-
setzgebenden Körperschaften der Bundesstaaten oder des
Reichs zu richten.

Endlich bestimmt Paragraph 16: Jst ein zuständiges
Kattfmannsgericht nicht vorhanden, so kann bei Streitig-
keiten der im Paragraph 3 Absatz 1 Nr. 6 bezeichne-
ten Art jede Partei die vorläusige Entschei-
dung durch den Vorsteher der G e m einde (Bürger-
meister, Cchultheiß, Ortsvorsteher usw.) nachsuchen. Lu-
ständig ist der Vorsteher der Gemeinde, in depen Bezirk
die -streitige Verpflichtung aus dem Dienst- oder Lehr-
verhältnisse zu erfüllen ist oder sich die Handelsnieder-
lassung des Kaufmanns befindet oder beide Parteien ihren
Wohnsitz haben.

Auslarrd.

England.

L o n d o n, 12. Jan. Die Ehescheidungs-
m aschine scheint in England wieder einmal eine um-
fangrciche Tätigkeit Zu entwickeln. Für die nächste
Sitzungsperiode wird der Abteilung für Ehescheidnngen
des Londoner Zivilgerichts allein ein Arbeitspensum von
nicht weniger als 336 Fällen unterbreitet, davon sind
170 Fälle unverteidigt, d. h. die Beschuldigung desjeni-
gen Teiles, der sich verletzt fühlt, wird von der anderen
Partei,ohne weiteres zugegeben, und beide Parteien wil-
ligen in die Scheidung. Von den aus der vorigen
Sitzung zurückgestellten Fällen ist der bekannteste der
Fall ,,Lo Ben v. Lo Ben". Der Ehemann, von dem
sich seine Frau wegen Untrene und Grausamkeit scheiden
lassen will, soll der Sohn Lobengulas, des ehemalige«
Königs von Matabelaland sein. Er lernte seine Frarst
Mrs. Florence Kate Lo Ben, kennen, während er in der
Ausstellung in Earls Court vor etwa drei Jahren an
den Vorstellungen „Wild Südafrika" teilnahm. Das-
Paar wurde seiner Zeit ganz im Geheimen getraut, aber
bald darauf sah Mrs. Lo Ben ein, welchen Fehler sie
begangen hatte, denn der Gatte nahm auf ihre Absiam-
mung absolut keine Rücksicht, sondern huldigte der Viel-
weiberei schpn in Europa in ausgedehntem Maße, bis er
schließlich ganz verschwand. Die erste Derhaudlung in
der Angelegenheit wurde vertagt, weil der Richter erst
Erhebuugen bezüglich der Staatsangehörigkeit und des
Wohnortes des Beklagten aiistcllen lasseu wollte.

— Nachdem jetzt eine volle Woche seit dem Jnkrast-
treten der Mäßigkeits-Gesetzgebung ver-
slossen ist, werden bereits die ersten Zusammettstellungeir
gemacht, und aus ihnen etwas leichtfertigerweise Schlüsse
fiir die Zukunft gezogen. Es heißt, daß im allgemeinen
weniger Anklagen wegen Trunkenheit nnd ungebühr-
lichen Betragens erfolgt seien, und daß däs Gesetz bis
jetzt als ein vorzügliches Abschreckungsmittel gedient
habe. Auch die Restaurateure sollen angeblich über eine
starke Beeinträchtigung ihres Geschästs klagen. Die aus
den bisher erhältlichen Zisfern gezogenen Schlüsse dürf-
ten jedoch etwas voreilig sein.

Aus Stadt uud Land.

X Akademische Vorträge. Herr Geh. Hofrat Marcks
sprach am Dienstag über Napoleon I. und Mexauder I., dckL
erste Mindnis der Franzosen und Nnssen. Das Zusammen-
gehen der beiden Mächte begann z-u Tilsit im Sommer 1807,
und ist begründet in einer langen Vergangenheit. 1800 war
Rnhland die stärkste Macht, Polen war allmählich zur Beute
der Umgebung geworden. Die große Revolntion hatte den
Kampf gegen England, den sie mit allen Mitteln des KriegeS
und Zolles führte, von der Vorzeit geerbt. Jn Frankreich wnrds
der Krieg zum Grundsatz. Das System der Diktatur wurd«
'dancrnd. Napoleon tritt auf und übermmmt die Jdoen dev
Fakobiner. Jn der Eharakteristik Bonapartes, den er mit
Otto von Bismarck vergleicht, hebt der Redner besonders her--
vor das Dämonische, die rücksichtslose Energie unid Leidenschast»
die llnfähigkeit, seinen Egoismns einer grotzen Sache unter-
zuordnen; lieblos, wild und roh, unrein und plebejerhaft, ist
er doch der grötzte Herrscher. Durch und durch Romane, mehr
Jtaliener als Fvanzose, Mann des mathematischen Denlens.
der Frankreich in eherne Formen gepretzt, zeigt'seine Seele
cin Beieinmtder harter seelischer Kontraste: neben all dem

12)

Um Geld.

Roman von F. Jlex.
(Fortsetzung.)

i^i„ ^einbcrgk, der sich der Einladung des Jugendfrenndes
steAs emziehen konnte, hatte jedoch bestimmt erklärt, späte-
^C»chm achr Uhr zu Hause sein zu müssen. Da Sodhen sah,
Apx leine Ueberrcdungskunst erfolglos blieb, aber nicht den
ey,.?. ^llein verbringen wollte, hatte er als Ziel der Fahrt
^ bayerischen 'Bierlokale gewählt, wo man aller Wahr-
sy .""chkeit nach Bckannte zu trcffcn hoffte, war doch jetzt,
Tiet dem Manöver, die Zeit des allgemeinen Urlaubs.

i^iti patzte Steinbergk sehr gut, da er von dort, dcm

^ack, - ?Ee der Stadt, leicht, unter beliebigem Vorwattde, sich
*aten Richtung entfernen konnte, ohne sein Ziel zu ver-
sie g - ämr daher für ihn eine wahre Erleichterung, als
so Betreten des Restaurants sofort Bekannte antrafen,
nach "Hbn heutigen Erlebnisseni und der vor-
Sim,^^3enen Reisenacht dNrchaus nicht nach einer längeren
ibn Mute war, schr bald die erste Gelegenheit ergriff,
jchied k ^^mpfeUen nnd bis zum Beginn des Dienstes Ab-
^ von i->odhen zn nehmen.

dc,Zd. Hanse angelangt, fand Panl die Seinen im Begriff,
äUneii^Ebrot, bestehend aus Thee, Butterbrot und Käse, ein-
Ivst N ^ ebenfalls aufgetragene kalte Fleisch schien,
m richtig vcrmutete, lediglich für ihn und ihm zu
P"3estellt zn sein, Grund genug für ihn, sich mit der-
Die ^spuachcn Kost wie Mntter und Schwestern zu begnügen.
st>ie war übrigens eine weit weniger gedrückte,

bön d-s. rsachmittage, im Gegenteil war die Mutter so erfüllt
ihn, «rende, ihren Aeltesten wieder zu haben, nnd bestrebt,
hEsie ? Mend im elterlichen Hanse zu einem möglichst

öu machen, datz nur die Abwesenheit des Vaters einen
' auf dic vcreinte kleine Familie warf.

Mit dcr Abendpost erschien ein Brief ües Vaters, dessen
llmschlag die Muttcr ziemlich hastig in die Tasche schov, Iväh-
rend sie wie ein crtapptcr Dieb dabei errötete. Das Schreiben,
zwar an die Muttcr gcrichtet, galt in erster Linie dem heim-
gekehrten Sohne, dem der Vater setn Bedauern aussprach,
„Durch die Verhältnisse verhindert zn sein, ihn schon heute
persönlich zu begrüßen; daß er jedoch sicher hoffe, sich für
nächsten Sonntag Nachmittag frei machen zu können. Mit dem
Essen möge man jcdoch nicht auf ihn warten, da die Zeit, wo
er abkommen könne, jetzt noch nicht genqu zu bestinnnen sei."

Dte herzlichen Worte des Baters, vor allem aber die Aus-
sicht, ihn in wenigen Tagen zu sehen, zerstenten auch den
letzten Rest der Bedenken, welchen sich Panl hingegeben haite.
Aug' in Ange mit dem geliebten Vatcr hoffte er auch eino Ge-
legenheit zu finden, sein schwer beladenes Herz ausschütten und
Verzeihung suchen zu können.

So vergingen in froher Erwartung des Sonntags die
nächsten Tage. Paul suchte sich im Hause nach Krästen nntz-
lich zu machen. Er zimmerte in der Wche mit Cifer an-
einigen Brettern, welche zur Verstellung der aus seiner Stube
nach dem gemeinsamen Wohnzimmer führenden Tür bestimmt
waren, da es beim Vermieten der Eckstube im allgemernen Jn-
tercsse lag, so wenig wie möglich gegenseitig bon einander zu
hören. Ueber öie Absicht des Vermietens wnrde unter den
Familienmitgliedern kein Wort verloren; jedes nahm an, dah
Panl, durch die anderen dabon unterrichtet, die Sache als' ab-
gemacht betrachte und ans Zartgefühl derselben nicht wqiter
Erwähnung tue. Jm Jnnern dcmkte es ihm jedes einzelne, datz
er in dieser Weise über die peinliche Angelegenheit hinweg-
ging und sich scheinbar mit gntem Humor in das Unabänderliche
von der Not Gebotene schicke.

Der Sonntag kam heran, und in der Hofsnung, den Vater
nach der längeren Wwesenheit gewissermatzen festlich begrützen
zu körmen, wurde, trotz dessen Bitte, das bescheidene Mittags-
mahl anf vier Uhr nachmittags festgesetzt.

Statt des Ersehnten erschien gegen Mittag ein Bries an

die Mntter, ,.der allein die bittersten Enttäuschung durch die
Nachricht bcreitcte: „datz unvorhergcsehcne AbhaUungen ei-Nl
Kcmmen unmöglich machten, dah aber vorausstchtlich der nächst«
Sonntag das auch vom Bater so heitz ersehnte Wiedersehen
Knngcn würde." Die Mutter hatte den Brief selbst an der
Gangtüre in Empfang genommen, geöffnet urtd vorgelesen.
Doch schien cs Paul, als ob nach der Anzahl der- bcschricbenen
Seiten wohl nur e!n Teil des Jnhalts zur Kermtnis der Kinder
gebracht sei. Heitz fielen dabei die Tränen der Mutter auf
das Schreiben ,das sie dann sofort sorgfältig aufhob und in
ihrcm Pnlt verschlotz.

Paul war zu zartfühlend, nm auch nur eine Anspielung anf
den weiteren Jnhalt des Briefes oder dte Art der Abhaltung
lant werden zu lassen; doch korm-te er den Gedanken nicht fern--
halten, datz man ihm und dcn Schwestern Dinge And Ver-
HMnisse verheimlichte, auf deren Kenntnis er, als ältester
Sohn, wohl Anspruch machen zu können glaubte. Dieser Man--
gel an Bertraucn kränkte und betrübte ihn zngleichl Ja,
Wenn die Eltern von seinem Fehltritt, seinem nnverzeihlichcn
Leichtsinn Kenntnis gehabt hätten, dann hätte er sich leichter
diese Zurücksetzung erklären könnenl So aber, wo er nvch
imangetastet in dem Rufe des „braven Sohnes" stand, wan
ihm diese Gcheimtnerei ebcnso beschämcnd wie in ihrer Uner-
klärlichkeit beunruhigend. Um keinen Preis aber wollte e«
veiy'uchen, sich in ein Vertrauen einzudrängen, 'das man ihm
nicht aus sreicn Stücken cntgcgenbrachte.

Konnte so Paul seinerseits nicht zum Entschlusse kommen»
sich an die Mntter mit emem offenen Worte über die Verhält-'
nissc des Vaters zn wenden, so schien es ihm, als ob diesS
auch etwas anf dem Herzcn habe, wozn ihr der Mnt de«
Anssprache fehle. Paul fand die Mutter wiederholt mit ge--
röteten, von vergossenen Tränen zeugenden Augen nnd werm
er sich ihr dann zutranlich nähcrte, von jener wehmütigen, !vi«
geistesabwcsenden Zärtlichkeit, die ihn dentlich erkennen lietz»
datz hier ein tieferer Knmmer alle Sinne und Gedanken s»«
sangen hielt. Wenn sie ihm in solchen Stnnden sanst mA
 
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