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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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»n bestinnnten Lagen tvird kein« Berantwortlichkeit Wernommcn. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den ftädt. Anichlagstellen. Fernsprecher 82

Moutrlg 6 Npril 1W3_M-eites BLstt. 45. Zahrgaug — iVr. 81

Aie Mismarckfeier auf dem Katzenbuckek.

Zur Msmarckfeier auf dem Katzenbuckel hatte sich,
^>üch dem Bericht der „Eberbacher Ztg.", eine große Lteuge
l'atriotischer Männer aus weitem Umkreis zusammeu-
Sefuuden. Ter Regen, der deu Tag iiber uiedergezangeu
ivar, hatte aufgehört, der Himmel war klar geworden.
Urn 8 Uhr begannen sich auf dem Turm die Flamnien
i» erheben und gleichzeitig kam von Waldkatzen-
l'- a ch herauf mit Trommelklang, Fackeln und Lampions
der Zug der Festteilnehmer, zu dem besonders die Kric-
llervereine des Winterhanches etn starkes Kontingent ge-
ilellt hatten. Beim Turme stimmte der Gesangverein
lsintracht-Watdkatzenbach ein erhebendes Licd an und als
bics verklungen war, ergriff der Vorsitzende des Katzen-
^uckelvereins, Herr Dr. Wolff, das Wort zu einer
iuizen herzhaften Ansprache. Er führte aus, w'e öer
Katzenbuckel jetzt erstmals in die Reihe der Berge trete,
»uf denen man durch Jlammenmale den gewaltigen ersten
Kcm-cker des deutschen Reiches feiere, diese Heldengsiir.it,

nns um so mehr zum Vorbild diene, je mehr fie dcr
siiarteien Gunst und Haß entrückt, je klarer sie gefchaut
si'erde. Er rief die Gefühle des Dankes wach für dcn
Mann, der im Verein mit unsrem ersten Kaiser unS das
-sieich geschasfen, er feuerte die Festteilnehmer au, alle-
Zeii treu und fest zum Vaterlande zu halten und sorderts
Üe anf, dies zu bekräftigen in dem Liede „Deutjchland,
Leurschland über alles!" Mit diesem Liede begann zu-
Slcich wieder der Abstieg nach Waldkatzenbach, wo die
Feier in dem schön geschmückten Saale der Körber -
schen Wrtschaft unter Vorsttz des 'Herrn Dr. Wolff sich
iartsetzte.

Ein Streichquartett, gebildet aus vier Herren, Leh-
lern des Winterhauchs eröffnete die Feier mit der jchön
Uiid verständnisvoll vorgetragenen Ouverture zur
"Weißen Dame". Die Festrede hielt Herr Vürgermeister
Dr. Weiß - Eberbach.

Begeistert stimmten Alle in den Ruf ein: Deutsches
Volk, deutscher Geist, Deutsches Reich, sie sollen lebeu.
blühen und gedeihen von Jahrhundert zu Jahrhnndert!
Hochl Hoch! Hoch! Aus voller Kehle uiid frischer Brust
sstnimte die Versammlung in das Lied ein: Deutschland,
Teutschland über Alles! Hierauf brachte Herr Pfqrrer L.
Hosmann - Strümpfelbrünn einen Toast auf Kaiser
Ästlhelm II. aus.

Zwischen den Reden erschallten von der etwa 200 Köpfe
^ählenden Festversammlung die bekanntesten und belieb-
sesten Volkslieder, welche mit Vorträgen des Streichquar-
tetts und des Männerchors aufs Beste wechselten.

Bürgermeister Haas feierte den Großherzog, dem
die Versammlung ihre Treue und Ergebenheit durch ein
^Äegramm Ausdruck geben ließ. Ferner sprachen die
Herren Frey - Eberbach, Gauvorstand des Militörver-
bstis, Herr Dr. KeIler, Rechtspraktikant-Eberbach, Hr.
Direktions-Jnspektor Fnnke - Mannheim, Herr Notar
Dlaisch - Müdnu und Herr Oberamtmann Dr. Mays-
^berboch.

Als nach Mitternacht das Programm erledigt war
und die Mehrzahl der auswörtigen Gäste sich auf den
Heimweg machen mußte, trennte man stch in der Ueber-
zeugung, daß dieBismarckfeier auf dem Katzen-
buckelam 1. April auf lange Jahre hinaus eine st ä n-
dige Einrichtung sein wird, und daß man künstig
auch mit gutem Gewissen noch weitere Kreise zur Beteili-
guug wird einladen dürfen.

Deutsches Rcich.

— Zum kommandierenden General des 15.
Armeekorps ist der bisherige Kommandeur der 3.
Division, Henschel von Gilpenheimb, ernannt
worden.

Kiel, 2. April. Nach fast sechsjähriger Tätigkeit
als Kadetten- und Schiffsjungenschulschiff stellte heute
die „Charlott e" aus der Reichswerft außer
Dien st. Die vor genau 20 Jahreu auf der Wilhelms-
havener Schiffswerft auf Stapcl gelegte Fregatte been-
det jetzt den wichtigsten Abschuitt ihrer Geschichte. Auf
dem Schisf wurde nicht nur Hunderten junger Deutschen,
darunter zwei Fürstensöhne, die erste seemännische Ausbil-
dung erteilt, sondern es hat auch dem deutschen Namen
Ehre und Ansehen im Auslande verschafst. 1897 führte
die „Charlotte" gemeinsam mit der „Stein" das Vorge-
hen gegen die d^egerrepublik Haist durch. Beide Schiffe
erschienen, klar zum Gefecht, ani Morgen des 6. Dezember
vor Port au Prince und überreichten ein Ulstmatum: Zah-
lung von 20 000 Mark an einen vergewalstgten Deutschen,
Entschuldigungsschreiben des Prästdenten, Wiederauf-
nahme des deutschen Gesandten, Ehrensalut für die deutsche
Flagge oder Beschießung der Stadt. Die Haitianer zö-
gerteu. Als um 1 Uhr die „Charlotte" den ersten Sckzuß
seuern wollte, stieg am Hause des Prästdenten ein Bett-
laken als Parlamentärflagge empor. Die Regierung er-
füllte sämtliche Forderungen. Das im September 1902
als Seeräuberschiff vom „Panther" in Grund geschossene
Kanonenbot „CrSte ll Pierrot" salutierte die deutsche
Flagge. Vor Venezuela diente die „Charlotte" während
der Blockade als Etappenschiff. Die Fregatte wird zu-
weilen das Feiierwehrschiff der deutschen Marine ge-
nannt. Sie hat sich bei der Bekämpfung großer Brände
in Petersburg und Konstantinopel hervorragend beteiligt
und die Anerkennung des Zaren Nikolaus II. und des
Sultaus Abdul Hamid II. erworben.

Baden.

116 Karlsr u h e, 3. Aprisi Ueber den Verlaus der
Hauptversammlung des n a t i o n a l l i b e r a l e n V e r-
eins ist noch einiges Nähere mitzuteilen: die Versami»«'
lung war sehr stark besucht. Prof. Dr. Goldschmrt
teitte nach Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten
mit, daß Abg. Bassermann nach reiflicher Ueberlegung sich
entschlossen 'habe, die Kandidatur anzunehmen. (Bravo !)
Bassermann habe sich durch seine Kenntnisse und sein kon-
ziliantes Auftreten auf allen Seiten des ReichstagE An-

erkennung erworben. Unser Wahlbezirk und das ganze
Badner Land könne es sich nur zur Ehre anrechnen, wenn
es gelingt, den Führer der Partei wieder in den Reichs-
tag zu bringen. (Bravo!) Eine eigentliche Wahlparole
wte 1887 haben wir nicht. Um so energischer müssen. wir
darnach ssteben, Männer von erprobter Itberaler und na-
tionaler Ge'sinnung in den Reichstag zn bringen, der in
den nächsten Jahren große Aufgaben zu lösen habe. Jm
Anschl-nß an den einleitenden Vortrag des Herrn Gold-
schmit entspann sich eine lebhaste Debatte über die poli-
tische Lage. Herr Schoch wandte sich energisch gegen die
Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes. Durch ganz
Deutschland gehe ein Entvüstungsschrei. Wir wollen einen
Abgeordneten, der unserer badisäM Regierung und dem
Bnndesrat das Rückgrat steift '(stürmüschjes Bravo!),
der etwas gelernt hat ans der Geschichtc der letzten Jahre.
Wir begreifen nicht, wie wir einen Kandidatm wählen
sollen, der unsere Stimmung in dieser Frage nicht teilt.
(Bravo!) Er sei beauftragt, Bassermann direkt zu fragen,
wie er sich zur Aufhebimg des 8 2 stelle, uud ihm von der
Stimmung der Wähler Kenntnis zu geben. Der Vorstand
möge Herrn Bassermann davon verständigen und ihn er-
suchen, gegen die Aufhebung des 8 2 sich auszusprechev-
Auf die jesuitische Spitzfindigkeit, daß der 8 2 keinen Wert
mehr habe, lassen wir uns nicht ein (stiirm. Bravo!).
Es sei kein imperatives Mandat, wenn die Wähler zum
Kandidaten sagen: Das ist unsere Stimmung! Den je-
suitischen Geist halten wir für gefährlicher als die So-
zialdemokratie, weil die Jesuiten an Orte dringen, wo
die Sozialdemokratie nicht hinkomnien knnn. (Stürmischer
Beifall!). Prof. Fischer beantragte, daß der altliberate
Verein sich dem Protest des jungliberalen Vereins gegen
die Aufhebiing des 8 2 anschließen soll. Dr. Binz
vertrat die Ansicht, daß deni 8 2 kein großer Wert beizu-
legen sei. Allerdings sei es an der Zeit, daß den Ulsta-
montanen kein weiteres Zugeständnis mehr gemacht
wird (Bravo!). Er habe die seste Ueberzeugung, daß
Bassermann in dieser Hinsicht seinen Mann stellen und den
Pulsschlag der Zeit versitehen werde. Hier handle es sich
nicht iim eine Frage des Prinzips (lebhafter Widerspruch).
Warten wir die Erklärung des Herrn Bassermnnn ab,
dann könne jeder nach seiner Ueberzeugung handeln.
Zwietracht im eigenen Lager komme nur dep Sozial-
demokraten zugute, «die zwar ihrer Gesimiung ttüch öinö
scharfe Gegnerin des Ultramontanismus sei, aber immer
und überall seine Handlaitgör mache. Der Redner richtete
zum Schluß einen warmen Appell an die Anwesenden,
der alten Traditionen eingedenk zn sein nnd einig und ge-
schlossen aufzutreten, damit die Sache nicht wegen unter-
geordneter Dinge (Oho!) Sckmden leidet. (Bravo).
Oberbürgermeister SchnetzIer ist der Meinung, man
könne Herrn Bassermann wohl sragen, aber man dürfe
ihm die Pistole nicht auf die Brust setzen. Abg. Wilckens,
der gewiß ein kluger Mann sei, habe ihm gegenüber die
Ansicht ausgesprochen, daß Bassermann bei den veränder-
tcn Derhältnissen sehr gut das Versprechen abgeben könne.

^ Wilde Wogen.

si Roman bon Ewald August König.

(Fortsehung.)

z, „Tnnn sollte Jhre Mutter ein Machtwort sprechen und die
^erbindung wieder lösen; nach der Hochzeit kommt die Reue
spät."

. „Meine Mutier ist eine alte Frau, die keinen Unfrieden
six geduldei sich gcrn und hofft von dcr Zuknuft
Beste. Meine Schwester muß ja selbst auch wissen, was
tun und laffen soll, sie ist ali genng dazu geworden."

>,Jhr Verlobter muß eine hübsche Summe geerbt haben."
»Es scheint so, wir können aber nichts Bestimmtes erfah-
unsere Fragen werden mit Grobheiten beantwortet."
„Damit würde ich an Jhrer Stelle Mich nicht beruhigen.
dürfen verlangen, daß er Jhnen reinen Wein einschenkt."
^ ..Berlangt habe ich es auch, aber kann ich ihn zwingen,
; ssiu er sich weigert? Jch muß die Dinge ihren Gang gehen
Bsien, Marianne will es nicht anders, und si.e hat doch in die-
^ Angelegenheit die erste Stimme."
c. Cs schlug 7 auf der Schwarzwälder Uhr, die an der Wand
Konrad ordnete die Papiere auf seinem Pult und trug
die Geschäftsbücher in den Schrank.

..Es ist nichts mehr zu erledigen?" fragie er.
g^"8ür heute nicht," erwiderte der Buchhalter, „Sie können
ich will nur noch ein halbes Stündchen arbeiten."
ff^Als der junge Mann die Haustür geschloffcn hatte, sah er
- seiner Schwester gegcnüber.

yn.-Jch habe aus dich gewartet," sagte sie in ihrer resoluten
..Di l während fie das Tuch sester um ihre Schultern zog.
sollft mii mir gehen."

»cku Gerhard?" fragte er.

-. siawohl, ich will wiffen, was ich zu erwarten habe. So

wia es jetzt ist, kann ich es nicht länger ertragen, entweder —
oder!"

„Was ist vorgefallen?" sragte cr besorgt.

„Nichts Besonderes," erwiderte sie schars, „die neue Wirt-
schaft gefällt mir nicht. Das Schenkmädchen mutz aus dcni
Hause, kann er nicht allein die paar Gäste bedienen, so soll er
sich eincn Kellner halten."

„Also Eifersucht?"

„Das nicht allein, ich habe auch noch andere Gründe. Er
hat das Geld kaum im Sack, so wirft er es auch schon zum
Fenster hinaus. Mit den großen Spiegeln und den Marmor-
tischen lockt er keine Gäste ins Haus, er spielt sich damit auf
wie ein echter Prahlhans, 'da kann es nicht lange vorhalten,
er wird bald wieder so arm wie Hiob sein. Und woher hat er
vur das viele Geld?" einmal will er es geerbt haben, ein
andermal hat er es in der Lotterie gewonnen, und man wird
gar nicht recht klug daraus."

„Nein, man wird nicht klug daraus," erwiderte Konrad
gedankenvoll; „indessen, das ist im Grunde genommen, auch
seine Sache, und uns kann es gleichgiltig sein, wenn er im
übrigen ehrlich handelt."

„Das scheint er nicht zu wollen, auf meine Fragen gibt er
mir keine Äntwort mehr und von unserer Hochzeit ift keine
Rede. Wenn ich seine Frau wäre, könnte ich das Geld zusam-
menhalten, ich nähme die Mutter mit ins Haus. sie hätte dann
auch ein befferes Leben. Aber davon darf ich gar nicht mehr
redcn, er wird gleich grob und roh und gestern sagte er mir
sogar, er könne immer noch eine andere finden, er brauche
nur die Hand zum Fenster hinaushalten, dann hingen an je-
dem Finger gleich zehn, die ihn gern zum Manne nähmen."

„Es mag je nur Spaß gewesen sein, aber mii jolchen Din-
gen soll man nicht spaßen."

„Jch würde mir derartige Späße verbiiten."

„Das will ich auch. Heute Abend noch soll er mir Gewiß-
heit geben. Jch bin schon ein altes Mädchen, ich kann nicht in
alle Ewigkeit warten. Jch hätte das getan, wenn er arm ge-

blieben wäre; aber er hat nun die Mittel zum Heiraten, da
soll er auch voran machen. Wenn er das nicht tut, dcmn ist
es ihm auch nicht ernst damit, und dann gehcn wir beffer
heute als morgen auseinander."

„Das sage ich auch," nickte Konrad, „ich glaube ohnedies,
nicht, daß Jhr miteinander glücklich werdet."

„Wenn ich seine Frau bin, wcrde ich ihn bald unier dem
Pantoffel haben," erwiderte sie in zuversichtlichem Tone. „Er
hat seine Ecken, aber man kann ihn leiten, wenn mans nur rich-
tig anzufangen weiß."

„Das wäre dann ein stetes Zanken und Strerten; wo kern
Friede ist, ist auch kcin Glück, Marianne. Da wollte ich lieber
allein bleiben, und mich jeden Tag iotmüde arbeiten —"

„Das lst auch leicht gesagt," unterbrach sie ihn, „vergiß
nicht, daß ich auch unsere Mutter ernähren muß, es wird
mir manchmal schr sauer. Und wenn ich einmal krank würde,
dann —"

„Dann bin ich auch noch da, Marianne."

„Du bist ein guter Junge und hast den besten Willen, das
wciß ich ja, aber was du jetzt verdicnst, das brauchst du selbst,
und es kann auch noch lange dauern, bis dein Einkommen
größer ist."

„Salinger hat mir Zulage in Aussicht gestellt."

„Wenn er auch sein Versprechen hält, cs wird nicht viel
sein, sicherer ist es jedenfalls, wcnn ich die Frau GerhardS
werde."

„Uud wenn er die Bude wicder schließen muß, kannst du
auch für ihn arbeiten."

„Jch werde schon die Augen offen und die Hände auf dem
Gelde halteu. Jn die Zukunft kann freilich niemand blicken,
und werm man Unglück haben soll, dann nruß man still halten
und srch in Geduld fügen."

Sie bogen rn dre enge Straße errr, an der die Schenke zum
„Schwan" lag.

Von außen sah das H«us noch so unfreundlich und ver-
kömmen aus, wie an dem Tage, an dem Steinthal es übernom- '
 
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