Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

DOI Heft:
Nr. 16
DOI Artikel:
Zoege von Manteuffel, Kurt: Kunstwerke in estländischem Privatbesitz
DOI Artikel:
Literatur
DOI Artikel:
Popp, Anny E.: [Rezension zu: Artur Weese, Aus der Welt Ferdinand Hodlers. Sein Werdegang auf Grund der Sommerausstellung 1917 im Zürcher Kunsthaus]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0336

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
326 Literatur

Artur Weefe, Aus der Welt Ferdi-
nand Hodlers. Sein Werdegang auf
Grund der Sommerausltellung 1917 im
Zürcher Kunfthaus. (Bern, Verlag A.
Francke, 1918, M. 6,50,>
Die große Hodler-Ausftellung in Zürich
1917 gab dem VerfalTer den Anlaß, aus
den dort ausgelt eilten Werken den weiten
und intereflanten Entwicklungsgang Hod-
lers herauszufefen. Kein reiches Tatfachen-
material und biographifche Mitteilungen
füllen das Buch, auch über Zeitgenoßen
Hodlers fällt kaum ein Wort: mit Hint-
anfetzung des pragmatifchen Apparates
verfucht der Verfaßet aus den Bildern
allein als Rohmaterial die Welt Hodlers
aufzubauen, feine Gedankenrichtung, feine
Gedankenformulierung klarzulegen. Schon
daraus allein kennzeichnet fich das Pro-
gramm des Verfaßers: von dem Werk
auf den Urheber zurückzufchließen.
In diefer Beziehung ift der erfie funda-
mentale Punkt die Betonung der entgegen-
gefetzten Auffaflung in den Jugend- und
Spätwerken Hodlers: den Jugendwerken,
die auf den »malerifchen Anfchauungen,
die auf Manet und die fpanifchen Meifter
der 17. Jahrhunderts zurückzuführen find«,
baßeren und den Spätwerken, die eine
intenfive Denkarbeit, ein logifches Gerüft
verraten. Hodler hat den Weg vom Be-
obachter zum Denker durchgemacht. Das
war ein Werdegang, der nicht ohne Kampf
vor fich gehen konnte. In dem Kapitel »Der
innere Kampf der achtziger Jahre« fchildert
Weefe, wie die beiden Richtungen mit-
einander ringen, einander ablöfen, neben-
einander auftauchen, zu Rückfällen führen,
bis endlich zu Beginn der neunziger Jahre
(den tiefften Einfchnitt bedeutet das Ge-
mälde der Nacht> fich Hodlers »architek-
tonifcher« Grundgedanke fiegreich durch-
fetzt und nun von Bild zu Bild immer
präzifer die Formulierung der Welt gibt,
die uns mit dem Namen Hodler identifch ift.
So klar W. die ineinanderlaufenden
Fäden der Entwicklung entwirrt, in einem
Punkte hätte man eine fchärfere Fällung
gewünfcht: daß Hodler nicht durch einen
Zufall zum Denker geworden ift, eine
Frage, die W. als unlöslich offen läßt
(S. 25>. Beobachten und Denken, die fich
in Hodlers Auffaßung der Welt gegenüber

ftehen, find aus einem tieferen Grunde her-
zuleiten, als etwa aus »der Schule des Leh-
rers oder woher auch fonft«, fie wurzeln
in »der Anlage feines Geifies« <S. 13>,
und der ganze Kampf Hodlers ift nichts
anderes als der Kampf, von feiner Ge-
dankenrichtung Widerftrebendem zur For-
mulierung feiner Gedanken zu kommen.
Ja, es ift ein Wefensunterfchied in den
beiden Gedankenrichtungen, der nicht nur
eine perfönliche Angelegenheit Hodlers ift,
fondern auf zwei gegenfätzlichen Welt-
auffafiungen fußt, die in jeder Epoche
andere fpezielle Namen annehmen, doch
aber auf der gleichen Verfchiedenheit be-
ruhen, daß in dem einen Faß das Haupt-
gewicht auf das ewig Wandelbare, Fluk-
tuierende des Lebens gelegt wird, im an-
deren die ftets gleichbleibende Grundlage
des Lebens aufzudecken verfucht wird.
Die Entfcheidung des einzelnen Künftlers
für den einen oder den anderen Weg ift
von feinem Temperament abhängig. Das
Ringen Hodlers, der in einer Zeit auf-
wächft, da gerade eine feiner Gedanken-
richtung entgegengefetzte Kunft: der Im-
preffionismus im weiteilen Sinne des Wortes,
die Führung hatte, ift nichts weiter als
der Verfuch, fich von der fremden Welt-
betrachtung loszuringen, um feine auf an-
derer Grundlage fußenden Gedanken zur
Formulierung zu bringen.
Die allgemeine Grundlage, die Hodler
im Gegenfatz zum Fluktuierenden des Im«
preffionismus darftellen will, ift aber nicht
mit dem Herdenmäßigen, wie es W.
nennt, zu verwechfeln (S. 13>. Was allen
Menfchen zugrunde liegt, ift etwas anderes,
als was den vielen zugrunde liegt, den
vielen, die immer den Gegenfatz zu dem
Einen bilden und nicht die Menfchheit
bedeuten. Hodler intereffiert der Menfch,
und fo wird ihm jede Geltalt zum Re-
präfentanten ihrer Gattung (Stand, foziale
Schicht, Beruf ufw.>, wie es W. Seite 14
formuliert. Aus demfelben Grunde wer-
den aber auch die Bildbenennungen zu
allgemein gehaltenen Anweifungen für eine
Ideenrichtung, die nicht feiten literarilchen
Beigefchmack bekommen.
Mittel und Wege, über das Invidueße
hinaus zu einer Gedankenformulierung zu
kommen, fieht der Verf, im »gefteigerten
 
Annotationen