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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#0150

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schcinlich cntgaiigcii, das; cö dcr Hcrr Kollege Schädler war,
dcr gestcrn anf dicsc Angelegcnhcrt zu sprcchen kam, ünd die
Huldigungsadrcssenbelvcgung cincr Kritik unterzogen hat, ivas
mir auch zugcstandcn wcrdcn mus;.

Präsidcnt Graf Ballestrem: Das war ctwas Airderes!
(Lachcn »nd Lärm bci dcn Sozialdcmokraten. Zuruf: Ja,
Paucr!)

Achg. v. Voll m a r: Jch biu in dcr unangcnehmcn Lagc,
sagcn z» müsscn, das; sich nntcr dicscn Ilmständcn im deutschcn
Ncichsrag nicht mchr offcn sprcchcn läs;t. Es schcint nicht mchr
bcabsichiigt zn scin, cinc ordnungsmästigc Dcbattc führcn zu
lasscn. Jch wcitz nicht, wic wir daun im Reichstag überhaupt
wiedcr zu ruhigcren Vcrhältnissen gclangcn sollcn.

Präsidcnt Graf Ballcstrcm: Jch bitte Sie, nicht so
fortzufaliren; ich mühte Sic sonst zur Ordnung rufen. (Der
Lärm bci dcn Sozialdcmokratcn dauert fort.)

Mg. v. V o l I m a r: Fch habe mich stets bemüht, gegen die
Ordnung dcs Hauscs nicht zu vcrstohcn, abcr ich weitz jetzt wirk-
lich nicht, was ich dazu sagcn soll. Mir ist das Mandat gc-
wordcn, dicsc hochpolitische Angelegcnhcit zur Sprache zu
bringcn, dic scit Monatcn das ganze Reich crfüllt. Ilnd nun
wird hier crklärt, datz, während jemand einen Fall bcsprßchen
kann, dcr das Zentrum betrifft (lcbhafter Beifall bei den So-
ziäldemokratcn), diescr Fall nicht bcsprochcn werdcn soll.

Präsidcnt Graf Ballestrem: Mein Hcrr Abg. v. Voll-
mar, dcn Vorivurf hättc ich nicht crwartct von Jhnen, dätz ich
daS Zcntrum bcgstnfsigtc. Sic habcn den Fall Swinemünde
ausgicüigcr bcfprochcn äls dcr Ncdncr dcs Zentrums.

Abg. v. Vollmar: Fch habc cinfach ciue Tatsache fest-
gestellr, wcitcr nichrs. (Lcbhaftc Zustimmung bei den Sozial-
dcmokratcn.)

Präsidcnt Graf Ballcstrcm: Es bleibt 'bei dcm, was
ich gcfagt habc. Ilcbcr dcn Ehrcnmann Krupp wird hier nicht
gcsprochcn. (Andaucrndcr, lärmcndcc Widcrspruch bci dcn
Sozialdcmokratcn.)

Abg. v. V ollma r: Jch stcllc einfach vor dem Lande fest,
datz mir es ünmöglich gcmacht wordcn ist, eine Angelegenheit,
dic das ganzc Land angcht, zu bcsprcchen und Angriffe und
Befchimpfungcn auf cinc Partci- von 2 Millionen und ihre
Abgcvrdnctcn zurückzuweiscn. Nachdcm das unmöglich gc-
macht ist, wcrdc ich fortfahrcn in dcr Kritik dcr dcutschen
Politik. __

Ausland.

Bclgicn.

B r il s s c l. 19. Zaiuiar. Z;i> Bclgie» ist bclnnntlich
ebenso wie in F-raukreich bie b e d i n g t V e r n r -
tcilnng eingcführt. dic darin besteht, daf; dic eincn-.
strafgcrichtlich Vernrtetltcn zndikticrtc Strafe als über-
hanpt nicht auSgefprochen angesehen ivird, wenn dieser
sich nicht innerhalb einer bestiinniten, von dem Richter
festziisestenden Frift abernmls bcs nämlichen VergehenS
schnldig macht. Diesc bedingte Vernrteilnng ivnrde an-
gewandt iin lFahre Idiill in 2 t 193, im Iahre 1896
in 61 310 und 1899 in 68 278 Fällen. Jn diescm lctzten
Jahre warcn von sämtlichcn strasgerichtlichen Urteilcn
61,1 Prozent solche bcdingte, nnd von chsesen 61,1 Pro-
zem bedingt Verurteilten wnrden im ganzen von den
znchtpolizcigerichtlich Verurteilten 21,17 Prozent nnd
von den einfach polizeilich Vernrtt'ilten 7,61 Prozent
rücksällig. Aus der ofsizieüen «tatistik ü'ber diesen
Gegenstand- gcht ferner hcrvor, das; die Zahl der Rück-
säüigen in den letztcn Jahren beständig abgenoinmen
hat, ein Umstand, der wie so mancheS andere sehr zn
Gnnsren jener Einrichtnng spricht. Denn wenn die
Slrase nicht lcdiglich ein AbschrecknngS-, sondern auch alS
Besserimgsmittel üürken sott, dann wird man chesen Zweck
kanm besser erreichen tönnen als mit dcm System der
bedingten lVernrteitnng imd,'djer ldamit vei>mndenen-
Androhimg einer desinitiven imd alsdmm doppclten Be-
strafnng im WiederholungSsaüe.

Niisücind.

Ddesja (Rntzlmid), 20. Zannar. Am lü. Zan.
brach nnter dcn 600 Anfassen deS hiesigen Gefän g -
nisses ein osfenbar schon lange vorbereiteter Auf-
r u h r aus, der bei Abgubr deö MittagessenS anf ern
gegebenes Zeichen begann. Die Anfrührer zertrümmer-
tcn die Z>cüentüren, zerschlngen die Z-enster, zorbrachen
die '.lllöbei imd besreiten die übrigen in den Zetten ein-
geschlossencn Gefangcnen. Sodann verbaritadierten sie
die Korridore nüt Möbeln. Da sich die Nersuche, die
Unrnbe mif giillicheni Wege zn lwenden, als frnchtloS
erwiesen, machte die Gefängniswache von der Wafse Ge-
brauch. Ein Anfriibrer wnrde getötet nnd ein ziveiter
vettvimdet. Infolge des gesahrdrohenden Charakters
des Aufrnhrs sah sich der Gesängnisdirektor genötigt,
sämtliche iüiiSgänge zn sclüietzen. Der steüvertretende
Stadthänptmann, welcher hinznkmn, lietz das Gefmignis
durch zwei Kompagiüen BUlitär besetzen, woranf die Ruhe
wieder hergesteüt wurde. Die Nacht verlief rnhig. Am
näehsten Morgen kam es indessen zn ähnlichen Auftritten
in dem in einem abgeson-derlen Gebäude liegenden
Franengesängnis. Das Militär nmßte auch da ein-

süchi, ineiu gttäbiges Fräulcin, alleiu das liegt jetzt htnter mrr."
— „Na, ua, mcin lieber Steinbcrgk," warf Sodheu, dcr dem
Gespräch gcfolgt schieu, mit ziemlich lauter Stimme dazwischen,.
„tu mau uicht so fromm, die Geschichte von -dcm verjeuten
Pfexd ist doch selbst bis hierher gedruugen!" —

Ehe Paiü-dcm Vorlauten eincu Wiuk gebcn kouutc, wurdc
seine A-ufmerksamkeit durch ciu heftiges Gläserklirren unmittek-
bar hinter seinem Rücken, dem ein heftiges Zusammenzuckcn
und eiu leifer Auffchrei Gifelas folgte, nach einer anderen Rich-
tung äbgezogen. Ddr geradc Champagner Herumreicheude
Diener muhte eine Uiworfichtigkeit bcgangen habeu, denü eine
ganze Wclle des süheu, ciskaltcn Trankes hatte sich iiber Hals
mrd Sckmltcru dcr juugen Damc ergossen. Steinbergk hatte
sich unwillkürlich nach dem Ungeschicktcn umgedreht, mutzte je-
doch tvegen des Präsentierbrettes, das uoch immer wie drohend
neben seinem Hauptc hing, wieder geradeaus sehen, so dah er
uur deu uutcrcu Teil ciues grau mclicrtcu BarteK zu erblicken
vermochte, iEireud er vou einer ihn sektsam berührenden
Stimme in respcktvollstem Toue die Worte zu seiner Nachbariu
ftüsteru hörte: „Fch bitte bielmal um Eutschuldigung, gnä-
diges Fräulciu!" —

Gisela hatte sich rasch gefatzt und erwiderte, nachdem sie
eineu Blick aus deu Mssetätcr geworferi, iu — für die unau-
genehmen Folgen des Verse'hens doppelt auffallendem -<—-
freundlichem Toue: „Es hat mchts zu bedeuteu, lickber Stein!
Macheu Sic sich meiuethalben keinen Kummer, das kanu jcdem
einmal passieren." -—- Dieser Belveis des guten Herzens rührtc
Paul tiefer, als er sich sagen konnte; ivar cs doch eiu MUM-
stößliches Zeichen, datz unter den mancherlei Msonderlichkeiten,
dic er trotz dcr kurzen Bckanntschaft zu bemerken geglaubt,
doch im Grunde ein weiches, bersöhuliches Gemüt lag. Als
unmiüelbar darmif die Tafcl aufge'hoben wurde, stand sein

schreitcn und gnb mehrorc' Lalvcn ab. Hierbei wurde
cine üsiefaiigcne getötet. Damit war der Aufruhr be-
endet.

——W^—W—^^—WW-^^-WEWW«.

Keneratmfpektor der Weformfchute in
Wrenßen.

In den Entwurf des prieustischen Staatshaushalts-
etats für 1903 ist cine nene, eigenartige Steüe ausge-
nommcii worden, die d-as Juteresse weiter Kreise iu An-
spruch uehmen wird. Es ist die eiues „G e n e r a l -
iuspcktors dcr R es o r m s ch u t e n", die im
KiiltuSuüuisterium geschafscu, aber uur ini Nebenamt ver-
sehcu wcrdcu soü, weshalb auch uur ein (siehalt vou
3M0 Mart sür ihreu IulMbcr ausgcworseu wrrd. Zur
Begrüuduug uürd augesührt. das; die uach dem Nesoriu-
schulplau eiugerichteteu höheren Lehraustalteu, die sich
in ü b erra s ch e u d- er Weise verniehrt hätten,
einer besoudereu Bcobachtung uud Beaufsichtiguug bc-
dürsten, da ihr Lehrplau uoch uicht genügcnd erptobt
und cingclcbt sci, Die Beaussichtiguug der Rcform-
schuten im gaiizcu Staate soü daher eincr auf deui (he-
biete des Resormschiilweseuc- erprobten uud bewährteu
iüraft übertrageu werdeu. Zu diesem Zwccke soll die
Steüe ciucs Geucralinspettors im Nebenaiute errichtet
Iverdeu. Zur Teckung der Kostcu der vou diesem Bcamtm
ausziiführeüdcu BesichtiguugSreiseii soü der Reisekoslen-
fonds des Mliiistcruims um 2000 siNart erhöht werden.

Die Einrichtiing der Reforinschulen beruht auf dem
Prinzip des g emei n s a m eu tateiu l o s e n
U u t e r baue s sür alle Klassen höherer Lehraüstalten,
dcr Gymuasien, Realgymnasieu uud OberrealsHuleii,
Ter Uiiterbau umfaszt die drci uutercn Klassen. Jn
diesen wird Uach d-eui Fr ankf u r t e r System der
frem'dsprachigc Uutcrricht mit Frauzösisch, uach dem
A ll toua e r 'Tystc'm mir Euglisch bci'-oniien. sDer
lateiuische lluterricht beginnt iu deu Reformgynuiasieu
und in den Reforliirealgyiiuiasieu iu der Tertia.

Aus Stadt und Land.

z- AuS dem Stndtteil Ncnenheim, 2t. Jau. (D e r
I-r a u c u - nnd K r a n k e n p f l e g e v e r e i n Neuen-
ye im) hat am vcrgaugenen Sonutag durch seinen Vorstaud
von sciuer Tätigkeit im verflosseucu Jahre Recheuschaft abge-
lcgt. Dem Berichtc cutuchmcu wir, daß die Mitglicderzahl
auf 40ü gcsticgen ist. Die Eiunahmeu belaufen sich auf
2238,12 Mt., die Ausgaben auf 2138,80 M., so datz am Eude
des Jahrcs cin Kassenvorrat von 99,26 Mk. vorhaudeu war.
Das Vereiusvcrmögc-n ist von 6172 Mk. auf 6166 Mk. gestic-
gen uud zeigt eine Vermehruug vou 293 Mk. Unter den Ein-
imhmcn ist ciu Beitrag der Stadt sür Armeukrankenpfüge von
200 Mk. zu crwähucu, für den der Bericht den herzlichsten Dank
aussprach. Eincn Eiuvlick in das Wirken dcs Vcreius ge-
währteu die Zahlen aus der Armen- und Kvankenfürsorge, die
eiucu Aufwand von 370 Mk. crforderte. Er setzt sich zusam-
mcu auK folgcndeu Spendeu: für 2 Flaschen Weiu 2,10 Mk.,
sür 1335 Liter Mitch 306,93 Mt., 72 Pfuud Brot tz.64 Mk.,
'66 Pfuud Alcisch 15,07 Mt.. 1218 Eicr 84,63 Mk.. 3Ü Pfund
Haferkakao 28,20 Mk., 67 Zeutucr Kohlen 72,63 Mk. und
Ttvfsc fiir armc Wöchncrinuen mit 22,08 Mk. Für die Kran-
kcupflege, dic au 03 Kranken in 101 Tagespflegen, 101 Nacht-
wacheu und 1221 eiuzclnen Hilfelcistuugeu gcübt ward, be-
lrägt dic Ausgllbe, die Unterhaltuug dcr Station eingeschlos-
seu, 857 Mk. Die Hauspflege wurde von 32 HaüShaltuugcu
irähreud Kraukhcit uud Wochcnl'ett dcr Hausfrau begehrt an
218 Pflegctagcu. Dcr Verciu musste, um den Ausprückuui zu
genügen, einc zweite Hauspflegerin bcrufeu, die er mit Wartc-
geld dauernd angestcllt hat. Dcr Aufwand für die Hauspflege
ivar 437 Mk. Dcr Vercin besiht eine erhebüche Anzahl vou
Kraukeugcrätcn, u. a. S grohe, 1 Sih- und 1 Kmderbadewan-
ncn. 1 Soxhletapparai, 2 FuhalaüonSapparate, 5 Luftkissen.

2 Stellkisscu, Dhcrmvmetcr u. a. Die Geräte wurden üi 138
Fällen ausgclicheu. Alle Anmelduugeu für Arauken- uud
Haüspflegc siud au Frau Psarrer Schncidcr, Bcrgstratze 7, zn
richtcn. Für Strickarbcit wurdcn 16 Mk. vcrwcndet. Dic
Strümpfe wnrdcu bci dcr Wcihnachtsbcscherung an Arme
abgcgebeu. Meldungeu für diesc Arbeit gehen an Frau Gr.
Ilotar Fffel, Bergst-ratze 3. Die Armen- und Krankeuunter-
ftühnng, die uic iu barcm Geld, souderu iu Anwcisuugcu auf
Isahnmgsmütel und Kablcn gcleiftet wird, wurde wesentlich
gcfördcrt durch 19 Damen, die au 10 Wöchucriimcn und 31
Kranke — im gauzen an 350 Ttgen — Mittagskost abgegcben
haüeu. Mit dem lvärmstcn Danke au sie wurdc kuc Bitle vev-
buudcu, es möchten sich noch mehr wohlhabende Dmnen für -
'diese Hilseleistuug bcreit findcu. Funigcr Dauk gebührt auch
den Spenderinncn und Spendern, die durch ihre Taben dem
Bcreiu die Möglichkcit schufcu, armcu Familien und einzelnen
Pcrsoueu ciue Wcihnachtsfrcudc zu bereitcn. Für abgelegte
Kleider, Wäsche, Schuhe hat der Bereü»svorstand immer Ver-
wendung. 21 Pflcgckinder standen uuter Aufsicht des Vereins.
Mögc cs dem Vereiu vergöuut scin, auch iu dicsem Fahrc im
stilleu und im Segen tätig zu sciu, und die allseitige Beachtung
zu fiudcn, auf die'cr eiiieu gercchten Ainvruch erhoffeu darf!

p SkerbltchteitO-Bericht. Nach den unie>m 16. o -m. veraus-
gegebenen Veröffentlichungen des Kaiserl. GesundüeitSamteS zu

Berlin über die Gesamtsterblichkeit in den 293 deutschen Städte»
»nd Orten mit 15000 und mehr Etnwohnern während deS MonatS
November 19'2 hat dteselbe — auf je 1000 Einwohner auf
den Zeitraum eines JahreS berechnet — betragen: ». weniger
ols 15.0 tn 98 b. zwischen 15,0 und 20,0 tn 139, o. zwischen
20,1 und 25,0 in 42 ä zwischen 25,1 und 30,0 in 12 s. zwi-
schen 30,1 und 35,0 in 2 Otte» und t mehr alS 35,0 in keinem
Orte. Die geringste Sterblichkeitsziffer hatte in dem gedachten
Monate der Ort Neunktrchen in der Rhetnprovinz mit 6,6, da>
g gen dte höchste Ziffer dte Stadt Neuruppin tn Brandenburg
mtt 30,2 zu verzeichnen. Jn den Städten und Orten deS Groh-
herzogtums Baden mit 15000 und mehr Einwohnern sind
I ügende Sterblichkettsziffern für den Berichtsmonat — gleichfallS
mie oben auf je 1000 Einwohner auf den Zeitraum etneS JahreS be-
rcchnet — ermtttelt worden: Jn Konstanz 12,9, Karlsruhe 13.0
(ohne Ortsfremde 11,8) Mannheim 14,9 Pfoizyeim 15,5,
Baden-Baden 15,8. Heidelberg 19,5 (ohne Ortsftemde 10,1,
uiid in Freiburg 19,8 (ohnc Ortsfremde 16,5). Die Säuglings«
stcrblichkeit war im Monat November 1902etne beträchtliche, d. h-
Höher als ein Drittel der Lebendgeborenen tn 1 Orte, diesclbe
olieb unter etnem Zepntet derselven in46 Orten. Als Todcsursachen
de. während des gedachten Monats in hiesiger Stadt vorgekommenen
6/ Slerbefällen — daruntcr 1? von Kindern im Ätter bis zu eineM
Fahre — sind angegeben: Majern uud Rötyeln 1 i-charlach 1,
Luphtherie und Eroup 3, Kindveufiever 1, Lungenjchwindsucht 7,
akute Erkranknngen der Atmungsorgane 6, Bccchvurchfall 3 Kinder
lai Aller dls zu 1 Zahre, alle üdrlgen Krankhetten 43 und ge>
maltsamer Tod 2 Zm Ganzen schetnt stch der Gesundheits-
zustand gegenüber dem Monät Okioder v. Js. gevesserl zu haben-
Lue Zahl der in hiesiger Stadt während des Monats Ro«
ucmber 1902 zur standesamtltchea Änmetdung gelangteu Gcburten
hat — auSschüesüich der vorgekommenen 7 Totgeburten — l21
i etragen i^dieselve hat mithm dte der Sterbefälle (67) nm 54
üoerstiegen.

Manuheim, 20. Fau. Nach deui Rcchuuugsabschlutz des
Grotzh. Hos- uud Natwualrhealers sür 1901-02 hat dicscs von
dcm ftädtischcn autzerordcittkicheu Zuschutz von 148 000 Mark
rund 8000 Mk. erüvrigt, obwohl die demokratrscheu uud ssziaw
dcmokratischcn Stadtvcrorducren dcu ursprünglich auf 187 0t>6-
Mart bcmesscuen Ziychutz bcrcits um 9000 Mk. gekürzt harrcn.
Der Futendaut vcrlaiigt nichksdestoweuiger sür das laufeiwo
Thcarcrjahr wicdcr 187 000 Mk., doch har dcr Sradtrar in Be-
folguug seiuer Parole, zu spareu, wo es augehe, bedcutendt
Abstrichc (mau spricht vou 20 000 Mk.) vorgeuommeii. Das
lctzte Wort hat dcr Bürgerausschutz.

Mannhcini, 20. Jau. (E r war g e.w a r n t.) Wcun's
wahr ist, so war's für die Betrofsencu satal. War also da aw
Samstag eiu Pärcheu per Chaise uiitcrivegs zum Standcsanü-
als in der Nähc dcs Marttcs ciu Gaul stürzte uud die Deichstk
brach. Wohl odcr übel bequcmten srch der bezhliudcrte Bräw
tigam uud scin kranzgcschmücktes Bräutchcn, deu kurzcu MÜ
des Wcges zu Fus; zurückzülegeu. Kurz vor dcr hchrcn Psorte
des Rathauscs ivill es ciu ueidischcs Gcschick, datz der zutüns^
tigc Ehcmann ausglciter und nnzeitrg zum Sitzcn gelmigt-
Eiuige vou dcu bei deu Hockizcitcu stets vorhmideueu NeN(
gierigcu fatzten dic mitzlichen Vorgäugc als böse Vorzcichcu a»f
iiud riefcn: „'s is noch Zelt, blcib' humie, blcrb' hunucl"

Mnnnhcim, 20. Jan. (B ä ck e r - I u u u n g.) Hente
Miitag faud die seierliche Eiiuveihuug des Jnnuugshauses det
hiesigeu Bäckcrinnuug statt. Als Ehrengästc tvarcu dic Vet;
trcier zahlreicher auswärriger Fmiuugcn, sowic O-bcrbürger^
ineister Bcck als Vcrtrctcr der Stadt, Amtmauu Frcch als Ver"
tretcr dcr Rcgicrung, Sckretär Hauser als Vcrtreter dcr Haru
delskammcr erschicucu. Das HauS ist im Rcuaijsaucesthl er^
baut uud hat ciucu Kostcnaufivaud vou 230 000 Mk. vcrursacht-

Brcttcn, 20. Jan. (V c r h a f t c t.) Der Tätcr, wclckiet
dcu Landwirt K. Stadclmeicr aus Jöhliugeu bei sciueni HcirN^
weg vom lctztcn Vichmarkr hicr auf der Stratzc zwischeu hie.t
imd Wössiiigcn in räuberisckicr ?Ibstcht überfalleu hattc, 'ü
mmmehr vou der hiestgen Gendarmerie iu der Person des
Landwirts Thcodvr Frauk vou Ncibshcim crmittclr wordcü
Dcrselbe wurdc vcrhafrct uud ins Amts^-fängnis Bretten cü^
geliefcrt.

Brettcu, 20. Jau. (ü c b c r f a h r e n.) Hcutc früh (t'
cignetc sich aus dcr hicsigeu Statiou cin bedaiicrlicheS Nngln°'
iudr-m der Rangicrer F u ch s vou hier übcrfahrcn wurde N>s"
zwar derart, das; dcr Tod alsbald ciutrat, Fuchs ist vcrheu
ratet mid das Haupt ciucr grvtzeren Familie. ,

ÜO Waldshut, 20. Jau. (Eisenba h uprojc k s-'
Heute wurdc im Gasthaus zur „Somic" in Nicdermühle ei"
Sitzung dcr drci Äomitecs abgchalten, wclche dic ErstellUüS
einer Eisenüahn St. Blasten-Rheiutak bctrcibcu. Die Jntct.
essentcngruppen warcu sämtlich vcrtreteu. Nach cingehcndt
Disk»ssion wurde der cinstimmigc Befchlutz gcfatzt, in ciuer
mciusameu Pctition der drei Komitees die Grotzh. RcgicrU»ö
zu crsuchcn, uuimiehr von sich aus dic Vorarbcitcu zu übet'
nehuu-u und nach dcreu Ergebuis das ihr gceiguet schcinene
Projekl zu bestimmeu.

Heidelberger Bereinsangelegenbeitett-

X Klüifmäilttstchcr Brrcin.-Mio uöhmeiüZioch ernmak ^
Gelegenhcit wahr, a»f daS M o s k c n k r L n z ch c n hinZ'ü
Iveiscn, das dcr K a u f m ä u n i s ch e Bcrein hier ^
Samstag, dcn 24. ds. im großeu Harmonicsaale beranstal^
Ohne Eiiitrittskarteu hat niemaud Zutritt. Dicsekben süü
noch zu habcn h c u t e. D o n n e r s t a g, den 22., uud F r
tag, dcn 23. ds., abcnds vou halb 9 bis halb 11 Uhr
Samstag, den 24. ds., mittags von 11 bis 1 Uhr und zt>P,
für Mitglieder uud dcreu Angchörige zu 80 Pftn^ z
das Stück, wobei jcdcr Karte cin Gutscheiu für drf

Eutschlutz fest, däs Eiscn zu schmiedcn, so lauge es warm ivar,
und die Chancen, die ihm der heutige Abend geboten, uach Kräf-
ten auszuuutzen.

Die letzten Tänzc verflogcn Paul wic im Rausch, uud auch
Gisela fühlte sich durch die offcubare Huldigung, lüe ihr dcr
blüheude, stattliche Mann au ihrer Scite darbrachte, wie elek-
trisiert. Wemi es auch heute nicht mehr zu eincr Aussprache
kam, uicht wcil die Gelegenheit dazu gesehlt hätte, sondern weil
Steiubergk es nicht mit seinem Zartgefü'hle vereinbar hielt,
seinen Erfolg gleich am ersten Abend bis zum letzten Ziele aus-
zunützen, so bestaud doch zwischen beiden jungen Leuten ein
uuausgesprochener gcistiger Rapport, der ihnen auch ohue
Worte sagte, was -dcr audere cmpfaud.

Mitteruacht war lättgst vorüber, als sich die beiden Freunde
— mit unter den Letzten — vou deu Gastgebern empfahlen.
Jn dcr Garderobe wareu mehrere Hausmädcheu uuid einige
Lohudiener beschäftigt, die wcggchendeu Herrschaftcu mit Män-
tclu uud üm'hängen zu vcrseheu. Die Palctots der bciden
Dffiziere hingeu, da ihre Träger ziemlrch frühzeitig erschienen
warcn, dicht an der Türc, so datz sie ohne weiteres ergriffeu
werden konnten. 'Da die sämtlicheu dienstbaren Geister ander-
weitig beschäftigt jvarcn, mutzte auch das Umuehmcn selbständig
ausgeführt werden. Währettd Steinbergt verhältnismätzig
rasch damit zirstande kam, und sich nur noch bemühte, sein rech-
tes, etivas widerspänstrges Epaulctte unter dcn Schuktertcil des
Paletots zu schieben, schien Ssdhen grötzere Schwierigkeiten
damit zu überwinden zu haben; indem er sich nach einer Hilfe
umsah, erschieu die Gcstalt cines älteren Bedienteu mit grauem
Backcnbart, iu Hauslivree, iu der gegenüberliegsnden Tür;
diesen sehen und sofort mit: „Sie, kommen Sie doch mal her
ünd helfen Sie mir den Paletot anzichen!" heranrttfett. war
das Werk eincr Sekunde.

Hättc sich die Erde in dicscm Vtoment vor ihm gcöffts^>

Stcinbcrgk häktc nicht so, jvic vom Schlage getroffen, zuC'ü,
taumcln könncu, als der angcrufeue Bedieiite — uach ei6ft
Augeublick wic uuwillkürlicheu Zauderns — dem Rufc -Sodh^ü
gefolgt und auf diescn zugetreten war. Wie auf einc ^
scheinung aus eiuer aiideru Wekk, mit wcit aufgeristcuen ÄE,
starrte Paul deu schciubar unbefangcu um Sodheu Beschäft^
'teu. Der graubärtigc Diener, derselbe, dcr vor
Stuudeu scine Nachbariu aus Unvorsichtigkcit nüt. Wein ^

gossen
Steinbcrgk

war der Preinierlcutnant a. D. Freiherr "7-
war sein eigener Vater! Mücklicherweise s^ -

Sodhen mit dem Rücken gegen Vater und Sohn, sonst würdt^t
das schreckcnsvolle Erblcichen dcs Füngcrcn, der nur mit
cincu Ausruf unterdrücktc, sowie dcu erust-traurigcn Blick^,,
Aelteren, der mir rascher Bclvegung den Fingcr, Schilüu'
gcbicteud, auf dcu Mund gclegt hatte, aufgefangeu haben.-
Das Mantelumlegen, dcm sich der altc Bedieutc mit A
und Würde, ohne mit der Wimpcr zu zuckcn, unterzog, d-nlPc
ctwas langc, so datz Sodhen schou uugeduldig — aber i>), -.
Weiustimmuug doch gutlaunig — sagte: „Na, alter
Mautelangieheu helfeu und Wein servieren, ist wohl nicht üZ
leicht?" -— Durch die kleiue, vom Vatcr absichtlich hcföfA
führte Berzögerung hatte Stcinbcrgk Zeit gefundeu, sich einEst
matzcn zu sammcln und wcnigstens äutzerlich ruhig zu cftAk
uen. Wie im Traume glauLtc cr noch zu hören, datz
dem Dieuer ein Geldstück in die Hand drückeu wollte,
Annahme jedoch in höflicher Form verweigert wurdc,

Sodhcu mit einem: „Daun nchmcn Sic's nur nicht
leisc eine Mclodie trällernd, die Treppe hinunterstieg.

(Fortsetzung folgt.)
 
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