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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9512#2001

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Oerdelberger

Ilwueste Nachrichien


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^rr. 148

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Schristleituna i Sauvtstraße 23 lsernivrecher-S.-A. 7351—53.

Samstagp 27. Iuni

Hauvtgeschästsstelle Hauvtstraße 23, Fernsvrecher-S.-A. 7351—53.
Zweigstelle: Sasvelgasse 1.

1936

Die Aniversität Heidelberg, die in
^esen Tagen die 550-Iahrfeier ihres Bestehens
^stlich begehen darf, genießt nicht nur den Ruhm,
r'se älteste reichsdeutsche Aniversität zu sein und
s-e ist nicht nur im Lauf der Iahrhunderte eine der
oedeutendsten Pflegestätten der Wissenschaft und
^ Forschung gewesen, ihr besonderer und unver-
seßbarer Ruhm wird es immer bleiben, daß sie
>eit ihrcm Beginn eine deutscheSendung

sich nahm und diese hohe Aufgabe gerade in
°en schwersten Zeiten erfüllt hat. And sie hat
^eben dieser deutschen Sendung noch eine a n -
^ere Mission übernommen: die g e i st i g e
^irkung in die Welt. Sie verdankt den
^eltruhm, den sie sich erwarb und den sie unver-
^indert noch heute besiht, der hohen Zielsetzung,
^eben der wissenschaftlichen Leistung, die, sie voll-
°eachte, eine geistige Brücke in daS Ausland
öu sein. Nur so ist es zu verstehen und zu er-
^üren, daß ^.u allen Zeiten, vor allem aber in den
ietzten hundert Iahren, die akademische Iugend
^us allen Teilen der Welt nach Heidelberg gewaü-
suhrtet ist, um hier jene bedeutenden Güter wissen-
Aaftlicher Vildung zu empfangen und die
-Rethoden wissenschaftlicher Forschung kennen zu
Pnen, aus denen der Menschheit die besten
drüchte der Erkenntnis gereift sind und die großen
^eistungen menschlichen Geistes zuteil wurden.

Wenn in diesen Tagen zur Iubelfeier unserer
E)ochschule Vertreter der Wissenschaft aus allen
^eilen der Kulturwelt nach Heidelberg gekommen
stud, so geschah dies gewiß nicht nur deshalb, um
^inen Akt äußerer Höflichkeit zu erfüllen, sondern

geschah aus jener inneren Verpflichtung
gegenüber dcr Heidelberger Hochschule, die zugleich
ein Gefühl innerer Verbundenheit bedeu-
iet Als im Iahr 1928 der damalige Votschafter
der Vereinigten Staaten von Rordamerika, Iohn
^ould Schurman, mit einer großherzigen
^Pende seines Landes den Erweiterungsbau er-
snöglichte, der im Iahr 1932 seiner Vestimmung
stbergeben werden konnte, da empfanden wir dieses
^eschenk nicht nur als den Dank eines Einzelnen,
der sich auf eine besondere und persönliche Weise
dieser llniversität verbunden und verpflichtet fühlt,
sondern man konnte wohl dem Gedanken zuneigen,
daß damit die gesamte Kulturwelt durch
den Votschafter Schurman einen sichtbaren Ve°
st>eis ihres Dankes gab.

Cs wird immer ein vergebliches Vemühen
bleiben, festzustellen, nach wie vielen
Teiten eine Aniversität im Lauf eines 550-
lährigen Vestehens ihre Wirkung ausgeübt,
st'ieviele Menschen sie erweckt und zu großen Lei-
stungen befähigt hat und wie dieser geistige Strom
weiter gewirkt, neue Kräfte lebendig machte und
geistige Cnergien entzündete. Eine Geschichte, die
die geistige Wirkung einer Hochschule in ihrer
Sanzen Vreite und Tiefe festzustellen und mit-
Meilen versucht, kann niemals geschrieben werden.
^ur in einem großen Amriß offenbart sich uns die
^eichweite ihres geistigen Kraftfeldes und wir
wissen, daß ein lebendiger Gedanke sein Echo
ourch die Iahrhunderte trägt.

Ein Spiegelbilö üeutscher Geschichte.

Die Ruperto Larola in Heidelberg ver-
^wigt den Namen ihres Stifters, des Kur-
^strsten Ruprecht I. von der Pfalz, der im
3ahr 1386 mit päpstlicher Crlaubnis (die damals
stvtwendig war) die llniversität gründete, und den
^tamen des Markgrafen und spüteren Groß-
berzogs Karl Friedrich von Vaden, der im
3ahr 1803, nachdem die rechtsrheinische Pfalz an
^aden gefallen war, die Universität erneuerte
und sie auf eine gesicherte finanzielle Grundlage
stellte. In den 550 Iahren, die seit der Gründung
^srgangen sind, war die llniversität Heidelberg
uicht nur ein Quell der Wisienschaft, sondern sie
war in allen Wechselfällen der Zeit ein getreues
^Piegelbild derGeschichtedesdeut-
> chen Volkes, seiner großen und seiner dunk-
ien Tage, seiner inneren Kämpfe und seiner geisti-
8en Wandlungen. Sie war der Kampfboden,
^uf dem im Gang der Iahrhunderte die Turniere
^r geistigen Vewegungen ausgefochten wurden.
Do war sie einst, zu Veginn, eine Hochburg der
^cholastik und sie wurde dann, in den beiden letz-
Een Iahrzehnten des 15. Iahrhunderts (unter Io°
bann von Dalberg, Agricola und Leltes) eine
^tätte des Humanismus. Nach dem Ausgang
°es schmalkaldischen Krieges stellte sich der Kur-
orrst Friedrich II. auf die Seite des Kaisers und
oes Papstes und diese Haltung fand ihren Aus-
oruck in der Lehrmeinung der llniversität. ^ !lnter
oem Kurfürsten Otto Heinrich (zwischen 1556 bis
^559) wurde die lutherische Reformation ein-
Seführt. Darauf folgte, unter Friedrich III., der
Uebergang zum calvinistischen Vekenntnis und da-
wit wurde auch die Aniversität der Mittelpunkt
oieser neuen Glaubenslehre, und aus allen Teilen

Geistige Senöung, vermächtnis unö Mufgabe.



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Phot. Cdin. von König.

Europas strömte die calvinistische Iugend nach
Heidelberg, nach dieser Stadt, die als Herausgabe-
ort des „Heidelberger Katechismus" (im Iahr
1563) plötzlich Weltbedeutung erlangte. Der
Kampf zwischen Lutheranern und Calvinisten be-
gann. Dann kam der 30jährige Krieg, und im
Iahr 1622 sank Heidelberg mit seiner llniversität
in Asche. Erst im Iahr 1652 wurde die Hoch-
schule wieder eröffnet. In den Iahren 1689 und
1693 wurde Heidelberg (auf Vefehl Lud-
wigs XIV.) wieder in Vrand gesteckt. llnd als
diese Stürme vorübergefegt waren, begann, unter
den Iesuiten, die Gegenresormation. Dann kam
das 18. Iahrhundert. Die Universität Heidelberg
verdämmerte in Vedeutungslostgkeit, bis schließ-
lich im Iahr 1803 Heidelberg als Landesuniversi-
tät des neuen Kurfürstentums Vaden neubegrün-
det wurde, um endlich zu neuem Leben und zu
neuer Vedeutung zu erwachen. Heidelberg wurde
dieResidenz der jungen Romanti-
ker, die hier am llfer des Neckars schwärmten,
Landschaft und Volkstum entdeckten und, während
Napoleons Faust auf Europa lastete, jene Be-
wegung schufen, von der Freiherr vom Stein ein-
mal sagte: „ In Heidelberg hat sich ein gut
Teil des deutschen Feuers entzündet, wel-
ches später die Franzosen verzehrte." Clemens
Vrentano und Achim von Arnim, waren es, die
hier in Heidelberg nicht nur die Liedersammlung
„Des Knaben Wunderhorn" schufen, sondern auch
mit ihren Arbeiten für eine deutsche Volkskunde
den vaterländischen Gedanken verkündeten. Die
Drüder Schlegel kamen nach Heidelberg. Eichen-
dcrff erwachte hier zum Dichter. Ludwig Tieck
erlebte den Zauber der Landschaft und Iakob
Grimm sah mit Staunen, welche geistigen Kräfte
sich hier zu regen begannen. Nach Zeiten der
Oede sprudelte wieder ein lebendiger Quell, der
nun nicht mehr versiegen sollte. Es kamen die
Zeiten der großen Cinigungsbestrebungen. Zwei
Heidelberger Geschichtsprofesioren (Häusier und
von Mohl) wurden als Abgeordnete im Frank-
furter Parlament geschickt. And als Heinrich von
Treitschke in Heidelberg deutsche Geschichte
lehrte — es war vor dem Krieg von 1870/71 —
war er der Wortführer des neuen Reichsgedan-
kens, der bald darauf seine Verwirklichung fand.

Große Namen.

5lnd wenn wir weiter Umschau halten, welch
eine Fülle von Namen, die durch ihre Lei-
stungender Universität immer neuenRuhm

zutrugen: Helmholh, Hegel, Vunsen, Kirchhoff,
Thibaut, Vangerow, Immanuel Vekker, Nkitter-
maier, Ludwig Feuerbach, Kuno Fischer, und spä-
ter Kosiel, Krehl und Philipp Lenard. Als im
Iahr 1886 die Universität Heidelberg ihre 500-
Iahrfeier beging, feierte Mommsen diese Hoch-
schule als „jene heitere Schulungsstätte deutscher
Bildung, wo eine ewige Iugend die Verge und
Täler, die Lieder umschwebt, Alt-Heidelberg,
Sehnsucht den Erwachsenen, Inbrunst den Iüng-
lingen, den Alten unauslöschliche Erinnerung!"
Aber ein Vlick in die Geschichte zeigt, daß Heidel-
berg im Gang der Iahrhunderte weit mehr und
oft etwas ganz anderes gewesen ist, als eine
„heitere Schulungsstätte", sondern ein Kampf-
plah, ein Ort des leidenschaftlichsten Glaubens-
streits, heimgesucht von Kriegen, verschüttet und
verbrannt, um aus allen Drangsalen sich immer
wieder zu erheben: zu neuen Aufgaben im Geist
seiner großen Sendung. Die Wunden, die man
dieser Stadt schlug, waren Wunden des deutschen
Volkes. Notzeiten des Reiches waren auch Not-
zeiten für Heidelberg. Denn die deutsche Geschichte
ist ein Kalvarienberg.

In der großen politischen Verwirrung, die
Deutschland nach dem Weltkrieg heimsuchte, war
es wieder die Aniversität Heidelberg, wo die gei-
stigeErneuerung der akademischen
Iugend ihre stärksten und zielbewußtesten
Kämpfer hatte. Es war eine neue Sendung, die
hier erkannt und erfüllt wurde: im Geist der Zeit,
die jeht Deutschlands Zukunft bestimmt und ge-
staltet und zugleich im Geist jener jahrhunderte-
alten Tradition, die immer ein Dienst an hohen
Zielen und am lebendigen Geistesgut des deut-
schens Volkes gewesen ist.

Brücke unü Spmbol.

So ist Heidelberg zu allen Zeiten eine Stadt
der geistigen Arbeit und der geistigen
Vewegung gewesen. llnd nicht nur Görres
hat hier „unerhörte Dinge" gelehrt, sondern im-
mer hat hier der geistige Funke gezündet und die
Forschung eine Heimstatt gehabt, wo die großen
Croberungen im Reich der Wisienschaft eingelei-
tet und vollendet werden konnten. Es ist nicht
nur die Romantik, die hier an vielen Mauern und
in vielen Winkeln ihr Märchen spinnt, was die
Herzen der Menschen bezauberte und entzückte, es
war nicht zuleht der Crnst der wissen-
schaftlichenArbeit, der dem Namen der
Heidelberger Hochschule einen wohlbegründeten

Weltruf erwarb und erhalten hat. So ist der
Ruhm dieser alten und im wahrsten Smn ehr-
würdigen Hochschule hinausgetragen worden. So
hat er im Lauf der Iahrhunderte seine werbende
Kraft bewiesen. llnd so ist Heidelberg zu einer
geistigen Vrücke gewordcn, die ihre weiten
Vogen nach allen Erdteilen schlug. Mehr noch:
Heidelberg wurde allen, die hier geweilt oder hier
ihre Studienjahre verlebt haben, nicht nur zu
einem teuern Gegenstand der Erinnerung, verklärt
von dem seltenen Zauber der Landschaft, sondern
es wurde vielen zu einem Symbol desdeut-
schen Geistes. Hier, wo Verg, Wald, Ebene
und Strom, wo Stadt, Schloß und alte Drücke
sich zu einer unvergleichlichen Harmonie und zu
einem Panorama von höchstem Adel der Natur
vereinigen, — hier, an dieser Stätte des Deutschen
Reichs, haben gewiß viele Ausländcr den heiligen
Quell erkannt, aus dem die stärksten Seelenkräfte
unseres Volkes wie aus einem unversiegbaren
Vrunnen steigen. Sie haben hier in Heidelberg
Deutschland gesehen und entdeckt: im be-
gnadeten Reichtum seiner Schönheit, im Schimmer
seiner bewegten und tragischen Geschichte und im
Licht einer Romantik, aus deren duftenden Hecken
das Gefühl sich wie von selbst zum Volkslied
formt. And sie haben hier, an den Stätten der
wisienschaftlichen Forschung, erfahren dürfen, daß
diese wissenschaftliche Arbeit ein sehr ernster und
auch ein sehr unromantischer Kampf um die gro-
ßen Crkenntnisie der Wahrheit und der Gesstze
des Lebens und seiner tiefsten Geheimnisse ist.

*

Die Geschichte der llniversität ist ge-
wiß auch eine Geschichte der Stadt. Aber vor allem
ist sie die Geschichte eines Kampses, der um der
Menschheit große Gegenstände ging. Wir wollen
diese Stunde nicht zu eitlem Selbstlob nuhen, son-
dern wir wollen begreifen und erkennen, daß die
Aufgabe der Wisienschaft ein Kampf um die
Wahrheit ist, der, wie wir wisien, niemals
enden kann, weil alle Wissenschast Dienst an der
Menschheit und Dienst am Leben ist und sein
muß. Wo die Wahrheit ist, ist heiliger Voden.
Wir grüßen die llniversität Heidelberg! Wir
wünschen ihr ewiges Vestehen! llnd wir glauben
und hoffen, daß sie, als Verwalterin eines hohen
Crbes und Vermächtnisies, in den nächsten Iahr-
hunderten, im großen Wellengang der Geschlech-
ter, weiterhin mit gesegneten Händen ihr Frucht-
feld bestellen darf: zu neuer Saat und neuer Ernte.

Hermann Vagusche.
 
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