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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Fkkitilg, 26. Zllni 19V3.


15. Ichrgllllg. 11k.



Irscheiut täglich, SonntagS auSgenominen. PreiS mit Familtenblättcrn monarlich 50 Pfg. in'S Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dte P»O

dezogen vierleljährtich t.35 Mk. ausschlicßlich Zustellgebühr. :

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«» brstimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anichlag oer Jnierate auf den Plalattafeln der Heidelberger Zeitung und dcn städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82,

Der Reichskanzler über die Ostmarken-
politik.

? Berlin, 25. Juni. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Bei
öer U e b e r r e hch u n g deis Ehrenbürgerbriefes
ber Stadt Bromberg an den Reichskanzler hielt
llestern Oberbürgermeister Knobloch eine Ansprache, worin er
betonte, die Uebernahme der Geschäfte durch Bülow bedeute
^uf dem mühseligen Wege der inneren Eingliederung der ein-
Nlnen östlichen Gebietsteile eine Etappe, deren Spuren in den
^esetzesvorlagen für den Osten bereits weithin sichtbar ge-
ivorden seien. Sicher werde die unerschütterliche Fortsetzung
E>or nunmehr eingeleiteten Politik nicht nur die feste Wurze-
^ung der deutschen Bevölkerung, sondern schließlich auch die bor-
behaltslose Einordnung der Preußen polnischer Nationalität
Unter die preußische Herrschaft im Gefolge haben. Der mäch-
^igste Bundesgenosse des Staates sei hiebei die Zeit. Redner
öetonte dann, die Dankbarkeit für Bülow als Träger dieser
Politik beruhe in erster Linie auf besonderen Fürsorgemaßnah-
Men des Staates für Bromberg, welche innig zusammenhängen
Ulit dem von Friedrich dem Großen, dem Schöpfer des Netze-
Distrikts, geschaffenen segensvollen Kulturplane. Selten ernle
Heute ein Staatsmann Dank, desto mehr aber Kritik; umfo
lreudiger ergreifen die Bürger Brombergs die Gelegenheit,
lhre unwandelbare Dankbarkeit auszudrücken.

Der Reichskanzler dankte. Er betrachtete es als eine hohe
^hre, mit Bromberg so eng verbunden zu sein. Cr danke be-
sonders für die künstlerische Ausführung der Urkunde, welche
den schönen Jnhalt noch wertvoller mache. Da treffe das
Wort Goethes zu: „Goldene Aepfel in silberncn Schalen". Es
s^i ihm eine Freude gewesen, sich für die kulturelle und indu-
Itrielle Entwicklung Brombcrgs einsetzen zu können; denn er
tuisse, daß die von ihm geleitete und bertretene Ostmarkenpolitik
preußischen Staatsregierung gerade bei der Bürgerschaft
^rombergs berständnisvolle Unterstützung finde. Bromberg
^abe den Unterschied zwischen deutscher und polnischer Herr-
tchaft am eigenen Leibe erfahren. Vom deutschen Orden an-
8elegt, sei Bromberg unter der Herrschaft des Ordens ein
^lühendes Gemeinwesen geworden. Als aber an einem Der
traurigsten, verhängnisvollsten Tage der deutschen Geschichre
^or Orden zusammengebrochen sei, sei mit ihm und mit der
^ache des Deutschtums im Osten auch Bromberg gesunken.
2lls der Große König den Netze-Distrikt wieder für Preußen
Und Deutschland gewonnen habe, sei Bromberg, um mit den
^Vorten des Königs zu reden, ein Stück der Wüstenei mit kaum
lOgg Einwohnern gewesen. Der Oberbürgermeister habe mit
^echt an das erinnert, was Bromberg dem großen König vcr-
banke. Er habe auch die Beweggründe und die Ziele der heu-
tlgen Ostmarkenpolitik richtig gekennzeichnet. An dieser Ost-
^arkenpolitik werde unbeirrt festgehalten werden. Wir bilden
nicht ein, daß der historische Kampf, den das Deutschtum

Osten mit den Gegnern führen muß, von heute auf morgen
^ndet werden kann. Wenn aber deutscherseits von oben unv

unten weiter stetig, mutig und geduldig gearbeitet werde, wür-
den die Früchte nicht ausbleiben. — Der Relchskanzler schlotz
mit dem Ausdruck des Dankes für die freundliche Anerkennung
und Hilfe, die er in Bromberg finde und die er mit den besten
Wünschen für das weitere Aufblühen der Stadt erwidere.

Deutsches Reich.

Prcnßen.

.— Die an den Trakehner Zuständen geübte
Kritik scheint nun nachträglich doch ihre Wirkung zu tun.
Die „Lehrerztg. f. Ost- u. Westpr." berichtet über eine
eingehende Revision der Gestütschulen durch
Vertreter des Kultusministeriums, die sehr zufrieden-
stellende Ergebnisse in Vezug auf die Leistungen dieser
Schulen ergaben. Dabei wurde dem aus dem TrakehnSr
Prozeß bekannten Lehrer NickeI besondere Nnerkennung
für seine Leistungen ausgesprochen. Nach Beendigung
der Rhvisionen lietz sich Landwirtschaftsminister v. Pod -
bieIski, der am Tage darauf eingetroffen war, Bericht
erstatten und kam zu Nickel in die Schule. Denselben
begrüßte er sehr liebenswürdig und sagte, er sei in die
Schule gekommen, um ihm und seinen Schülern seine
Anerkennung f ü r d i e h e r v o r r a g e n d e n
L e i st u n g e n nuszusprechen. Herr v. Podbielski drückte
dann auch den Schülcrn der ersten Klassen seine Freude
und Anerkennnng ans. Nachdem er dann die anderen
Klassen sich angesehen hatte, sagtc er zn Nickel:

„daß er sich sehr freue, ihm sagen zu können, daß er nach
dem Revisionsbericht als ein leuchtendes Vorbild in
der Lehrerschaft dastehe, ein vorzüglicher Pädagoge sei, der ein
so warmes Herz für seine Schule habe usw. Er lv. Podbielski)
stehe übcr den Parteien. Als Minifter aoer müsse er fordern,
datz Nickel nicht nur als Lehrer, sondern auch nach jeder ande-
ren Seite hin als leuchtendes Vorbild vorangehe. Er könne es,
und er, der Minister, hoffe, Rickel werde seinen Wunsch erfül-
len. Wie letzterer ein warmes Herz für die Schule habe, so
möge er doch auch nach der anderen Seite ein solches zeigen
und nicht nur in der Lehrerschaft, sondern hier überall Har-
monie hineintragen. Es fei hier wohl viel gefehlt, auch
er habe gefehlt, jeder Mensch fehle, daher möge Nickel ein war-
mes Herz haben. Er solle sich andererseits nur vertrauensvoll
an ihn wenden."

Nachdem Nickel darauf für die gerechte Anerkennung
gedankt, verabschiedete sich der Minister mit sehr freund-
lichem Händedruck und den Worten: „Ich glaube, ich
täusche.mich nicht in Ihnen!" Es wäre erfreulich, wenn
hiernach die erhobenen Beschwerden volle Berücksichtigung
fändcn.

Aus der Kap)srukex ^eituKg

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben Lem
Amtsvorstand in Baden, Geheimen Regierungsrat Haapc,
die Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des ihm von
dem Prinzen Albrecht von Preußen, Regenten des Herzogtums
Braunschweig, verliehenen Kommandeurkreuzes 2. Klasse des
Herzoglichen Ordens Heinrich des Löwen erteilt.

— Postpraktikant Otto Brandt aus Hamm wurde in
einer Sekretärstelle bei dem Telegraphenamt Freiburg elatma-
ßig angestellt.

— Betriebssekretär Hubert Kuhu in Mannheim wurde
zur Versehung der Stationsverwalterstelle nach Sinzheim, I

Hans Sachs, ein dentscher Dichter-

Anlätzlich der Hans Sachs-Anfführung am Sams-
^8 und Sonntag durch den Hebbelvercin dürften einige
Bemerrungen über den Dichter nicht ohne Jnteresse sein.

Das seltsame Schicksal von Hans SachsenS Werken ist
s^kannt: Wie sie von Hans Sachsens Zeirgenossen hochge-
^wätzt wurden, in der Zeit abcr lächerlicher Nachässcrei
olles Fremdländischen in Dentschland fast vötligcr Ver-
öbssenheit anheimfielen, wie dcmn zur Zeit der Stürmer
Uiid Dränger Hans Sachsens Name von neuem genannt
Und seine Verdienste zeitweise Lis zur Ueberschätzung ge-
^ürdigt wurden. Goethes herrliches Gedicht von Hans
^ochsens Poetischer Sendung erschien:

„Ein Eichstrang ewig jung belaubt,

Ten setzt die Nachwelt ihm aufs Haupt."

^ Und die Worte des Sehers sollten iii Erfüllung gehen.

sind sie jedoch nicht ganz vollendet. Wohl ist uns
^ans Sachs durch des grotzen B a y r e n t h e r M e i -
^ rs unsterbliche „Meistersinger" wieder eine ver-
Uaute Persönlichkeit geworden, wohl erscheinen seine
O-rrke in revidierten Ausgabeir wieder auf dein Bücher-
^urkt, wohl werden von dem grotzen Volksdichter neue
. Esausgaben herausgegeben rmd, was noch mehr be-
auch gekauft, und wohl werden sogar nicht nur seine
^ieder gelesen, sondern sogar seine Dramen und Fast-
.suchtsspiele da und dort wieder aufgeführt, wcnn Deutsche
einmal wieder an echter, derber, dcutscher Kost er-
'^Nen wollen, aber dennoch sind seine Werke noch nicht

wieder gemig Gesamteigentnin des dentschen Bolkes ge-
worden.

Noch nicht! Aber mit dcn neuen Bestrebuiigen nach
einer stärkeren Betoimwg beutscher Art rind deutschen
Wesens in Kunst und Leben, Bestrebungen, die ja hier in
unserem Baden nnd speziell in Karlsriche nnd Heidelberg
ihre glänzende Vertretung gefunden haben, wird Hans
Sachs immer mehr bestaunt und nach Gebühr gewürdi-gt
werden.

Tenn, wcnn man von währcn, echten Deutschen
spricht, inuß er mit an erster Stelle genannt werden, da
sa, wie R. Gencke schreibt, das deutsche Volk sür seine
besten nationalen Eigenschasten keinen reineren und lie-
benswerteren Vertreter hat, wie ihn.

So Hans Sachs, der Mensch! Seine Bedeutung als
Dichter liegt in derselben Richtung. Nicht, daß Hans
Sachs der Gründer einer neuen Singschule wurde, nicht,
daß er seine Zeit mit Massen von Licdern, Sprüchen,
Komödien, Tragödien, Sing- nnd Fastnachtsspielen ver-
sorgte, macht ihn für ims wertvoll, denn das gehört im
wesentlichen dcr Vergangenheit, aber daß Hans Sachs
seine Werke deutsch und sür das Bolk schrieb, das ist sein
größtes Verdieust. Deutsch schrieben zwar auch seine
Vorgänger wie RosenpIüt und FoIz, äber Hans
Sachs ist der erste größte deutsche Dichter des 16-.
Jahrhunderts.

Heil aber vor allem ihm als dem Dichter der Refor-
mation! Wenn man es als Luthers größte Tat bezeichnet,
daß er die deutsche Bibel geschaffen, so müssen wir Hans

Betriebssekretär Johann Hege in Durlach nach Mannhelm
und Betriebsassistent Franz Hoffmann in Bruchsal nach
Durlach versetzt.

Karlsruhe, 28. Juni. Heute Vormittag halb 11
Uhr trafen Finanzminister Dr. Buchenberger und Geheim-
rat Freiherr vou Dusch auf Schloß Baden ein und wurden
von dem Großherzog einzeln zum Vortrag empfangen,
der bis halb 2 Uhr dauerte. Die beiden Herren nahmen
sodann an der Frühstückstafel der Großherzoglichen Herr-
schaften teil, an welcher auch die Gräfin Trani mit ihrec
Begleiteriu teilnahm. Ferner waren geläden Qberpräsi-
dent v. Pommer-'Esche u. Oberbürgermeister Gönner. Um
3 Uhr kehrten Minister Buchenberger und Geheimrä^
Frhr. v. Dusch nach Karlsruhe zurück, während die höch-
sten Herrschaften noch mit den Gästen auf der Schloß-
terrasss verblieben und die Musikvorträge der Kapelle
des 9. Badischcn Jnfanterie-Regiments Nr. 170 anhörten.
Morgen werden sich der 'Großherzog nnd die 'Großherzogin
nach Karlsruhe begeben und am Abend nach Schloß
Baden ziirückkehren. Uebermorgen, Samstag, den 27.
beabsichtigen die Großherzoglichen Herrschaften' die Reise
nach St. Moritz anzutreten. Der Erbgroßherzog und die
Erbgroßherzogin sind heute Nachmittag 6 Uhr 62 Minuten
von hier nach Schloß Königstein abgereist. Dieselben
werden dort einen Tag verweilen und dann über Berlin
die Reise nach Schweden fortsetzen.

Reichstags-Stichwahlen.

Berliu, 26. Juni. Die Stichwähl im e r st en B e r --
l i n e r R e i ch s t a g S w a h I k r e i s e, wo der srei-
simiige Stadtrat a. D. K ä m p f gegen den Sozialde-
mokraten Dr. Arons steht, hat sich nach den Schilder-
imgen der Adcndblätter nnter großer Beteiligung und
intensiver Wahlarbeit vollzogen. Die Sozialdcmokraten
scheinen sich, obgleich sie kaüm Aussichten auf Erfolg ha-
ben konnten, noch die größtc Mühe gegeben zu haben.
Jn dem die Wilhelmstraße, Voß- nnd Leipzigerstraße ein-
fassenden Bezirk, in dem die meisten Reichsämter und
Ministerien liegen und dessen Wahllokal sich im Hotel
Kaiserhof befindet, find die Minister und Staatssekretäre
schon in den Vormittagsstunden Zur Wahl erschienen.
Der Reichskanzler kam gegen 11 Uhr, lvies lächelnd den
ihm vom sozialdemokratischen Zettelverteiler angebotenen
Stimmzettel zurück, lernte dann zum ersten Male die
Wahlzelle kennen, verabschiedete sich mit einer Verbeugnng
gegen den Wahlvorstand und die Listenführer der beiden
Parteien und wurde natürlich von den unvermeidlichen
Momentphotographeii fcharf aufs Korn genommen.

Königsbcrg. (Bisher Soz.). Haase (Soz.) 16 570,
Gyßling (Fr. Vp.) 15 696 Stimmen. Also Haase wie-
dergewählt.

Tanzig. Zn Danzig-Stadt (bisher Fr. Ver.) Momm-
sen (Fr. Ber.) mit 11 992 Stimmen gewählt. Bartel
(Soz.) erhielt 7117 Stimnien.

Elbiug-Maricnburg. ZBishcr K.). v. Oldenburg
(K.) 10 860, Crispien (Soz.) 9328 Stimmen. Es fehlen
noch 15 Landbezirke. Die Wahl Oldenburgs ist gesichert.

Sachs an seine Seite ftellcn als den dNann, der dem Volke
die Reformation verständlich machte. — Luthers große
Tat war geschehen, aber die Reformation verlor sich mehc
uud mehr in dogmatisch-theologische Streitigkeiten, die
den Kopf des Mannes aus deni Volke verwirrten. Da
erktmigen plötztich aus Nürnberg Töne, die es wieder
Licht merden ließen. Es war das Lied von der „witten-
bergischen Nachtigall":

„Wacht auf, cs nahet gen den Tag,

Jch hör singen im grünen Hag
Eine wunnigliche Zlachtigall,

Zhre Stimme durchklinget Berg niid Tal."

Hans Lachs erhob seine Stimme snr die Reformation
und hat dann nicht aufgehört, durch seine vier Dialoge,
von denen Goetze in der deutschen Dichterbiographie
sagt, daß sie vielleicht die beste Prosa des Jahrhunderts
darstellen, n. a. m. der Reformation im deutschen Herzen
Eingang zn verschaffen.

Vor dieser Bedeutung tritt alles andere zuvück, was wir
oben hervorhoben, auch die Bedeutung, daß er ungeheure
Bitdungsmassen dem Volke zugcsührt hat, daß cr weite
Kreise für-das Spiel interessierte oder auch seine Bedeu-
tung für das deutsche Drama. Es ist wahr: Hans Sachs
ist Lurch seine deutschen dramatischen Werke, um mit
Pannier zu reden, der Vorbote einer neuen Zeit der Dicht-
kunst, indem er besonders gegen Ende seines Lebens hin
diejenige Gattnng mit Vorliebe Pslegte, welche in der
Folgezeit die Hauptform alles dichterischen Schaffens
wurde — das Drama". Aber immerhin sind diese Werke
 
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