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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Arscheint täglich, SomrtagS auSgenomrnen. P«ir mit Kamilienölättern mormtlich 60 Pfg. in's Hcrus gebracht, bei der Expebition Mrd den Zweisanstalten abgeholt 40 Pfg. Dsrch

die Post bezogen vierteljährlich 1.38 Mk. ausfchlietzlich ZustellgcbÄhr.

Pnieigenprei»: 20 Pfg. fiir die Ispaltige Petitzeile oderderen Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Pridatsnzeigen ermätzigt. — Für dic Aufnahme von Anzeigen
«n bestimmten Tagen wird keine Vernntwortlichkeit jchernommcn. — Anschlag der Jnserate auf den Pliikattafeln der Heidelb. Zeitimg und den städt. Anschlagstellen. Fernspreärer 82

^itzung des Kürgerausschusses vom 23. d. W

Der Vorsitzende, Oberbiirgermeistcr Dr. W i l ck e n s, j S
^vsfner die «itzung iim 4 Uhr nachmittagö in Änweseiiheir von
Mitgliedern dcs Bürgerausschustes. Er teill mit, datz der
>kadrverordnerenvorsmnd sämtlichcn Vorlagen zugestimmt habe
^ eirien, auf welche cr später noch zu sprechcn komme, aller-
'"Ss gegen cine Minderheit.

, Es wird sodann in die Beratrmg der Tagesordnung eingc
ueten.

- V o r l a g e 1, berreffend den Ankauf des dem Vaumeister

Jak. Schmitt iii Handschiihsheim gehörigon Ncubaues
^stenheimer Oandstraße Nr. 30b, zu dem Preis von 16 000
mrk, wird ohne Diskussioii genehmigt,
sii ^rirlage 2 bctrifft die Berwenduiig ües Restkreditcs
Len Reckarstaden, Wir haben üüer diese Vorlagc, wie
^br Mi; die anderii Vorlagen des Stavrrates, in Nr, 89
. r »Heidclbcrgcr Zeitung" vorn 11. März ausführlich berich-
wir uns hier kurz fassen können. Jn der Dis-
"Iiwn über die Vorlage 2 wimscht der Obmann des Stadt-
^rordricterivorstandes, Rechrsauwalt Leonhard, datz die
^chrchfahrt am Westportal der Stadthalle etwas brciter wcrde,

Er Hxxx Oberbürgermeister habe das auch zugesagt, Bür-
, ^eistcr Dr, Walz erklürr, man habc vermeiden wollen, datz
, der Durchfahrt Droschken an einander vorbeifahren, Wenn
^er der Bürgerausschutz eiuc Verbreiterung wünsche, daim
solche ausgeführt werden; man müsse daim durch
^arfe polizeiliche Bestimmungen einem Gedränge der Drosch-
in der Zufahrt vorbcugen, Redner erläutert dann die
^Aage im Sinne des gedruckten Verichts imd bemerkt noch,

,8 an der -Ostseite der Halle eine schmale Einfassung (Geh-
^g) hergerichtet wcrden solle, bie eventuell zur Wirtschaft im
^Mmer hinzugezogen werden könnte, Die Vorlage wird
me^ weirere Diskussion genehmigt.

EM Anschluß an diese Vorlage wird gleich Vorlage 10
kciren, ivelche die Fertigstellung der Stadthalle betrifst. -Ob-
anr, Leonhard erklärt, daß die Vorlage vom Stadt-
»r^önetenvorstand einstimrnig genehmigt sei. Man habe ja

auf einc Million Gesamtkosten gerechnet. Die Halle

- E jeder Beziehung befriedigen, sowohl was ihr äutzeres

m^ehen, als ihre Ztveckmätzigkeit anbetreffe. Redner aner-
»ii'^chie schnelle Fördcrung des Baues und sagt, es solle alles
er Gewiimrmg eines tüchtigen Wirtes getan werden. Wie
u,8öre, solle ja em tüchtiger Wirt schori gefimden sein, wus
do? sei, Der Oberbürgermeister bestätigt,

ke» mmrn tüchtigen Wirt aus Augsburg, den man für den
Men Mann halte, 'die Berhandlungen so wcii gediehen seien,

^.8 der Abschlutz eincs Vertrages aller Voraussicht nach in

bevorstehc. Bürgermeistcr Dr. Walz erläutert im
die Nachforderungen; er bemerkt dabei, da^ auch der
tzMwe.rein in der Stcrdthalle ein Lokal erhalten ;olle, uud
« 8 er sehr dankbar dafür sei, denn die Crstelluug eines eigenen
» iMes für ihn würde autzerordentlich grotze Kostcn vcrursa-

Stadtv. Ebert macht einige Mitteilungen aus der
^geschichte und insbesondere über die Sichcrung der Stadt-
^ ^ gegen Hochwasser. Als im Juli vor zwei Jahren der
genehmigt wurde, konnte maii des Militärs wegen noch
machen; das war erst im Augnst möglich,

Sla ^ Anschläge in der Hauptsache schon fertig waren. Nkan
^ZUbte, datz der feste Boden vom Neckar aus bald ansteige.

machte Probelöcher von 4—4,80 Meter herunter. Dabei
^Tte^sich, datz der Bodcn aus Geröll und Braudschutt bestehe
d'" mr das Wasser von unten sehr durchlässig sei, Man mutzte

die Sicherung der Hallc erheblich stärker machen, als
s§A gedacht war; man mutzte eine zweitc uud dritte Jsolicr-
8is^ Lnbringen. Der Redner setzt im Einzeliien das tcch-

Tta e. Verfahren, das hierbei angewendet wurde,,ausemand^,
Maicr crklärr nach diesen Ausführuiigen, daß für
hz,^lcherung der Fundamente das Nötige getan sei, aber man
sch ^ der Mehrkosten wegen eine Vorlage an den Bürgeraus-
^8 machen sollcn, Die Kosten betrügen doch gewitz mehr

wie 7000 Mark, Bürgermeister Dr, Walz weist darauf hin,
daß die Mehrforderung 21 000 Marl betrage und datz an den
sonstigeii. Baukosten crheblich gespart worden sei, was für die
Rcherung und die iiachträglichen Aeiiderungen verwcndet wor-
den sei. Durch eine Vorlage an 'den Bürgerausschutz wcireii
4 bis 6 Wochen der kostbaren Bauzeit verloren gegangen.
Stadtverordn. Brunn weist darauf hin, dah im Jahre
1894 über das Hochwasser viel gesprochen worden sei un-d daß
man damals die Sicherung dagegen auf 100 000 Mark berech-
net hätte. Er fragt so-dann an, wie hoch man den Platz an-
schlage, auf dem der Saalbau sich befinde. Bürgermeister Dr.
Walz sagt, datz der Platz nicht geschätzt worden sei. Stadtv.
Ebcrt erklart auf Aufrage, dah die Halle ein bebautes Ge-
läude von 2610 Quadratmeter bedecke; auf der Ost- und auf
der Westseite bleibe ein Platz von je 100 Metcr frei, wenn die
Häuser am Neckar abgcbrochdn scin wevden. Der Oberbür-
germeister meint, es häbe keinen Ztveck, wenn man jetzt
noch Betrachtungen cmstellen wo-ile, ob und wo die Stadthalle
etwa hüttc hingestellt werden können. Man sehe doch, datz
ihr jetziger Platz der richtige sei. Nuswärtige Besucher rühm-
ten ihn sehr; sie hättcn ihm zu der schöneii Halle auf dcm
wunderbar schönen Platz. geradezu gratuliert; ein schönerer sei
weit imd brcit nicht zu finden, vieiwicht in der ganzcn Welt in
diescr Art nicht vorhanden. Stadtv. Schepp fragt gele-
gentlich der Besprechimg dcr Stadthalle an, wie cs mit der
Vcrlängcrung des Neckarstadens nach Ostcn ftchc, Der O b e r-
b ü r g e r m e i st e r erwidert, datz die Verwaltung der Fort-
führinig grundsätzlich nicht abgencigt sei, abcr zur Zcit kömic
sic eine Vorlage in Betreff ciner so kvstspieligen Nnlage nichi
machen, Sie behalte aber die Sache im Nuge, Stadtv, S e n -
dele hat den Cindruck, als ob die Festhalle, von W-esten ge-
sehen, sich ausnehme, als ob sie eiwas tief im Boden stecke,
Es entspinnt sich hierü-ber eine längere fachmännische Dis-
kussion, an welchcr die Herren Städtbaumeister Fries, Bür-
germeister Walz; Stadtv. Maier, Stadtv. Schmitt und Stadtv.
Ebert sich beteiligen. Es handelt sich darum, den Platz vor
der Halle gegen die Untere Neckarstrahe zu aufs günstiaste zu
gestalten, Stadtb, Cbert macht darauf aufmerksam, datz die
Üntere Neckarstraße von einem Punkte' zwischen der Menen-
stratzc und der Ziegelgasse nach beidcn SeiteN zu abfalle; dies
sei eigentlich das Schwierige in der fraglichen Sache. Es wird
festgestellt, datz alles getan werden soll, was möglich ist, um den
Platz vor der Halle aufs günstigste herzurichten,

" tadtv, Mittermaier erhält das W-ort zu einer
Frage, die mit der vorwürfigen Angelegenheit nur lose im
Zusammenhang steht, nämlich zur Frage der Entleerung der
ÄLtrittgrilb-en. Er rügt, datz dic Entleerimg nicht mehr in
den vorgeschriebenen Zeiträumen borgenommen werde, seit-
dem eine Anzahl Gruben mit der Kanalisation in Verbindung
stchen, Der Fluß soll indessen nicht, wie er nachdrücklich betont,
zu einer Kloake werden, Der Oberbürg e^r m e i st e r er-
widert, datz ohne Klärimg des Grubeninhalts der Einlauf des-
selben in die städttschen Kanäle nicht zulässig sei, Es schwsb-
ten in der Klärungsfrage Verhandlungen mii der Staatsbe-
hörde, Das Tiefbauamt sei beauftragt worden, wegen der
rechlzeitigen Entleerung der Gruben nachzuforschen und es
habe gemekdet, datz diese nicht immer so erfolge, wie es ge-
fchehen sollte, Der Stadtrat werde für Abhilfe sorgett und der
Abführanstalt aufgeben, die rechtzeitige Leerung öer Gruben
schärfer zu öeaufsichtigen,

tadtv. Sendele fragt an, öb eine Vorlage über den
Betrieb äer Stadthalle zu erwarten sei, Dürgerm-eister Dr.

W alz erwidert, datz ein Wirt und ein Hausmeister eingesetzi
werden würden, etwas Neues, was von dem Betri-eb sonstiger
Kestpallen abweiche, sei nicht geplant; er bitte üörigens, Wün-
sche auszusprechen. Stadtv. Lossen fragt, .was der Wirt
Pacht zahlen müsse; man spreche von 12 000 Mark. Man
föllte nur einen geringen Pachtzins ansetzen. Ferner fragt
er, wie es mit dem Wein sei, Jm jetzigen Saalbau sei eine
Weinkommission eingesetzt, zu der auch Museumsmitglieder be!-
gezogen seien, Allerdings seien diese seit zwei Jahren mcht

einberufen worden. Die Museumsmitglieder trünken jetzt ihren
Müseumswein mir 80 Pfg. Aufgcld. Am besten wnre es, wenn
der,We!n !n städt. Regie genommen würde. Bürgermeister Dr.
Wnlz teilt mit, daß der Wirt von Wein und Bier .t ras-an
dic Stadt äbzugeben ha-be. Die Pachtsumms sei gering, jie
betrage nur 3000 Mark, dabei habe der Wirt freie Wohnung
für sich nnd sein Personal, frci Licht und' freie Heizung.
Die Uebcrnahme der Weinregie durch dic Stadt iviirde enorme
Schwicrigkeiten mit sich bringen. Stadtv. B u h l weist daranf
hin, datz die Museiimsgesellschaft aus dem Weingejchäft c'-ucn
beträchtlichen Nutzen gezogen habe. Eine städtische Regie wäre
am besten, wcnii eiiic geeignete Pcrsönlichkeit dafür aufg-siellt
und bezahlt würde. Der Walzsche -Weg sei sehr schwisrig.
Redner fragt an, wie die Preise für Wein und Bier.festge-
stellt werden würden. Bürgermeister Dr. Walz legt dar,
datz sich dariiber allgcmeine Grundsätze von vornehereiu nicht
aufstellen lietzen. -Stadtrat Krall bemerkt gegenüber der
Aeutzerung eines Vorredners, datz im Saalbau seit zwei Jahren
neue Weinsorten nicht aiigeschafft wären, so datz ein BedUrfnis
zur Einberufung der Weiiikommission nicht vorgelegen habe,
Die Festhalle müffe übrigens anders bewirtsch-aftet werden,
wie das Musenm, denn die Festhalle sei aus öffentlichen städt.
Mitteln -errichtet und müsse die Heidelberger Bürger beruck-
sichtigcn, während die Museumsgesellschaft hieran nüi)t gebunden
gewesen sei und ihre Weine fast ausschlietzlich von auswärtigen
Firmen bczogen habe. Der O b e r b ü r g e r m e i st e r be-
tont, datz der Wirt nicht berechtigt sein werde, einen Wem
zu bestellen, wenn ihn dic Kommission nicht genehmigt habe.
.Er bestätigt, daß die Stadt dem Wirt gegenüber dürchaus
uicht Fiskautät treiben wolle, sie komme dem Wirt wekt ent-
gegcn und dieser erkenne auch 'das Entgegenkommen an„
andererseits wolle man aber doch auch einige Einnahmen aus
der Festhalle ziehen, damit die Verzinsimg des Anlage-kapltals
nicht ausschlietzlich durch städtische Mittel zu erfolgen habe.

Die Vorlage, weühe 21 000 Mark und 109 000 Mark ver-
langt, wird hierauf einstimmig genehmigt.

V orlage 3, betr. die Herstellimg von Stratzcn auf dem
Gelände dcr früheren Waggonfabrik wird nach einer kurzen
Erläuterung dnrch Bürgermeister Dr. Walz von der Versamm-
lung ohne Diskussion genehmigt.

Eirre umso längere Debatte knüpfte sich dafür an Vor -
lage 4, welche sich auf die Anlage ein-er neuen Stratze cm der
Westseite der Providenzkirche zwischen Hauptstratze und Land-
fried)tratze bezicht.

2er O b e r b ü r g e r m e i st c r teilte zimächst mit, daß
nachträglich mit der Firma Landfried verhandelt worden sei.
Die Firma lege nicht Gewicht auf dre Asphaltierung der
Strahe, sondern ihr sei auch ein-e Macadamisierung recht. Das
mache ein Weniger von etwa 8000 Mark. Bürgermeister Dr.
Walz berichtigt eirien Jrrtum in der Druckvorlage. An der
engsten Stelle sei die geplante Stratze nicht 1,50 Mcter, fon-
dern nur 96 Ctm, schmäler als an der breiiesten Stelle. Der
Obmarm des Stadtverordnetenvorstandes, Rechtsanwalt L eo n-
hard kann sich perfönlich zur Empfehlung der Vorlage nicht
entschlietzen. Er anerkenne, datz die Herstellung der Stratze
für die Stadt und für die evangelische Gemeinde gewisse
Borteile, wre das in der gedrucktcn V-orlage ausgeführt werde,
bringen würde. Er begreife, datz die Stadt die Herstellung der
Siratze als im öffentlichen Jntersse liegend betrachte und dah
der Stadtral denieiitsprcchcnd dic Borlage gemacht habe, aber
er habe zwei Bedenken. Erstens würde das Anfehen der Kirche
zwar'in einer Beziehung gewinnen, aber andererfeits bei einer
Stratze von nur 9 Metern doch auch verlieren und zweitens sei
es ni'cht richtig, dah die Stadt das Hauptinteresse habe (Bravo l)
die in Frage stehende Firma sei so sehr Hauptinteressent, dah
sie die Strahe eigentlich selber machen sollte (Bravol Der
Oberbürgermeister spricht sein Befremden über die Bravorufe
aus und auch ber Redner wünscht, dah Rufe nicht erfolgen
möchten.) . Er bedau-ere gegen die Familie sprechen zu müssen,
d!e er hochschätze, aber er finde, dah die Gegenleistungen der
Firma Landfried unzureichend seien. Der heutige Zustand,

>«,

Wilde Woge«.

Roman von Ewald August K ö n i g.

(Fortsetzung.)

i-r dem Enischluß, diesen Verdacht dem Untersuchuiigsrich-
Aderzüglich mitzuteilen, trat er den Rückweg an; er hatte
rsffte der Brücke erreicht, als er seinen Namen nennen hörte.
stq^iii Blick fiel auf zwei Brückenwächter, die am Geländer
uud in eifrigster Uuierhaltung begriffen waren.
sir x u kommt der Doktor lGeier," sagte dcr eine, ,,er kann
Wgeri, was du tun sollst."

dex andere nickte und trat auf den Rechtskonsuleiiten zn,
'sfye» geblieben war,

bezahle nichts dafür, Herc Doktor," sagte er rauh,
«ii^^ll nur wissen, ob mans der Polizei a-nzeigen mutz, wenn
der Nacht einen Hilferuf gehört hat,"

"^uien Hilferuf?" fragte Geier, „Wann? Wo?"

",Destern Nacht hier auf der Brücke."

"Um welche Zeit?"

^ ^ar kurz vor 10 Uhr," erwiderte der Kuecht, „der
sioü? heulte uud der Regen kam eimerweife herunter, aber
Nep * Höllenlärm hörte ich den Schrei so deutlich, als ob
2^11 dem Verunglückten gestanden- hätte,"

"sisiWhen haben Sie nichts?"

»df "-^^When? Nein, es war stockfinster. Es muh ziemlich
^iife,,^ Miite der Brücke gewesen sein, ich bin gleich hinge-
ll»d L da war nichts zu fehen und zu hören autzer Wasser
^Nirm."

^»kt'or andere Leute auf der Brücke?" fragte der

, ludem er den beiden Knechten eine Prise anbor.
sin^ .^wselben Augenblick wär weit urrd breit kein Mensch.
Se„ » uberhaupt nicht viele Mettschen über d!e Brücke gegan-

»Kei

ttien Tit! den Kaufmann Rüder?"

j „Weshalb fragen Sie mich?" erwiderte der Brückenwärter
> mit einem Blick, iu dem Ueberraschuug und Befremden sich
j spiegelten.

„Er mutz ja um dieselbe Zeit auf der Brücke gewesen sein",
erwiderte der Doktor, der seiner Erregung kaum noch gebieteu
kounte.

„Da haben Sie Recht, er ist kurz vorher mit einem anderen
Herrn an m!r vorbeigegangeu, ich sah den beiden nach, weil sie
sich so lcrut zankten. Der andere Herr nannte ihn einen gott-
'losen Schuft, das hörte ich gerade, als sie mi mir vorbei-
gingeri."

„Uud gleich nachher hörten Sie den Schrei?"

„Gleich uachher", nickte der Knecht, „die berden komiien
noch iiicht drüüeii sein, obglcich sie sehr räsch gingen."

„Sahen Sie denn den Kaufmann Röder wieder?"

„Jawohl, es schlug gerade zehn Uhr, ich stand noch hier
auf der -Stelle, wo der Menfch verunglückt sein mutz. Der Herr
stürmte an mir vorbei und sprach mit sich selbst, er trug den
Schirm nicht offen, vbgleich es immer noch furchtbar regnete;
das fiel mir auch wieder auf."

Der Dvktor trat dicht an das Geländer heran; es befand
sich an dieser Stelle eine Lücke, durch die man auf die Kähne
hiuübersteigen konnte, auf denen die Brückenbohlen ruhten.

„Kanu deim hier jemand vcrunglücken?" sagte er dann.

„Na, es ist hier schon mancher ins Wasser gesprungen, um
seinem Leben ein Ende zu machen", sagte der audere Kn-echt,
„das kann man nun gerade kein Verunglücken nennen."

„Wenn er freiwillig himmterspringt, allerdings nicht. Aber
es ist möglich, dah man hier jemand gegen seinen Willen hin-
unter werfen kann?"

„Weshalb nicht, ich fasse den Femand an der Kehle, datz
ihm der Atem ausgeht und werfe ihn hinab, Wenn das geschickt
gemacht wird, gibt es keinen grohen Lärm, der erste Griff mutz
mir gleich gelingen,"

Der Doktor blickte in das rauschende, braiisende Wasser
hinab, >

, War es denn möglich, datz Hugo Röder diejeu Mord began-
gen haüen konnte?

„Gewihl" lautete die Antworr auf diese Frage, „es war
ja der einzige Weg, der es ihm ermöglichte, Ehre und Frei-
heit zu rettenl"

Aus sei'nem Brüten erwachend, sah er die Blicke der beiden
Knechte erwartungsvoll auf sich gerichtet.

„Habi Jhr keinen Versuch gemacht, den Unglücklichen zu
retten?" fragte cr, indem er ihnen nochmals eine Prise anbot.

„Wäre das möglich geweseu?" antwortete der Brücken-
wächter in spöttischem Tone, „Jch sah ihn ja nicht, und mit
einem kleinen Nachen möchte ich nicht einmal am hellen Tage
in diese wilde Flut mich hinauswagcri."

„Da kommt ein Leichnaml" sagte der andere schauernd,
auf einen dunklen Gegenstand deutend, .der im nächsten Augen-
blick unter der Brücke verschwand, „Der wird auch um Hilfe
gerufen haben, und niemand hat ihn retten können,"

„Mit dem ists ein ander Ding", erwiderte der Doktor,
während sie quer über die Brücke eilteu, um der Leiche nachzu-
schauen, „er wird wirklich verunglückt oder ermordet wor-
den sein."

„Sie glauben also wirklich an einen Mord?" fragte der
Knecht.

„Soll er freiwillig heruntergesprungen sein?"

„Wäre das nicht möglich?,,

„Jn diesem Falle uicht, denn der Männ, den ich vermisse,
war seines juugen Lebens -nicht müde. Ein reicher Mann, der
alles hat, was er haben will, springt nicht ins Wasser.

Die beiden Knechte blickte» ihu starr an.

„Sie vermisseii jcmand?" fragtc der, welcher dcn Schrei
gehört hatte. „War es derselbe, der den Kaufmann Röder -be-
gleitete?"

„Habt Jhr schon auf Röder Verdacht geworfen?" crtmderte
der Doktor.

„'Je niin, wenn man einen solchen Hilferuf gehört. hät,
macht man sich allerlei Gedanken, und dcr Kaufmann Röder
 
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