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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Samslag 7. Febninr 1903.


Inhrgang


32

Erschcint t ä g l i ch, Sonntags ausgcnommen. Preis mit Familienblättern monatltch 60 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

die Poff bezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschlietzlich Zustellgebühr.

?! n z e i g e n p r e i s: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile odcr deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermätzigt. —- Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Tlnschlagstellen. Fernsprecher 82.

Aum Iuss WiMch.

Eine Zuschrift der „Vossischen Zeitung" aus Poseu
versichert nochmals, daß der Laudrat v. Willich durch die
Anfeindungcu der Agrarier iu den Tod gctriebeu wordeu
sei. Die Anfciuduugen gingen uach dieser Darstclluug vor-
vehmlich vou dem stellvertreteudeu Vorsitzenden der Land-
wirtschaftskammer iu Poscn, Hauptmann v. Unruh, Kleiu-
Münche, aus, mit desseu tlnterstiitzung Major Endell
Vorsitzender der Kammcr geworden war. Da v. Willich
als Mitglied der Kanimer gegen Endell Front machte,
schlng sich v. Unrnh ganz auf Endells Seite und begann in
Provinz nnd Kreis einen leibenschaftlichen Kampf gegen
v. Willich.

„Man schuf diesem", heißt es in der Zuschrift, „alle
wöglichen Verlegenheiten, man verfolgtr die Politik der
Nadelstiche, während Herr Endell mit der Pistole im
Hintergrnnde stand. Offener Boykott bei allen Znsamnien-
künften, nnd auf d r Eisenbahn, Ehrenerkläriiiig sür Eudell
rn der Dentschen Tageszeitung: „Wir machen seine Sache
M der unsrigen", Wegtragen des Willichschen Stnhles in
der Landwirtschaftskanimer vor Beginn dcr Sitznng, i
Huldignngstclegramm dcs landwirtschaftlichen Krcisvereinö, i
dessen Biitglied v. Willich war, an Endell, Einladnng zu den
Jagden im Birnbaumer Kreise nnd Lösnng des Endellschen !
Jagdscheines auf dem Landratsamt in Biriibaiiin. Uud dazn i
die immcrwährende Mahnung von oben: „Vertragen sie sich !
wit Herrn v. Unruh!" Jetzt koinnit Kaiscrs Gcbnrtstag! Der j
iw Manöver vom Kaiser hnldvollst ausgezcichnete Landrat
Mrd von eincm Standesgenossen brieflich verständigt, daß
kine Kundgebung bei Tafel gegen ihn geplaut ist, er mögc !
vicht erscheinen; die Kreisbeamten beschließe», die Plätze uin >
^en Landrat zu belegen, damit sie ihn gegen Jusulte decken, j
nnd d e Beawtenschaft und Bnrgerschaft zeichnct zahlreicher !
^enn je, um durch ihrc Anwesenheit s>ir den Landrat Stel- ,
kung zu nehmen. Jnzwischen reibt oer Widerstand diescn j
^winer mehr auf, uiid sein sonst lebhaftes TeMperament .
v>eicht einer gewissen Apathie. Jctzt geschicht der letzte Schritt i
^vr der Katastrophe. Der Bruder des Landrats, Rittmeister
W D. v. Willich, fährt in daS Schloß des Herrn v. Unruh,
vw nnter allen Umständen einc Versöhnung anzubahnen;
statt dies aber dem Landrat zu verschweigcn und H-rrn v. !
stnruh zn bewegen, nach Gorcyn zu kommen nnd unter !
wesen traurigen Umständen dem Landrat die Hand zn bieten, !
krzählt man dcm überreizten Landrat von dcr Fahrt nach j
Kleia-Münchc, und, kaum einigc Minuten nach dem Ein-
steffen dcs RittmeisterS bei Herrn von Unruh, hat dcr
sviglückliche Landrat sciu Leben ausgehaucht. Er nahm
lrdei falls an, daß Versöhnung uach den trüben Erfahrungen l
stnterwerfung bedeute, nnd so zog er den Tod dcr über ihn '
^ verhängenden politischen Bedeutniigslosigkeit vor.

Jm Graudenzer Geselligen wird im Einklange mit den !
Angaben der Posener Zuschrift a:i die „Vossische Zeitnng" .
t'Erichtet, an die Ernennung des Herrn v. Willich znm l
^vdwirtschaftlichen Attacho in Bukarest habe der Landwirt- !
'chafisminister v. Podbielski die Bedingung geknüpft, !

er sich znvor mit seinen Gegnern auszusöhnen habe.
^er Landrat habe diese Aussöhnnng als eine Demütigung !
^chfunden, und während sein Bruder, der Rittmeister, bei

Herrn v. Unruh weilte, überbrachte ihm ein reitender Bote
die Trauerbotschaft, die den Verhandlungen für immcr ein
Ende machte.

Ain Donnerstag ist die Sache nochmals im preußi-
schen Abgeordnetenhause durchgcsprocheu worden. Der
Minister des Jnnern wiederholte, daß v. Willich von
seinen Vorgesetzten durchaus nicht preisgegeben wurde,
sondern bei ihnen Anerkennung und Berücksichtigung
fand. Die Redner von der Linken ihrerseits blieben da-
bei, daß Willich dem Unruh-Endell'schen Terrorismus
zum Opfer gefallen sei, weil die Regierung nicht Lie
Kraft hatte, ihn zu stützen. So steht in dieser Angelegen-
heit gerade wie in der Löhning'schcn Mcinung gegen
Meinung. _

Deutfches Neich.

— Der Erbprinz und 'die E r b p r i nz e ss i n von
Sachsen-Meiningen werden ihre silberne
Hochzeit am 18. Februar in Kicl in dcr Familie des
Prinzen Heinrich feiern, da sie sich größercn Festlichkeiten
zu entziehen wünschen.

— Dem Reichstage ginz ein sozial dc mokr ati-
scher Antrag anf Errichtnng besonderer Betriebsauf-
sichtsbehörden anstelle der bisher nich Z 139 d der
Nteichsgewerbeordnnng bestimmten Beamten und Landes-
polizeibehörden zn, sowic anf Fcstsetznng der Maximal-
arbeitszeit für alle im Lehr-, Arbeits- und Dienstverhält-
nis im Ge rerbe-, Handels-, Jndustrie- uiw Verkehrswesen
beschäüigten Pcrsoncn auf vorläufig 10 Stunden nnd Ver-
kürziing dersclben innerhalb der gesetzlich festgesetzten Frislen
auf 8 Stniiden.

Peuischer Weichstag.

Berliu, 6. Febr.

Zunächst werden einige Rechnungssachen ohne De-
batte erlcdigt.

Weiterberatung des Etats: Etat des Reichskanzlers
und der Reichskanzlei.

Abtz. Roesicke - Kaiserslautern (Bd. d. Landw.) fragt
nach dem Schicksal der bei dem letzten Weingesetz vom Reichs-
tage angenommenen Resolution betreffend Ueberwachung des
Verkehrs mit Nahrungs- und Genutzmitteln; die kanadischen
Fleischlieferungen für Heer und Marine schädigten die Land-
wirtschaft schwer. Es könne sich nur um verbotenes Büchsen-
fleisch handeln. Jn dcr Brüsseler Zuckerkonvention habc die Re-
gierung unrichtige Augaberr gemacht. Redner legt dar, datz die
Fassung der Konvention bezüglich des entzlischen Kolomalzuk-
kers ungenau sei. Der Regierung sei vorzuwerfen/ datz sie einen
solchen Vertrag ratifiziert habe. Wenn man nur nicht bei den
Handelsverträgcn ebenso leichtfcrtig vorgchel Der Reichskanz-
ler sollte der Landwirtschaft nicht Undank vorwerfen, die wil-
lig alle Lasten auf sich genommen habe.

Staatssekretär Frhr. v. Richthofen weist die Angriffe
Rocsickes gegen die RegierUng zurück imd führt aus: Die

Staatsverträge würden erst wirksam durch den Austausch der
Ratifikation. Bei der Brüsseler Konvention stand es so: Snt-
weder wir drückten die englischen Delegierten an die Wänd,
dann kam die Konvention nicht zu stande, oder wir lietzen die
Frage des Kolonialzuckers offen. Die deutschen Delegierten
entschieden sich für das letztere. Wir behalten uns, fälls große
Quantitäten Zucker aus den Kolonieen ausgeführt werden,
volle Aktionsfreiheit vor, und ändern unsere Stellung, wenn

ein praktisches Bedürfnis vorliegt. Rodner spricht die Hoff-
nung aus, datz Rutzland der Konbention noch beitreten Imrd.

Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky bemerkt ge-
genüber dcm Abgeordneten Dr. Roesicke, cr habe niemals er-
klärt, datz die Regierung nichts Positives für die Landwirtschaft
leisten könne. Man solle auch das Vertraucn des Bauernstandes
zur Regierung mcht erschüttern. Betreffs der Behauptung
Roesickes, datz mit einer känadischen Firma Verträge auf
Fleischlieferungen für Heer und Marine abgeschlossen worden
seien, bcmerkt Redner, er hab>c sich sofort an dic zuständigen
Ressorts gewendet, aber noch keine Aufklärungen erhalten;
er werde nach Empfang solcher sie dem Hause mitteilen.

Abg. Hug (Zentr.) hofst, dätz mit dem Tarif ausreichende
Handelsverträge zu stande kommen. ?lehnlich spricht sich der ?lbg,
v. Kardorff (Reichsp.) aus.

Mbg. Liebermann v. Sonnenberg (Antis.1
glaubt nicht, datz die Hcraufsetzung der Tlltersgrenze für das
Wahlrecht eine Mehrheit finden werde, und spricht sich gegen
den Antrag aus. Richtiger wäre eine Neueinteilüng nach histo-
rischen und geographischrn Gesichtspunkten. Redner bringt dann
zur Sprache, daß die Burcngenerale vom Kaiser nicht cmpsan-
gen worden seien.

>Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky tritt den
Angaben des Mg. Dr. Roesicke über kanadische Fleischlieferun-
geü entgegen und verliest dte inzwischen vom Reichsmarineamt
und die vom Kriegsministerium eingegangenen Schreiben, wo-
nach jene Angaben imzutreffend seien. Vielleicht seien für die
vor Venezuela stehenden Truppen Lieferungsvertrgge abge-
schlossen worden. Es sei klar, datz die Truppen mit frischem
Fteisch versorgt werden mütztcn, was aber von Deutschland>
aus nicht möglich sei.

Mg. Dr. Pachnicke (fr. Ver.): Deutschland mutzte die
Zuckerkonvention annehmen. Die Erklärung des Reichskanzlers
hinsichtlich des Wahlgeheirnnisses sei zu begrützen, ebenso wie
die über die Diätenfrage zu bedauern sei.

Nach kurzer weiterer Debatte erklärt Reichskanzler Graf
Bülow gegenüber dem Mg. v. Lieöermann, er könne ohne
Jndiskretion seinen Gewährsmann in den Verhandlungen mit
den Bürengeneüalen nicht nennen. Er könne nur das ver-
sichern, daß es stch um eine glaubwürdige Person handle. Nach
Verlesung des Briefes dieses Gewährsrnannes fährt Rsdner
fort: Es sei nicht seine Ausgabe, die Einflüsse zu untersuchen,
die auf die Burengenerale einwirkten, aber es fei Taffache, datz
ihre anfängliche Bereitwilligkeit zu der vorgeschlageNen Form
des Empfanges uachher modifiziert worden sei. Das Argu-
ment, daß auch der König von England sie habe rufen lassen«
passe nicht, da dieser ihr Souverän war. Was die Händelsver-
tragsverhandlungen angehc, so seien durch die cingehenden Ver-
handlungen in der Kommission niid im Plenum unsere Karten
ausgedeckt. Dic Position unserer Ilnterhändler sei dadurch nicht
erleichtert worden; sie sei erheblich schwieriger als die der Ver-
treter solcher Länder, dercn Zolltarif ohne Geräusch zu stands
kam. Es sei Zeit, den unsrigen freie Händ zu geöen und die
Diskussion so lange zu schließen, bis fertige Handelsverträge
dem Hause vorliegen. Jn dem Tarif sind die Jntevessen der
Kandwirtschaft von der Regieruntz und der Mehrheit des Hau-
ses beldeutend wirksamer gcwahrt worden, als von dem Drittek
des Biindes der Ländwirtc, dic gegen den Tarif stimmten. (Zn-
stimmung bei der Mehrheit.) Er werde es sich stets zum Ver-
dienst anrechnen, beim Zustandekommen des KompromisseS
haben helfen zu können. Wenn vernünftige Leute sich mitein-
ander berständigen, so fällt weder der eine noch der andere um.

Dcr Etat dks Rclchskänzlcrs und der Reichskanglci wird
schließlich bewilligt. Morgen Etat des Reichsamts dcs Fn-
nern.

Bade».

— Jm „Schw. Merk." war auf den starken Zuzug
italienischer Fabrikarbeiterinnen nach Sand-
hofen, Radolfzell und anderen Orten hingewiesen und

Keööelverein

Heidelberg, 7. Febr.

E -.H e inr i ch von Kleists Pe nth es i l e a". (Zwei-
s^jliterarischer Abend.) Vortrag des Herrü Kunstschrift-
i^llers MaxOeser aus Mannheim mit Rezitationen
,, Hosschauspielerin Fräulein Toni Wittels vom Hof-
"o Nationaltheater in Mannheim.

Cs war wohl mehr als ein günstiger Z-ufall, datz die jung-
-sti^ün'dew akademische Gesellschaft für Dramatik, nach >dem
_weren, für viele allzuschwcren philosophischen Geschütz, das
Hörth in seinem Eröffnungsvortrag angesahreti hatte,
chrem zweiten literarischen Abende in ihr eigentlichstes
tc»-u Htzsgebiet, in das der litcrarisch-ästhetischen und rezita-
.bchen Kunstpflcge, einlenkte, auf dem sie gestern, Freitag
^iven in jeder Hinsicht vollbefriedigeüden und so durch-
s^stlenden Erfolg errang, datz der zweite Abend der Gesellschaft
öum ersten wurde. Die beiden Kräfte, die sich gestern ver-
zu rum dem Hcbbclverein ihre künstlerische Unterstützung
stnd in Heidelbrrg auf's Vorteilhaftestc bekannt:
Bibliothekar Oeser von der öffentlichen Bibliothek in
ü»- ist der Verfasser der vielgerühmten gründlichen Mo-

ZMaphie über die Kupferstechknnst des 18. Jahrhunderts nnd
. Eichex literatur- und kunsthistorischer Abeiten, und FäüTem
vr,s . ^Atels die vortrefflichc erste Liebhaberin des Hoftheaters
,Nachbarstadt und drr ausgesprochcnc Liebling dcs
vie,. . Dheatcrpiiblikums, trat im vergangencn Som-
stiel ^ großem Beisall bei dem Mannheimer Ensemblegast-
^ dwillingsschwester auf. So war von vornherein ein
e ^rauszusehen, der an Jntensität die Erwartungen je-
^ i.iogar noch um einiges übertraf. Herr Kunstschriftsteller
txx, besprach znerst in einem gewandten und auch für wei-
^ie „^rffH gebildete Kreise wohl verständlichen Vortrage
dg- stsEung Heinrich von Kleists in der Literatur und legte
^chwergewicht seiner wertvollen Ausführungen auf die

Betonung, in ihm einen modernen „Dichter zu sehen, der
den Anschauungen seiner Zeit um vieles vorauseilte, nicht aber
den Dramatiker der Romantik, den viele mit Unrecht in ihm zu
sehen glauben. Auch das „Käthchen v o n H e i l b r o n n",
öas Kleist vor allem den Namen eines Romantikers eintrug,
betrachtet der Vortragende als ein durchaus realistisches
Werk, dessen ganze Schönheit und Eigenart in> der Tat wohl
nur auf diese Weise verstanden werden kann. Dann ging er
auf Penthesilea, dem „negativen Pol, dem positiven Pol Käth-
chen gegenüber", wie Kleist selbst einmal dieses Werk nannte,
ein, von dem er eine eingehende Jnhalts- und Charakte'ranalyse
gab. Hier war Herr Oeser insbesondere bestrebt, die Moder-
nität in der Zeichnung Penthestleas, des ruhmsüchtigen, Un-
erreichbares erstrebenden und an diesem Unerrerchbaren zu
Grunde gehenden Weibes, hervorzuheben. Die denkbar schönste
Jllustration zu diesen Ausführungen bildeten die hier ang>e-
schlossencn Rezitationen aus dem Werke durch Fräulein
Wittels und den Bortragenden, welche vor allem die
Häuptszene zwischen Penthe'silea, Prothoe und ?lchill umfaßten,
in der dieser sich mitleidig als der Gefangene der Amazonento-
nigin gebärdet und wo sich, wie der treffliche Jtaliener Sigis-
mondo Friedmann einmal sagt, „der heitze, starke und
naive Geist Penthestleas in seiner ganzen Anmut und Wild-
heit zugleich zeigt." Fräülein Wittels brachte diese Partien
durch ihren prächtig leidenschaftlichen und wunderboll durch-
-dachten Vortrag, der gleichzeitig von einer ung'ewöhnlichen
Beherrschung der technischen Mittel Zeügnis ablegte, zu einer
hinreitzenden und den tiefen 'Geist des Werkes erschöpfenden
Wirkung. Wir wünschen den Heidelbergern, Fräulein Wittels
in nicht allzu fexner Zeit wieder bei einem Rezitationsabend
im Hebbel-Verein bewundern zu dürsrn.

Gs ist vielleicht nicht ohne Jnteresse, hier noch in Kürze
auf andere Dramen, die das Thema bom Frauenstaat in der
Weltliteratur behandelu, hinzuweisen: Es ist ein frisches aus
dem großen Alterturn, die kecken, frechen „Ekklesiazusen" des
unsterblichen Witzbolds Aristophanes, und ein schmytziges aus

der neuesten Neuzeit, das „Ewig-Weibliche" des Talmipoeten
Misch (das INannheimer Ensemblegasffpiel hat die zweifel-
hafte Bekanntschaft mit dem Stück dem Heidclberger Publi-
kum im vergangenen Sommer vermittelt), der mit dem Hu-
mor eines Friedrichstratzenberliners, das „Pikante" des Stof-
fes in miscrable Verse brachte. Jn der ?Nitte zwischen dcm
geistreichen Satiriker und dem geistlosen Possenreitzer steht ein-
sam der tragische Poct Kleist mit der wundcrb-xxn Fülle seiner
Gedanken über Frauenkraft und Frauen'sEwäche.

Der anregende zwcite literarische ?Ibend war wiederum
von einem auserlesenen Publikurn, bor allem aus den literari-
schen und akademischen Kreisen Heidelbergs, unter denen auch
Geh. Rat Thode zu sehen war, sehr zahlreich besucht, so datz
mau hiusichtlich dcr Zukunft der jungen, regsamrn akademischen
Gesellschaft für Dramatik ohne Optimismus die besten Hoff-
nungen hegen darf. —I.

Zur richtigen Beurteilung eines' Menschen oder eines Dinges
ist es förderlich, wcnn nicht wesentlich, seine guten Eigenschaften
zn schcn, ehe man über scine schlimmen spricht. — Aüf alle
Fälle ist es eine Viel seichtere oder gemeinere Beschäftigung,
Fehler aufzuspüven als' Schönheiten zu entdecken.

(Carlyle. Aus >Schiatbl!e, „lGeistigs iWasfen.

Ein dsphorismen-Lexikon".)

— Eine Frauensperson' wird vom Gerichtshof zu vier Jah-
ren Zuchthaus und sünf Jahren Ehrverlust verurteilt. Auf
die Frage des Richters, ob sie dagegen etwäs einzuwenden
habe, antwortet diefelbe: „Fa, wenn ich hält um lauter Ehre-n-
verlust bitten dürst." ^ (Simplizissimus.)

Sägen was man denst, ist manchmal die grötzte Torheit
und manchmal — die grötzte Kunst.

(M. v. E b n e r - E s ch e n b a ch, „Aphorismen".)

Die heutige Nummer uwfaßt drei Vlätter, zusammen 14 Seiten.
 
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