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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 1
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Schmidt-Degener, Frederik: Rembrandts Pfauenbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0013

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KÜNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
NR. 1 18. OKTOBER 1918

REMBRANDTS PFALIENBILD
VON F. SCHMIDT-DEGENER (ROTTERDAM)
VON allen Vögeln befitzt der Pfau dekorativ weitaus die meiften Werte.
Stets haben denn auch Oft und Weft, vergangene und moderne Zeiten
Motive in feinem Schmuck gefucht, der — wunderfam veränderlich — immer
zierlich umritten bleibt, ob ihn nun das ftolze Tier zu langer Schleppe zu-
Jammenfaltet oder ausbreitet wie ein Rad, detten Speichen es im Sonnenlicht
erzittern und funkeln laßen kann. Das Materielle diefer ganzen Pracht, der
gewundene Golddraht und das Flaumige der grünlich-blauen und bronzenen
Nuancen, ift niemals belfer wiedergegeben worden als durch die körnige Farbe
des Johannes Fyt. Und unter den Modernen war Whiftler mit feinem beinahe
legendär gewordenen »Peacock-Raum« der überzeugte Verherrlichet des Pfauen
in allen eleganten Pofituren.
Auch Rembrandt hat einmal den Pfau zu malen unternommen. Laut einem
von Bredius aufgefundenen Dokument hing 1685 im Sterbehaus des Gefchichts-
fchreibers Tobias von Domfelaer zu Amfterdam »ein großes Bild mit zwei
Pfauen von Rembrandt«. Diefes Stüde, das zuletzt 1898 und 1899 auf den
Rembrandt-Ausheilungen in Amfterdam und London zu fehen war, gehörte
jahrelang zu den Kunftfchätzen des englifchen Landfitzes Aynhoe Park bei
Banbury,- während des Krieges ging es dann an die Firma Frederik Muller in
Amfterdam über. Heute, wo es durch die verdienftliche Tat eines Rotterdamers
wieder nach Holland gelangt ift, dürfte eine nähere Betrachtung vielleicht will-
kommen fein.
Muß nun von Rembrandts Pfauenbild etwa noch befonders verkündet wer-
den, daß feine Auffaffung eine völlig unerwartete fei? Die beinahe beängftigende
Originalität des Meifters tritt in wenig anderen Werken fo kräftig in den Vor-
dergrund. Und das ift, bei einigem Nachdenken, durchaus nicht verwunderlich.
Der Holländer hat ja nie als ein Mufter von Eleganz gegolten, und hier hatte
nun der größte Holländer das Wefen gerade desjenigen Vogels wiederzugeben,
der die Grazie felber ift! Aber bei genial veranlagten Naturen wird eine na-
tionale Schwäche aus fich felber zur Tugend. Was beim Volke Plumpheit bleibt,
das geftaltet ein entfchlolfener Griff von Künftlerhand zu etwas überrafchend
 
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