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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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7. Deutscher Hlstorikerkongreß.

ii.

Heidelberg, 17. April.

Von der Sitzung der Historikerversammlung am gestrigen
Vormittage ist noch einiges nachzutragen. Herr Prof. von
Zwidinek berichtete, daß man beabsichtige, die Veröffent-
lichung dcr Korrespondenz'Ferdinands des I. mit Karl dem V.
und Margarete und Maria von Ungarn aus den Jahren 1519
Lis 1531 in die Wege zu leiten. Das Material finde sich in
den Staatsarchiven zu Wien und Brüssel; vielleicht seien auch
einige italienische Archive heranzuziehen. Dem sügte Herr
Archivar B e r n a h s-Stratzburg noch Hinzu, daß wohl auch
das Archiv zu Lille berücksichtigt werden müsse. Nachdem
uoch Herr Geh. Hofrat Marcks Mitteilungen über den sür den
Nachmittag geplanten Ausflug nach der Stiftsmühle und
über die Fahrt nach Maulbronn gemacht hatte, nahm Herr
Prof. C. Neuman n-Heidelberg das Wort zu seinem Vor-
trage über: „Byzantinische Kultur und RenaissancLkultur."
Die herrschende Meinung war bisher die, daß die Renaissance
die Mutter unserer Kultur sei. Bei seinen bhzcmtinischen Stu-
dien habe er nun eine auffallende Beobachtung gemacht. Jm
bhzantinischen Reiche hättcn sich zwar viele Denkmäler des
klassischen Altertums und die griechische Kultur erhalten ge-
habt, aber von aller Betätigung des öffentlichen Lebens des
llassischen Altertums hätten sich nur die Zirkusspiele haltrn
können. Die bhzantinische Kunst sei unfruchtbar gewesen,
wenn auch nicht die bhznntinische Politik. Er analysierte nun
Lic Grundlagen der byzantinischcn Kultur, um von da aus
auf die Renaissancekultur einen Blick zu gewinnem Er unter-
suchte zunächst, ob Byzanz so mächtig war, eine neue christ-
liche Kultur zu schaffen. Der Koran hatte, so führte er aus,
,ein neues Recht gebracht, in dessen Lückcn die Ueherlieferung
Don Sprüchen des Propheten getreten war. So entstand die
Jurisprudenz des Jslam. Das römische Recht blieb aber als
das herrschende bestehen und daneben das kirchliche Recht. Die
kirchliche Opposition war damals die einzig mögliche Opposition
gegen das herrschende Regime. Die Religion war verweltlicht
nnd fast verstaatlicht; sie war in Paragraphen geformt und
so die Theologie das Elemcnt der allgemeinen Bildung ge-
worden. Wo war da der wahre Sinn des Christentums ge-
blieben? Das Mönchtum war vollkommen bon der übrigen
Welt abgeschieden, der Römerstaat oben auf, niemals trotz
Eindringens fremder Völkermassen ist Byzanz ein Barbaren-
staat geworden. Es blieb ein Römerstaat mit christlicher grie-
ehischer Oberschicht. Die römische Ueberlieferung vermochte
die christliche Kultur und das Barbarentum in der Entwicklung
HU hindern. Die Kunst des klassischen Altertums hat sich also
in Bhzanz nicht zu neuem Leben entfalten können. Nun
ging der Vortragende zur Bstrachtung der Grundlagen der
Renaissancekultur über. Jm Abendlande erhob sich neben
Despotismus und Zwangsgewalt eine neue Macht, das Chri-
ftentum. ' Dieses wurde der Ausgangspunkt der Befreiung der
ganzen Welt. Dieser Freiheit des neuen Thristentums kam
das freie Barbarentum cntgegen. Eine treffliche Parallele
zog dann der Vortragendc zwischen Dantes Auffassung des
Abendfriedens in seiner Vita nuova und zwischen Homers
Auffassung. Bei Dante tiefes seelisches Empfinden gegen Ho-
mers kalte Schilderung. Die mittelalterliche Kultur begann
damals reif zu werden. Verblendete Jtaliener waren es, die
für die Beseitigung der alten Kunstformen das Wort Wieder-
geburt erfanden, während sie die nordische Kunst der Barbaren
die gotische nannten. Die italienische Renaissancekultur ver-
nichtete also die klassischen Formen des Altertums. Für. diese
Mitgift haben wir uns den Jtalienern nicht zu bedcmken. Das
Barbarentum und die christl. Kirche waren, das war das Er-
g> bnis des Vortrags, das belebende Element des Mittelalt-ers
gewesen, -uf das die Reformation fördernd einwirkte. Aus
Barbarenkraft und -Realismus und aus dem christlichen Mit-
telalter heraus wurdc die Renaissancekultur geboren. Reicher
Beifall lohnte den Redner, dem Herr Geh. Hofrat Marcks
noch Worte herzlichen Dankes im Nämen der Versammlung
und des Abschiedes anläßlich seines Fortganges von Heidcl-
berg widmete und die besten Wünsche mit auf den Weg gab.

Am Nachmittag um 4 Uhr hielt Geheimrat Prof.
Marcks einen öffentlichen Vortrag über Ludwig Häusser. Die
Aula, die am Vormittag kaum zur Hälfte mit Zuhörern besitzt
war, wies am Nachmittag eine doppelt fo zahlreiche Hörerschair
auf. Auch viele Damen waren zu dem Vortrag gekommen. .Der
Nedner gab in scincr glänzenden Sftrache ein außerordentlich
anschauliches und lebensvolles Bild Häussers. Seine Fähig-
leic, eincn Charaktcr zu zergliedern, sein Werden in stetcm -
Hinblick auf seine Ureigenschaften und die ihn beeinflussenden
Ümstände zu verfolgen, zeigte sich im hellften Licht, dazu kam
das besondere Verständnis, das der Historiker dem Fachkollegen
entgegenbringt. Der Vortragende knüpfte an Ort und Land
an. von dencn das Wirken Häussers nicht getrennt werden
kann und zerlegte unter Angabe der betrcffenden Jahreszahlen
idie Entwicklung Häussers in mehrere Perioden. Von Pfälzer
'Eltern 1818 geboren, kam Häusser als zweijähriges Kind nach
Mannheim; 1835 bezog er die Universität Heidelberg, um
Philologie zu studieren. Dabei fiel er dem Einflutz Schlossers
anheim, bei dem der philosophisch-moralische Sinn den politi-
schen und histo-rischen weit überwog, der aber doch mit Recht
-als Historiker einen großen Einfluß auf seine Zeitgenossen er-
rungen hat. Eine anschauliche Schilderung Schloffers machte
dies im speziellen deutlich. Als Zweiundzwanzigjähriger habi-
liiierte sich Häusser in Heidelberg. Seine zwei ersten Schrif-
ten sind noch schlosserisch; dann machte er sich aber mehr und
mehr frei, was unter anderem an seinen Beiträgen für die
Allgemeine Zeitung, die er lange Jahre hindurch lieferte, zu
e'kennen ist. Er greift mit dieser Tätigkeit von 18.41 ab in
das politische Denken ein. Er verlangt eine deutsche liberale,
Uationale Auffassung; sein Jdeal unter den Historikern ist
Dahlmann, Ranke patzt ihn am wenigsten. Jn der Auffassung
unb Darstellung verwirft er alle Künstelei, alle Pointierung.
Auf seine Schüler machte schon der junge Lehrer großen Ein-
druck. Großherzog Friedrich hörte als Studierender auch bei
ihm; der jugendliche Lehrer hat auch auf diesen jugendlichen
Schüler tief. eingewirkt; die 1860er Verwerfung des Konkor-
dats und Herbeiführung der neuen Aera sind im Häusser'schen
Geiste geschehen. Die pfälzische Geschichte ist das Hauptwerk
Les jugendlichen Historikers, eine mit außerordentlichem Fleitz
geschaffene Arbeit, ein Meisterwerk, das die liebenswürdige, gc-
sunde Art seines Verfassers, seinen glücklichen Griff für das
Skichtige dokumentiert, ein gewinnendes, packendes Buch, das
heute noch nicht ersetzt ist. Von 1848 gehörte H. zwei Jahre
der 2. Kammer an. Die Schleswig-Holsteinische Frage, die
Revolution haben natürlich auf den Historiker Häusser mäch-
tig eingewirkt. Früh erkannte er den Beruf Preußens, die
Einheit Deutschlands herbeizuführen, und stellte sich damit in
den Kreis jener bedeutenden politischen Historiker der damali-
gen Zeit, unter denen er mit Gervinus das süddeutsche Ele-
unent repräsentierte. Der Schlag von Olmütz traf ihn schwer.
War er schon vorher innerlich nicht ganz einig mit Preuhen,
so wurde ihm dies zu jener Zeit noch erschwert, zumal da er
Lie Einigung Deutschlands vom geistigen und liberalen Stand-
Punkt aus erstrebte und das eigene Schwergewicht und den
Machttrieb eines Grotzstaats weniger beachtete. Bon den lite-
rarischen Werken seiner zweiten Periode ist das Buch über das
Leben Friedrich Lists das schönste. Die frische hinreihLnde
Energie im Ergreifen des Lebendigen, die ihm eigen war,
kommt darin zum höchsten Ausdruck. Jn seinen Denkwürdig-
keiten zur Geschichte der bad. Revolution hat H. mit großem
'Fleiß ein weitschichtiges Material zusammengetragen. Er stand
Ler Zeit zu nahe und zu persönlich gegenüber, um völlig objektiv

scin zu können, aber es geht auch durch dieses Werk sein Stre-
ben nach Gerechtigkeit. Dann kam seine deutsche Geschichte
von Friedrich dem Großen bis 1815, ein sehr berdienstliches
Werk, das stark auf die Zeitgenossen gewirkt hat. Von Häus-
sers Auffassung in diesem Werk ist mehr stehen geblieben, als
in, seinen andern. Seine Hauptvorlesungen hat Onken
nach stenographischen Aufnahmen herausgegeben An
die Charakterisierung der Werke Häussers, welche eine
ällmähliche Annäherung an die Auffassung Rankes er-
kennen lassen, schloß sich eine Schilderung seiner Per-
son und seiner Lehrweise an; Häusser fprach immer frei,
cin Kollegienheft hat sich bei ihm nicht gefunden. Die auf-
reibende Tätigkeit, die Häusser, der inzwischen wieder in die
Zweite Kammer eingetreten war, fortwährend unterwegs zwi-
schen Heidelberg und Karlsruhe hielt, dazu der angestrengte
Fleiß in den Ferien und ein geringes Maß der Schonung
auch im Lebensgenuß rief bei ihm 1864 eine unheilbare
Herzkrankheit hervor, der er 1867 erlag. Das historische Ka-
theder war damals eine Kanzel; von ihr aus hat Häusser
erzieherisch im besten Sinne auf das deutsche Volk gewirkt.

Der Vortrag, der hier nur ganz kurz skizziert werden
kann und alle Feinheiten, alle tieferen Einblicke und weiten
Ausblicke, die der Verfasser bot, unberücksichtigt lassen mutz,
wirkte stark auf die Versainmlung und rief außerordentlichen
Beifall hervor. Herr Archivdirektor Weech machte im An-
schluß daran einige Mitteilungen aus seiner persönlichen Be-
kanntschaft mit Häusser, dem er vor nunmehr 46 Jahren näher
trat und bis zum Ende ein Freund geblieben ist. Er bestätigte
aus persönlicher Anschauung das Faszinierende und Hinrei-
ßsnde in dem Vortrag Häussers. Richt nur Studierende, son-
dern Personen aller Stände nnd der berschiedensten Alters-
stufen hätten ihm gelauscht. So habe man den erblindeten
früheren Staatsminister von Dusch und den ehemaligen Prä-
sidenten der Nationalversamrnlung, von Gagern, regelmäßig
unter seinen Zuhörern gesehen. Stark sei das Kolleg auch von
hicr studierenden Norddeutschen besucht gewesen und vielcn
von diesen sei erst bei den Worten Häussers das Berständnis
für den nationalen Beruf Preußens aufgegangen. So habe
Häusser sich auch in dieser Richtnng große Verdienste erworben.
Wenn jemand, der Häusser nicht gekannt habe, wie Geheim-
rat Marcks, trotzdem, lediglich auf mündliche und literarische
Ueberlieferung gestützt, ein so richtiges, ein so vortreffliches
Bild von Häussers Leben und Wsrken zeichnen konnte, so iei
dies eine grotzartige Leistung. Durch diesen Vortrag allein,
wenn man es nicht schon vorher gewußt hätte, habe sich Ge-
heimrat Marcks als ein würdiger Nachfolger Häussers er-
wiesen.

Der gestrige Nachmittag war einem Ausfluge ins Neckar-
tal zur Stiftsmühle gewidmet, der,47 Teilnehmer ver-
einigte. Das schlechte Wetter trieb die Herren aber bald
wieder in Heidelbergs Maucrn hinein.

Zum Ort des nächsten Historikerkongresses ist Salzburg
ausersehen worden.

Die heutige Sitzung begann dcs vormittags 9 Uhr mit
einem Vortrag von Professor Haller in Marburg über den
Ursprung der gallikanischen Freiheiten. Während der Gegen-
satz der gallikanischen und der ultramoncn Auffassung in der
französischen Landeskirche in den 4 Artikeln vom Jahre 1682
niedergelegt ist, welche Lehrsätze sind und vorher schon all
Lehrmcinung gcgolten haben, sind die gallikanischen Freiheitcn
ein Staatsgesetz, welches den Ausschluß des Papstes von jeder
direkten Verfügung über die Aemter in der katholischen Kirche
festsetzt. Die gallikanischen Freiheiten stammen aus den Jah-
ren 1407—8 und sie bestanden mit einer Unterbrechung fast
100 Jahre lang, bis sie durch das Konkordat beseitigt wurden.
Jhre Bedeutung geht weit hinaus über die Grenzen Frank-
reichs; sie sind das Programm für die versuchte Reformation
im 15. Jshrhundert; die Reformdekrete von Konstanz u. Basel
sind aus dem gleichen Geiste. Die gallikanischen Freiheiten
sind aus revolutionärem Geiste geboren, sie sind eine Auf-
lchung gegen das päpstliche Regiment,, das durch die Schlag-
worte Zentralisation und Fiskalisation zu bezeichnen ist. Der
Papst hatte das Recht auf die Stellenbesetzung innerhalb der
Kirche, und er machte davon den größten Gebrauch, indem er
sogar Anwartschaften schuf. Die Stellenbesetzung war ihm
eine oße fiskalische Einnahme. Sie bildete die Grundlage
des päpstlichen Budgets und in Frankreich ist dieses System der
Zentralisation und Fiskalisation am durchgreifendsten zur
Anwcudung gekommen. Die Einführung der gallikanischen
Freiheiten hängt mit der Kirchenspaltung zusammen. Wohl
war man anfangs in Frankreich damit zufrieden, daß ein
> Papst in Avignon residierte, die Krone der Klerus, die Uni-
versität Paris hatten Nutzen davon, später stellten sich indessen
doch die Rachteile für Frankrcich heraus und als Benedikt
XIII. zum Papst gewählt wurde, mußte er bersprechen, ab-
zudanken, falls dadurch die Kirchcnspaltung zu beseitigen sein
würde. Benedikt XIII., ein geistig außerordentlich bedeuten-
der Mann, gab wohl das Versprechen, allein er dachte nicht
daran, es zu halten. So beschloß eine Synode die völlige
Aufgabe des Gehorsams gegen ihn. Der Beschluß wurde ge-
nchmigt, aber nachdem Frankreich 5 Jahre lang ohne Papst
gcwesen war, kam es schließlich zum Gehorsam ^egen Benedikt
XIII. zurück. Bald indessen war wieder eine Kampfstim-
mung gegen den Papst vorhanden und nun bersuchte man es
mit einer teilwcisen Aufgabe des Gehorsams, indem eben jene
gallikanischen Freiheiten, welche die Macht und das Einkom-
men des Papstes erheblich einschränkten, eingeführt wurden.
Es fragt sich nun, woher die Jdeen stammcn, die 14 Jahre
lang die Politik Frankreichs gegen Benedikt XIII. bestimmt
haben. Trägerin dieser Politik war die Pariser Universität,
nicht der König, auch nicht die Regenten od. die Minister. AuS
den Abstimmungen des Jahres 1407 geht hervor, datz mehrere
der Abstimmenden sich auf England bezogen. Die gallikanischen
Freiheiten sind nichts anderes als eine Nachahmung der eng-
lischen Art, sich kirchlich zu regieren. Man kannte in Par's
die englische Kirchenverfassung und man versuchte sie durch die
gallikcmischen Frciheiten auch in Frankreich einzuführen, wic
wir gesehen haben, ohne dauernden Erfolg. Es war kein
eigenes Gewächs und blieb deshalb in Frankreich immer
schwach. Die englische Kirche dagegen als Schöpfung der eng-
lischen Nation war ein starkes Gebilde; ihr an die Seite setzcn
kann man die englische Verfassung und den englischen Han-
dcl.

Eine Diskussion knüpfte sich an diesen Vortrag nicht. ES
tolgte dann ein sehr stark besuchter Vortrag von zrrofessoc
Gothein in Bonn über „Vorderösterreich unter Maria The-
r,nw und Joseph II.".

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 17 April.

— Versetzt wurde Gendarm Christ. Anderer von Hei-
delberg nach Strümpfelbrunn. Der noch jüngere Mann war
infolge seines intelligenten Wesens bei der hiesigen Bevölke-
rung sowohl als auch bei seinen Vorgesetzten sehr beliebt.

.— Gestorben. Heute früh verschied im Pfründnerhaus 2
die 89 Jahre alte Margarethe Schuh. Dieselbe ist seit dem
Jahre 1869 ununterbrochen im Psründnerhaus gewesen. Jhr
hohes Alter dürfte Zeugnis ablegen, daß die Behandlung im
Pfründnerhaus eine gute ist und sollten sich Personen, welche
daselbst untergebracht werden sollen, gar nicht sträuben, in
die Anstalt zu gehcn.

V Nnfall. Jn Neuenheim stürzte gestern von einem Neu-
bau ein Taglöhner und brach dabei einen Arm.

8 Polizeibericht. Verhaftet wurde ein Taglöhner wegen

Bettelns. Zur Anzeige kamen 3 Perfonen wegen Ruhe-
störung und 2 Personen wegen Tierquälerei.

** Ziegclhausen, 16. April. (ll n g l ü ck s f a l l.) ' Die
aus Schönau gebürtige, in Ziegelhausen wohnhaft gewesene
Eva Kath. Schrotz wurde vorgestern abend auf der Straße von
Petersthal nach Ziegelhausen von einem Radfahrer über-
fahren und trug dabei einen Schädelbruch davon. Die im
05. Lebensjahr stehende ledige Frauenspcrson erlag noch in
der gleichen Racht ihren Verletzungen.

X Von der Troinm, 16. April. (W i n t e r w e t t e r.)
Schon seit Ostern haben wir hier oben fortgesetzt Schnee-
wetter und dickes Eis. Heute über Nacht hat es so ge-
schneit, daß weit in die Täler hinab bis Fürth, Rimbach,
Wald-Michelbach u. s. w. dickcr Schnee liegt. Dabei stehen
allerorts auch ini Gebirge die Frühobstbäume in voller Blüre
und andere Bäunie strotzcn von quellenden Knuspen. DaS
sind also wieder traurige Aussichten für eine Obsternte.

Mannheim, 16. April. (Vom Musikfest.) Zu der von
einem Sänger in der „Frkf. Ztg." erhobenen Beschwerd?
schreibt das „Mannh. Tgbl.": Der Einsender hat im Grunde
genommen nicht Unrecht, aber die Arbeitslast, die aui deni
Festausschuß ruhte und der Umstand, daß der Veranstalterin,
dcr Stadtgemeinde, nicht Erfahrung erprobter Vereinsvetera-
nen zur L-eite steht, mag Vieles entschuldigen. D:r Gedanke,
an einer musikalischen Großtat m'tgewirkt zu haben, muß dock
auch eine kleine Genugtuung sein. Mit seiner schroffen Ab-
sogc für später dürfte der Mann doch vereinzel: bleiben.

Z Mannheim, 16. April. (DieMesferaffäre) in
der Nacht zum zweiten Feiertage, deren Opfer der Kaufmann
Berger wurde, wird jetzt wesentlich anders dargestellt, als sie
anfänglich geschildert wurde. Das als Ursache Les blutigen
Renkontres geschilderte Vorkommnis soll sich 3 Stunden vor- §
her abgespielt haben; von eincr unüberlegten Tat des Walz
kann also keine Rede sein, sie erscheint vielmehr als ein Rache-
akt. Berger wird als ein gernütlicher und geselliger Mensch
geschildert. Walz, der in Heidclberg in Garnison ist, hat so-
gar den ihm bis 11 Uhr erteilten Urlaub überschritten, uin
seinc Rachegelüste zu bcfriedigcn. Man wird erst das Ergebnis
der Untersuchung abwarten müssen, um volles Licht über die
blutige Affäre zu erhaltcn.

Mannheim, 16. April. Heute Nachmittag 4 Uhr fand un- ?
ter starkem Zudrang des Publikums eine Gerichtsverhandlung
siatt, welche die Aufmerksamkeit ganz Deutschlands auf sich
zu richten geeignet ist. Gottfried Schwarz, evangcli- 1
scher Pfarrer a. D. in Heidelberg giebt seit 7 Jahren
eine Monatsschrift heraus unter dem Titel: „Das Banner
der Freiheit". Dieselbe ist für eine stille Gemeinde bestimmt
und daher im Buchhandel nicht vorrätig. Jn dieser Zeitschrift
hat Schwarz im vergangencn Jahre eine Abhandlung gebracht
über „Leo XIII. vor dcm Richterstuhle Christi", sowie eine
über den „Fetischdienst in den christlichen Kirchen", wobei er
besonders auf das Abendmahl und die Monstranz abhob. Ob-
gleich beide.Abhandlungen nichts enthalten, was nicht seit den
Tagen der Resormation immer wieder gesagt und gedruckt
worden ist, was Schwakz selbst seit Jahr und Tag zu wieder- .
holen nicht müde watd, hat Erzbischof Nörber mit Berufung
auf 8 166 R.-St.-G.-B. kurz nach der Denunziation der
Böhtkingk'schen Schrift: „Auf der Fahrt nach Kanossa" auck
die beiden erwähnten Abhandlungen von Schwarz bei der
Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht. Da diese Anklage
erhob, hat sich nunmehr Schwarz vor den Geschworenen 'a
Mannheim zu verantworten. Schwarz ist ein als „Bc-.
kcnner" in Ehren ergrauter Familienvater von 60 Jahren.

Ehe er im Jahre 1887 in den badischen Kirchendienst eintrat,
war Schwarz durch beinahe 20 Jahre im Oricnt, zuerst als
Lchrer und Direktor der deutschen Schule in Jaffa und dann
als Direktor der deutschen Schule in Beirut in Syricn tätig.

Jni Jahre 1895 gab er seine Pfarrstclle auf, um sich ganz
der Publizistik auf thcologischem Gebiete zu widmen. Die
strafbare Handlung wird von der Staatsanwaltschaft darin
gefunden, daß der Angcklagte in seiner Schrift „Papst
Leo XIII. vor dem Richterstuhle Christi" behauptet: Das
höchste Gebot der Kirche ist gegen das Gewissen zu handeln
oder das Böse mit Bewußtsein zu tun und der Papst macht es
jedem Menschen zur höchsten Pflicht, zum Nutzcn der Kirche
das Böse mit Bewußtscin zu tun. Papst Leo XIII. ist so-
wohl durch seine Tat, als auch durch seine Gesinnung der
eigentliche Widersacher Gottes und fesine Feindschast ist eine
bewußte; er ist dcr Heger, Pflcgcr pnd Erzeuger alles Bösen
auf Erden. Jn der Monatsschrift ,)Das Banner der Frei-
hcit" soll sich der Angcklagte dadurch einer Beschimpfung der
katholischcn Kirche schuldig gemacht haben, datz er in einein ,
„Der Fetischdienst dcr Kirche" überschriebenen Artikel be-
hauptet: „Das Sakrament der Kirche drniedrigt den Men- Z
scken auf die Stufc des unvernünftigen Tieres; die Ver- Z ij
ehrung der Hostie ist nichts anderes als die Anbetung eineS §

Fetisch; die Hostie ift nur ein Stück Mundlack, d. h. nur ein .

an sich totes Ding; kann man sich einen niedrigeren Götzen- ,

dienst denken? Der Fetischismus macht die Menschen tierisch; i

die Folgen dieses Fetiichismus sind für alle, für Priester und
Laien tierische Geistlosigkeit. Sie sind außerdcm auf der einen ^
Seite bei den Priestern Menschenvergötterung und dümmster
Hochmut, auf der anderen bei den Laien hündische Unter- i
würfigkeit." Pfarrer Schwarz wurde freigLsprocheN. (
Die Verhandlung dauerte bis 10 Uhr abends.

* Karlsruhe, 16. April. (D a s kalte Wetter) der ^
letzten Woche gicbt zu ernsten Besorgnissen Anlaß, da füs' .
die Obstblüte wie im vorigen Jahr die Gefahr des Erfrierens «
besteht. Gestern und vorgestern zeigten sich nicht nur Rcis' l

fondern auch Eisbildungen. Aus dcm Schlvarzwald fief H

Schnee. Die Kirschen- und Pfirsichblütcnzeit ist noch nick' ; i
vorüber, sie dauert infolge des kalten Wetters diesmal un- ^
gewöhnlich lange; die Blüten des Frühkernobstes habcn sick ^
schon bereits erschlossen. Aus dem Elsaß liegen NachrichteN I>
über erhcbliche Frostschädcn vor. Nach einer Meldung auS (
Straßburg sank dort das Thermometer während der Nackst !

zum Mittwoch auf 1 Grad unter Null, in Kolmar auf 6—7 -

Grad unter Null. Vom elsässischen Belchen werden 11 Grad «
Kälte gemeldet. i

/X Waldkirch, K. April. (Eingewaltiger Ge- H
wittersturm) mit Donnerrollen töbte gestern abend nack ,

6 Uhr über mnsere Gegend, dem alsbald ein heftiges Schnee- ^
wehen folgte, das die ganze Natur in eine Winterlandschaft
verwandelte. Die Temperätur fiel in der Nacht beinahe aui , ^
Null. Die Baumblüte hat sehr gclitten. i g

X Meersburg, 15. April. (D i e G r o tzh. B a d. T a u b - 4

stummen - Anstalt zu Meersburg) wurde nack !
dem Jahresberichte für 1902—03 von 94 Zöglingen, Knaben - H
und Mädchen, befucht, welche in 10 Abtcrlungen untergebrackl >j
sind. Der Gefundheitszustand war ein guter. Das neue
Schuljahr 1903—04 beginnt ain Donnerstag, den 7. Mai-

Sport. H'

Samstag nachmittags von 5 Uhr ab veranstaltet der H e i^ ^
delberger Ruder-Klub aus seinem Spielplatze uu :
der verläugerten Ladenburgerstraße Sportwettkämpf^'
an denen außer seinen Mitgliedern sich Schüler des Gymna- ^

siums beteiligen werden. Es sind vorgesehen: BallwerfeU' ^

Fußballtreten, Hochsprung, Weitsprung, Kugelstoßen, Hürden- u
rennen und Schnellauf über 100 Meter, 200 Mcter und 80o
Meter. Da sehr zahlreiche Meldungen eingelaufcn sind, fa"
bei den mcisten Punktcn Stechen statt, so daß am SamstaS ^
nur die besten um die Preise kämpfen werden. Für Freuim
von gesunder körperlicher Uebung dürfie daher der Besuch de I
Veranstaltung ein lohnender sein.
 
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