Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0100

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Graiünos-Schroffen eine fast hysterische Weichheit und eine
kolossale Phantasie. Er glaubt alles ummsdeln zu können.
Er tMt die -Schwäche, dah er die Völker nicht -achtet. Er glaubt
sie alle in sein Weltsyftem zwingen zu können. Der grötzte
-Feldherr und Staatsmaim. durchdringend. scharssichtig und
feiii, versinkt er nie-mals im Detail. Alle verachtet er, alle be-
handelt er wie ein grotzer Künstler. Vor aitderthalb Jahr-
zehnten begann eine neue Auffassung Napoleons sich durchzu-
fetzen. dic in ihm nicht die „Eroberungsbestie" sieht, soitdern
den Vollstrecker -der Wünsche seiner Nation. Die Kriege waren
eher da, als er selbst. Seine Nation ist es geivescn, die ver-
langte, datz er gegen England Krieg auf Krieg führte. Diese
Kette ift es gewesen, die den grotzeu Dtann nicht loslietz. Dies
ist die neuere Ansicht. Um die Wege der Jakobiner zu gehen,
dazu gehörtc aber eben scine kriegerische Persönlichkeit. Um
England niederzuwerfen, unternimmt er chen keineswegs phan-
tastischen Zug nach Egypten, sucht er 'das Bündnis des Zaren
Paul I. gegen England und nachdem dieser, der dem BLndnis
ffich geneigt zeigte, 1801 durch eine Palastverschwörung vom
Thron gestotzen war, das Alexanders I. Dieser schlotz sich als
konservativer Fürst zunächst der Gruppe Preutzen-Oesterreich
rm. Nach Eylau und Friedland lag für Napölcon das Land
brs zur russischen Grenze offen. Aufrecht stand nur England.
Der Zar war hilflos, von einer heimischen Partei mit dem
Morde vedroht. Da machte ihm Napöleon den Antrag: Teilung
der Welt gegen England. Jm Juni und Fuli 1807 fänden
die Verhandlungen in Tilsit statt. Alexander, eine slavische
Ertur, liebenswürdig mii flammeiidcn und doch kalten Augen,
weichen, lätzieluden Lippen, ein vollkommener Schauspieler.
Napoleon nannte ihn hinsichtlich seiner Falschheit den „Grie-
chen". Der Romane bictet dem Slavcn die Weltherrschaft an.
Rutzland soll die Erlaubnis haben, zu wachsen, wie es nur
mag, nur soll es mit Napoleon gegen England stehen.
Die Wagen sind aber ungleich, der eine darf nicht nach Westen,
8er midere greist nach Osten hinüber, indem er Pol-en her-
stellt. Mit der 5lontinentalsperre gegen England, das Rntz-
land seine Produkte abnahm, stellte Napoleon Rutzland eine
harte Zumuiung. So war 1810 Alexander endlich geztvungen,
durch einen Ukas französische Waren von der russischen Grenze
zurückzuweisen. Doch er wagte keine Taten. Napoleon, uner-
säitlich, gliedert die deutsche Küste seinern Reiche an. Wo
tvird er seine Grenze finden? Die beiden Kaiser schwanken hip
und her. Das Jahr 1811 ist voll dramattscher Spanuung.
Mexander rüstet. Der Redner schildert hier die Unterredung,
die Napoleon sieben Stunden lang mit seinem aus Petersburg
heimgekehrten Gesandten Coulaincourt führt. 1812 rückt Na-
poleon über die Grenze, Alexander satz zitternd in Petersbuvg,
während Rapoleon in Moskau einzog. Er mutzie zurück. Die
unuatürliche Freundschast, -die sich als eine verhüllbe Form der
Nebenbuhlerschaft offenbarte, war zerbrochen.

x Waldmichelbach, 12. Januar. (Hohes Alter.)
Heute wurde dähier die in der Umgegend unier dem Namen
Baschtls Goth bekannie ledige C. Kath. Fisclier von
Gadern beerdigt, welche trotz ihrer so sehr geringen Körper-
grötze von nur 1 Mcter 12 Zcntimeter ein Alier bon 90 Jahren
errcichte. Gadern ist seit Jahren schon immcr mit Leuten sehr
hohen Altcrs gcscgnct. So wnrde vor vicr Jahren ein ge-
wisser Edelmaim dort znr Erdc bestattet, der 97 Jahre alt
geivorden war.

L. 6. Karlsrube. 13. Jan. (Durch einen Stratzen
raub) snchte sich am 7. Nov. v. I. der 21 Jahre alte Taglöhner
Josef Becker ans Ettlingen Geld zu versckaffen, um auf der bevor-
stehenden Ettlinger Kirchweih vergnügte Stiinden verleben zii
können. Am Abend genannten Tages iiberfiel Becker auf der
Straße zwischen Ettlingen nnd Brnchbausen den 56 Jahre alten
Maurer Christian Heinz a»s Brnchhausen, von dem Becker wußte,
daß er am 7. Zahltag gehabt hatte, nnd versetzte ihm zwei Schläge
auf den Kopf, nm ihn zu betänven imd dann seiner Barschaft zn
berauben. Heinz trug glücklicherweise keine crnsteren Verletzimgen
davon. Als der Angeklagte seinen Angriff vereitelt sah, flüchtete
er. Zwei Tage danach wnrde er in feiner Wohnmig verhaftet.
Das Urteil lantete wegen versnchten Straßenranbs anf 1 Jahr
7 Monate Zuchthaus und 5 Jahr« Ebrverlnst.

8O Karlsruhe, 13. Januar. (St ra tze nb a h n.) Jn
8er Generalversammlung der Akttonäre der Karlsruher Stra-
tzenbahn ist hente einsttmmig beschlossen worden, den von der
Stadt angebotenen Kaufpreis anzunehmen; damit ist nun die
Sttahenbahn definitiv in den Besitz der Stadt übergegangen.
Der Stadt ist zwar die Staatsgenehmigung noch nicht definittv
-erteilt, doch hat das Staatsministerium die Zusage in Aussicht
geftellt.

8O Karlsruhe, 13. Januar. (Ein Gesun-dbeter im
badischen Bauland.) Aus Adelsheim wird berichtet:
„Einige Jahrzehnte zurück hatte der Wunderdoktor Sjadtmüller
Eckert in Osterburken einen enornren Zulauf von Hilsesuchen-
deu aller Art. Dieser Tage wurde nun im Schöffengericht er-
mittelt, -datz er einen Söhüler hinterlassen hat, -den arm-en
Taglöhner Lothar Kailbach bon Schlierstwdt, jetzt in Hochhausen
a. R- ansässig (katholisch). Eines Tages hatte nämlich der
Wunderdoktor Eckert erklärt, nur einer könne seine Werke fort-
setzen, Lothar Kailbach, der wegen seines reinen Lebcnswandels
hazu geeignct sei. Er unterrichtete ihn in der Kunst des
„Brauchens", Mensch und Bieh kann durch Gebet und Für-
stitte bei Gott nach Angäbe Kailbachs bei gläubigen Leuten ge-
holsen werden, wo die Kunst der Aerzte sich als machtlos er-
wies. Das „Brauchen" besteht in dem wiederholten Hersagen
folgenden Gebets:

„Jch bitte Gott den Allmächtigen und seine heilige Drei-

der Hand über das Gesicht strich un-d ihn ihren lieben, treuen
Sohn nannte, dann fühlte er sein Herz von wildem Weh durch-
zuckt, wie wenig er dieses Wort verdtene, datz er bor allem
hier nicht helfen könne, und datz auch die einzige Möglichkeit
— Ivenigstens Erleichterung zu berschaffen — durch seine
Schnld verloren sei.

Als daher mit dem 1. Ottober der DiLiist der Turnanstalt
begann, begrühte ihn Paul mit Freuden, wurde er dadurch
doch für Stuttden -dem Grübelsinn enttissen, der ihn Angesichts
des täglichen Kummers der Seinen uttd der Zweiseb. wegen
des Vaters immer wieder befiel.

Am Unbefangensten waren noch die Schwestern. Elisäbeth
ging mit gleichem frischen Mute chrem Berufe nach, der sie
täglich mchrere Stunden von Hause feruhielt, ivährcnd Ma-
rianne mit den Vorbereittmgen uttd Sorgen für das bebor-
stehende Examen so beschäfttgt war, datz sie eigentlich für
uichts anderes mehr Sinn hatte. Auherdem Ivaren beide so
an den Druck der Verhältnisse gewähnt, datz ste de-nselben wie
etwas Gegebenes hinnahmen, hattcn sie doch die Eltern kanm
-ohne umwöltte Stirn gesehen, wenn diese auch die drückcndstcn
Sorgen vor den Kindern nach Kräften zu verbcrgen suchteu.
Wor allem aber, un-d das war der Haupttmterschied zwischen
ihrem und dem Gemütszustcmde des Bruders, nagte än dem
Herzen der Schwestern keine Reue, und im Bewußtsein treuester
Pflichttrfüllimg halfcn sie in harmloser, ja heittrer Gelassen-
heit den Eltern rhr hattes Los tragen, in-dem sie sich jeoer Ein-
ffchränkung aufs Willigste fügten.

Paul hatte, trotz leichten Widerspruchs der Mutttr, die
glaubtt, datz der Sohn bei dcm körperlich sehr ansttengeNden
Dienstt reichlicherer Nahrung bedürfe, seinc Wsicht, an dem
Familienmittagstisch ttilz-unehmen, durchgesetzt, indem -er der
Mutttr als Haushaltungszuschuh so viel beisttuette, als -er
bon seinem Gehalte nur irgend entbehren konnte. Da zum
1. Oktober die Eckstube, die Paul zu diessm Zeitpuntte doch

faltigkeit, datz sie dcm Kran-ken das Uebel äbnehmen, wie
es heißen möge. Christus überwindet; er ist ein guter
Mensch geworden und hat vor allem Uebel behüttt und be-
wahrt. O gekreuzigttr Heiland, hilf mit deiner lieben
Mutter von allem Uebel, wie es heitzen mag. Dazu hilf
nur Gott Vater, Gott Sohn und Heiliger Gttst. — Vater
unser. . .

Däbei zündet Kailbach an Mariawürzwci'h, gcwcihte Kräu-
ttr über glühen-den Kohlen an und geht unter halblauttm
Herinnrmeln des Gebets um das kranke Tier oder d-en kranken
Menschen herum. Die von bösen Menschen ausgehenden schlech-
ten Einflüsse werden bei dem Rimdgcmg mit den geweihten
ittäutern abgeschnitten. Kailbach, der mit der Angabe seiner
Erfolge sehr zurückhaltend ist, führt nun crnige Fälle an: Bei
ocni vcrstorbcnen Lölvenwitt Grimmer in Schlierstadt hat er
ein Schwein, welches mit geöffnetem Rachen in dem Stalle
sas; imd dem der verstorbene Gcsundbeter Damian Schmidi von
-Schlierstadt, bezw. Hettingen nicht hatte helfen können, durch
obiges Mittel zur Gesundheit verholfen. Die 13jährige Toch-
ter des Landwitts Friedttch Heiß in Hatzmersheim, die gelähmt
-war, konnte durch seine Fürbitte gehen. Bei Landwirt Johcmn
Narl (evangelisch) irat cmf das „Brauchen" Kailbachs im
Stalle Besserung eiri. Wegen „Brauchens" bei Schlosser Karl
Thoma in Welsheim (ebangelrsch), -dessen Kind cm den.Ver-
dauungsorganen schwer krank darnieder liegt, gegen Zahlung
von 20 Mark, kam Kailbach nunmehr auf die Anklagebank.
Die Untersuchung, die wegen Erkrankung der Hauptzeugin ver-
tagt werden mutztt, wird darzutun haben, ob man es mit einem
überzeugten öder nicht überzeugten Gesundbeter zu tun hat.
Jedenfalls ist feststehend, daß das müderne G.esundbeten im
Bauland von jeher Anhänger unt-er den Angehörigen ver-
schiedener Konfessionen gehabt hat und noch hat. Dieser Fall
von Gesun-dbettn dürfte in Baden nicht allein dastehen. Jn
vi-elen Dörfern ist der Hokuspokus -des Brauchens und Betens
zur Bertteibung von Krankheiten noch lnstig im Schwcmge. Wir
-haben also durchaüs nichts bor der Reichsmetropole voraus.

X Forchheim, 13. Fanuar. (Einen erffreulichen
Fahresabschlutz) hat -die hiesige Gemeindekcrsse aufzu-
weisen. Währen-d sonst in anderen Gemeinden um diese Zeit
-8äs Wott „Umlage" eine böse Rolle spielt, wird hier nicht nur
kein Pfennig Umlage erhoben, sondern es ist sogar ein Ueber-
schutz von 11 000 Mark vorhanden. Das Gemeindevermögen,
darunter 900 Morgen Wald sowie nähezu 100 000 Mcttk in
bar, beträgt rund 1 Million. („Breisg. Nachr.")

Die Luge des neuen Keidelöerger K!ahnhofs.

Heidelberg, 13. Jcmuar.

Ueber den neuesten Bahnhofplan der Grotzh. Generaldirek-
tion, den unser hochverehrlicher Stadtrat in en-tgegenkommender
Weise diesesmal öffentlich zur Besichtigung ausgesttllt hat,
beeilen wir uns, Fhnen in gewünschier W-eise einige nähere
Angaben mitzuteilen, indem wir unseren Betrachttrngen die
bereits bekannt gewordenen Plankopie zu Grunde legen.

Der Bauplan, also der Grundritz der ganzen Reuanlage,
entspricht bezüglich des vom Aufnahmsgebäude südlich liegenden
Teiles des Personen-Bahuhofs genau der früheren, von unse-
rem Bürgerausschutz bereits genehmigten Zeichnung, jedoch
sind in diesem südlichen Teile jetzt auch die Zusahtt der
Güterbahn nach dem Odcnwald und die vcrlegte Linie der
Karlsruher Hcmptbahn eingezeichn-et. Das neue Aufnahms-
gebäude behält gleichfalls die im bereits genehmigten Plane
angegebene Stelle, es ist jedoch etivas grötzer als früher un-d
schttbt sich in seiner LLngenachse wenige -Dttter gegen Nord-
osten.

Das Gebiet des Personenbahn-hoses geht von der Allee-
stratze ab gegen Nordwesten in einer Länge von ttwa 1200
Dttter am Aufnahmsgebände vorbei bis beinähe zur verlegttn
Eppelheim-er Landsttahe — nicht gcmz bis zu Klar — und hat
eine Breiie von ca. 180 Meier, sür eme spätere Erweiterung
,ind jedoch weittre 75 Mettr vorgesehen, so daß also im ganzen
ca. 255 Mettr für dtt Breitt zur Verfügung stehen werden.
Dichi neben dem Pcrsonenbahnhof, also parallel mit ihm, lttgt
der Güterbahn-hof, der aber erst in einer Linie beginnt, dtt
vom Aufnahmsgebäude nach einem Puntt -der Speierer Bahn
gezogen werden kann, der auf -diefer Bahn ca. 65 Meter von
Schönenberger entfcrnt licgt. Bei einer Länge bon ca. 800
Meter erhält der -Güterbähnhof ca. 250 Meter Breite.

Neben dem Güterbahnhos ist der Rangierbahnhof projek-
tiert, der bei einer Gesamtlänge von 1600 Meter auf 1000
Meter ca. 165 Meter und auf 600 Meter Länge ca. 200
Dttter Breite er'halten wird. Jm letzttren, gegen Westeu lie-
genden, 200 Mettr breiten Teile sollen die Betriebswerk-
stätttn erbaut werden.

Jn d-er Verlängerung des Personenbahnhofs gegen Rord-
westen liegt dtt 1150 Meter lange imd 35 Meter breite Koh-
len- und Lokomotivstation, an deren südwestlicher Seite die
neue Liuie der Speierer Bahn hinziehen ioird. Das west-
lichste Ende dttser Fläche ist von der Rohrbacherstraße ca.
2700 Meter entsernt und 1710 Meter vom neiien Aufnähms-
gebäude.

Die Fläche der Betriebsiverkstätten mit den anschlietzenden
nordwestlichen Teilen des übrigen Bahnhofs einerseits und die
I Kohlen- und Lokomotivstation andererseits bilden zwei ver-
! hältnisinäßig schmälere Vcrlängerungen des Personen-, bezw.
! Güier- und Rangierbahichofes, die eine dnrch die Bahn nicht
benützte Fläche von 250 Meter Breite und ea. 1000 Meter

rämnen mutzte, an einen jungen Han-dlungsbeflissenen zu ver-
hältnismätzig günstigen Bedingungen vermietet worden war,
so schien sich auch der Hirnmel durch die dadurch geschaffene
Verbesserung der äuheren Lage etwas frenndlicher zu gestal-
ttn.

Der nächste Sonntag brachte je-doch -wieder eine Ent-
täuschung, indem statt des erwarteten uiid ersehnten Bat-ers
wieder ein Brttf desselben einiras, worin er die Unmöglichkeit,
sein Bersprechen zu halten, uüd gleichzeitig meldete, dah er sür
emige Wochen im Jnieresse seiner zukünstigen Anstellun-g ver-
reisen müsse, vor En-de November jcdoch jedenfalls zurück seiu
wcrdc. Auch diesesmal schien es Paul, als ob der Brief
des Baters weit mehr als diesen dürftigen, von der Mutt'er
vorge-lesenen Juhalt — mißer den Worten liebevollster Zärt-
lichkeit für jödes einzelne der Kinder — enthalten hätte. Was
mochttn däs für Verhältnisse sein, die den Vattr immer wieder
vom Koinmen abhielten, trotz der wiederholt gegebenen Zu-
stcheruug, am nächsttn Sonnttrg bei seiner Familie eintreffen
zu wollen? Jedenfalls war die Sormtagsstimntimg, in die
sich alle in Evwartung des geliebten Oberhauptes hineinge-
lebt hatten, nicht nur gründlich sür heutt zerstört, sondern
die Enttänschung, die diese Nachricht gebracht, sollte ihren
Schatten noch lange Zeit hin über das Zusammenleben der
Familie fallen lassen. Dtt Mutter besonders schien unter
der Trennung von dem Gatten am Schwersteu zu leiden und
werm sie auch sonst diejenige war, die, schon nm dem geliebten
Manne Trost zu gewähren, stets den Kopf oben behalttn
hatte, so war es doch offenbar, datz sie augenblicklich unter
emem ganz besonders schweren Drucke litt, der selbst ihre
elasttsche Natur zu beugen drohte.

So bergmgen einige Dage. Paul erschien regelmätzig zum
Mittagsbrot in der elttrlichen Wohnung, und zwar, wie es
zwischen ihm un-d seinen Angehörigen ein- für allemal ver-
äbredet war, iu Zivil. Die Abendstunden, wo es ihm in

Länge einschlttßen, welche eine cm berden Endeii Wgespitzte
cinonn hat.

Die Personenbahn-lintt nach dem OdeMyald geht, wtt früher
projettiert, m eincm grotzen Bogen zuuächst südöstlich zioischeu
den Pseifferschen und Plankschen Fabrittu hindurch, biegt darm
gegen Osten um, ztthr sich dichr hinter der JMlckoferschen
Fabrik vorbei un-d geht dann ca. 100 Mcter jenseitS der Allee-
stratze, äber ttefliegend, unter der Rohrbacherstratze Lurch, mn
sich dicht an der nordweftlicheii Ecke des Frttdhofes vorbei
rn einem tiefen Einschnitt gegen NorLosten zu Murden und
Mrade unrcr der Ecke Hasenbühttrweg und Steigerweg in den
Spengelschen Garten zu treten und ca. 75 Meter inuerhalb
dieses Gartens im Tunnel Gaisberg-Karlsttr zu vdrschwinden.
Dttser Bogen der Odenwäld - Personenbahn hat auch vom
Tunusl ab Gefälle nach dem Personenbahnhof-Gebiet.

Da die schttse, genau südöstliche Stellung des einen Auf-
nahmsgebäudes kein Einfahren derZüge auf der jetzigen Haupt-
bahn von Karlsruhe her gestattet, so mutz die alte Lrnie in
einer grotzeren, im Plan nichi eingezeichneten Enfferuimg vcm
Heidelberg gegen Rohrbach verlcrssen und in einem grotzen
Bogen, crber tiesliegend, ca. 500 Meter gegen den Ameisen-
brrckel und dann in den neuen Bahnhof geleitei werdeu.

Die aus dem Tuimel kommenden Güterzüge müssen aber,
um in den, Wie bereits gesagt, westlich vom Personenbahnhof
lttgenden Güter- und Rangierbahnhof zu kmnmen, dic neue
Karlsruher Bahn kreuzen, und da Niveauübergänge nicht zu-
lässig sin-d, so erübrigt nur die Oden-Wald-Güterbahn in üb-
licher Weise über die tiefliegende Karlsruher Bahn hinweg
zu führen, dieselbe also vom Tunnel aus so steigen zu laffen,
datz sie in der Entsernimg von 500 Meter südlich von der
Alleestraße und ca. 450 Meter östlich von der jetzigen Karls-
ruher Bahnlinie über die neue Karlsruher Linie in einer Höhe
von mindestens 6 Meter hinweg zieht.

Derselbe Grund, der ein Verlegen der Karlsrither Bahn, wie
soeben gesagt, bedingt, nöttgt auch üazu, für die Bahn von
Schwetzingen eine neue Zusahrtslintt anzuordnen in der Weise,
datz diese, in entsprecheNder Entfernung sich gegen Nordwesten
weiidend, die bisherige Schwetzinger Linie verlätzk, um dann
gerneinsarn mit dex Mannheimer Bahn, statt bisher mit der
Karlsruher, jetzt von Nordwesten her in den neuen Bahichof
einzulaufen.

Nach diesen Erläuterungen dcs Lageplanes gehen wir zu
den Höhenlagen über. Die Ebene des Personen-Bahnhofs
wird, nach nnserer Erinnerung, abweichend von der früheven
Absicht, jetzt sogar ca. 6 Meter tiefer als die BödLiwbersläche
gelegt; der Güterbahnhof kommt, der bequcmen Bemchung ourch
Pferde-Führwerk wegen, wie üblich auf Strahenhöhe, liegt also
6 Meter höher als öer Persoiien-Bahnhof.

Da, wie bereits gesagt, Niveaukreuzungen nttht zulüssig
smd, so ergiebt sich beim Ueberführen der beiden Sttatzen
östliche Diagonalftraße imd Rohrbacherstraße über die beiden
Bahiien aus dem Odcnwald dadurch eine etwas eigentümlrche
Ausführimg, datz die Personengleise vom Tuimel ab sallen, die
Gütergleise aber steigen, und datz an der Rohrbaeherstratze dort
zwei Brücken (Viadukte) und zugleich eine Verlegung der
Straße selbst erford-crlich werden.

Wir wollen bei dttser Gelegenheit nicht Lbersehen, aner-
kennen-d zu bemerkcn, datz dic tiefe Lage des Bahnhofes von
sogar 6 Meter unter Erdoberfläche, also die Führung der Bah-
nen in enffpvechend tiefen Einschnitten, es ermöglicht, sümtliche
Bahnkörper imd Uebersührungen zum Teil ganz ohnc Dämme
oder jedenfalls mit Dämmen von geringcrer Höhe anszufüh-
ren, als es bei einer Tieflegung von nur 4 Meter der Fall ae-
wesen -wäre.

Werm wir uns rechi erinnern, haben unsere Herren Sach-
verstaiidigen seinerzeit die geringe Zahl der Stratzeniiberfüh-
rungen etwas bcmängett und ein-e Vermehrimg derselben be-
antragt. Wnrde dicsem Antrage im iieuen Projekte eut-
sprochen?

Jm Plan der Grotzh. Gencraldirettion sind zwar ver-
schttdene neue Straßenzüge eingezeichnet, über die zu sprecheN
wäre, all-ein dercn en-dgiltigc Regelung liegt ja erfreulicherweff'e
in den- Händen unserer städttschen Baubehörden. Mr häbea
deshwlb davon abgesehen, solche in unserer Kopie überhaupt
schon em-zuzeichnen, müssen sie also auch jetzt übergehen.

Dahi-n gehütt auch der Vorplatz vor Lem Aufnahrnsge-
bäude, die Weiterführung der Leopoldsttaße und deren Zu-
führimg zn dem genanuten Vorplatz, solme die Zuführung noch
emiger weiterer Sttaßen des Rohrbacher Baubezittes nach deM
Bahühof.

Zwischcn der verlängerten Leopoldstratze und der damit
beinahe parallel laufendcn Bahnhofstratze ergttbt sich aach deM
Zlbbruch -der dort stehenden Bahngebäude em sreier, zwar lan-
ger, aber nur ca. 75 Metcr breiter Raum. Daraus können
mm Gebäude nicht wohl erttchtet werden — sie müßten ja
zwei Vorderfassaden erhalten — und gefällt uns deshcüb dec
Vorschlag, dort durch Baumreihen mit Rasenplätzen Promena-
denwege, wie vor dem Mcmnheimer Aufnahmsgebäude herzu-
ftellen, recht gut.

Nur der Vollständigkeit wegen wiederholen wir, datz die
Tieflage des Personenbahnhofs bedingt, datz bcim Aufnahms-
gebäude übcr alle Gleise hinweg mehrere ebener Erde liegcnde
Zugangsbrücken führen werden, von denen aus Treppen nach
den einzclncn Bahnsteigen hinäbführen, daß man also zu keineM
cinzigen Zug ohne Hinabsteigen gelangen, und von keinem ohne
Auffteigen aus dem Bahnhof hinauskommen kann, während eiu
doppeltes Trcppensteigen, wic in allen ebener Erde liegendeN
Durchgangsbahnhöfen erforderlich, vermieden wird. Dtt unan-

seinen eigcnen dürftigen vier Wänden doch zu einsam und
trübselig geweseii wäre, verlebte er ebenfalls sttll mit den
Seinen, und um so sttller, als aus Rücksicht für die in deM
gemein-samen Zimmer ihren -Studien obliegende Mattanne
fast jede Unterhaltung unterbleiben mußtt, so datz sich die
Miltter imd Elisabeth mit Handarbeiten, Paul mit ttiegs-
wisscnschaftlicher Lettüre nus dem kleinen Micherschatze des
Vaters beschäftigten.

Pa-ul litt unsäglich. Der Dienst beschäftigte ihn nur
wenige -Stunden, und zwar nur vormittags. Die ganzcn
langen Nachmittagc, von den meisten, ja sast allen seinen
Kameraden dazu bemcht, die Vergnügungcn der Großstadt ken-
ncn zu lernem wurden ihm zur Oual. Mit dem täglii^n
Elen-d zu Hanse vor Augen, wo Muttcr und Schwester mck
aller Kraft darum kämpften, den Schein nach außen aufrechi
zu erhaltcn, koimte er, selbst wenn er den Sinn dafür gehaöt
nnd sich frei von Selbstvorwürfen gewutzt hätte, nicbt daraN
denken, noch unnütze Ausgaben zu machen. Jn einer Ari
BLßerstimmung konnte er sich dann mit ciner von verztveif-
lungsvollem Humor nicht gaiiL freien Selbstkritik sagen: „Das
geschieht dir ganz recht, bütze nur für dcinen Leichtsinn" —
im-d selffamerweise fand er in dttsern felbstguälettschen Trotz
eine Att Beruhigung, ja Genugtuung!

Sodhen hatte sich bei Eröffnimg der Nnstalt sosort in der
freimdschaftlichsten Weise Pcml genähctt und ihm bei erstek
Gelegenheit zugeflüstctt: „Der ?llte hat bereits alles bezahlt.
Du brcmchst dir darüber keinen Kummcr zn machen." DanN
hatte er ihn wttderholt aiifgefordert, sich nachmittags ge-
meinsam amüsttren zu wollen, und schlietzlich, da er jedesmal
eine ablehnen'de Antwort erhielt, den Stnbenhocker — wie ek
den Freimd nannte — als nnverbesserlichen- Philffter aufge-
geben.

(Forffetzung folgt.)
 
Annotationen