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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Miltwoch. 21. Januir 1903. Zweites Blatt. 45. JahrM«. - «r. 17.

Grscheint täglich, SomitagS auSgeriommen. PreiS mit Familienblättrrn monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durrb

die Post bezogen vierteljährlich 1.85 Mk. ausfchließlich Zustellgebühr.

Gnzrigenpreik: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Rmim. Rcklamezeile 40 Psg. Für hiesige Gcschäfts- und Privaiaiizeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme von Aiizeigei!
cm bestimmten Tagen tvird keine Verantwortlichkest übernommen. A n s ch l a g der Jnscrate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstell-'n. Fernsvrecher 8L

Die Kegenwetzr der knthol. „Weformer^.

„Zwanzigslen Iahrhunddrt" wird folgende Mit-
teilung der Redattion veröffentlicht:

Die Herren Professor Dr. Lchell, Wnrzburg, und
Pros. «chnitzer, München> sind nebst Herrn 'Pfarrer
Nudolphi, (Äosrratz, und Herrn «tadtpfarrer Dr. Koch,
Neutlingen, aus Lem „Komitee der Freunde des 20.
JahrhunbertS" ausgefchieden.

Ter Dank der Freunde des 2t). Iahrhundert wird
diesen Herren sicher bleiben. —

Ten an dieses Ausscheiden anknüpsenden alarmie-
renden Zeitungsnachrichten können wir entgegentreten
Urit der rmtschiedenen Versicherung, datz vou einer Krisis
innerhalb der sog. fortschrittlichen Bewegung im Katholi-
KsmuS keine Rede sein kann, wenn auch der systematischen
ibtinierarbeit der Gegner eine gewisse GefA)rlichkeit nicht
obgesprochen werden soll.

Beigefügt mag werden, daß in Zukunft geistliche Au-
sorcm, uni nicht fartwährenden «chikanen ausgesetzt zli
iein, in der Regel nur noch unter einer Chiffre in unserer
Zeitschrifl schreiben werden.

Zugleich wird an der Spitze eine K undgeb u n g
deröffentlicht, die Bischof v. KepPler und Ram -
bolIa überschrieben ist und also lautet:

„Rom hat gesprochen. Roma locuta, sed causa —
fllni finita. Von einer Erledigung der schwebenden
Äreitfrage kann unler allen Umständen nicht vorher die
Aede sein, ehe die maßgebende Stelle richtig informiert
worden ist. Die Angegriffenen tverden, obgleich sie an
ürid für sich einer Rechtfertigung nicht bedürfen, sich zu
rechtferligen und die gegen sie erhobene Beschuldigung,
als ob sie der Kirche gefährliche Sceuerungen anftrebten,
Kirückzuweisen wissen. -— ^ ^

Wie koinnil überhaupt Bischof v. Keppler dazu, die
Knrie, welche der Jnformier-ung über deutsche Verhält-
nisse bedarf, in so irreführender Weise zu unterrichten,
wie dies offenbar gesckjehen istl was hat ihn dazu veran-
Aßt? —

Wenn Pie „Neuerer" sich gegen die Dogmen oder die
Tittenlehre der Kirche verfehlt oder wenn sie sonstwie
das Wohl der Kirche oder des Staates gefährdet hätten,
würden wir diese Frage nicht stellen. So aber liegt das
^orgehen v. Kepplers für die Oeffentlichkeit in einem ge-
Wissen Dunkel, welches sich vielleicht noch lichten wird.

Einstweilen gestatten wir uns v. Mppler und Ram-
f'olla gegenüber die Frage: Wer sind denn eigentlich,
iilsbesondere im Priesterstande, die „Neuerer" und welche
Kirche oder Staat gefährdende Neuerungen erstreben sie
denn? —

Wir sind gespannt auf die Antwort, welche vielleicht
oines'der „wichligsten" Ereiqnisse des Jahres 1908 dar-
llellen wird, ähnlich wie die Rede von KePPlers voni 1.
Dezember 1902, wenigftens uach seiner eigenen Nnsicht,
ttnes der „wichtigsteu Ereignisse des Jahres 1902" ge-
wesen ist." —

Aorlfüyrung der Sozialreform.

(N. L. C.) Es ist in gleicher Weis-e der Legreifliche
^unsch der verbündeten Regieruugeu wie der Mehrheit
oer Parteien im Reichstage,^ die lanfende Tession nicht
wehr nnt Au.fgabei! zu belasteu, die besouders schwierig
llnd, und bei dencn es uichts oder wenig verschlägt, ob

17-

Um Getd.

Roman von F. I l e x.

(Fortsetzung.)

9.

- Üls die beiden Freunde ftald nach 8 tlhe abends an dem
llattlich'en Hause der Viktoriastratzc vorfuhrcn, erglänzten be-
fns sämiliche Fenster des Parterre und der ersten Etage in
^Niem weiihin die dunkle Novembernacht erlcuchkenden Licht-
»Neere. Die Ausstatrung von Hausflur und Treppenhaus zcugke
ooii dem Wohlstande dcs Besitzcrs, abcr ebenso wohl von
öutem. Geschmacke. Oben wurden sie von einem Lohndiener
'"d einem bescheiden gckleidetcn Hausmädchen empfangen, ivel-

dazu bestimmt schien, den ankommendeu Damcn seine
anzrwieten.

- Fn der Mhe der fich nun öffnendcn Doppeltür ftand der
dausherr, eln mittelgrotzer bclcibter Vierziger, mit bereits ftark

ürautem Haupthaar, aber frischen nicht unschönen Gcsichts-
ftr», rrus welchcn unter goldencr Brille ein Par gescheiter
'fugen scharf, weim anch nlchr unfreundlich auf den Vvn Sodhen
unbckannten Ankömmling sthanten. Nachdem
hall in schicklicher Weise anf die Erlaubnis bezogen

scinen Frennd einfnhren zu dürfcn und Steinüergk ebenfo
ür Auwesenheit auch ohne vorherigen Besuch — wie er be-
^Pchügr — zu ciesiatten bar, wicdcrholtc fich die 'Szene un-
. »elbar daraus noch einmal vor der Hausfran, die crst aus
ri-,^m K'rcise ältcrer und jüngcrer Damen von dem oris- imd
chchenkundigen Sodhen ansfindig gemacht werden mutzte.
hz W llschirnhaus, ebeufalls wie ihr Gatte von uur mittlerer
h üllr-.mochte die Mitte dcr Zwanzig gerade uberschritten ha-
' äeigte aber schon dic ganze Fülle ihres Stammcs, die trotz
Zer " Prsammenpressens durch den Schnürleib, der wie ein Pan-
llck, schweren Seidenkleid die Taille umspannte, deut-

^ "kennbar ivar. Der Gang hatte ctwas Watschelndcs, lln-

sio i'in wenig früher oder später erledigk werden. Damit
steht es nicht im Widerspruch, ivenn wir es als sicher
und auch als erwünfcht von jedem Parteistandpunkte be-
zeichnen möchten, daß hiusichtlich der Fortführung dev
Sozialreform in dem letzten Arbeitsabschnitt der laufen-
den Tagung noch ein erheblicher Schritt vorwärts getan
iverden wird. Der K'' indo r s ch utz - Gesetz e n t-
w n r f ist in der Reichstagskommisfion in zwei Lesnn-
gen gründlich dnrchberaten wörden. Tie allenfalls noch
strittigen Fragen werden im Plemim der gewählten
Vertretnng der Nation unschwer derjenigen Lösung ent-
gegengeführt werden. welche eine verhältnisniäßig
leichte und rasche Verabschiednng dieses wichtigen Stückes
der sozialen Reform-Gesetzgebung gestattet.

Wenn sich der Reformeifer des ReichSanites des In-
nern seit längerer Zeit anch einem Gebiete zugewandt
hat, das in sozia-lpolitisckier Beziehung sehr wichtig ist und
anf dem sich die Interessen der kanfmämüscheii Ange-
stellten mit denen ihrer Arbeitgeber mitunter nicht wenig
hart stoßen, so ist das in erster Linie dem Vorsitzenden
der nationalliberalen Reichstagsfraktion, dem Äbgeord-
neten Basserma n n. zu danken. Dieser hat mit der
tlnermüdlichkeit, die sein Parlamentarisches Wirken von
jeher auszeichnete, seit Jahr und- Tag keine Gelegenheit
vorübergehen lassen, nm immer wiedcr darauf zu drin-
gen, daß eine Regelnng der Beziehnngen der kaufmänni-
schen Angestellten nnd ihrer Arbeitgeber durch Einfüh-
rung kausmä n n i s ch er Schiedsge r.i ch t e er-
leichtert werde. Es ist eine alte Erfahrung, daß gerade
bei Fragen, deren Lösung vom Standpunkt des Prak-
tischen Lebens aus sich leicht ansieht, erst recht 5ann ver-
hältnismäßig große Schwierigkeiten sich hernusstellen,
wenn verschiedene Ressorts in Mitleidenschaft gezogen
werden. Es ist überflüssig, hierbei länger zn verweiken,
seitdem festftelst, daß eS gelnngen ist, einen Gesehentwurf
wegen kanfmännischer Nrbeitsgerichte fertig zu stellen.
Derselbe liegt zur Zeit dem Bnndesrat vor nnd wird von
dcmselben bald zur Erked-igung gebracht werden. Seiner
Vorlegung im Reichstage ist bald entgegenzusehen.

Ganz das Nämliche aber ist d-er Fall noch m!t einem
anderen sozialpolitischen Reform-Gesehentwurf, dessen
Notwendigkeit ebenso oft hervorgehoben wie^zugegeben
worden ist. Es handelt sich nm die R e v i s i o,n des
K r anke n v e r s i ch e r u n g sP Geseitz e n t w u r f s.
Eine Novelle zum Krankeiwersicherungs-Gesetz liegt, wie
wir mitteilen können, deni Biindesrat vor. Das Hauvt-
stück in ihr ist das Ziigeständnis der 26 Wochem Wir
haben bereits früher berichteu konueu, eiue Einigung der
verbündeten Regierungen über diesen Kardinalpniitt sei
al§ erreickck zn betrackcken. Ter Reichstag hat alle Ur-
sache, diesen Ost'sehentwurf rasch nnter Dach zu bringen.

Deulsches Reich.

Baden.

l>«' K arls r n h e , 19. Jan. An den badi s ch e n
Volksschulen wirkten im Jahre 1902 insgesamt
4142 Lehrkräfte und zwar 2 Rektoren, 18 Reallehrer,
2715 Hanptlehrer, 113 Hauptlehrerinnen, 5 Hanptlehrer
in der Stellnng eines Pflegevaters, 1058 Unterlehrer,
259 Unterlehrerittnen, 82 Hilfslehrer, 6 Hilfslehrerin-
nen, 20 zur Zeit nnständige Lehrer, 22 Lehrfrauen, 104
Jndustrielehrerinnen (ansgenommen jene an Landschu-

!«WI»»»»»IM>»-, !I

beholfenes, so'datz maii um sv eesrauntee war, aus einem so
wenig vorteilhaften llnterkörpcr einen Kopf von so strahlender
Schönheit zu finden. Gesichtsschnitt, Augen, Hciarfarbe, alles
trug ausgesprochen öie Abzeichen der Abstammung, aber gc-
radezu idenlisiert. So mochte Rahel dem künftlgcn Gatten
am Brunnen zum erstcirmate begegnet^ sein, eines solchen
Kopfes hätte sich eine Siilaniiih, eine Füdith nicht zu schämen
gebräucht I

Während Sodhen -wie cin alter Vekanntcr des Hauses —-
ber cr auch war — begrützt wurde, erhiett auch- Steinbergk mit
einem flüchtig musterndcn Blick den durch> die Nachahmung
englischer Sitten anch bei uns sich immer me-hr. einbürgernden
und dadurch nichtSsagcnd werdenden Händedruck, in Begleitung
einiger höflicher Worte, bis andere eintreffende -Gäste die
Hausfran zu neucn Pflichten abriefen.

Sodhen, der den meistcn anwesenden Herrschaften, worun-
ter sich autzer höheren Beamten, Assessoren und Börsenmännern
auch einige ältere Offiziere befanden, bekannt schien, machte
seinem Freunde in der lebenswürdigsten Weise den Mentor,
indcm cr ihm kurz vor odcr unmittclbar nach der Vorstcllnng
in humoristisch-satirischei' Weise seine Bemerlungen ins Ohr
flüsterte. Vergebens hatte er bis jetzt nach Fräulein Gisela
Friedland, der Schwägerin und Sch'wester, ausgespäht, obgleich
die Gesellschaftsräume, loelche aus bier in cinander gehenden
reich, wenn auch nicht überladeu eingerichteten Zimmern be-
standcn, sich erst allmählich- füllten.

Sohden h.atte eben seiner Verwunderung darüber Ausdruck
gcsseben, doch gleichzeitig hinzugefügt: „Das schadet. nichtsl
Dann mache ich dich einstweilcn mit den anderen Koryphäen
bekamit, und du hast später um so besser Zeit, dich der „Tochter
des Hauses" zu widmen. Da ist zum Beispiel Tante Mathilde,
eine Berwandte der Familie, und insofern ein Unikum odep
eine llnika, weil sie als wenig bemittelte Jüdin bon einem
wohchäbenden Christen, einem Vetter des Hausherrn, geheiratet
worden ist. Fhr Mann ist längst tot, die einzige Tochter cm >
einen Militärgeistlichen verheiratet, währeud ste selbst Freigeist I

len) nnd 8 Kochlehrerirmeir. Gestorben sind im Iahre
1902 32 pensioinerte nnd 36 attive Lehrer. 105 nn-
ständige Lehrkräfte wurden etatmäßig angestellt. Das
dnrchschnittliche Dienstalter bei der etatmäßigen An-
siellnng betrug bei Lehrern ans dein Lande 8F^, in Städ>-
ten init Städteordnnng 10—27, bei Lohrerinnen auf dem
Land 19 und in Städten ohne Städteordmmg 12 Dienst-
jahre. — Unterrichtet wurden im verflossenen Jahre in
den 1686 Voltsschulen unseres Landes 283 168 Schü-
cker von 4294 Lehrern. Äuf die einzelnen Schnlkreise
entfallen: Konstanz 17 980, Villingen, 18 768, Walds-
hut 10 691, Lörrach 16 483, Freiburg 19 723, Lahr
20 191, Osfenbnrg 20 482, Baden 23 672, Kurlsrnhe
33 996, Brnchsal 32 314, Heidelberg 47 040, Mosbach
16 702 nnd Tauberbischosshenn 16 214 Schüler. Nun
stnd aber bei uns Schulen, wo ein Lehrer niehr als 100
zu unterrichten hat, z. B. Ramsbach, Amt Obertirch, 120,
Würinersheim, A. Durlach, 121; Appenzell, A. Stockach
und Dörlinbach, A. Ettenheiin, je 118 schüler usw. Die
kleinste Schiilerzahl lveisen folgende Schulen auf: Rohr-
berg, A. Schönau, 6; tliiternendorf, A. Buchen, 7 und
Maisbach, A. Heidi'Iberg mit 11 Schülern.

110 K' a r I s r n h e , 19. Jan. Die von der n a t i o-
n a l I i b e r a l e n Partei in den großen S-aal der Fest-
halle heute pinberufene Versa m in lnng war zahlreich
besucht. Professor GoIdschmit eröfsnete den Äbend,
indem er daranf hinwies, wie wichtig es sei, Austlärnng
zu schaffen über die wirtschäftlichen Streitfragen, die in
der letzten Zeit das dentsck)e Volk bewegt haben. Als
Hanptredner war Geheimrat Prdsessor Dr. P a asche
ans Charlotleiiburg, eine anerkannte Antorität in wirt-
schaftlichc'n Fragen, gewonnen worden. Er sprach über
den Zolltarif und seine Verabschiedung iin Reichstag.
Anf Einzelheiten hatte der Redner angestchts der aws-
sührlichen Diskilssion in der Oefsentlrchkeit, die die Stel-
lung der nationalliberalen Fraktion znr Zolltarisan-
gelegenheit hervorgernfen hat, nicht die Absicht. Er be-
schräntte sich darans, in großeir Zügen diese Stellung
seiner Partei von den ersten Anfängen der Entwicklung
jener wichtigen politischen Aktion zn schildern. Iits-
besondere wies er nach, datz die Frattsivn in khren beiden
leitenden Grimdgedanken, erhöhten Schntz der Landwirt-
schaft und S-chaffnng gnter langfristiger Handelsver-
träge niemals abgewichen ist. Mit fchlagenden Beweis-
gründen wies der Redner die Notwendigkeit nach, die
Getreidezöüe zn erhöhen, nicht allein im> Jnteresse der
bedrängten geteidebantreibenden Landwirtschaft, sondern
indirekt anch in dem der städtischen Mittelklasse, der ge-
werbetreibenden, die in den Laiidwirten ihre besten Äb-
nehmer findet, und der tleinen mid nüttleren Kupita-
listen, die miter einer illotlage der Landwirte gleichsalls
zn leiden Haben. Von einein „Wnckzertarif" zn sprechen,
bedeute eine Verkemmng der wahren Derhältnisse. Nicht
weiüger überzengend wies Dr. Paasche die Aiigrisfe von
extremagrarischer Seite zurück, init dein Hinweis anf die
bindende Ertlärnng der Regierung, wonach ein weiteres
Eingehen auf die Wünsche der Ngrarier nnter keinen
Umständen zu erwarten war. Die nationalliberale
Fraktion dürfe stolz darauf sein, daß unter ihrer aus-
schlaggebenden Älditwirkmig der Taris ziistande gekom-
men sei. Jn Kürze wnrde auch der lächerliche Vorwurs
abgefertigt, daß die Partei m Abhü'ttßllÄeit vom Zentrum
nnd den Konservativen geraten sei. Die Partei könne

ist und in Phllosophie macht. Sie hat sämtliche neuere Philo-
svp-heii — naiürlich iu usnm delphini oder mulieris bearbeitetl

— in der Goldschnittausgabe auf ihrem Schreihtische liegen
und sucht mit Vorlicbe das Gespräch auf Schopenhauer, Hart-
mcmn usw. und iu neuester Zeit auf Nietzsche zu bringeu..Sie
ist eutzückt uud hält jedeu für ciueu geiftreichcu Meuscheu,
der nur vou weitem die Titel der Werkc jener Pessimisteu kcnnill
und es genügt, in ihrer Gegcn-Würt die Phrase „Jenseits vön
Plt und böse" fallen zu lasscn, um für eincn der bedeuten-dsten
Geistesheroen nicht nur gehalten, .sondern auckp.vsfentlich er-
klärt zu wcrdcn. Jm übrigen ist sie ein harmlos-guimütiges
(fteschöpf, das schlietzlich mit einem gnten H>iner cruch ohne so-
genannte geistreiche Brocken znfriett'u istl"

„Um Gotteswillen", flüsterte Steinbergk dem Uebermütigen
gu, „blamiere mich nicht, denn ich kenne von Schopenhauer und
Hartmann HLchstens die Namen selbst, nichts aber von deren
Werken, und bou Nietzsche oder wie der Dritte heißt, habe ich
überhaupt keine 'A-hnung. Jch wundere mich überhanpt, kvoher
du diese Kenntnisse hast? — „Ja, mein Lieber —" er-widerte
Soühcn mit komischer lleberlegenheit, „das sind alles die Früchte
einer auf modcrncu, fortgeschrittenen Anfchauungeu aufge-
bauten Erziehungl Mein Nlter hat diese Bücher immer im
Hause uüd da ich wöhl hin und wieder cinmal ernes in die
Hand genommen und eigentlich zuerst nur die Titel — was
übrigens gar keine leichte Aufgnbe, isti — behalten. Nachdem
ich gemerkt habe, datz das allein schon — und nicht nur üei
Taute Mathilde, sondcrn auch in nnseren militärischen Kreisen

— ganz bedeutend imponiert, so habe ich mir ein- Herz gefaßt,
und auch einmal einen Blick in den Jnhalt'getan. Da wurde
mir allerdings sehr bald klar, datz »leiu Wissen iiur Stück-
werk und datz ich schon bci den einfachsten Grundücgriffen stecken
blieb; doch haüe ich dann. ganz a la Taute Maihilde, einige
allgemeinverständliche Artikel über die bctreffenden Matericn
geiescn, so datz 'ich jetzt imstande bin, „auch müsprechen zii
lönnen." Pah' mal auf, wie ich jetzt loslegcn werdel"

Sttinbergks -Widerstreben würde ihm nicht vicl geniitzt ha-
 
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