Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Januar bis Juni)

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.9512#2005

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 148

Fernsprecher°S.-A. 7351—53.

„Heidelberger Neueste Nachrichten" — „Heidelberger Anzeiger"

Samstag, 27. Iuni 1936

Leite 5

^«FrRttk^rr «rrik ek^rrr AsrrI»sr^§f.

^LsLLk1rr^r»r?LrL«rrrsf «ks« ^«L«rrL«VLsr?SMr»r«rrL« LÄ.

Einc Wagenkolonne auf den Waldwegen des Uebungsaeländes.

Nach Abschluß dcr Ucbunacnein schncidiger Parademarsch. (Aufn.: Hartwig.)



^ .-

'S*«. -- H- .L

Nie Zl»k«drk.

Als unser Wagen am Mittwoch nachmittag nach
Südan zu fuhr, um uns zu einer Uebung des Jnfanterie-
regiments 13 auf den Truppenübungsplatz Heuberg
zu bringen, da überkam uns allein beim Gedanken an
die Schönheiten der Fahrt jene leichtsinnige und frohe
-stimmung, die einen gern überfällt, wenn etwas Schönes
und Jnteressantes bevorsteht. Wir malten uns schon die
Stationen der Reise aus, erzählten alte Heuberg-Anek-
doten, tranken in S t u t t g a r t iu unserer Leichtfertig-
keit viel zu lange Kaffee („Man weitz ja nie, wann man
wieder etwas zu essen bekommt...") und genossen gründ-
lich die Schönheiten der Strecke, die dann auf Stuttgart
folgte. Wir hatten ein aufgeschlossenes Herz und brachten
es nicht über uns, zu schnell durch das reizvolle Albtai
am Lichtenstein zu fahren, sausten auch bei Groh-Eng-
stingen in unserer Vergnügtheit in die falsche Strahe und
(warum soll man es denn nicht eingestehen) fuhren unbe-
kümmert zchn Kilometer den verkehrten Weg, bis wir es
betroffen merkten und dann wieder zurückmußten.

So zwangen uns also solche Folgen des Leichtsinns
gegen Abend, unsere Lust zur geruhsamen Bewunderung
der Natur etwas zu dämmen, z. B. auf einen kleinen Gang
durch Sigmaringen zu verzichten und auch die Schönheiten
des Donautales flutzaufwärts nur im schnellen Vor-
übergleiten zu bemerken. Da fuhren wir nun neben der
Donau her, die Schleifen nachziehend, durch das schmale
Tal, das sie sich in die Rauhe Alb gesägt hatte. Die Stratze
durchbohrte die Felsen in kleinen Tunnels, der Flnh stru-
delte eilig eine Strecke dahin und zeigte gleich darauf das
Bild eines seeartig ruhigen Waffers, in dessen tiefem
Grün sich die Felsen spielten, vielleicht auch eine kleine
Burg, die gerade auf ihren Höhen stand.

«««Lsn errrsn §e>r«r«ks»,.

Stetten am kalten Markt — so las es sich
m Zwielicht allf der Karte, 818 Meter Höhe. Ganz offen
lag es, dem Wind von allen Seiten preisgegeben. Der
Name war beim ersten Anblick schon verständlich und man
konnte sich trotz des Hochsommers der Vorstellung winter-
licher Bilder nicht erwehren, die beim Klang des Namens
und beim Anblick der Stätte in der Phantasie erschienen.
Der Wagen rollte auf dem Parkplatz des Barackenlagers
aus. Wir hatten nun wirklich an Baracken gedacht und
sahen mit Staunen jetzt einen ausgedehnten Komplex
gutgebauter Häuser, zwischen denen breite, baum-
bestandene Stratzen lagen.

Einer von uns suchte nun einen verwandten jungen
Mann und von allen Geschäften war dies wohl das dring-
lichste. Jeder trug etwas von den guten Sachen, die eine
fürsorgliche Mutter uns für ihren Soldaten mitgegeben
hatte. Jhn zu finden war aber gar nicht so leicht. Wir
erkundigten uns zwar hier und da, doch dauerte es eine
Weile, bis uns ein junger Gefreiter den rechten Weg
weisen konnte. Wir zogen an Kantinen vorbei, aus denen
Lieder klangen, marschierten über grohe Höfe, wo an den
Steintrögen sich die Soldaten wuschen oder ihr Schuhzeug
„wienerten". Endlich hatten wir das richtige Haus: gleich
an der Tür erreichte uns die erste Brise besten soldatischen
„Parfüms", -ieses shmpathische Gemisch von Schuhwichsen-
duft, Ledergeruch, Seifenodeur und anderen Gerüchen.

Und hier nun fanden wir auch inmitten seiner Kameraden
unseren Soldaten. Von dem Mitgebrachten ward bloß
eine „Jllustrierte" gnädig angcnommen. Hinsichtlich
des Uebrigen sragte der junge Mann nur kühl, an
welcher Stelle seines Tornisters er vielleicht das Him-
beergelee auf den kommenden Heimmärschen verpak-
ken solle? Die Mutter möchte so gut sein, und alles
doch in die Kaserne schicken.

„6.50 Uhr Versammlung Lagcrwache Truppen-
übungsplatz Heuberg. Abfahrt zur Regiments-
übung." Das war der erste Punkt des Programms.
6.50 Uhr Versammlung — heitzt 5.50 Uhr Aufstehen, zu
einer für den Privatmann nicht ganz gewohnten Ta-
geszeit. Am Tor der Lagerwache crwartcte uns Major
Grasser, bis vor kurzer Zeit noch Bataillonskom-
mandeur bei unseren Heidelberger llOern. Jn einer
Reihe standen da die Kübelwagen, und ausgerichtet
die dazugehörigen Fahrer, ein gelbes Band an ihrer
Mütze, eine gelbe Fahne an jedem Wagen (beim Ma-
növer die Farbe für neutral und „tot").

Mit leichtem Lächeln wurde uns erklärt, datz das
Regiment nun schon seit einigen Stunden unterwegs
sei, dann konnten wir einsteigen.

Die Wagen surrten bergauf davon. Zuerst ging
es noch über normale Feldstratze, als aber dann die
letzten Abteilungen der marschierenden Truppe erreicht
waren, da zeigten sich die Möglichkeiten eines Gelände-
wagens. Er kann mit einem Rad im Graben fahren
und mit dem andern auf dem Feldweg, er kann schief-
liegend schnell eine Böschung hinaufsahren, und um
Hindernisse werden kurze Bögen geschlagen. — Für
den ungewohnton Insassen ist allein das Mitfahren
bei solchen Kapriolen eine erhebliche Anstrengung.
Aber neben den Eindrücken über die Fahreigenschaf-
ten. des Wagens brachte diese erste Fahrt durchs Ge-
lände einen guten Ueberblick iiber die verschiedenen
Formationsarten cincr marschicrenden Truppe. Ge-
schlossene und offene Marschweise, die Arten der Be-
fehlsübermittlung, Marschieren bei Situationen: ver-
ijastes Gelände, Fliegerangriff, herannahender Stra-
ßenpanzerwagen, das waren so einige der bei dieser
Uebung angenommenen Situationen.

Lk««»r,L I«r tt««»LLkb«r««

Vom Kählesbühl — jeder Heuberghügel mutz
doch dem alten Soldaten ein Begrifs sein — versuchen
wir einen Ueberblick über die strategische Lage bei der
Regimentsübung, die schon in vollem Gang war, zu
erhalten. Der erste Eindruck war doch etwas unklar,
denn es war einsach nichts zu sehen. Allmählich
begrisfen wir aber, daß sich diese Uebung des JR 13
unter der Leitung seines Kommandeurs Oberst
Zickwolfs etwa fölgendermatzen vollzog: Auf dem
Kählesbühl lagen schwache Teile des aus zwei Batatl-
lonen bestehenden blauen Angreifers. Die rote Par-
tei der Verteidiger hielt den gegenüberliegenden Zit-
terboch besetzt. Die blaue Partei hatte ihre Äktio-
nen mit scharfem Zupacken durchzuführen. Da galt es
nun, die geschwächte vorderste Truppe zu unterstützen,

zurückstehende Abteilungen von der Flanke her gegen
den Zitterboch einzusetzen und mit ihnen diesen Hügel
zu nchmcn.

Das Ganze war für den Laien nur mit Hilfe der
Erklärungen unsercr militärischcn Führer zu durchblik-
ken. Da uud üort knallte wohl ein Maschinengewehr
auf, sei es in Angriff oder Abwchr, und der leichte
Rauch der Platzpatronen verriet die betreffende Stel-
lung. Aber im allgemeinen vollzog sich alles durch
Tarnung unö Ausnutzung jeglicher Deckung ganz im
Unsichtbaren. Rur als die ersten Gruppen der
angreifenden Blauen zum Sturm aus den von Rot be-
setzten Zitterboch ansetzen und sich vom deckenden Wald
lösten, belebte stch das Bild.

Die dauernd hin und hertrabenden Schiedsrichter
mit ihren weißen Binden um die Mützen gaben auch
uns ein Bild von den körperlichen Leistungen, die solche
Uebungen beanspruchten. Die rcine Marschleistung des
einzelrien Jnfanteristen, so sagte man uns, betrug an
diesem Morgen mit Anmarsch, Bcwegungen der
Kampfhandlung und Abmarsch auch etwa 35 Kilometer.
Das ist doch ein ganz tüchtiges Pensum für einen Vor-
mittag!

Nj« N«k««r»k«d«»«kr««s.

Dieser „Kampf" stellte hoh« Anforderungen an un-
sere Einfühlungsgabe und an Phantasie. Man mutzte
sich z. B. vorstellen, dak ein vom Schiedsrichter ausgelö-
ster Kanonenschlag ettva zwanzig Granatcinschläge dar-
stellen sollte, datz weiter'hin jeder einzelne Maschinen-
gewehrschutz eine Vielzahl von wirklichen Schüffen bedeu-
tete.

D!e blaue Partei (die unter der Führung von Oberst-
leutnant Rötzler stand) bereitete den Angrifs auf den
Zitterboch mit Artilleriefeuer vor, sodatz am Ende die
Verteidigungsmannschaft dem Angriff nicht mehr gewach-
sen war.

Die ongegriffene rote Partei (nnter Führung von
Obcrstleutnant Kraitz) löste sich von Blan. zog sich zum
größeren Teil uach Süden über ein Tal weg in einen
nächsten Waldrand zurück. Einzelne Gruppen und Ab-
teilungen wurden in sehr geschickter Ausnutzung des Ge-
ländes eingesetzt, um die 'blauen Angreifer festzühalten
und diesen Rückzug der roten Partei zu sichern. Da
mit war die Gefechtslage nun für eine gewiffe Zeit stabil,
während deren nian sich darüber unterrichten konnte,
mit welchen Mitteln bei einer solchen Gefechtshandlnng
die iaktische «ituation d a r g e st e l l t wnrde,
So stellte bei der roten Partei eine rote Flagge den An-
schlntz an cinen nächsien von einem anderen Verbaüd be-
setzten Gefechtsabschnitt dar, ähnlich anch bei den blanen.
Beim Anblick einer in 'bestimmter Weise aufgeteilten far-
bigen Tafel hatte man sich den Standort eines schweren
Maschinengewehrs vorzustellen. bei anders aufgeteilten
Fdldern hingegen ein LM-G. Gewisse Fiaggcn im Ge-
lände bedeuteten, datz das betreffende Gebiet nnter MG-
Fener, Artillerie-Fcuer u. a. läge. «olche Gegebcnhei-
ten hatten die Taktik der einzelnen Untersührer zu be-
stimmen und gaben den Schiedsrichtern auch die Ünter-
lagen für ihre Entscheidungen.

Während wir alles dies beobachteten. waren die zu-
rückgelaffenen Deckungspositionen von Rot allmählich
aufgegeben worden. Schwere MG-Züge rasten im vollen
Galopp einen Waldrand entlang oder binter einem
vor Sicht bewahrenden Hügel auf die rückwärtigen Stel-

lungen zu. Die den zurückgehenden roten Gruppe«
nachsetzenden blauen Angreiscr waren schun auf üer gro-
tzen Wiese vor dem Waldrand erkennbar. Da stietz ih-
nen, von Rot als letzte Verteidigungsmöglichkeit zu-
rückgehalten. eine Gruppe von drei Taükatrappen in die
Flanke, üie wiederum eine Mehrzahl dieser Fa'hrzeuge
vorstellen sollte. Beim Erscheinen dieser „Tanks" war
alle Bewegung auf dem Feld erstarrt. Jeder blaue
Mann suchte Deckung, wo er sie fand. Aus der blauen
Seite traten jetzt Tankabwehrgeschütze in Tätigkeit. Bei
diesem stand des Gefechts wurde die Üebung mit dem
Rcgiment abgeblasen.

Die Offiziere vcrsammelten sich darauf auf einem
Hügel, um die Kritik von O'berst Zickwolff zu hören.
Der Kominandeur entwickelte die Lage in ganz großen
Zusammenhängen. Jede einzelne strategische Situation
fa-nd ihre eüigchende Beurteilung und gerechte Berücksich-
tigung der grotzen Anforderungen. die an Mannschaften
und Ünterführer gestellt worden waren. Während die-
ser Besprechung dcr Offiziere formierte sich das Regi-
ment im Grund des Tales und bewegte sich dann weiter
zum Stettener Tal, wo der abschlicßende Vor-
beimarsch am Kommandeur stattfinden sallte.

„Nach einer tüchtigen Leistung reitzt sich der Soldat
erst recht noch mal zusammen und zeigt. was in ihm
steckt!" Das waren die Worte von Major Grasser zum
abschließenden Vovbeimarsch der Truppe. Jm flachen
Stette-ner Tal standen genau ausgerichtet die drei
langen Marschsäulen der Bataillone, zwei Kapellen an
der Spitze. «o wurde der Kommandeur erwartet.

Und dann wickelte sich auch der Vorbeimarsch
ab, frisch und schneidig, als wäre die Truppe eben erst
aus dem Lager ausgerückt. An der «pitze selbstverständ-
lich die Kompagnien zu Futz, dann sämtliche Beglett-
waffeu, Nachrichtenzug, MG-Züge, Minenwerfer, Rei»
terziig. Der Kommandenr war ein scharscr Benrteiter,
er lietz kcine Nachlässigkeit zn, selbst jedes Gespann fuhr
in genauer Ausrichtuug. Den Abschlutz bildete dann die
lange Reihe der motorisierten Fährzcuge, deren Kom-
mandeur im ersten Wagen stehenü saluticrte.

Für das Regiment war damit die Uebungsarbeit auf
dem Heuberg beendet. Am nüchsten Tag sollten die
Märiche nach Stuttgart beginnen. Während eines letzten
Znsammenscins fand Oberst Zickwolsf noch begei-
sternde Worte über die erzieherische Bedeutung des Sol-
datentnms im Dritten Reich.

Ein Gang durch das Lager beendete auch für
uns den Tag, der einen so gründlichen Einblick in die
Arbeit des neuen Heeres ermöglicht hatte. Man scch
noch einmal lsinein in die Häuser und Mannschafts-
stüben, lietz sich den grotzzügigen Plan der gesamten An-
lage erklären, sah dann Kantinen und Wirtschastsge-
bäude, Ställe und Hallen, in denen der Motorwagenpark
unterge'bracht wird. Zngleich wurde man bei diesem ab-
sch-lietzcnden Gang durch das Lager Henberg Zcuge jener
epakten Kleinarheit, die uncntbchrlich ist und die Grund-
lage 'bildet zu jenem ioldatischen Können, deffen hohe
technische Entwicklnng wir bei dieser Ue'bung hattcn so
eingehend beöbachten können.

Der Reichssendex Stuttgart wird am ko«^
menden Montag von 17 bis 18 Uhr eine Ue'bertra»
gung von dieser Uebung des Jnfanterieregiments 16
auf dem Heuberg bringen.

Me -es Sommers um Seidelberg.

Sie Ratur jubelt mit Etabt unb Antversttät.

Ewig schön ist biese Stadt mit ihrer Landschaft.
Tausend Maler verherrlichten sie, Goethe, Jean Paul,
Hölderlin und Scheffel fanden Lobpreisungen, wie sie
wohl keine andere Stadt erhielt. Und wenn wir zwei
Stimmen unserer Zeit nennen wollen, dann denken
wir an den amerikanischen Freund Heidelöergs, den
Botschafter Schurman, für den Heidelberg die schönste
Stadt der Welt ist, oder an einen sehr bekannten fran-
zöstschen Zeitungsmann, der vor einigen Jahren auf
emer Tcrrasse übcr der Stadt ertlärte, die grotzcn
weltpolitischen Kongresse würden freundlicher und
Medlichcr ausgchen, wenn sie angesichts die -
ser Landschaft verhandelt werden könnten.

Das klänge wie Eigenlob, wenn wir nicht wützten,
daß es wahr ist. Sie alle, die in diesen Tagen hier-
herkommen, zum Teil aus fernen Ländern, sie werden
bestätigt finden, was sie hörten; und die anderen alle,
üie jetzt aus Liebe zu dieser Stadt das Jubiläum
ihrer Hochschule zum Anlaß nehmen, Heidelverg von
neuem auszusuchen, sie wissen es längst und wollen es
nur wiedersehen.

Wenn wir auf der Alten Brücke stehen, die-
sern steingeworbenen Traum eines Brückenbauers,
vffner sich uns ein Ausblick ohnegleichen: das Sch'loß
wit all seinem Architektur- und Ruinenzauber so nahe,
ber Berg dahinter so wuchtig, dann das Tal mit dem
Bergriegel als Abschlutz, der grüne Wald ringsum.
Gehen wir einen Kilometer zuriick und sehen Tal
und Stadt von der Friedrichsbrücke, die an sich nüch-
terner ist und über die der Lärm und die Hast des
Berkehrs tönen, dann hat sich das Bild gewcitet und
ist doch ebenso schön geblieben, im Ausdruck vielleicht
eher noch etwas erhöht durch die größere Wassersläche.
Dder wählen wir den Standpunkt noch etnmal
zurückverlegt auf die neuere Hindenburgbrücke, dann
haben wir nicht mehr in erster Linie Heidelberg vor
Uns, sondern seine ganze Landschaft mit der grotzarti-
gen Linie der Bergkette, die hier die fernen 'steinbrüche
un der Bergstraße noch nicht so stark beeinträchtigen
können, — das eine vcrkleinert, das andere dafür ins
Große gesteigert. Das ist nur ein Beispiel, zwar

eines der deutlichsten, aber wir können es vtelfeich
wiederholen. Ob wir vom Königstuhl herunter-
kommen, wo wir den herrlich weiien und freien Blick
auf Stadt und Fluß und Rheinebene Haben, ob wir
anschließend diese Ausblicke in jedesmal ähnlicher und
doch stets veräuderter Form vom Blockhaus, von
der Molkenkur und vom Schloßaltan wie-
derholen, oder ob wir, aus dem Neckartal kom-
mend, im ständig neuen Erleben des lebendigen Flns-
ses näher und näher an das kiebliche Stadtbild mit
dem Heiliggeistkirchenturm heranrückcn, es ist immer
eine Erhöhung der Schönheit. Sicherlich am meisten
in der Welt verbreitet stnd jene Bilder Heidelbcrgs, die
etwa den Ausblick von der Sch e f s e lt e r r a ss e
wiedergeben mit dem Schlotz zur Linken, und doch
ist wohl der Blick vom Philosophenweg noch
weit schöner. Das Wort, datz dort immer Sonntag sei,
ist auch schon auf manchen andern Ort geprägt worden;
aber für den, der Stadt und Landschast von jeder Wet-
terstimmung her kennt, der muß sagen, daß es hier
wirklich passen will. Und noch eines haben wir, das
eigenartig ist: die Lage einerseits in Tal und Bergen,
andererseits in der Ebcnc an einem hart und grad-
linig abfallenden Gebirgsrand. Wer Natur-
beobachter ist, und man sindet ihrer in Heidelberg eher
etwas mehr als anderwärts, der weiß, welchen Wech-
sel von Ausblick und Bewölkung das bedeutet.

Der Blütenrausch des Frühlings. der bei uns oft
schon im Februar mit der Mandclblüte beginnt, ist
großenteils vorbei. Aber nun sehen wir jeden Tag,
wie schön auch des Sommers Fülle wieder ist.
Noch tst Ueberschwang der Blüten in den Rosengär-
ten, des Waldes Grün ist dunkel und dicht bis an den
Rand der Stadt gedrängt, und wenn wir die Zeichen
kennen, sehen wir jetzt rechts und links vom Neckar
an den Hängen der Berge stch die weitzgelb gesärbten
Wipfel der soeben blühenden Kastanien erstrecken,
jener E d e l k a st a n i e n, die einer dcr besonderen
Ausdrücke unseres südlichen Klimas stnd. Es ist ein
herrliches Blütenmeer, und wenn der Wind günstig
steht, erfüllt cr alle Stratzen der Stadt mit seinem herb-
sützen und schwülen Duft.

Tausende aufgeschloffener Menschen erleben jeht un-
sere Stadt und ihre Landschaft neu. Vielleicht verspü-
ren auch fle den eigenen unv fröhlich-verjüngen-
den Geist, der aus dieser Verbindung sprüht, der
den tiefergehenden Cinschlag alter Kultur und Wiflcn-
schaft aus Schloß und Universität hat, den Zusammen-
hang mit unserer Zeit in den Neuschöpfungen der
Städt auf ragenden Bergeshöhen und den reinen Zau-
ber der Naturschönheit in Verbindung mit dem heiteren
Lebenselement, das erst aus dieser Landschaft erstand.
And so wollen wir aus den Sinn des Anfangs dieser Ve-
trachtung zurückkommen, indem wir sagen: möchten sic
alle, die tn diesen Tagen und noch in ben nächsten Wo-
chen zu den Retchsfestspielen nach Heidelberg kommen,
Gelegcnheit habcn, diese Stadt so licben zu lerncn,
wie wir sie als den schönsten Ausdruck deutscher Land-
schast licben! Max Pcrkow.

SoMtagsgedanken.

„3hk sollt das Geheimnis des Glaubens
in rcinem Gewiffen haben". (l. Timotheus
Z, 0.)

Das Wunder des Glaubens, von dem der 2lpo-
stel Paulus hier spricht, ist ein Geheimnis. Wobl wciß
der Mensch davon, woran er glaubt, aber er weiß nicht
aus welchem Grunde er glauben kann. Wohl ist das
erste Gebet der Mutter rrnt ihrem Kind nicht vergebcns,
wohl will alle Knterweisung nur das eine, eben dem
Glauben dienen. Aber das kann alles, auch wenn es
mit den besten Krästen izetan wird, nur ein Hinweis auf
den Gläuben sein, ein snlles Zeigsn der Welt des Glau-
bens. Cs bleibt beim alten Vild, der Same ist nicht das
hohs Korn. Dazwischen steht das Geheimnis oes Wer-
dens. Wir werden die Frage nie bcantworten können,
warum von zwei Vrüdern der eine glaubt und der ändere
nicht, warum Mann und Frau, sich doch sonst so nahe,
gar oft hier in zwei verschiedenen Welten stehen.

Sslten kann einer aus der großen Geschichts des
Glaubens seine ganz bestimmte Stunde angeben, in der
er die Welt des Glaubens entdeckte, Wenn es dieser oder
jener vermag, so zeugen sie immer davon, daß es eine
Stunde des Geheimniffes war, ein Augenblick dcs Wun-
d c r s. Aber nur dies allcin machtc solche Männer
und Frauen zu Christen, abcr nicht die gedachte Lchre
oder innere Andacht. Nichts als dieses Geheimnis des
Glaubens.

Immer wieder sprechen diese Menschen davon, daß

der Glaube über sie kam, daß eine Welt, die ihnen vorh«
verschloffen war, sich ihnen von selbst «rösfnete. Stunden,
in denen ste diese Welt zu erringen, zu erkämpsen suchte»
mit allen Mitteln der Vertiesung und der Andacht, wareu
vergebens und gingen wieder in die Leere. Aber in einer
Stunde größter Hoffnungslosigkeit wurde ihnen das Gs-
schenk von s e lb st zu teil. Nicht ich mache mich also
zum Glaubcnden, sondern Gott macht mich dazu. Diese
Gabe, dieses Ieschenk, diese Barmherzigkeit gilt es zn
behüten und zu bewahren in einem rcinen Gewiflen.

Das Urkundenstellergesez oom 5. Mai IS3S.

Am 1. Iuli 1936 tritt das Urkundensteuev-
gesetz vom 5. Mai 1936 — Rcichsgcsctzblatt Teil I
Seite 407 — in Krast.

Diejes Reichsgesetz sührt in Baden, das bisher
keinen Landesstempel kannie, die Urkundenbe-
steuerung neu ein. Der Urkundensteuer unter-
liegen die in dem Gesetz näher bezeichneten Rechts-
geschäfte und Rechtsvorgänge, wcnn über sie eine Ur-
kunde errichtet worde-n ist (z. B. Kauf- und Tauschver-
trägc, Miet- und Pachtvcrträge, Anstellungsverträge,
Werkverträge, Abtreiungserklärungen, Schulderklärun-
gen, Verpfändungserklürungen, Sicherungsüberetg-
nungen, Bürgschaftserklärungen, Vollmachtserteilun-
gen, Hhpothekenbestellungen, Errichtung von Personal-
gesellschaften, Genossenschaften und stillen Gesellschas-
ten, Tcstamente, Erbverträge, Versteigerungen,
Schiedssprüche, Gesellschafterversammlungen, Pro-
teste usw.

Von der Besteuerung ist ausgenom-
men ein Rechtsgeschäft, dessen Gegenstandswert 150
RM. nicht übersteigt, wenn sich der Wert in Geld
schätzen läßt. Zum Urkundenstcuergesetz sind unierm
6. Mai 1936 Durchsührungsbestimmungen ergangen
(Reichsgesetzblatt Teil I Seite 424.) Danach wird die
Steuer entwcder unter Verwendung von Steuermar-
ken oder durch Erhebung zu den Gerichtskosten ent-
richtet.

Steuerpslichtige haben die Urkun-
den grundsätzlich einem Finanzamt oder
einem Steuermarkenverwalter zur Versteue-
rung vorzulegen.

Jn Baden werden 38 Steuermarkenverwaltungs-
stellen errichtet, die durch die Finanzämter in der Lo-
kalpresse noch bckanntgegcben werden.

M Su//^/c/iö^c»u5e 6u//^,c/,5c7/^
 
Annotationen